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Mährisches Tagblatt. Nr. 198, Olmütz, 31.08.1885.

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Tagblatt

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Adolf Steiner's Annoncen-
bureau in Hamburg, sowie
sämmtl. conc. Insertions-Bu-
reaux des In- u. Auslandes.




Manuscripte werden nicht
zurückgestellt.




Nr. 198. Olmütz, Montag den 31. August 1885. 6. Jahrgang.



[Spaltenumbruch]
Königinhof.


Königinhof! Der Name dieser Stadt ist viel-
fach bekannt. In ihr spielte sich vor mehr denn
50 Jahren jener seusationelle Fälschungsproceß
ab, durch welchen Hanka, der "große Patriot",
in die spärliche Literatur seines Volkes ein "alt-
böhmisches poetisches Kunstwerk" einschmuggeln
wollte. Heute schwebt der Name "Königinhof"
auf den Lippen des gesammten deutschen Volkes
in Oesterreich; ja, selbst über der Grenze des
Reiches, in dem benachbarten Deutschland ist der
Name in aller Munde. Nach allen Richtungen
der Windrose hat der Telegraph die Kunde von
der blutigen Affaire getragen, welche am Sonn-
tage in dem Auffindungsorte der gefälschten "Kö-
niginhofer Handschrift" sich zugetragen hat. Wehr-
lose Deutsche wurden mißhandelt, weil sie ein
deutsches Fest feierten, Gäste aus den nahen Dör-
fern und Städten durch Steinwürfe und Messer-
stiche verwundet, weil sie sich erkühnten, inner-
halb der vier Mauern eines Turnlocales deutsche
Worte zu sprechen, deutsche Lieder zu singen. Die
Gensdarmerie mußte von der Schußwaffe Ge-
brauch machen, um den fanatischen tschechischen
Pöbel, unter dem diesmal nicht die rohe Menge
allein zu verstehen ist, zu hindern, ein förmliches
Blutbad unter den verfolgten deutschen Turnern
anzurichten.

Fürwahr, sagt die "Reichenb. Ztg." es ist
weit gekommen im Lande Böhmen! Mit Mühe
kämpfen wir die berechtigte Entrüstung nieder,
welche uns verleiten könnte, jenen Anklagen Aus-
druck zu geben, über welche heute das ganze deutsche
Volk in Oesterreich sich vollständig im Klaren ist.
Die österreichischen Preßverhältnisse gestatten es
[Spaltenumbruch] leider nicht, die letzten Consequenzen zu ziehen
aus einer Affaire, mit welcher der gebildete und
ungebildete Mob von Königinhof der Geschichte
des tschechischen Volkes in Böhmen ein bleiben-
des Schandmal aufgedrückt hat. Empörender
aber noch als diese Schandthat ist die Art und
Weise, mit welcher die tschechische Lügenpresse
diese Vorfälle zu verdrehen, die blutigen That-
sachen wegleugnen will. So Großes die offi-
ciöse Presse Oesterreichs auch leistet in
scharfen und hämischen Angriffen auf un-
ser Volk, Alles dies wird in Schatten ge-
stellt durch jene impertinente Schreibweise,
mit welcher die gesammte tschechische Presse das
Königinhofer Attentat glossirt. In heuchlerischer
Weise schreibt z. B. die "Politik": "Wenn es je
aus Rücksichten des politischen Anstandes ge-
boten erschien, daß die inneren Zwistigkeiten für
einen Augenblick völlig zur Ruhe gebracht
werden, so war dies sicherlich der Fall in dem
Augenblicke, da Kaiser Franz Josef einen frem-
den Souverain auf seinem Gebiete als Gast be-
grüßte". Und diese Mahnung erfrecht sich Rieger's
Organ an die Deutschen zu richten in demselben
Momente, wo nach dem "Zwischenfall von Köni-
ginhof" eine erhebliche Auzahl mit Steinwürfen
und Stockhieben tractirter Deutschen schwer krank
darniederliegt!

