Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Das Heller-Blatt. Nr. 14. Breslau, 5. April 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Heller=Blatt.
[Beginn Spaltensatz] große und feste Schneemasse bahnte, und als er sich diese
Oeffnung gemacht hatte, war seine Fluth, seine Wuth
und seine Verheerungen nicht viel geringer als der un-
geheuere Schade, welchen die Schneelawine angerichtet
hatte. Brücken, Forts, kurz alles, was ihm in den
Weg kam, wurde von dem Wasserstrome mit fortgeris-
sen. Der Reisende, welcher durch einige Pässe dieser
Berge geht, ist nie vor Lebensgefahr gesichert.

Das Unglück einer Winterlawine haben wir so
eben erwähnt. Jm Sommer werden die Felsen, welche
an den steilen Seiten der Abgründe hervorragen, bald
durch den schmelzenden Schnee, bald durch starke Re-
gengüsse locker gemacht. Wenn nun eines von diesen
Ereignissen eintritt, so reißen sich die Felsen plötzlich
los, und zermalmen alles, was sich unten befindet.
Herr Ker Porter war nur kurz vor der oben erwähnten
Schneelawine durch den Kaukasus gereiset und so dem
Tode entgangen.



Merkwürdiges Automat.

Als Ludwig XIV. noch ein Kind war, verfertigte
Camus zu seiner Belustigung folgendes Automat,
nämlich eine kleine Kutsche, die von zwei Pferden gezo-
gen wurde, worin eine Dame saß, und hinter welcher
ein Bedienter und ein Page aufstanden. Sobald diese
Maschine an dem einen Ende eines Tisches von gehöri-
gem Umfange aufgestellt wurde, knallte der Kutscher
mit der Peitsche, die Pferde setzten ihre Füße ganz nach
Art der natürlichen in Bewegung, und zogen die Kut-
sche nach sich; wenn dieselbe an dem andern Ende des
Tisches anlangte, wandte sie um, und fuhr dicht am
Rande fort. Sobald sie auf dem Platz anlangte, wo
der König saß, hielt die Kutsche, der Page stieg ab,
öffnete den Kutschenschlag, und die Dame stieg aus,
und überreichte dem Könige mit einer Verneigung eine
Bittschrift, die sie in der Hand trug. Sie wartete ei-
nige Augenblicke, dann verneigte sie sich abermals, und
stieg wieder ein; der Page schloß den Schlag, stieg hin-
ten auf, der Kutscher knallte wieder mit der Peitsche,
und das Fuhrwerk rollte davon.



Schwanengesang.

Jn seinen Bemerkungen über Rio= Janeiro erzählt
Zuccoch: "ein purpurfarbiger Vogel, Sabiar genannt,
ward bei St. Gonzales geschossen und fing, obgleich
schwer verwundet, einen volltönenden Gesang an, den
er bis zu seinen letzten Augenblicken fortsetzte." Könnte
dieser Vogel nicht der Schwan der Alten seyn, von dem
so oft erzählt wird, er singe bei seinem Tode?



[Spaltenumbruch]
Das Kolosseum in Rom.

Das Kolosseum ist unter den Bauwerken Roms
das großartigste, und erregt, wiewohl jetzt fast in
Trümmern, die Bewunderung und das Erstaunen des
Beschauers. Eine angemessene Vorstellung von diesem
erhabenen Gebäude beizubringen, ist ein Beginnen, was
die Feder nicht auszuführen vermag; man muß es selbst
sehen, um es richtig würdigen zu können.

