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Das Heller-Blatt. Nr. 9. Breslau, 29. März 1834.

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Das Heller=Blatt.
[Beginn Spaltensatz]

Jm Jahr 1565 hatte man die Pflanze schon in ver-
schiedenen botanischen Gärten. Jm Jahre 1570 rauchte
man schon in Holland aus Röhren von Palmblättern.
Jm Jahre 1585 sahen die Engländer zuerst thönerne
Pfeifen bei den Wilden in Virginien, und vermuthlich
haben sie dieselben zuerst in Europa nachgebildet.
Deutschland lernte den Tabak unter Kaiser Karl V.
durch seine spanischen Kriegsvölker kennen. Jn Kon-
stantinopel
war das Rauchen im Jahre 1610 bekannt.
Jm Jahr 1615 fing der Tabaksbau bei Amersfort,
1616 in Virginien, 1620 bei Straßburg, 1630
oder 1640 bei Nürnberg, um 1660 in der Schweiz
an. Jn der Provinz Brandenburg geschahen die
ersten Versuche damit 1690 durch wallonische Einge-
wanderte; der wirksame Anfang geschah aber erst un-
ter Friedrich Wilhelm I., und ist den Officieren
und Soldaten zu danken, die als Hülfsvölker im Jahr
1734 bei der Reichsarmee gegen Frankreich gestanden,
und die blühenden Pflanzungen in der Pfalz gesehen
hatten. Bald darauf breitete sich der Anbau immer
weiter östlich, und auch in Schlesien aus. Jn Schwe-
den,
unter der Königin Christine, nach 1632, war
der Tabak noch so völlig unbekannt, daß die Bauern
die in einem gestrandeten Schiffe gefundenen Rollen für
Taue hielten, und ihr Vieh damit anbinden wollten.

Schwerlich hat ein Gegenstand des menschlichen
Genusses so große Verfolgungen erfahren, als dieser.
König Jakob I. von England nannte ihn ein schändli-
ches Unkraut, belegte ihn mit einer Abgabe von beinahe
7 Schilling vom Pfunde, befahl: daß in Virginien
Niemand über 100 Pfund bauen sollte, und schrieb
selbst gegen ihn im Jahr 1619 seinen Misocapnos
( Rauchfeind ) . Auch andere Engländer haßten ihn so,
daß es Beispiele von Enterbungen giebt, weil die Söhne
beim Rauchen getroffen worden. Um das Rauchen lä-
cherlich zu machen, stieß man in Konstantinopel
im Jahre 1610 einem Türken eine Pfeife durch die
Nase, und führte ihn damit in der Stadt umher. Jn
Appenzell liefen 1653 Kinder denen nach, die auf
den Straßen Tabak rauchten. Der Rath verbot das
Rauchen überhaupt, und machte die Gastwirthe dafür
verantwortlich. Jn der Berner Polizei=Ordnung
vom Jahre 1661, die nach den zehn Geboten eingetheilt
ist, steht das Rauchen unter dem sechsten. Das Ver-
bot wurde noch 1675 erneuert, bei Thurm=, Pranger-
und Geldstrafe, und man stiftete ein eignes Tabaksge-
richt, welches sich bis zum Jahre 1750 erhalten hat.
Jn Glarus ward das Rauchen in dem Jahre 1670 mit
einer Geldstrafe belegt. Auch manche deutsche Predi-
ger eiferten dagegen noch in dem Jahre 1684. Einer in
Quedlinburg nannte es "ein seelenverderbliches
Wesen, und ein unmittelbares Werk des Teufels."
Jm Jahre 1642 that Pabst Urban VIII. Alle in den
Bann, die in den Kirchen schnupfen würden; Jnno-
cenz
XII. nach 1700 wiederholte dies; Benedict XIII.
[Spaltenumbruch] hatte sich selbst an den Tabak gewöhnt, und hob die
Exkommunikation seiner Vorgänger im Jahre 1724
wieder auf.

Eben so ist der Tabaks bau da und dort beschränkt
worden: z. B. um Straßburg, aus Furcht, daß er
dem Getreidebau Eintrag thun könne; in England
hauptsächlich zur Begünstigung der Kolonien; und wo
Fabrikation und Handel Staatsmonopol, die Preise
der Blätter vom Käufer bestimmt, zur Kultur nur ge-
wisse Provinzen oder Distrikte verstattet wurden, wie
in mehreren Ländern ( auch in Preußen von 1765 bis
1787 ) , da konnte der Tabaksbau wenigstens keine Auf-
munterung finden.