Selbstverständlich haben nach Auffassung
der tschechischen Blätter die Deutschen in Köni-
ginhof wieder die Veranlassung zu den blutigen
Excessen gegeben, ebenso wie dies bei der Kuchel-
bader Affaire der Fall sein mußte. Die deut-
schen Turner haben provocirt -- so heißt es
in den tschechischen Lügenberichten. Haben viel-
leicht auch, so fragen wir, die deutschen Frauen
und Mädchen provocatorische Aeußerungen ge-
[Spaltenumbruch] than, welche die Taubennatur der Königinhofer
Tschechen derart in Harnisch brachten, daß man
deutschen Mädchen und Frauen in's Gesicht
speien mußte? Solche Acte gemeinster Rohheit
noch entschuldigen wollen, zeigt von der boden-
losen Niedrigkeit der Gesinnung, welche die fana-
tisirte tschechische Presse beherrscht.

Welches sind aber die nächsten Folgen dieses
Excesses? Eine unbeschreibliche Aufregung hat
die deutsche Bevölkerung des Landes ergriffen,
die in einer Weise sich kundgibt, durch welche
die "Versöhnungsära" gekennzeichnet erscheint. Aus
Trautenau kommt unterm 28. d. Mts. die Meldung
daß die Erbitterung über die Rohheit der Köni-
ginhofer Tschechen, trotz aller mäßigenden Ein-
flüsse, gewaltsam zu Repressalien ihre Zuflucht
nimmt. Der Bürgermeister von Reichenberg muß
der Bevölkerung die bekannten Gesetzesparagraphen
in Betreff von Ansammlungen in Erinnerung
bringen. Wir können wohl die sichere Hoffnung
hegen, daß alle Kreise jener Stadt zusammen-
wirken werden, um naheliegenden Revanchegelüsten
sofort zu begegnen.

Der Eindruck, den die Königinhofer Blut-
affaire unter dem ganzen deutschen Volke, selbst
im Auslande, hervorgebracht hat, darf und soll
nicht abgeschwächt werden durch nutz- und zweck-
lose Gegendemonstrationen, auf die man tschechi-
scherseits vielleicht warten mag. Die stramme
Erfüllung nationaler Pflichten erscheint uns An-
gesichts der tschechischen Rohheit in Königinhof
angezeigter als fruchtlose Demonstrationen.




Politische Nachrichten.
(Russische Journalstimmen über die
Kremsierer Kaiser-Entrevue.)

Die Mehrzahl




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.



Frau Wolter und der König von
Baiern.

Von den Separatvorstellungen des Königs
Ludwig von Baiern, bei denen er selbst zum
Director und Regisseur wird, die Stücke aus-
wählt, die Vertheilung der Rollen vornimmt und
sich selbst die Modelle der Decorationen und
Costüme zur Genehmigung vorlegen läßt, um
dann als alleiniger Zuschauer das Spiel der
Künstler zu genießen, von dieser Laune des extra-
vaganten Baiernkönigs ist schon viel erzählt wor-
den, aber so viel Ungereimtes und Unzureimendes,
daß man thatsächlich nicht weiß, wo die Wahr-
heit endigt und wo die Phantasie ihre Clown-
sprünge beginnt. Es ist daher interessant, über
diesen um seine Originalität willen anziehenden
Gegenstand endlich durch die Mittheilungen einer
betheiligten und höchst glaubwürdigen Persönlich-
keit ins Klare zu kommen, durch die Schilderung
der berühmten Wiener Tragödin Charlotte Wolter
(Gräfin O'Sullivan), welche dieselbe, da sie an
einer der Separatvorstellungen mitwirkte, dem
Redacteur des "Figaro", Albert Wolff, entwarf.
Wir entnehmen der auf Grund dieser Mitthei-
lungen veröffentlichten fesselnden Darstellung des
geistreichen französischen Journalisten das Nach-
stehende:


[Spaltenumbruch]

