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Das Heller-Blatt. Nr. 26. Breslau, 28. Juni 1834.

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Das Heller=Blatt.
[Beginn Spaltensatz] Schauspiel, als ein Ceylonese zu mir hereintrat, den
ich augenblicklich darauf aufmerksam machte. Voll
Schrecken stand dieser todtenbleich da. Er beschwor
mich hastig, alle meine Thüren zu verriegeln, denn,
was ich für einen Baumast hielt, sei eine Schlange von
ungeheurer Größe, die sich in ihrer Lust in mannig-
fachen Windungen hin und her schwenke. Davon über-
zeugte ich mich bald. Als ich genauer hinsah, bemerkte
ich, wie sie eben ein kleines Thier ergriff, und nach
und nach verschlang. Der Ceylonese sagte mir, daß es
unerhört sei, daß dies Ungeheuer sich so nahe an Men-
[Spaltenumbruch] schenwohnungen zeige. Diese auf der Jnsel leider nur
zu gut bekannte Schlange hält sich gewöhnlich nur im
Dickicht der Wälder auf, wo sie nicht selten unversehens
von einem mächtigen Baume herabstürzt und den Wan-
drer erwürgt.

Ehe eine Stunde vergangen war, hatten wir be-
schlossen, zwölf an der Zahl, alle zu Pferde und wohl-
bewaffnet gegen sie auszuziehen, um sie zu tödten. Wir
ritten der Stelle näher, wo sich das Unthier befand,
und fanden es viel größer, als es anfangs geschienen
hatte, so daß Jeder wünschte, erst wieder mit heiler
[Ende Spaltensatz] [Abbildung]

Die Anakonda oder Abgottsschlange.


[Beginn Spaltensatz] Haut zu Hause zu seyn, und sich auch nicht Einer ent-
schließen konnte, sein Gewehr abzufeuern. Wir hatten
also volle Muße die Schlange genauer zu betrachten.
Alle Beschreibungen von Ungeheuern dieser Art erreichen
das nicht, was wir jetzt vor uns sahen. Ein schauer-
liches Gemisch von Schreckniß und Schönheit. Wir
sahen es mit Entsetzen und Bewunderung an. - Die
Eingebornen versicherten einstimmig, sie sei weit größer
als irgend eine, die sie je gesehen. Das lange Unthier
war dicker als ein Mann am dicksten Theile seines Lei-
bes. Oft hing es am Schweife von den höchsten Aesten
des Baumes herab, und bei seiner außerordentlichen
Behendigkeit und Gewandtheit schlang es sich jetzt bei
der Hitze des Tages zu seiner Lust in tausenderlei Win-
dungen mit wunderbarem Spiele um die Zacken des
[Spaltenumbruch] Baumes; zuweilen kam es herunter, flocht den Schweif
rund um den untersten Theil des Stammes und streckte
sich dann in seiner ganzen Länge rings um denselben auf
den Boden hin. Zu unserm Schrecken fuhr es einmal
mit Blitzesschnelle wieder den Baum hinauf. Was
war die Ursache? Ein kleines Thier, etwa so groß wie
ein Fuchs, kam langsam seines Weges heran. Die
Schlange, die sich unbeweglich auf dem Baume hielt,
schoß nun auf das Thier herab, ereilte es bald und ver-
schlang es in einem Nu. Hierauf legte sie sich in ihrer
ganzen Länge auf die Erde, sich mit ihrer schwarzen,
breiten Doppelzunge beleckend, den Schweif immer um
den Baum gewickelt. Das Ungethüm war, wie ein
Krokodill, mit Schuppen bedeckt, die in der Mitte in
die Höhe standen. Der Kopf war grün mit einem
[Ende Spaltensatz]

Das Heller=Blatt.
[Beginn Spaltensatz] Schauspiel, als ein Ceylonese zu mir hereintrat, den
ich augenblicklich darauf aufmerksam machte. Voll
Schrecken stand dieser todtenbleich da. Er beschwor
mich hastig, alle meine Thüren zu verriegeln, denn,
was ich für einen Baumast hielt, sei eine Schlange von
ungeheurer Größe, die sich in ihrer Lust in mannig-
fachen Windungen hin und her schwenke. Davon über-
zeugte ich mich bald. Als ich genauer hinsah, bemerkte
ich, wie sie eben ein kleines Thier ergriff, und nach
und nach verschlang. Der Ceylonese sagte mir, daß es
unerhört sei, daß dies Ungeheuer sich so nahe an Men-
[Spaltenumbruch] schenwohnungen zeige. Diese auf der Jnsel leider nur
zu gut bekannte Schlange hält sich gewöhnlich nur im
Dickicht der Wälder auf, wo sie nicht selten unversehens
von einem mächtigen Baume herabstürzt und den Wan-
drer erwürgt.

Ehe eine Stunde vergangen war, hatten wir be-
schlossen, zwölf an der Zahl, alle zu Pferde und wohl-
bewaffnet gegen sie auszuziehen, um sie zu tödten. Wir
ritten der Stelle näher, wo sich das Unthier befand,
und fanden es viel größer, als es anfangs geschienen
hatte, so daß Jeder wünschte, erst wieder mit heiler
[Ende Spaltensatz] [Abbildung]

Die Anakonda oder Abgottsschlange.


[Beginn Spaltensatz] Haut zu Hause zu seyn, und sich auch nicht Einer ent-
schließen konnte, sein Gewehr abzufeuern. Wir hatten
also volle Muße die Schlange genauer zu betrachten.
Alle Beschreibungen von Ungeheuern dieser Art erreichen
das nicht, was wir jetzt vor uns sahen. Ein schauer-
liches Gemisch von Schreckniß und Schönheit. Wir
sahen es mit Entsetzen und Bewunderung an. – Die
Eingebornen versicherten einstimmig, sie sei weit größer
als irgend eine, die sie je gesehen. Das lange Unthier
war dicker als ein Mann am dicksten Theile seines Lei-
bes. Oft hing es am Schweife von den höchsten Aesten
des Baumes herab, und bei seiner außerordentlichen
Behendigkeit und Gewandtheit schlang es sich jetzt bei
der Hitze des Tages zu seiner Lust in tausenderlei Win-
dungen mit wunderbarem Spiele um die Zacken des
[Spaltenumbruch] Baumes; zuweilen kam es herunter, flocht den Schweif
rund um den untersten Theil des Stammes und streckte
sich dann in seiner ganzen Länge rings um denselben auf
den Boden hin. Zu unserm Schrecken fuhr es einmal
mit Blitzesschnelle wieder den Baum hinauf. Was
war die Ursache? Ein kleines Thier, etwa so groß wie
ein Fuchs, kam langsam seines Weges heran. Die
Schlange, die sich unbeweglich auf dem Baume hielt,
schoß nun auf das Thier herab, ereilte es bald und ver-
schlang es in einem Nu. Hierauf legte sie sich in ihrer
ganzen Länge auf die Erde, sich mit ihrer schwarzen,
breiten Doppelzunge beleckend, den Schweif immer um
den Baum gewickelt. Das Ungethüm war, wie ein
Krokodill, mit Schuppen bedeckt, die in der Mitte in
die Höhe standen. Der Kopf war grün mit einem
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Zitationshilfe: Das Heller-Blatt. Nr. 26. Breslau, 28. Juni 1834, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_heller26_1834/5>, abgerufen am 18.06.2024.