Das Kolosseum wurde unter Kaiser Vespasianus
angefangen und unter Titus ( 76 Jahre nach Christi Ge-
burt ) vollendet. Obwohl 30,000 kriegsgefangene Ju-
den daran angestrengt arbeiteten, so dauerte der Bau
doch drei Jahre. Das Gebäude nahm einen Raum
von 6 Ackern Landes ein; seine größte Länge ( das Ge-
bäude ist länglich rund ) betrug 620, und seine größte
Breite 513 Fuß. Es konnte 85,000 Zuschauer fassen.
Die äußere Ringmauer war 157 Fuß hoch und hatte
vier Reihen Fenster, welche in jedem Stockwerk mit
einer Ordnung von verschiedener Bauart, der dorischen,
jonischen, korinthischen und gemischten, geziert waren.
Um die Arena, ( den Kampfplatz ) gingen Logen oder
Gewölbe, in denen man die Thiere einsperrte, welche
man zum Kampfe bestimmte. Unmittelbar darüber,
15 Fuß über dem Boden, befand sich eine zirkelförmige
Gallerie, die mit Säulen und Geländern geziert, das
Podium bildeten. Hier befand sich der Kaiser, der
Senat, die fremden Gesandten, und die vornehmsten
Römer. Der Raum zwischen dem Podium und dem obern
Theile der zweiten Gallerie, war mit Marmorsitzen für
den Ritterstand versehn, und darüber waren wieder eine
Menge Reihen von Sitzen aus Stein oder Holz für
das übrige Volk. Jnwendig gelangte man zu jeder
Gallerie auf verschiedenen Treppen, an denen sich oben
die Thüren befanden. Es gab zwei Arten von Gerin-
nen; die einen dienten zur Ableitung des Regenwassers,
die andern waren zur Aufnahme von wohlriechenden
Wässern bestimmt. Damit nun endlich die Zuschauer
weder durch Regen noch durch Sonnenschein zu leiden
hatten, waren oben Oeffnungen angebracht, um Segel-
Ueberhänge hindurch zu stecken, die durch den Architrav
und den Fries in eine Reihe von Körbchen gingen, und
vollkommen schützten.

Als Titus das Kolosseum einweihte, wurden nach
dem Dio Cassius 9000 wilde Thiere auf die Arena ein-
geführt, mit welchen von den Römern gefangen gehal-
tene Christen kämpfen mußten. Am Schlusse dieses
grausamen Schauspiels wurde der ganze Platz unter
Wasser gesetzt, und zwei Flotten führten eine See-
schlacht auf. Um die Ausdünstung der ungeheuern
Menschenmasse weniger schädlich zu machen, wurde
wohlriechendes Wasser, und häufig Wein mit Safran
vermischt, oben von einem Gitterwerk auf die Zuschauer
herabgesprengt.

[Ende Spaltensatz]

Das Heller=Blatt.
[Beginn Spaltensatz] große und feste Schneemasse bahnte, und als er sich diese
Oeffnung gemacht hatte, war seine Fluth, seine Wuth
und seine Verheerungen nicht viel geringer als der un-
geheuere Schade, welchen die Schneelawine angerichtet
hatte. Brücken, Forts, kurz alles, was ihm in den
Weg kam, wurde von dem Wasserstrome mit fortgeris-
sen. Der Reisende, welcher durch einige Pässe dieser
Berge geht, ist nie vor Lebensgefahr gesichert.

Das Unglück einer Winterlawine haben wir so
eben erwähnt. Jm Sommer werden die Felsen, welche
an den steilen Seiten der Abgründe hervorragen, bald
durch den schmelzenden Schnee, bald durch starke Re-
gengüsse locker gemacht. Wenn nun eines von diesen
Ereignissen eintritt, so reißen sich die Felsen plötzlich
los, und zermalmen alles, was sich unten befindet.
Herr Ker Porter war nur kurz vor der oben erwähnten
Schneelawine durch den Kaukasus gereiset und so dem
Tode entgangen.



Merkwürdiges Automat.

Als Ludwig XIV. noch ein Kind war, verfertigte
Camus zu seiner Belustigung folgendes Automat,
nämlich eine kleine Kutsche, die von zwei Pferden gezo-
gen wurde, worin eine Dame saß, und hinter welcher
ein Bedienter und ein Page aufstanden. Sobald diese
Maschine an dem einen Ende eines Tisches von gehöri-
gem Umfange aufgestellt wurde, knallte der Kutscher
mit der Peitsche, die Pferde setzten ihre Füße ganz nach
Art der natürlichen in Bewegung, und zogen die Kut-
sche nach sich; wenn dieselbe an dem andern Ende des
Tisches anlangte, wandte sie um, und fuhr dicht am
Rande fort. Sobald sie auf dem Platz anlangte, wo
der König saß, hielt die Kutsche, der Page stieg ab,
öffnete den Kutschenschlag, und die Dame stieg aus,
und überreichte dem Könige mit einer Verneigung eine
Bittschrift, die sie in der Hand trug. Sie wartete ei-
nige Augenblicke, dann verneigte sie sich abermals, und
stieg wieder ein; der Page schloß den Schlag, stieg hin-
ten auf, der Kutscher knallte wieder mit der Peitsche,
und das Fuhrwerk rollte davon.



Schwanengesang.

