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Mährisches Tagblatt. Nr. 243, Olmütz, 24.10.1892.

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"Mährische Tagblatt"
erscheint mit Ausnahme der
Sonn- und Feiertage täglich.
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Telephon Nr. 9.


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Mährisches
Tagblatt.

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nach aufliegendem Tari[f.]



Außerhalb Olmütz überneh-
men Insertions-Aufträge:
Heinrich Schalek, Annon-
cen-Exped in Wien, I. Woll-
zeile Nr. 11, Haase[n]steln &
Vogler,
in Wien, Prag, Buda-
pest, Berlin, Frankfurt a. M.
Hamburg, Basel und Leipzig.
Alois Opellik, in Wien. Rud.
Mosse,
in Wien, München u,
Berlin. M. Dukes, Wien, I.
Schulerstraße 8. G. L. Daube,
und Co.,
Frankfurt a. M.
Adolf Steiner's Annoncen-
bureau in Hamburg, sowie
sämmtl. conc. Insertionsbu-
reaus des In- u. Auslandes.
Manuscripte werden ni[cht]
zurückgestellt.


Telephon Nr. 9.




Nr. 243. Olmütz, Montag den 24. October 1892. 13. Jahrgang.


[Spaltenumbruch]
Der Sturz des Ministeriums
Szapary?


Die neueste Budapester Militäraffaire hat
nunmehr dahin geführt, daß die ohnehin durch
die Kirchenfrage schwierig gewordene Stellung des
Cabinets Szapary ziemlich allgemein als unhalt-
bar angesehen wird. Bereits wird die Demission
des Cabinets vielfach als nahe bevorstehend an-
gekündigt und auch der Nachfolger des Minister-
präsidenten schon genannt. Graf Szapary -- so
sagt man -- habe die Krone bei der Honved-
Denkmal Angelegenheit allzu stark engagirt und
könne unmöglich an der Spitze der Regierung
bleiben. Finanzminister Wekerle oder Justiz-
minister Szilagyi soll an die Spitze des Cabinets
treten. Die Personenfrage ist indeß vorerst noch
unentschieden. Zweifellos dagegen ist, daß auch
innerhalb der Regierungspartei große Unzufrie-
denheit mit Graf Szapary vorhanden ist.

Inzwischen hat die Militäraffaire die absan-
derlichste Gestalt angenommen. Nachdem der
Honved-Centralausschuß vorgestern plötzlich nach
einer stürmisch erregten Sitzung das eigene Denk-
malcomite wegen angeblicher Competenz-Ueber-
schreitung durch die Feststellung des bekannten
Programms desavouirt und das Comite demzu-
folge demissionirt hat, ist der geplanten Versöh-
nungsfeier der Boden entzogen und die erregte
Reichstagsdebatte völlig gegenstandslos. Die ganze
Feier wird vertagt werden, wahrscheinlich bis zum
Frühjahr. Statt einer Versöhnung ist eine ver-
[Spaltenumbruch] schärfte Spannung eingetreten und das vorläufige
Schlußergebniß besteht in der Cabinetskrise.

Durch die neueste Wendung der Denkmal-
affaire ist die Situation für die Person des Mi-
nisterpräsidenten Grafen Szapary eine äußerst
kritische geworden. Darüber stimmen alle Be-
richte überein und darin scheinen alle politischen
Kreise einig. Der freitägigen Debatte sah man in
allen Kreisen mit großem Interesse entgegen. In
Folge des Beschlußes des Honved-Centralaus-
schußes, die ganze Denkmalangelegenheit auf un-
bestimmte Zeit zu vertagen, hatten sich die oppo-
sitionellen Parteien geeinigt, die seit acht Tagen
mit großer Erbitterung geführte Debatte abzu-
brechen und alle Anträge von der Tagesordnung
abzusetzen. Der Präsident verlas die Zuschrift
des Honved-Denkmalcentralcomites. Hierauf erhob
sich Ministerpräsident Graf Szapary und erklärte:
Da eine Vertagung der Feier nothwendig gewor-
den sei, halte er die weitere Fortsetzung der Dis-
cussion nicht für nothwendig und bitte die An-
tragsteller ihre Anträge zurückzuziehen und den
Gegenstand überhaupt von der Tagesordnung ab-
zusetzen.