Frau Wolter spricht von dieser mysteriösen
Vorstellung vor dem launenreichen Monarchen als
von dem eigenartigsten Ereignisse ihrer künst-
lerischen Laufbahn. König Ludwig hatte seinem
Intendanten befohlen, für die große Künstlerin
Sardou's "Theodora" in Scene zu setzen, eine
Rolle, welche sie im nächsten Winter im Burg-
theater darstellen wird; allein Frau Wolter
wußte noch kein Wort von der Rolle und em-
pfand durchaus nicht den Drang oder die Lust,
sie direct für Se. Majestät zu studiren. Sie
machte dies dem Intendanten klar, und der
König, welcher vom frühen Morgen bis zum
späten Abend nicht zu befehlen a[u]fhört, befahl
denn, der Künstlerin mitzutheilen, daß "sie
die Ehre haben werde, vor Ihm in Brach-
vogel's Drama "Narciß" die Madame de Pompa-
dour zu spielen" -- und befahl weiter, das alte
Stück mit neuen, prachtvollen Decorationen
und der Zeit, in welcher es spielt, ent-
sprechenden, echten Möbeln auszustatten, welche
seinen Sammlungen zu entnehmen seien.

Man kann von diesen Separatvorstellungen
füglich behaupten, daß sie die größte Leidenschaft
des Königs bilden. Alles, was in denselben ver-
wendet wird, darf niemals das Publicum er-
blicken. Der König hat daher für jedes Stück
sein besonderes Decorationsmaterial und er ge-
stattet nicht, daß ihm ein Bühnenwerk in der-
selben Gestalt vorgeführt werde, in welcher es
"die große Masse" sieht. So wurde z. B. Theo-
[Spaltenumbruch] dora für den Monarchen mit allem Pomp und
Luxus des Theaters de la Porte-Saint-Martin
ausgestattet; damit der Intendant nicht zu wenig
thue, reiste König Ludwig incognito nach Paris,
sah dort das Drama und ordnete für die Mün-
chener Separat-Aufführung noch einige kostbare
Verschönerungen an, mit denen Paris übertrumpft
werden sollte. So kostete die misse-en-scene
hundertfünfzigtausend Francs und -- das Stück
wurde zweimal aufgeführt, das erste Mal um
9 Uhr Vormittags, das zweite Mal um 6 Uhr
Nachmittags. Dann wanderten Decorationen und
Costüme in die Garderobe und gegenwärtig wird
für die öffentlichen Aufführungen desselben Stückes
eine neue, weitaus bescheidenere Ausstattung her-
gestellt. Ein noch fabelhafterer Luxus wird in
den Feerien entwickelt, welche sich der König von
Zeit zu Zeit von einem seiner Hofdichter ver-
fassen und einmal vorspielen läßt; diese Dich-
tungen gelangen niemals zur Kenntniß der
Oeffentlichkeit und die Poeten begnügen sich mit
-- dem Honorare.

So sollte denn auch "Narciß" mit beson-
derem, des Genies der gastirenden Künstlerin
würdigen Glanze -- wie es in der königlichen
Ordre hieß -- in Scene gehen. Der König hatte
die Vorarbeiten mit größter Sorgfalt bewacht,
gewohnheitsgemäß die Modelle der Decorationen
geprüft und die Costümskizzen höchst eigenhändig
corrigirt; er wollte sich diese Vorstellung zu einem
besonderen Feste gestalten.


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Das
„Mähriſche Tagblatt“
mit der illuſtr. Wochenbeilage
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Mähriſches
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Adolf Steiner’s Annoncen-
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ſämmtl. conc. Inſertions-Bu-
reaux des In- u. Auslandes.




Manuſcripte werden nicht
zurückgeſtellt.




Nr. 198. Olmütz, Montag den 31. Auguſt 1885. 6. Jahrgang.



[Spaltenumbruch]
Königinhof.