Jn seinen Bemerkungen über Rio= Janeiro erzählt
Zuccoch: „ein purpurfarbiger Vogel, Sabiar genannt,
ward bei St. Gonzales geschossen und fing, obgleich
schwer verwundet, einen volltönenden Gesang an, den
er bis zu seinen letzten Augenblicken fortsetzte.“ Könnte
dieser Vogel nicht der Schwan der Alten seyn, von dem
so oft erzählt wird, er singe bei seinem Tode?



[Spaltenumbruch]
Das Kolosseum in Rom.

Das Kolosseum ist unter den Bauwerken Roms
das großartigste, und erregt, wiewohl jetzt fast in
Trümmern, die Bewunderung und das Erstaunen des
Beschauers. Eine angemessene Vorstellung von diesem
erhabenen Gebäude beizubringen, ist ein Beginnen, was
die Feder nicht auszuführen vermag; man muß es selbst
sehen, um es richtig würdigen zu können.

Das Kolosseum wurde unter Kaiser Vespasianus
angefangen und unter Titus ( 76 Jahre nach Christi Ge-
burt ) vollendet. Obwohl 30,000 kriegsgefangene Ju-
den daran angestrengt arbeiteten, so dauerte der Bau
doch drei Jahre. Das Gebäude nahm einen Raum
von 6 Ackern Landes ein; seine größte Länge ( das Ge-
bäude ist länglich rund ) betrug 620, und seine größte
Breite 513 Fuß. Es konnte 85,000 Zuschauer fassen.
Die äußere Ringmauer war 157 Fuß hoch und hatte
vier Reihen Fenster, welche in jedem Stockwerk mit
einer Ordnung von verschiedener Bauart, der dorischen,
jonischen, korinthischen und gemischten, geziert waren.
Um die Arena, ( den Kampfplatz ) gingen Logen oder
Gewölbe, in denen man die Thiere einsperrte, welche
man zum Kampfe bestimmte. Unmittelbar darüber,
15 Fuß über dem Boden, befand sich eine zirkelförmige
Gallerie, die mit Säulen und Geländern geziert, das
Podium bildeten. Hier befand sich der Kaiser, der
Senat, die fremden Gesandten, und die vornehmsten
Römer. Der Raum zwischen dem Podium und dem obern
Theile der zweiten Gallerie, war mit Marmorsitzen für
den Ritterstand versehn, und darüber waren wieder eine
Menge Reihen von Sitzen aus Stein oder Holz für
das übrige Volk. Jnwendig gelangte man zu jeder
Gallerie auf verschiedenen Treppen, an denen sich oben
die Thüren befanden. Es gab zwei Arten von Gerin-
nen; die einen dienten zur Ableitung des Regenwassers,
die andern waren zur Aufnahme von wohlriechenden
Wässern bestimmt. Damit nun endlich die Zuschauer
weder durch Regen noch durch Sonnenschein zu leiden
hatten, waren oben Oeffnungen angebracht, um Segel-
Ueberhänge hindurch zu stecken, die durch den Architrav
und den Fries in eine Reihe von Körbchen gingen, und
vollkommen schützten.

Als Titus das Kolosseum einweihte, wurden nach
dem Dio Cassius 9000 wilde Thiere auf die Arena ein-
geführt, mit welchen von den Römern gefangen gehal-
tene Christen kämpfen mußten. Am Schlusse dieses
grausamen Schauspiels wurde der ganze Platz unter
Wasser gesetzt, und zwei Flotten führten eine See-
schlacht auf. Um die Ausdünstung der ungeheuern
Menschenmasse weniger schädlich zu machen, wurde
wohlriechendes Wasser, und häufig Wein mit Safran
vermischt, oben von einem Gitterwerk auf die Zuschauer
herabgesprengt.

