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Das Heller-Blatt. Nr. 34. Breslau, 23. August 1834.

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Das Heller=Blatt.
[Beginn Spaltensatz] krieg ein Ende und der Hoffnung einer neuen bessern
Zukunft Platz gemacht wurde. Athen, jetzt zur Haupt-
stadt Griechenlands erkoren, ist auf 10 bis 12,000 Ein-
wohner herabgesunken und sein Aeußeres ehrwürdig in
seinen Trümmern. Noch schaut das Schloß von Athen,
die alte Kekropsburg ( Akropolis ) , prächtig und gebie-
tend auf die Ebene, den Schauplatz so vieler Großtha-
ten herab. Klarke giebt von den Trümmern des alten
Athens folgende Beschreibung: "Nähert man sich die-
ser berühmten Stadt vom Meere her, so bietet sie eine
Ansicht dar, die man nicht reizend und entzückend genug
schildern kann. Die Akropolis war schon in einer Ent-
fernung von 4 Meilen sichtbar. Das zurückgeworfene
Sonnenlicht gab ihr ein glänzend weißes Ansehn. Die
hohen Kalkfelsen der Akropolis, besetzt mit den pracht-
vollen Tempeln, dem Parthenon, Erechtheum und an-
dern, erschienen an der Spitze einer langen Bergkette.
Zu ihren Füßen die herrlichen Ruinen des Tempels des
olympischen Jupiters. Jm Vordergrunde entfaltete
sich die ganze neue Stadt Athen mit ihren Gärten,
Ruinen, Moscheen und Mauern, die sich unter der
Burg in der Ebene ausbreitet."

Athen hat jetzt unregelmäßige Straßen und ist von
einem plump aufgeschütteten Wall umgeben. Aber die
alte Stadt lag größtentheils außerhalb der Ringmauern
der jetzigen, und diesem Umstande verdankt man noch
die Erhaltung vieler alter Denkmäler, da die in der
jetzigen Stadt befindlichen zu neuen Bauten nach und
nach benutzt und dadurch zerstört wurden.



Das Sparen.

Thümmel hatte ausgerechnet, wie viel Zeit mit
dem wiederholten Schreiben der Titulaturen verloren
ginge. Es war ein hübscher ansehnlicher Theil vom
Leben. Man könnte sich die Mühe sparen, wenn über-
haupt dadurch etwas gewonnen würde, daß man sich
im Leben die Mühe sparte. Die Menschen wollen be-
schäftigt seyn; womit? - das gilt ihnen gleich, wenn
sie nur etwas zu thun finden. Ein Mensch, der hun-
dert Jahre lebt, zieht 36,000 Mal sich an und aus,
um immer wieder sich an= und auszuziehen. Man rei-
nigt Zimmer und Geräthe, damit sie sich wieder be-
stauben können. Die Natur will es so; sie giebt uns
zu essen, zu trinken, und läßt uns alle Tage wieder
hungrig und durstig werden. - Mit dem Begriff des
Ersparens hat man es noch lange nicht auf's Reine ge-
bracht. Am Ende fände wohl gar Mancher, daß es
am besten wäre, wenn sich der Schöpfer die ganze Welt
erspart hätte. Aufwand, möglichster Aufwand ist der
Natur Gesetz. Nicht um zu sparen, sondern zu ver-
schwenden, wie es scheint, füllt sich der Baum mit
Blüthen, worunter kaum der zehnte Theil zur Frucht
gedeiht. - Verloren geht darum nicht eine. Nur an-
[Spaltenumbruch] ders will sie die Natur gebrauchen, als wie des Men-
schen Sparsucht. Wollen wir indeß anfangen zu spa-
ren, so sparen wir uns zuvörderst alle fruchtlosen Wün-
sche, alle peinlichen Sorgen und Bekümmernisse, die
uns nicht mehr gewähren, als wir haben, und uns
das Wenigscheinende noch verkümmern. Das immer
Wiederkehrende ist es nicht, was uns das Leben lang-
weilig macht. Das ewige Erwarten ist's. Uns quält
die Sonne nicht, wenn sie alle Tage auf= und unter-
geht. Uns quält das Wiedersehen geliebter Freunde
nicht. Die Unlust quält uns und der Ueberdruß. Vor
diesen Feinden des frohen und vergnügten Daseyns soll
sich der Mensch verwahren. Schlechter ausgesonnen
war vielleicht kein Sprüchwort in der Welt, als das
bekannte: "Wer spart, gewinnt." Das Gegentheil
- wer spart, verliert - liegt Jedem klar vor Augen.
Mit jedem Sparen muß der Mensch auf den Gebrauch
und den Genuß verzichten. Man muß die Sache, die
man erspart, für eine bessere Zeit ersparen, sie heiße
Thräne oder Lustbarkeit, sonst giebt dem Ersparer Nie-
mand einen Heller dafür. Die Kraft verrostet, und
das Leben rinnt vorüber. - Dieser Grundsatz: wer
spart, verliert, ist wirklich in unsern Zeiten zur Maxime
geworden; niemand spart mehr. Es scheint auch, man
wolle den Reichthum, ja selbst die Wohlhabenheit nicht
mehr dulden. Daher reduciren sich di[e M]enschen selbst
auf Null, oder steigen nicht darüber hinaus, um nicht
von andern darauf zurückgeführt zu werden.