Königinhof! Der Name dieſer Stadt iſt viel-
fach bekannt. In ihr ſpielte ſich vor mehr denn
50 Jahren jener ſeuſationelle Fälſchungsproceß
ab, durch welchen Hanka, der „große Patriot“,
in die ſpärliche Literatur ſeines Volkes ein „alt-
böhmiſches poetiſches Kunſtwerk“ einſchmuggeln
wollte. Heute ſchwebt der Name „Königinhof“
auf den Lippen des geſammten deutſchen Volkes
in Oeſterreich; ja, ſelbſt über der Grenze des
Reiches, in dem benachbarten Deutſchland iſt der
Name in aller Munde. Nach allen Richtungen
der Windroſe hat der Telegraph die Kunde von
der blutigen Affaire getragen, welche am Sonn-
tage in dem Auffindungsorte der gefälſchten „Kö-
niginhofer Handſchrift“ ſich zugetragen hat. Wehr-
loſe Deutſche wurden mißhandelt, weil ſie ein
deutſches Feſt feierten, Gäſte aus den nahen Dör-
fern und Städten durch Steinwürfe und Meſſer-
ſtiche verwundet, weil ſie ſich erkühnten, inner-
halb der vier Mauern eines Turnlocales deutſche
Worte zu ſprechen, deutſche Lieder zu ſingen. Die
Gensdarmerie mußte von der Schußwaffe Ge-
brauch machen, um den fanatiſchen tſchechiſchen
Pöbel, unter dem diesmal nicht die rohe Menge
allein zu verſtehen iſt, zu hindern, ein förmliches
Blutbad unter den verfolgten deutſchen Turnern
anzurichten.

Fürwahr, ſagt die „Reichenb. Ztg.“ es iſt
weit gekommen im Lande Böhmen! Mit Mühe
kämpfen wir die berechtigte Entrüſtung nieder,
welche uns verleiten könnte, jenen Anklagen Aus-
druck zu geben, über welche heute das ganze deutſche
Volk in Oeſterreich ſich vollſtändig im Klaren iſt.
Die öſterreichiſchen Preßverhältniſſe geſtatten es
[Spaltenumbruch] leider nicht, die letzten Conſequenzen zu ziehen
aus einer Affaire, mit welcher der gebildete und
ungebildete Mob von Königinhof der Geſchichte
des tſchechiſchen Volkes in Böhmen ein bleiben-
des Schandmal aufgedrückt hat. Empörender
aber noch als dieſe Schandthat iſt die Art und
Weiſe, mit welcher die tſchechiſche Lügenpreſſe
dieſe Vorfälle zu verdrehen, die blutigen That-
ſachen wegleugnen will. So Großes die offi-
ciöſe Preſſe Oeſterreichs auch leiſtet in
ſcharfen und hämiſchen Angriffen auf un-
ſer Volk, Alles dies wird in Schatten ge-
ſtellt durch jene impertinente Schreibweiſe,
mit welcher die geſammte tſchechiſche Preſſe das
Königinhofer Attentat gloſſirt. In heuchleriſcher
Weiſe ſchreibt z. B. die „Politik“: „Wenn es je
aus Rückſichten des politiſchen Anſtandes ge-
boten erſchien, daß die inneren Zwiſtigkeiten für
einen Augenblick völlig zur Ruhe gebracht
werden, ſo war dies ſicherlich der Fall in dem
Augenblicke, da Kaiſer Franz Joſef einen frem-
den Souverain auf ſeinem Gebiete als Gaſt be-
grüßte“. Und dieſe Mahnung erfrecht ſich Rieger’s
Organ an die Deutſchen zu richten in demſelben
Momente, wo nach dem „Zwiſchenfall von Köni-
ginhof“ eine erhebliche Auzahl mit Steinwürfen
und Stockhieben tractirter Deutſchen ſchwer krank
darniederliegt!