[Ende Spaltensatz]
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <p><pb facs="#f0007" n="111"/><fw type="header" place="top"><hi rendition="#g">Das Heller=Blatt.</hi></fw><cb type="start"/>
große und feste Schneemasse bahnte, und als er sich diese<lb/>
Oeffnung gemacht hatte, war seine Fluth, seine Wuth<lb/>
und seine Verheerungen nicht viel geringer als der un-<lb/>
geheuere Schade, welchen die Schneelawine angerichtet<lb/>
hatte. Brücken, Forts, kurz alles, was ihm in den<lb/>
Weg kam, wurde von dem Wasserstrome mit fortgeris-<lb/>
sen. Der Reisende, welcher durch einige Pässe dieser<lb/>
Berge geht, ist nie vor Lebensgefahr gesichert.</p><lb/>
        <p>Das Unglück einer Winterlawine haben wir so<lb/>
eben erwähnt. Jm Sommer werden die Felsen, welche<lb/>
an den steilen Seiten der Abgründe hervorragen, bald<lb/>
durch den schmelzenden Schnee, bald durch starke Re-<lb/>
gengüsse locker gemacht. Wenn nun eines von diesen<lb/>
Ereignissen eintritt, so reißen sich die Felsen plötzlich<lb/>
los, und zermalmen alles, was sich unten befindet.<lb/>
Herr Ker Porter war nur kurz vor der oben erwähnten<lb/>
Schneelawine durch den Kaukasus gereiset und so dem<lb/>
Tode entgangen.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Merkwürdiges Automat</hi>.</hi> </head><lb/>
        <p>Als Ludwig <hi rendition="#aq">XIV</hi>. noch ein Kind war, verfertigte<lb/><hi rendition="#g">Camus</hi> zu seiner Belustigung folgendes Automat,<lb/>
nämlich eine kleine Kutsche, die von zwei Pferden gezo-<lb/>
gen wurde, worin eine Dame saß, und hinter welcher<lb/>
ein Bedienter und ein Page aufstanden. Sobald diese<lb/>
Maschine an dem einen Ende eines Tisches von gehöri-<lb/>
gem Umfange aufgestellt wurde, knallte der Kutscher<lb/>
mit der Peitsche, die Pferde setzten ihre Füße ganz nach<lb/>
Art der natürlichen in Bewegung, und zogen die Kut-<lb/>
sche nach sich; wenn dieselbe an dem andern Ende des<lb/>
Tisches anlangte, wandte sie um, und fuhr dicht am<lb/>
Rande fort. Sobald sie auf dem Platz anlangte, wo<lb/>
der König saß, hielt die Kutsche, der Page stieg ab,<lb/>
öffnete den Kutschenschlag, und die Dame stieg aus,<lb/>
und überreichte dem Könige mit einer Verneigung eine<lb/>
Bittschrift, die sie in der Hand trug. Sie wartete ei-<lb/>
nige Augenblicke, dann verneigte sie sich abermals, und<lb/>
stieg wieder ein; der Page schloß den Schlag, stieg hin-<lb/>
ten auf, der Kutscher knallte wieder mit der Peitsche,<lb/>
und das Fuhrwerk rollte davon.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Schwanengesang</hi>.</hi> </head><lb/>
        <p>Jn seinen Bemerkungen über Rio= Janeiro erzählt<lb/>
Zuccoch: &#x201E;ein purpurfarbiger Vogel, Sabiar genannt,<lb/>
ward bei St. Gonzales geschossen und fing, obgleich<lb/>
schwer verwundet, einen volltönenden Gesang an, den<lb/>
er bis zu seinen letzten Augenblicken fortsetzte.&#x201C; Könnte<lb/>
dieser Vogel nicht der Schwan der Alten seyn, von dem<lb/>
so oft erzählt wird, er singe bei seinem Tode?</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <cb n="2"/>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Das Kolosseum in Rom</hi>.</hi> </head><lb/>
        <p>Das Kolosseum ist unter den Bauwerken Roms<lb/>
das großartigste, und erregt, wiewohl jetzt fast in<lb/>
Trümmern, die Bewunderung und das Erstaunen des<lb/>
Beschauers. Eine angemessene Vorstellung von diesem<lb/>
erhabenen Gebäude beizubringen, ist ein Beginnen, was<lb/>
die Feder nicht auszuführen vermag; man muß es selbst<lb/>
sehen, um es richtig würdigen zu können.</p><lb/>
        <p>Das Kolosseum wurde unter Kaiser Vespasianus<lb/>
angefangen und unter Titus ( 76 Jahre nach Christi Ge-<lb/>
burt ) vollendet. Obwohl 30,000 kriegsgefangene Ju-<lb/>
den daran angestrengt arbeiteten, so dauerte der Bau<lb/>
doch drei Jahre. Das Gebäude nahm einen Raum<lb/>