Neues Gerbematerial.

Ein französischer Pharmaceut empfiehlt die Kämme
und Körner der Weintrauben als Gärbematerial an-
statt der Eichenrinde. Nachdem die Häute gehörig vor-
bereitet worden, bringt er sie mit den Trestern, die der
Destillation unterworfen werden, in die Kufe. Fünf
und dreißig Tage reichen hin, die Arbeit zu vollenden.
Er findet darin den Vortheil: 1 ) viel an der Zeit zu er-
sparen; 2 ) auf den Preis der Eichenrinde durch eine
Substanz zu gewinnen, die man wegwirft; 3 ) dem Le-
der einen süßen und angenehmen Geruch mitzutheilen,
der kaum bemerklich ist, unterdessen das mit der Eichen-
rinde bereitete einen starken, unangenehmen, manchmal
schädlichen Geruch hat, der inkommodirt, und sich in
die Kleider der Arbeiter, die es verbrauchen, wie die
Schuhmacher, Riemer und Sattler, zieht; 4 ) was aber
das Nützlichste ist, so hat die Erfahrung und der Ge-
brauch gezeigt, daß die so bereiteten Sohlen noch einmal
so lange halten, als die in gewöhnlicher Art gegärb-
ten. - Die Sache verdiente wohl von den Lederfabri-
kanten an Orten, wo der Weinbau betrieben wird und
das Material zu haben ist, namentlich in den Rhein-
Provinzen, in Naumburg, Guben, Grünberg ge-
prüft zu werden.



[Ende Spaltensatz]

Das Heller=Blatt.
[Beginn Spaltensatz] krieg ein Ende und der Hoffnung einer neuen bessern
Zukunft Platz gemacht wurde. Athen, jetzt zur Haupt-
stadt Griechenlands erkoren, ist auf 10 bis 12,000 Ein-
wohner herabgesunken und sein Aeußeres ehrwürdig in
seinen Trümmern. Noch schaut das Schloß von Athen,
die alte Kekropsburg ( Akropolis ) , prächtig und gebie-
tend auf die Ebene, den Schauplatz so vieler Großtha-
ten herab. Klarke giebt von den Trümmern des alten
Athens folgende Beschreibung: „Nähert man sich die-
ser berühmten Stadt vom Meere her, so bietet sie eine
Ansicht dar, die man nicht reizend und entzückend genug
schildern kann. Die Akropolis war schon in einer Ent-
fernung von 4 Meilen sichtbar. Das zurückgeworfene
Sonnenlicht gab ihr ein glänzend weißes Ansehn. Die
hohen Kalkfelsen der Akropolis, besetzt mit den pracht-
vollen Tempeln, dem Parthenon, Erechtheum und an-
dern, erschienen an der Spitze einer langen Bergkette.
Zu ihren Füßen die herrlichen Ruinen des Tempels des
olympischen Jupiters. Jm Vordergrunde entfaltete
sich die ganze neue Stadt Athen mit ihren Gärten,
Ruinen, Moscheen und Mauern, die sich unter der
Burg in der Ebene ausbreitet.“

Athen hat jetzt unregelmäßige Straßen und ist von
einem plump aufgeschütteten Wall umgeben. Aber die
alte Stadt lag größtentheils außerhalb der Ringmauern
der jetzigen, und diesem Umstande verdankt man noch
die Erhaltung vieler alter Denkmäler, da die in der
jetzigen Stadt befindlichen zu neuen Bauten nach und
nach benutzt und dadurch zerstört wurden.



Das Sparen.