Selbſtverſtändlich haben nach Auffaſſung
der tſchechiſchen Blätter die Deutſchen in Köni-
ginhof wieder die Veranlaſſung zu den blutigen
Exceſſen gegeben, ebenſo wie dies bei der Kuchel-
bader Affaire der Fall ſein mußte. Die deut-
ſchen Turner haben provocirt — ſo heißt es
in den tſchechiſchen Lügenberichten. Haben viel-
leicht auch, ſo fragen wir, die deutſchen Frauen
und Mädchen provocatoriſche Aeußerungen ge-
[Spaltenumbruch] than, welche die Taubennatur der Königinhofer
Tſchechen derart in Harniſch brachten, daß man
deutſchen Mädchen und Frauen in’s Geſicht
ſpeien mußte? Solche Acte gemeinſter Rohheit
noch entſchuldigen wollen, zeigt von der boden-
loſen Niedrigkeit der Geſinnung, welche die fana-
tiſirte tſchechiſche Preſſe beherrſcht.

Welches ſind aber die nächſten Folgen dieſes
Exceſſes? Eine unbeſchreibliche Aufregung hat
die deutſche Bevölkerung des Landes ergriffen,
die in einer Weiſe ſich kundgibt, durch welche
die „Verſöhnungsära“ gekennzeichnet erſcheint. Aus
Trautenau kommt unterm 28. d. Mts. die Meldung
daß die Erbitterung über die Rohheit der Köni-
ginhofer Tſchechen, trotz aller mäßigenden Ein-
flüſſe, gewaltſam zu Repreſſalien ihre Zuflucht
nimmt. Der Bürgermeiſter von Reichenberg muß
der Bevölkerung die bekannten Geſetzesparagraphen
in Betreff von Anſammlungen in Erinnerung
bringen. Wir können wohl die ſichere Hoffnung
hegen, daß alle Kreiſe jener Stadt zuſammen-
wirken werden, um naheliegenden Revanchegelüſten
ſofort zu begegnen.

Der Eindruck, den die Königinhofer Blut-
affaire unter dem ganzen deutſchen Volke, ſelbſt
im Auslande, hervorgebracht hat, darf und ſoll
nicht abgeſchwächt werden durch nutz- und zweck-
loſe Gegendemonſtrationen, auf die man tſchechi-
ſcherſeits vielleicht warten mag. Die ſtramme
Erfüllung nationaler Pflichten erſcheint uns An-
geſichts der tſchechiſchen Rohheit in Königinhof
angezeigter als fruchtloſe Demonſtrationen.




Politiſche Nachrichten.
(Ruſſiſche Journalſtimmen über die
Kremſierer Kaiſer-Entrevue.)

Die Mehrzahl




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.



Frau Wolter und der König von
Baiern.

Von den Separatvorſtellungen des Königs
Ludwig von Baiern, bei denen er ſelbſt zum
Director und Regiſſeur wird, die Stücke aus-
wählt, die Vertheilung der Rollen vornimmt und
ſich ſelbſt die Modelle der Decorationen und
Coſtüme zur Genehmigung vorlegen läßt, um
dann als alleiniger Zuſchauer das Spiel der
Künſtler zu genießen, von dieſer Laune des extra-
vaganten Baiernkönigs iſt ſchon viel erzählt wor-
den, aber ſo viel Ungereimtes und Unzureimendes,
daß man thatſächlich nicht weiß, wo die Wahr-
heit endigt und wo die Phantaſie ihre Clown-
ſprünge beginnt. Es iſt daher intereſſant, über
dieſen um ſeine Originalität willen anziehenden
Gegenſtand endlich durch die Mittheilungen einer
betheiligten und höchſt glaubwürdigen Perſönlich-
keit ins Klare zu kommen, durch die Schilderung
der berühmten Wiener Tragödin Charlotte Wolter
(Gräfin O’Sullivan), welche dieſelbe, da ſie an
einer der Separatvorſtellungen mitwirkte, dem
Redacteur des „Figaro“, Albert Wolff, entwarf.
Wir entnehmen der auf Grund dieſer Mitthei-
lungen veröffentlichten feſſelnden Darſtellung des
geiſtreichen franzöſiſchen Journaliſten das Nach-
ſtehende:


[Spaltenumbruch]