von 6 Ackern Landes ein; seine größte Länge ( das Ge-<lb/>
bäude ist länglich rund ) betrug 620, und seine größte<lb/>
Breite 513 Fuß. Es konnte 85,000 Zuschauer fassen.<lb/>
Die äußere Ringmauer war 157 Fuß hoch und hatte<lb/>
vier Reihen Fenster, welche in jedem Stockwerk mit<lb/>
einer Ordnung von verschiedener Bauart, der dorischen,<lb/>
jonischen, korinthischen und gemischten, geziert waren.<lb/>
Um die <hi rendition="#g">Arena,</hi> ( den Kampfplatz ) gingen Logen oder<lb/>
Gewölbe, in denen man die Thiere einsperrte, welche<lb/>
man zum Kampfe bestimmte. Unmittelbar darüber,<lb/>
15 Fuß über dem Boden, befand sich eine zirkelförmige<lb/>
Gallerie, die mit Säulen und Geländern geziert, das<lb/><hi rendition="#g">Podium</hi> bildeten. Hier befand sich der Kaiser, der<lb/>
Senat, die fremden Gesandten, und die vornehmsten<lb/>
Römer. Der Raum zwischen dem Podium und dem obern<lb/>
Theile der zweiten Gallerie, war mit Marmorsitzen für<lb/>
den Ritterstand versehn, und darüber waren wieder eine<lb/>
Menge Reihen von Sitzen aus Stein oder Holz für<lb/>
das übrige Volk. Jnwendig gelangte man zu jeder<lb/>
Gallerie auf verschiedenen Treppen, an denen sich oben<lb/>
die Thüren befanden. Es gab zwei Arten von Gerin-<lb/>
nen; die einen dienten zur Ableitung des Regenwassers,<lb/>
die andern waren zur Aufnahme von wohlriechenden<lb/>
Wässern bestimmt. Damit nun endlich die Zuschauer<lb/>
weder durch Regen noch durch Sonnenschein zu leiden<lb/>
hatten, waren oben Oeffnungen angebracht, um Segel-<lb/>
Ueberhänge hindurch zu stecken, die durch den Architrav<lb/>
und den Fries in eine Reihe von Körbchen gingen, und<lb/>
vollkommen schützten.</p><lb/>
        <p>Als Titus das Kolosseum einweihte, wurden nach<lb/>
dem Dio Cassius 9000 wilde Thiere auf die <hi rendition="#g">Arena</hi> ein-<lb/>
geführt, mit welchen von den Römern gefangen gehal-<lb/>
tene Christen kämpfen mußten. Am Schlusse dieses<lb/>
grausamen Schauspiels wurde der ganze Platz unter<lb/>
Wasser gesetzt, und zwei Flotten führten eine See-<lb/>
schlacht auf. Um die Ausdünstung der ungeheuern<lb/>
Menschenmasse weniger schädlich zu machen, wurde<lb/>
wohlriechendes Wasser, und häufig Wein mit Safran<lb/>
vermischt, oben von einem Gitterwerk auf die Zuschauer<lb/>
herabgesprengt.</p><lb/>
        <cb type="end"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[111/0007] Das Heller=Blatt. große und feste Schneemasse bahnte, und als er sich diese Oeffnung gemacht hatte, war seine Fluth, seine Wuth und seine Verheerungen nicht viel geringer als der un- geheuere Schade, welchen die Schneelawine angerichtet hatte. Brücken, Forts, kurz alles, was ihm in den Weg kam, wurde von dem Wasserstrome mit fortgeris- sen. Der Reisende, welcher durch einige Pässe dieser Berge geht, ist nie vor Lebensgefahr gesichert. Das Unglück einer Winterlawine haben wir so eben erwähnt. Jm Sommer werden die Felsen, welche an den steilen Seiten der Abgründe hervorragen, bald durch den schmelzenden Schnee, bald durch starke Re- gengüsse locker gemacht. Wenn nun eines von diesen Ereignissen eintritt, so reißen sich die Felsen plötzlich los, und zermalmen alles, was sich unten befindet. Herr Ker Porter war nur kurz vor der oben erwähnten Schneelawine durch den Kaukasus gereiset und so dem Tode entgangen. Merkwürdiges Automat. Als Ludwig XIV. noch ein Kind war, verfertigte Camus zu seiner Belustigung folgendes Automat, nämlich eine kleine Kutsche, die von zwei Pferden gezo- gen wurde, worin eine Dame saß, und hinter welcher ein Bedienter und ein Page aufstanden. Sobald diese Maschine an dem einen Ende eines Tisches von gehöri- gem Umfange aufgestellt wurde, knallte der Kutscher mit der Peitsche, die Pferde setzten ihre Füße ganz nach Art der natürlichen in Bewegung, und zogen die Kut- sche nach sich; wenn dieselbe