Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 14. Berlin-Charlottenburg, 20. April 1905.648 A. Kalthoff: Kultur und Partei. Feststellung des Unterrichts= und des Vortragsplanes stattfindenden Sitzun-gen hatte. Die Stellung des Vereins zur Parteileitung war eine durchaus- freundliche. Die Führer der Partei waren entweder selber Mitglieder, oft Vorstandsmitglieder des Vereins, oder sie nahmen an den Festlichkeiten des Vereins teil und hielten auch Vorträge. Mit dem letzten Wechsel in der Re- daktion der Bremer Bürgerzeitung änderte sich die Sache einigermaßen. Eine noch nicht öffentlich hervorgetretene Opposition einzelner Kreise gab dem Vor- stande Veraulassung, die Frage nach der besten Organisation des Vereins mit dem Gewerkschaftskartell zu verhandeln. Die Verhandlungen, die an zwei Abenden auf Grund eines von mir erstatteten Referats über die Aufgaben und Ziele der Arbeiterbildung stattfanden, verliefen im Grunde resultatlos. Jch vertrat mit einem Teil der Anwesenden die Forderung einer allgemeinen Bildung, der andere Teil unter Führung des Redakteurs Schulz forderte rein[unleserliches Material] parteipolitische Bildung. Eine dritte Sitzung, in der die Diskussion hätte zu Ende geführt werden können, sand nicht mehr statt. -- Nun griff die Agi- tation in den Goethebund über. Dem hiesigen Goethebunde sind mehrere Gewerkschaften sowie der so- 648 A. Kalthoff: Kultur und Partei. Feststellung des Unterrichts= und des Vortragsplanes stattfindenden Sitzun-gen hatte. Die Stellung des Vereins zur Parteileitung war eine durchaus- freundliche. Die Führer der Partei waren entweder selber Mitglieder, oft Vorstandsmitglieder des Vereins, oder sie nahmen an den Festlichkeiten des Vereins teil und hielten auch Vorträge. Mit dem letzten Wechsel in der Re- daktion der Bremer Bürgerzeitung änderte sich die Sache einigermaßen. Eine noch nicht öffentlich hervorgetretene Opposition einzelner Kreise gab dem Vor- stande Veraulassung, die Frage nach der besten Organisation des Vereins mit dem Gewerkschaftskartell zu verhandeln. Die Verhandlungen, die an zwei Abenden auf Grund eines von mir erstatteten Referats über die Aufgaben und Ziele der Arbeiterbildung stattfanden, verliefen im Grunde resultatlos. Jch vertrat mit einem Teil der Anwesenden die Forderung einer allgemeinen Bildung, der andere Teil unter Führung des Redakteurs Schulz forderte rein[unleserliches Material] parteipolitische Bildung. Eine dritte Sitzung, in der die Diskussion hätte zu Ende geführt werden können, sand nicht mehr statt. — Nun griff die Agi- tation in den Goethebund über. Dem hiesigen Goethebunde sind mehrere Gewerkschaften sowie der so- <TEI> <text> <body> <div type="jArticle" n="1"> <p><pb facs="#f0008" n="648"/><fw type="header" place="top">648 A. Kalthoff: Kultur und Partei.</fw><lb/> Feststellung des Unterrichts= und des Vortragsplanes stattfindenden Sitzun-<lb/> gen hatte. Die Stellung des Vereins zur Parteileitung war eine durchaus-<lb/> freundliche. Die Führer der Partei waren entweder selber Mitglieder, oft<lb/> Vorstandsmitglieder des Vereins, oder sie nahmen an den Festlichkeiten des<lb/> Vereins teil und hielten auch Vorträge. Mit dem letzten Wechsel in der Re-<lb/> daktion der Bremer Bürgerzeitung änderte sich die Sache einigermaßen. Eine<lb/> noch nicht öffentlich hervorgetretene Opposition einzelner Kreise gab dem Vor-<lb/> stande Veraulassung, die Frage nach der besten Organisation des Vereins mit<lb/> dem Gewerkschaftskartell zu verhandeln. 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Jm Ausschuß, dem Hauptorgan des Bundes, haben<lb/> die Vertreter der Gewerkschaften ausschlaggebende Stimmen, und einer der hie-<lb/> sigen Arbeitersekretäre ist heute noch Vorstandsmitglied. — Durch Beschluß<lb/> des Ausschusses wurde nun im Januar Professor Sombart zu einem Vor-<lb/> trage über Wirtschaft und Kunst berufen. Jn diesem Vortrage entwickelte<lb/> der Redner naturgemäß die Theorie des ökonomischen Materialismus, die er<lb/> auch selbst seinem Vortrage zu Grunde legte, nur daß er dabei die Theorie<lb/> selbst nicht auf die beiden Augen von Marx gestellt, sondern von der ge-<lb/> samten Kulturbewegung der Zeit abgeleitet wissen wollte, — wie das ja<lb/> eigentlich für den. der den Sinn der Theorie richtig erfaßt hat, selbstver-<lb/> ständlich hätte sein sollen. Als zweiter Vorsitzender des Goethebundes wies<lb/> ich in der Versammlung den von der Bürgerzeitung erhobenen Vorwurf, daß<lb/> der Goethebund durch die Verufung Sombarts seine geheime politische Ten-<lb/> denz offenbart habe, zurück und erklärte, im Namen des Vorstandes, daß es<lb/> sich bei dem Vortrage lediglich um eine bedeutsame Frage der Wissenschaft<lb/> und der Weltanschauung handle. Nach diesem Vortrage, der, soweit der<lb/> wissenschaftliche Jnhalt und nicht das persönliche Kunstbekenntnis des Vortra-<lb/> genden in Frage kam, den Zusammenhang zwischen Wirtschaft und Kunst<lb/> rein sachlich, im Sinne der ökonomischen Geschichtsbetrachtung behandelte, er-<lb/> öffnete die Bürgerzeitung ihre Angriffe auf den hiesigen Goethebund, und<lb/> nach einem vom Redakteur Schulz im sozialdemokratischen Vereine erstatte-<lb/> ten Referate, das im Verein selbst die schärfste Zurückweisung erfuhr, wurde<lb/> eine ganz allgemein gehaltene Resolution angenommen, die dann für Re-<lb/> dakteur Schulz Veraulassung wurde, auf einen Austritt der organisierten<lb/> Arbeiter aus dem Goethebunde hinzuarbeiten. Für diese Arbeit, deren Er-<lb/> folg sich heute noch gar nicht bestimmen läßt, ruft nun die Neue Zeit dem<lb/> Redakteur Schulz ein „recht so“ zu und bringt damit die Diskussion einer<lb/> Frage wieder in Fluß, die sicher nicht erst durch Bremen an-<lb/> geregt ist, die sich vielmehr aus der ganzen Entwicklung des Sozialismus, </p> </div> </body> </text> </TEI> [648/0008]