Frau Wolter ſpricht von dieſer myſteriöſen
Vorſtellung vor dem launenreichen Monarchen als
von dem eigenartigſten Ereigniſſe ihrer künſt-
leriſchen Laufbahn. König Ludwig hatte ſeinem
Intendanten befohlen, für die große Künſtlerin
Sardou’s „Theodora“ in Scene zu ſetzen, eine
Rolle, welche ſie im nächſten Winter im Burg-
theater darſtellen wird; allein Frau Wolter
wußte noch kein Wort von der Rolle und em-
pfand durchaus nicht den Drang oder die Luſt,
ſie direct für Se. Majeſtät zu ſtudiren. Sie
machte dies dem Intendanten klar, und der
König, welcher vom frühen Morgen bis zum
ſpäten Abend nicht zu befehlen a[u]fhört, befahl
denn, der Künſtlerin mitzutheilen, daß „ſie
die Ehre haben werde, vor Ihm in Brach-
vogel’s Drama „Narciß“ die Madame de Pompa-
dour zu ſpielen“ — und befahl weiter, das alte
Stück mit neuen, prachtvollen Decorationen
und der Zeit, in welcher es ſpielt, ent-
ſprechenden, echten Möbeln auszuſtatten, welche
ſeinen Sammlungen zu entnehmen ſeien.

Man kann von dieſen Separatvorſtellungen
füglich behaupten, daß ſie die größte Leidenſchaft
des Königs bilden. Alles, was in denſelben ver-
wendet wird, darf niemals das Publicum er-
blicken. Der König hat daher für jedes Stück
ſein beſonderes Decorationsmaterial und er ge-
ſtattet nicht, daß ihm ein Bühnenwerk in der-
ſelben Geſtalt vorgeführt werde, in welcher es
„die große Maſſe“ ſieht. So wurde z. B. Theo-
[Spaltenumbruch] dora für den Monarchen mit allem Pomp und
Luxus des Theaters de la Porte-Saint-Martin
ausgeſtattet; damit der Intendant nicht zu wenig
thue, reiſte König Ludwig incognito nach Paris,
ſah dort das Drama und ordnete für die Mün-
chener Separat-Aufführung noch einige koſtbare
Verſchönerungen an, mit denen Paris übertrumpft
werden ſollte. So koſtete die misse-en-scene
hundertfünfzigtauſend Francs und — das Stück
wurde zweimal aufgeführt, das erſte Mal um
9 Uhr Vormittags, das zweite Mal um 6 Uhr
Nachmittags. Dann wanderten Decorationen und
Coſtüme in die Garderobe und gegenwärtig wird
für die öffentlichen Aufführungen desſelben Stückes
eine neue, weitaus beſcheidenere Ausſtattung her-
geſtellt. Ein noch fabelhafterer Luxus wird in
den Feerien entwickelt, welche ſich der König von
Zeit zu Zeit von einem ſeiner Hofdichter ver-
faſſen und einmal vorſpielen läßt; dieſe Dich-
tungen gelangen niemals zur Kenntniß der
Oeffentlichkeit und die Poeten begnügen ſich mit
— dem Honorare.

So ſollte denn auch „Narciß“ mit beſon-
derem, des Genies der gaſtirenden Künſtlerin
würdigen Glanze — wie es in der königlichen
Ordre hieß — in Scene gehen. Der König hatte
die Vorarbeiten mit größter Sorgfalt bewacht,
gewohnheitsgemäß die Modelle der Decorationen
geprüft und die Coſtümſkizzen höchſt eigenhändig
corrigirt; er wollte ſich dieſe Vorſtellung zu einem
beſonderen Feſte geſtalten.