an dem andern Ende des Tisches anlangte, wandte sie um, und fuhr dicht am Rande fort. Sobald sie auf dem Platz anlangte, wo der König saß, hielt die Kutsche, der Page stieg ab, öffnete den Kutschenschlag, und die Dame stieg aus, und überreichte dem Könige mit einer Verneigung eine Bittschrift, die sie in der Hand trug. Sie wartete ei- nige Augenblicke, dann verneigte sie sich abermals, und stieg wieder ein; der Page schloß den Schlag, stieg hin- ten auf, der Kutscher knallte wieder mit der Peitsche, und das Fuhrwerk rollte davon. Schwanengesang. Jn seinen Bemerkungen über Rio= Janeiro erzählt Zuccoch: „ein purpurfarbiger Vogel, Sabiar genannt, ward bei St. Gonzales geschossen und fing, obgleich schwer verwundet, einen volltönenden Gesang an, den er bis zu seinen letzten Augenblicken fortsetzte.“ Könnte dieser Vogel nicht der Schwan der Alten seyn, von dem so oft erzählt wird, er singe bei seinem Tode? Das Kolosseum in Rom. Das Kolosseum ist unter den Bauwerken Roms das großartigste, und erregt, wiewohl jetzt fast in Trümmern, die Bewunderung und das Erstaunen des Beschauers. Eine angemessene Vorstellung von diesem erhabenen Gebäude beizubringen, ist ein Beginnen, was die Feder nicht auszuführen vermag; man muß es selbst sehen, um es richtig würdigen zu können. Das Kolosseum wurde unter Kaiser Vespasianus angefangen und unter Titus ( 76 Jahre nach Christi Ge- burt ) vollendet. Obwohl 30,000 kriegsgefangene Ju- den daran angestrengt arbeiteten, so dauerte der Bau doch drei Jahre. Das Gebäude nahm einen Raum von 6 Ackern Landes ein; seine größte Länge ( das Ge- bäude ist länglich rund ) betrug 620, und seine größte Breite 513 Fuß. Es konnte 85,000 Zuschauer fassen. Die äußere Ringmauer war 157 Fuß hoch und hatte vier Reihen Fenster, welche in jedem Stockwerk mit einer Ordnung von verschiedener Bauart, der dorischen, jonischen, korinthischen und gemischten, geziert waren. Um die Arena, ( den Kampfplatz ) gingen Logen oder Gewölbe, in denen man die Thiere einsperrte, welche man zum Kampfe bestimmte. Unmittelbar darüber, 15 Fuß über dem Boden, befand sich eine zirkelförmige Gallerie, die mit Säulen und Geländern geziert, das Podium bildeten. Hier befand sich der Kaiser, der Senat, die fremden Gesandten, und die vornehmsten Römer. Der Raum zwischen dem Podium und dem obern Theile der zweiten Gallerie, war mit Marmorsitzen für den Ritterstand versehn, und darüber waren wieder eine Menge Reihen von Sitzen aus Stein oder Holz für das übrige Volk. Jnwendig gelangte man zu jeder Gallerie auf verschiedenen Treppen, an denen sich oben die Thüren befanden. Es gab zwei Arten von Gerin- nen; die einen dienten zur Ableitung des Regenwassers, die andern waren zur Aufnahme von wohlriechenden Wässern bestimmt. Damit nun endlich die Zuschauer weder durch Regen noch durch Sonnenschein zu leiden hatten, waren oben Oeffnungen angebracht, um Segel- Ueberhänge hindurch zu stecken, die durch den Architrav und den Fries in eine Reihe von Körbchen gingen, und vollkommen schützten. Als Titus das Kolosseum einweihte, wurden nach dem Dio Cassius 9000 wilde Thiere auf die Arena ein- geführt, mit welchen von den Römern gefangen gehal- tene Christen kämpfen mußten. Am Schlusse dieses grausamen Schauspiels wurde der ganze Platz unter Wasser gesetzt, und zwei Flotten führten eine See- schlacht auf. Um die Ausdünstung der ungeheuern Menschenmasse weniger schädlich zu machen, wurde wohlriechendes Wasser, und häufig Wein mit Safran vermischt, oben von einem Gitterwerk auf die Zuschauer herabgesprengt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_heller14_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_heller14_1834/7
Zitationshilfe: Das Heller-Blatt. Nr. 14. Breslau, 5. April 1834, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_heller14_1834/7>, abgerufen am 21.11.2024.