Abg. Carl Eötvös (Unabhängigkeitspartei)
zog hierauf seinen Antrag zurück und sagte: Ich kann
nicht umhin, in unser aller Namen das Gesühl
der größten Dankbarkeit für jene alten Honveds
auszusprechen (Stürmische Eljen-Rufe links), welche
die Ehre unserer Nation und auch ihre eigene Ehre ver-
theidigt haben. Aus allen Geschehnissen der
letzten Tage ziehe ich die Consequenz, daß der
Chef des Cabinets sich über die Verhältnisse
nicht genügend orientirt hat, um den erhabenen
[Spaltenumbruch] Träger der Krone und die gemeinsame Armee
von dem zu unterrichten, wovon hier namentlich
die Rede ist. Aber nicht nur die Krone und die
Armee, auch die Volksvertretung und die ganze
Nation sind falsch informirt worden. Man hat
das Land ohne Noth einer großen Erregung
überantwortet. Wenn sich der Ministerpräsident
hierüber pflichtgemäß informirt hätte, und zwar
mit jenem ernsten Pflichtbewußtsein, welches er
der Nation, dem Ansehen der Krone und dem
Prestige seiner Regierung schuldet, hätte er hier
im ersten Augenblicke dazu gelangen müssen,
wozu er erst nach einer Woche größter Auf-
regung im ganzen Lande gekommen ist. Nun
sind er, die Krone, das Land und die Armee
das Opfer einer Mystification. Wir erwarten
von der Regierung, daß sie aus dieser schweren
und bitteren Erfahrung die Consequenz ziehen
wird. (Erneuerter Beifall links.)

Graf Albert Apponyi schließt sich zuerst dem
Ausdruck patriotischer Freude darüber an, daß diese
odiose Angelegenheit in einer solchen Weise für
alle Zeiten vom Horizonte verschwunden sei. Der
Plan ist nun begraben. Ritterlichkeit schulden
wir, fährt Redner fort, Jedem, auch dem ehr-
lichen Gegner, aber wir schulden sie auch unseren
eigenen Söhnen. Wir wären Letzteren gegenüber
undankbar, wenn wir sie mit den Feinden des
Vaterlandes in eine Linie stellen würden. Wir
haben nicht die Versöhnung, sondern diese Vor-
aussetzung zurückgewiesen. Es gibt keine schmäh-
lichere Verdächtigung gegen die Opposition, als
daß diese in dieser Affairee die gemeinsame Armee
angegriffen hat. Das wäre das äußerste und




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.



Feigling!
-- Von Oscar Geller. --

(Nachdruck verboten.)

Die Mitglieder des Clubs der "Sanscu-
lotten des Geistes" waren nicht wenig erstaunt,
als sie durch die Einladung des Präsidenten zu
einer außerordentlichen Sitzung einberufen wurden.
Der Gegenstand der Verhandlung war nicht be-
kannt gegeben; man erging sich in verschiedenen
Vermuthungen, man rieth auf galante Abenteuer
und kritische Besprechungen irgend einer neuen
Erscheinung auf diesem oder jenem Gebiete der
Literatur; man glaubte, es handle sich um die
endlich gefundene Lenkbarkeit des Luftballons
oder um Adelaides Trotzköpfigkeit (so hieß der
verhätschelte Liebling eines vorstädtischen Operet-
tentheaters), in Henry d'Herville's Boulevard-
posse "die Tigerin", nicht mitwirken zu wollen.
Alle schüttelten die Köpfe, vom jüngsten Bo-
hemien angefangen bis zum weißhaarigen, greisen-
haften Perinet, der mit seinem einzigen linken
Arme seine hellenischen Götter meißelte, -- Alle
waren sie neugierig und folgten der Einladung.

Um neun Uhr Abends eröffnete der Prä-
sident, der holländische Thiermaler van der
Haassen, der sich zwei Jahre später an einer
Straßenlaterne in der Rue du Temple auf-
knüpfte, da er just vom Balle der rothhaarigen
Petite maman heimkehrte, und nichts besaß
außer dem Fracke am Leibe und das seidene
[Spaltenumbruch] Tuch mit dem er sich erdrosselt hatte, -- die
Versammlung. Die Thüren des Clubsalons
waren geschlossen, die Portieren niedergelassen, --
es herrschte eine tiefe Stille, fast unheimlich bange.

"Meine Herren," hub der Holländer an,
seine Stimme feierlich dämpfend und einen tiefen
Ton dabei anschlagend, der nicht wenig geheim-
nißvoll klang, so daß die Erwartung der Hörer
um ein Bedeutendes stieg, "ich habe Sie in einer
höchst wichtigen Angelegenheit hergebeten, in der
Sie über die Ehre, vielleicht über das Leben
eines Mitgliedes aus unserer Mitte zu entscheiden
haben. Bevor ich Ihnen die Sache vorlege, muß
ich Sie bitten, mir die feierliche Erklärung ab-
zugeben, daß Sie diese uns allein betreffende
Angelegenheit, bei der so viel auf dem Spiele
steht, als strenges Geheimniß bewahren zu wol-
len. Es genügt mir selbstverständlich, wenn Sie,
meine lieben Freunde, mir dies mit Handschlag
versprechen."

Der alte Perinet war der Erste, der sich
erhob, und mit feierlichen Worten strengste
Discretion gelobte; die Anderen folgten seinem
Beispiele.