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[[1]/0001] Das „Mähriſche Tagblatt“ mit der illuſtr. Wochenbeilage „Illuſtrirt. Sonntagsblatt“ erſcheint mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage täglich Ausgabe 2 Uhr Nachmittags im Adminiſtrations-Locale Niederring Nr. 41 neu ober den Fleiſchbänken. Abonnement für Olmütz Ganzjährig fl. 10.— Halbjährig „ 5.— Vierteljährig „ 2.50 Monatlich „ —.90 Zuſtellung ins Haus monat- lich 10 Kreuzer. Auswärts durch die Poſt Ganzjährig fl. 14.— Halbjährig „ 7.— Vierteljährig „ 3.50 Einzelne Nummer 5 Kreuzer. Mähriſches Tagblatt Inſertionsgebühren die 4mal geſpaltene Petitzeil oder deren Raum 6 Kreuzer Außerhalb Olmütz überneh- men Inſertions-Aufträge: Helnrich Schalek, Annon- cen-Exped. in Wien, I., Woll- zeile Nr. 1. Haasenstein & Vogler in Wien, Prag, Buda- peſt, Berlin, Frankfurt a. M. Hamburg, Baſel und Leipzig Alois Opellik, in Wien, Rud. Mosse in Wien, München u. Berlin, G. L. Daube u. Co. (Ig. Knoll) Wien, I., Singer- ſtraße 11 a, Frankfurt a. M. Adolf Steiner’s Annoncen- bureau in Hamburg, ſowie ſämmtl. conc. Inſertions-Bu- reaux des In- u. Auslandes. Manuſcripte werden nicht zurückgeſtellt. Nr. 198. Olmütz, Montag den 31. Auguſt 1885. 6. Jahrgang. Königinhof. Olmütz, 31. Auguſt. Königinhof! Der Name dieſer Stadt iſt viel- fach bekannt. In ihr ſpielte ſich vor mehr denn 50 Jahren jener ſeuſationelle Fälſchungsproceß ab, durch welchen Hanka, der „große Patriot“, in die ſpärliche Literatur ſeines Volkes ein „alt- böhmiſches poetiſches Kunſtwerk“ einſchmuggeln wollte. Heute ſchwebt der Name „Königinhof“ auf den Lippen des geſammten deutſchen Volkes in Oeſterreich; ja, ſelbſt über der Grenze des Reiches, in dem benachbarten Deutſchland iſt der Name in aller Munde. Nach allen Richtungen der Windroſe hat der Telegraph die Kunde von der blutigen Affaire getragen, welche am Sonn- tage in dem Auffindungsorte der gefälſchten „Kö- niginhofer Handſchrift“ ſich zugetragen hat. 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Wir können wohl die ſichere Hoffnung hegen, daß alle Kreiſe jener Stadt zuſammen- wirken werden, um naheliegenden Revanchegelüſten ſofort zu begegnen. Der Eindruck, den die Königinhofer Blut- affaire unter dem ganzen deutſchen Volke, ſelbſt im Auslande, hervorgebracht hat, darf und ſoll nicht abgeſchwächt werden durch nutz- und zweck- loſe Gegendemonſtrationen, auf die man tſchechi- ſcherſeits vielleicht warten mag. Die ſtramme Erfüllung nationaler Pflichten erſcheint uns An- geſichts der tſchechiſchen Rohheit in Königinhof angezeigter als fruchtloſe Demonſtrationen. Politiſche Nachrichten. (Ruſſiſche Journalſtimmen über die Kremſierer Kaiſer-Entrevue.) Die Mehrzahl Feuilleton. Frau Wolter und der König von Baiern. Von den Separatvorſtellungen des Königs Ludwig von Baiern, bei denen er ſelbſt zum Director und Regiſſeur wird, die Stücke aus- wählt, die Vertheilung der Rollen vornimmt und ſich ſelbſt die Modelle der Decorationen und Coſtüme zur Genehmigung vorlegen läßt, um dann als alleiniger Zuſchauer das Spiel der Künſtler zu genießen, von dieſer Laune des extra- vaganten Baiernkönigs iſt ſchon viel erzählt wor- den, aber ſo viel Ungereimtes und Unzureimendes, daß man thatſächlich nicht weiß, wo die Wahr- heit endigt und wo die Phantaſie ihre Clown- ſprünge beginnt. Es iſt daher intereſſant, über dieſen um ſeine Originalität willen anziehenden Gegenſtand endlich durch die Mittheilungen einer