648 A. Kalthoff: Kultur und Partei.
Feststellung des Unterrichts= und des Vortragsplanes stattfindenden Sitzun-
gen hatte. Die Stellung des Vereins zur Parteileitung war eine durchaus-
freundliche. Die Führer der Partei waren entweder selber Mitglieder, oft
Vorstandsmitglieder des Vereins, oder sie nahmen an den Festlichkeiten des
Vereins teil und hielten auch Vorträge. Mit dem letzten Wechsel in der Re-
daktion der Bremer Bürgerzeitung änderte sich die Sache einigermaßen. Eine
noch nicht öffentlich hervorgetretene Opposition einzelner Kreise gab dem Vor-
stande Veraulassung, die Frage nach der besten Organisation des Vereins mit
dem Gewerkschaftskartell zu verhandeln. Die Verhandlungen, die an zwei
Abenden auf Grund eines von mir erstatteten Referats über die Aufgaben
und Ziele der Arbeiterbildung stattfanden, verliefen im Grunde resultatlos.
Jch vertrat mit einem Teil der Anwesenden die Forderung einer allgemeinen
Bildung, der andere Teil unter Führung des Redakteurs Schulz forderte
rein_ parteipolitische Bildung. Eine dritte Sitzung, in der die Diskussion hätte zu
Ende geführt werden können, sand nicht mehr statt. — Nun griff die Agi-
tation in den Goethebund über.
Dem hiesigen Goethebunde sind mehrere Gewerkschaften sowie der so-
zialistische Verein für Volkskunstabende korporativ angegliedert. Der frühere
Redakteur der Bürgerzeitung war Mitglied des Vorstandes und Mitbegrün-
der des Goethebundes. Jm Ausschuß, dem Hauptorgan des Bundes, haben
die Vertreter der Gewerkschaften ausschlaggebende Stimmen, und einer der hie-
sigen Arbeitersekretäre ist heute noch Vorstandsmitglied. — Durch Beschluß
des Ausschusses wurde nun im Januar Professor Sombart zu einem Vor-
trage über Wirtschaft und Kunst berufen. Jn diesem Vortrage entwickelte
der Redner naturgemäß die Theorie des ökonomischen Materialismus, die er
auch selbst seinem Vortrage zu Grunde legte, nur daß er dabei die Theorie
selbst nicht auf die beiden Augen von Marx gestellt, sondern von der ge-
samten Kulturbewegung der Zeit abgeleitet wissen wollte, — wie das ja
eigentlich für den. der den Sinn der Theorie richtig erfaßt hat, selbstver-
ständlich hätte sein sollen. Als zweiter Vorsitzender des Goethebundes wies
ich in der Versammlung den von der Bürgerzeitung erhobenen Vorwurf, daß
der Goethebund durch die Verufung Sombarts seine geheime politische Ten-
denz offenbart habe, zurück und erklärte, im Namen des Vorstandes, daß es
sich bei dem Vortrage lediglich um eine bedeutsame Frage der Wissenschaft
und der Weltanschauung handle. Nach diesem Vortrage, der, soweit der
wissenschaftliche Jnhalt und nicht das persönliche Kunstbekenntnis des Vortra-
genden in Frage kam, den Zusammenhang zwischen Wirtschaft und Kunst
rein sachlich, im Sinne der ökonomischen Geschichtsbetrachtung behandelte, er-
öffnete die Bürgerzeitung ihre Angriffe auf den hiesigen Goethebund, und
nach einem vom Redakteur Schulz im sozialdemokratischen Vereine erstatte-
ten Referate, das im Verein selbst die schärfste Zurückweisung erfuhr, wurde
eine ganz allgemein gehaltene Resolution angenommen, die dann für Re-
dakteur Schulz Veraulassung wurde, auf einen Austritt der organisierten
Arbeiter aus dem Goethebunde hinzuarbeiten. Für diese Arbeit, deren Er-
folg sich heute noch gar nicht bestimmen läßt, ruft nun die Neue Zeit dem
Redakteur Schulz ein „recht so“ zu und bringt damit die Diskussion einer
Frage wieder in Fluß, die sicher nicht erst durch Bremen an-
geregt ist, die sich vielmehr aus der ganzen Entwicklung des Sozialismus,
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