Thümmel hatte ausgerechnet, wie viel Zeit mit
dem wiederholten Schreiben der Titulaturen verloren
ginge. Es war ein hübscher ansehnlicher Theil vom
Leben. Man könnte sich die Mühe sparen, wenn über-
haupt dadurch etwas gewonnen würde, daß man sich
im Leben die Mühe sparte. Die Menschen wollen be-
schäftigt seyn; womit? – das gilt ihnen gleich, wenn
sie nur etwas zu thun finden. Ein Mensch, der hun-
dert Jahre lebt, zieht 36,000 Mal sich an und aus,
um immer wieder sich an= und auszuziehen. Man rei-
nigt Zimmer und Geräthe, damit sie sich wieder be-
stauben können. Die Natur will es so; sie giebt uns
zu essen, zu trinken, und läßt uns alle Tage wieder
hungrig und durstig werden. – Mit dem Begriff des
Ersparens hat man es noch lange nicht auf's Reine ge-
bracht. Am Ende fände wohl gar Mancher, daß es
am besten wäre, wenn sich der Schöpfer die ganze Welt
erspart hätte. Aufwand, möglichster Aufwand ist der
Natur Gesetz. Nicht um zu sparen, sondern zu ver-
schwenden, wie es scheint, füllt sich der Baum mit
Blüthen, worunter kaum der zehnte Theil zur Frucht
gedeiht. – Verloren geht darum nicht eine. Nur an-
[Spaltenumbruch] ders will sie die Natur gebrauchen, als wie des Men-
schen Sparsucht. Wollen wir indeß anfangen zu spa-
ren, so sparen wir uns zuvörderst alle fruchtlosen Wün-
sche, alle peinlichen Sorgen und Bekümmernisse, die
uns nicht mehr gewähren, als wir haben, und uns
das Wenigscheinende noch verkümmern. Das immer
Wiederkehrende ist es nicht, was uns das Leben lang-
weilig macht. Das ewige Erwarten ist's. Uns quält
die Sonne nicht, wenn sie alle Tage auf= und unter-
geht. Uns quält das Wiedersehen geliebter Freunde
nicht. Die Unlust quält uns und der Ueberdruß. Vor
diesen Feinden des frohen und vergnügten Daseyns soll
sich der Mensch verwahren. Schlechter ausgesonnen
war vielleicht kein Sprüchwort in der Welt, als das
bekannte: „Wer spart, gewinnt.“ Das Gegentheil
– wer spart, verliert – liegt Jedem klar vor Augen.
Mit jedem Sparen muß der Mensch auf den Gebrauch
und den Genuß verzichten. Man muß die Sache, die
man erspart, für eine bessere Zeit ersparen, sie heiße
Thräne oder Lustbarkeit, sonst giebt dem Ersparer Nie-
mand einen Heller dafür. Die Kraft verrostet, und
das Leben rinnt vorüber. – Dieser Grundsatz: wer
spart, verliert, ist wirklich in unsern Zeiten zur Maxime
geworden; niemand spart mehr. Es scheint auch, man
wolle den Reichthum, ja selbst die Wohlhabenheit nicht
mehr dulden. Daher reduciren sich di[e M]enschen selbst
auf Null, oder steigen nicht darüber hinaus, um nicht
von andern darauf zurückgeführt zu werden.



Neues Gerbematerial.

Ein französischer Pharmaceut empfiehlt die Kämme
und Körner der Weintrauben als Gärbematerial an-
statt der Eichenrinde. Nachdem die Häute gehörig vor-
bereitet worden, bringt er sie mit den Trestern, die der
Destillation unterworfen werden, in die Kufe. Fünf
und dreißig Tage reichen hin, die Arbeit zu vollenden.
Er findet darin den Vortheil: 1 ) viel an der Zeit zu er-
sparen; 2 ) auf den Preis der Eichenrinde durch eine
Substanz zu gewinnen, die man wegwirft; 3 ) dem Le-
der einen süßen und angenehmen Geruch mitzutheilen,
der kaum bemerklich ist, unterdessen das mit der Eichen-
rinde bereitete einen starken, unangenehmen, manchmal
schädlichen Geruch hat, der inkommodirt, und sich in
die Kleider der Arbeiter, die es verbrauchen, wie die
Schuhmacher, Riemer und Sattler, zieht; 4 ) was aber
das Nützlichste ist, so hat die Erfahrung und der Ge-
brauch gezeigt, daß die so bereiteten Sohlen noch einmal
so lange halten, als die in gewöhnlicher Art gegärb-
ten. – Die Sache verdiente wohl von den Lederfabri-
kanten an Orten, wo der Weinbau betrieben wird und
das Material zu haben ist, namentlich in den Rhein-
Provinzen, in Naumburg, Guben, Grünberg ge-
prüft zu werden.



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Die Kraft verrostet, und das Leben rinnt vorüber. – Dieser Grundsatz: wer spart, verliert, ist wirklich in unsern Zeiten zur Maxime geworden; niemand spart mehr. Es scheint auch, man wolle den Reichthum, ja selbst die Wohlhabenheit nicht mehr dulden. Daher reduciren sich die Menschen selbst auf Null, oder steigen nicht darüber hinaus, um nicht von andern darauf zurückgeführt zu werden. Neues Gerbematerial. Ein französischer Pharmaceut empfiehlt die Kämme und Körner der Weintrauben als Gärbematerial an- statt der Eichenrinde. Nachdem die Häute gehörig vor- bereitet worden, bringt er sie mit den Trestern, die der Destillation unterworfen werden, in die Kufe. Fünf und dreißig Tage reichen hin, die Arbeit zu vollenden. 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Zitationshilfe: Das Heller-Blatt. Nr. 34. Breslau, 23. August 1834, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_heller34_1834/6>, abgerufen am 23.11.2024.