betheiligten und höchſt glaubwürdigen Perſönlich- keit ins Klare zu kommen, durch die Schilderung der berühmten Wiener Tragödin Charlotte Wolter (Gräfin O’Sullivan), welche dieſelbe, da ſie an einer der Separatvorſtellungen mitwirkte, dem Redacteur des „Figaro“, Albert Wolff, entwarf. Wir entnehmen der auf Grund dieſer Mitthei- lungen veröffentlichten feſſelnden Darſtellung des geiſtreichen franzöſiſchen Journaliſten das Nach- ſtehende: Frau Wolter ſpricht von dieſer myſteriöſen Vorſtellung vor dem launenreichen Monarchen als von dem eigenartigſten Ereigniſſe ihrer künſt- leriſchen Laufbahn. König Ludwig hatte ſeinem Intendanten befohlen, für die große Künſtlerin Sardou’s „Theodora“ in Scene zu ſetzen, eine Rolle, welche ſie im nächſten Winter im Burg- theater darſtellen wird; allein Frau Wolter wußte noch kein Wort von der Rolle und em- pfand durchaus nicht den Drang oder die Luſt, ſie direct für Se. Majeſtät zu ſtudiren. Sie machte dies dem Intendanten klar, und der König, welcher vom frühen Morgen bis zum ſpäten Abend nicht zu befehlen aufhört, befahl denn, der Künſtlerin mitzutheilen, daß „ſie die Ehre haben werde, vor Ihm in Brach- vogel’s Drama „Narciß“ die Madame de Pompa- dour zu ſpielen“ — und befahl weiter, das alte Stück mit neuen, prachtvollen Decorationen und der Zeit, in welcher es ſpielt, ent- ſprechenden, echten Möbeln auszuſtatten, welche ſeinen Sammlungen zu entnehmen ſeien. Man kann von dieſen Separatvorſtellungen füglich behaupten, daß ſie die größte Leidenſchaft des Königs bilden. Alles, was in denſelben ver- wendet wird, darf niemals das Publicum er- blicken. Der König hat daher für jedes Stück ſein beſonderes Decorationsmaterial und er ge- ſtattet nicht, daß ihm ein Bühnenwerk in der- ſelben Geſtalt vorgeführt werde, in welcher es „die große Maſſe“ ſieht. So wurde z. B. Theo- dora für den Monarchen mit allem Pomp und Luxus des Theaters de la Porte-Saint-Martin ausgeſtattet; damit der Intendant nicht zu wenig thue, reiſte König Ludwig incognito nach Paris, ſah dort das Drama und ordnete für die Mün- chener Separat-Aufführung noch einige koſtbare Verſchönerungen an, mit denen Paris übertrumpft werden ſollte. So koſtete die misse-en-scene hundertfünfzigtauſend Francs und — das Stück wurde zweimal aufgeführt, das erſte Mal um 9 Uhr Vormittags, das zweite Mal um 6 Uhr Nachmittags. Dann wanderten Decorationen und Coſtüme in die Garderobe und gegenwärtig wird für die öffentlichen Aufführungen desſelben Stückes eine neue, weitaus beſcheidenere Ausſtattung her- geſtellt. Ein noch fabelhafterer Luxus wird in den Feerien entwickelt, welche ſich der König von Zeit zu Zeit von einem ſeiner Hofdichter ver- faſſen und einmal vorſpielen läßt; dieſe Dich- tungen gelangen niemals zur Kenntniß der Oeffentlichkeit und die Poeten begnügen ſich mit — dem Honorare. So ſollte denn auch „Narciß“ mit beſon- derem, des Genies der gaſtirenden Künſtlerin würdigen Glanze — wie es in der königlichen Ordre hieß — in Scene gehen. Der König hatte die Vorarbeiten mit größter Sorgfalt bewacht, gewohnheitsgemäß die Modelle der Decorationen geprüft und die Coſtümſkizzen höchſt eigenhändig corrigirt; er wollte ſich dieſe Vorſtellung zu einem beſonderen Feſte geſtalten.

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Zitationshilfe: Mährisches Tagblatt. Nr. 198, Olmütz, 31.08.1885, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maehrisches198_1885/1>, abgerufen am 29.03.2024.