Nach und nach sind die meisten Regierungen von
diesen Verboten oder Einschränkungen zurückgekommen.
Die Kultur, die Verarbeitung, der Gebrauch des Ta-
baks zum Rauchen, Schnupfen und Kauen, sind durch
ganz Deutschland, fast durch ganz Europa, und durch
viele Länder außer Europa, verbreitet, und es ist eine
große Quelle der Beschäftigung und des Erwerbes, wie
zugleich des Finanz=Einkommens, geworden. Der
preußische Diplomat v. Jung, welcher sich im Jahr
1762 und später in Lissabon aufhielt, erzählt unter
andern, daß die dortige königliche Akademie für vater-
ländische Geschichte eine Untersuchung veranlaßt habe:
"welcher Theil des menschlichen Leibes seit vielen Jahr-
hunderten dem Staat sehr gleichgültig gewesen, jetzt
aber ihm am nothwendigsten sei?" Das Wort des
Räthsels ist - "Die Nase, nachdem der Tabak ein Re-
gale, und die ergiebigste Quelle der Einkünfte ge-
worden."

Welche unzähligen Arbeiten unmittelbar, und
welche außerdem mittelbar durch den Tabak ent-
standen sind, von den Werkzeugen zur Bearbeitung
des Bodens an, bis zum Pfeifenstopfer und zur Dose,
wird, als in der Aufzählung zu ermüdend, besser der
Einbildungskraft eines Jeden überlassen bleiben.



Wilder Ginster als Kaffeesurrogat.

Der Saame des wilden Ginsters soll ein ausgezeich-
netes Kaffeesurrogat abgeben. Wenn man ihn leicht
brennt, mahlt und wie gewöhnlichen Kaffee zubereitet,
soll der Unterschied kaum bemerkbar seyn. Jn dem
Theile der Niede lande, der an Deutschland grenzt, hat
man ihn seit vielen Jahren auf diese Art benutzt.



Der Koloß zu Rhodus.

Zu den sieben Wundern der Welt gehörte der
Koloß zu Rhodus, den wir hier abgebildet sehn. Die
Stadt Rhodus ließ durch den berühmten Bildgießer
Chares die 70 Ellen hohe Statue der Sonne oder des
[Ende Spaltensatz]

Das Heller=Blatt.
[Beginn Spaltensatz]

Jm Jahr 1565 hatte man die Pflanze schon in ver-
schiedenen botanischen Gärten. Jm Jahre 1570 rauchte
man schon in Holland aus Röhren von Palmblättern.
Jm Jahre 1585 sahen die Engländer zuerst thönerne
Pfeifen bei den Wilden in Virginien, und vermuthlich
haben sie dieselben zuerst in Europa nachgebildet.
Deutschland lernte den Tabak unter Kaiser Karl V.
durch seine spanischen Kriegsvölker kennen. Jn Kon-
stantinopel
war das Rauchen im Jahre 1610 bekannt.
Jm Jahr 1615 fing der Tabaksbau bei Amersfort,
1616 in Virginien, 1620 bei Straßburg, 1630
oder 1640 bei Nürnberg, um 1660 in der Schweiz
an. Jn der Provinz Brandenburg geschahen die
ersten Versuche damit 1690 durch wallonische Einge-
wanderte; der wirksame Anfang geschah aber erst un-
ter Friedrich Wilhelm I., und ist den Officieren
und Soldaten zu danken, die als Hülfsvölker im Jahr
1734 bei der Reichsarmee gegen Frankreich gestanden,
und die blühenden Pflanzungen in der Pfalz gesehen
hatten. Bald darauf breitete sich der Anbau immer
weiter östlich, und auch in Schlesien aus. Jn Schwe-
den,
unter der Königin Christine, nach 1632, war
der Tabak noch so völlig unbekannt, daß die Bauern
die in einem gestrandeten Schiffe gefundenen Rollen für
Taue hielten, und ihr Vieh damit anbinden wollten.

Schwerlich hat ein Gegenstand des menschlichen
Genusses so große Verfolgungen erfahren, als dieser.
König Jakob I. von England nannte ihn ein schändli-
ches Unkraut, belegte ihn mit einer Abgabe von beinahe
7 Schilling vom Pfunde, befahl: daß in Virginien
Niemand über 100 Pfund bauen sollte, und schrieb
selbst gegen ihn im Jahr 1619 seinen Misocapnos
( Rauchfeind ) . Auch andere Engländer haßten ihn so,
daß es Beispiele von Enterbungen giebt, weil die Söhne
beim Rauchen getroffen worden. Um das Rauchen lä-
cherlich zu machen, stieß man in Konstantinopel
im Jahre 1610 einem Türken eine Pfeife durch die
Nase, und führte ihn damit in der Stadt umher. Jn
Appenzell liefen 1653 Kinder denen nach, die auf
den Straßen Tabak rauchten. Der Rath verbot das
Rauchen überhaupt, und machte die Gastwirthe dafür
verantwortlich. Jn der Berner Polizei=Ordnung
vom Jahre 1661, die nach den zehn Geboten eingetheilt
ist, steht das Rauchen unter dem sechsten. Das Ver-
bot wurde noch 1675 erneuert, bei Thurm=, Pranger-
und Geldstrafe, und man stiftete ein eignes Tabaksge-
richt, welches sich bis zum Jahre 1750 erhalten hat.
Jn Glarus ward das Rauchen in dem Jahre 1670 mit
einer Geldstrafe belegt. Auch manche deutsche Predi-
ger eiferten dagegen noch in dem Jahre 1684. Einer in
Quedlinburg nannte es „ein seelenverderbliches
Wesen, und ein unmittelbares Werk des Teufels.“
Jm Jahre 1642 that Pabst Urban VIII. Alle in den
Bann, die in den Kirchen schnupfen würden; Jnno-
cenz
XII. nach 1700 wiederholte dies; Benedict XIII.
[Spaltenumbruch] hatte sich selbst an den Tabak gewöhnt, und hob die
Exkommunikation seiner Vorgänger im Jahre 1724
wieder auf.

Eben so ist der Tabaks bau da und dort beschränkt
worden: z. B. um Straßburg, aus Furcht, daß er
dem Getreidebau Eintrag thun könne; in England
hauptsächlich zur Begünstigung der Kolonien; und wo
Fabrikation und Handel Staatsmonopol, die Preise
der Blätter vom Käufer bestimmt, zur Kultur nur ge-
wisse Provinzen oder Distrikte verstattet wurden, wie
in mehreren Ländern ( auch in Preußen von 1765 bis
1787 ) , da konnte der Tabaksbau wenigstens keine Auf-
munterung finden.

Nach und nach sind die meisten Regierungen von
diesen Verboten oder Einschränkungen zurückgekommen.
Die Kultur, die Verarbeitung, der Gebrauch des Ta-
baks zum Rauchen, Schnupfen und Kauen, sind durch
ganz Deutschland, fast durch ganz Europa, und durch
viele Länder außer Europa, verbreitet, und es ist eine
große Quelle der Beschäftigung und des Erwerbes, wie
zugleich des Finanz=Einkommens, geworden. Der
preußische Diplomat v. Jung, welcher sich im Jahr
1762 und später in Lissabon aufhielt, erzählt unter
andern, daß die dortige königliche Akademie für vater-
ländische Geschichte eine Untersuchung veranlaßt habe:
„welcher Theil des menschlichen Leibes seit vielen Jahr-
hunderten dem Staat sehr gleichgültig gewesen, jetzt
aber ihm am nothwendigsten sei?“ Das Wort des
Räthsels ist – „Die Nase, nachdem der Tabak ein Re-
gale, und die ergiebigste Quelle der Einkünfte ge-
worden.“

Welche unzähligen Arbeiten unmittelbar, und
welche außerdem mittelbar durch den Tabak ent-
standen sind, von den Werkzeugen zur Bearbeitung
des Bodens an, bis zum Pfeifenstopfer und zur Dose,
wird, als in der Aufzählung zu ermüdend, besser der
Einbildungskraft eines Jeden überlassen bleiben.



Wilder Ginster als Kaffeesurrogat.

Der Saame des wilden Ginsters soll ein ausgezeich-
netes Kaffeesurrogat abgeben. Wenn man ihn leicht
brennt, mahlt und wie gewöhnlichen Kaffee zubereitet,
soll der Unterschied kaum bemerkbar seyn. Jn dem
Theile der Niede lande, der an Deutschland grenzt, hat
man ihn seit vielen Jahren auf diese Art benutzt.



Der Koloß zu Rhodus.

Zu den sieben Wundern der Welt gehörte der
Koloß zu Rhodus, den wir hier abgebildet sehn. Die
Stadt Rhodus ließ durch den berühmten Bildgießer
Chares die 70 Ellen hohe Statue der Sonne oder des
[Ende Spaltensatz]

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Jn dem Theile der Niede lande, der an Deutschland grenzt, hat man ihn seit vielen Jahren auf diese Art benutzt. Der Koloß zu Rhodus. Zu den sieben Wundern der Welt gehörte der Koloß zu Rhodus, den wir hier abgebildet sehn. Die Stadt Rhodus ließ durch den berühmten Bildgießer Chares die 70 Ellen hohe Statue der Sonne oder des

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Zitationshilfe: Das Heller-Blatt. Nr. 9. Breslau, 29. März 1834, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_heller13_1834/3>, abgerufen am 23.11.2024.