"Ich danke Ihnen meine Herren", begann
der Präsident von Neuem. "Wir können somit
den Fall erörtern; doch zuvor mögen der Sicher-
heit wegen die zwei jüngsten Herren Mitglieder
sich überzeugen, daß wir vollkommen sicher sind,
daß im Vorzimmer sich Niemand befindet, der
lauschen könnte." Am Ende des langen Tisches
entstand eine kleine Bewegung; der Journalist
Everett Frank O'Morra und der Carricaturen-
Zeichner des "Journal Amusant", Gasparin der
[Spaltenumbruch] Jüngere erhoben sich, traten ins Vorzimmer,
untersuchten dasselbe, und meldeten dann dem
Präsidenten, daß nichts zu besorgen sei.

"Meinen verbindlichsten Dank." Er reichte
Beiden seine Hand, bat sie, ihre Plätze wieder
einzunehmen, gab endlich das Glockenzeichen und
zog aus der Brusttasche ein großes, weißes
Couvert hervor, auf dessen Rückseite ein zierliches
eirundes Wappen in Blau, Roth und Gold an-
gebracht war.

"Ich habe gestern," begann er sein: Rede,
"folgenden Brief erhalten, den ich Ihnen vorzu-
lesen mir die Ehre gebe:

"Trouville, den 18
Hochverehrtester Herr Präsident!

Ich habe Ihre sehr geschätzte Zuschrift von
voriger Woche erhalten, und ich muß Ihnen ge-
stehen, daß ich nicht wenig außer mir bin. Die
Nachricht vom Hinscheiden unseres lieben Freundes
hat mich auf's Tieffte ergriffen. Sie würden mich sehr
zu Dank verbinden, wollten Sie die besondere Freund-
lichkeit haben und in meinem Namen einen Kranz
aus Camelien, Marechall-Niels-Rosen und be-
rauschenden Tubablüthen an seinem Sarge nieder-
zulegen, zu welchem Zweck ich mir erlaube anbei
Ihnen sechshundert Francs anzuweisen.

Leider zwingen mich zugleich Verhältnisse
anderer Art Ihre Güte und Geduld für mich
selbst in Anspruch zu nehmen. Es handelt sich
um meine Ehre, um mein Leben, -- zugleich
aber auch um das Leben eines Nebenmenschen.
Ich habe mir die redlichste Mühe gegeben, Ihnen
den Fall in beiliegender Schrift auseinanderzu-
setzen. Nach § 7 unserer Statuten, bitte ich Sie


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Das
„Mähriſche Tagblatt“
erſcheint mit Ausnahme der
Sonn- und Feiertage täglich.
Ausgabe 2 Uhr Nachmittag
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Ganzjährig fl. 14.—
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Mähriſches
Tagblatt.

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nach aufliegendem Tari[f.]



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cen-Exped in Wien, I. Woll-
zeile Nr. 11, Haase[n]steln &
Vogler,
in Wien, Prag, Buda-
peſt, Berlin, Frankfurt a. M.
Hamburg, Baſel und Leipzig.
Alois Opellik, in Wien. Rud.
Mosse,
in Wien, München u,
Berlin. M. Dukes, Wien, I.
Schulerſtraße 8. G. L. Daube,
und Co.,
Frankfurt a. M.
Adolf Steiner’s Annoncen-
bureau in Hamburg, ſowie
ſämmtl. conc. Inſertionsbu-
reaus des In- u. Auslandes.
Manuſcripte werden ni[cht]
zurückgeſtellt.


Telephon Nr. 9.




Nr. 243. Olmütz, Montag den 24. October 1892. 13. Jahrgang.


[Spaltenumbruch]
Der Sturz des Miniſteriums
Szapary?


Die neueſte Budapeſter Militäraffaire hat
nunmehr dahin geführt, daß die ohnehin durch
die Kirchenfrage ſchwierig gewordene Stellung des
Cabinets Szapary ziemlich allgemein als unhalt-
bar angeſehen wird. Bereits wird die Demiſſion
des Cabinets vielfach als nahe bevorſtehend an-
gekündigt und auch der Nachfolger des Miniſter-
präſidenten ſchon genannt. Graf Szapary — ſo
ſagt man — habe die Krone bei der Honved-
Denkmal Angelegenheit allzu ſtark engagirt und
könne unmöglich an der Spitze der Regierung
bleiben. Finanzminiſter Wekerle oder Juſtiz-
miniſter Szilagyi ſoll an die Spitze des Cabinets
treten. Die Perſonenfrage iſt indeß vorerſt noch
unentſchieden. Zweifellos dagegen iſt, daß auch
innerhalb der Regierungspartei große Unzufrie-
denheit mit Graf Szapary vorhanden iſt.

Inzwiſchen hat die Militäraffaire die abſan-
derlichſte Geſtalt angenommen. Nachdem der
Honved-Centralausſchuß vorgeſtern plötzlich nach
einer ſtürmiſch erregten Sitzung das eigene Denk-
malcomité wegen angeblicher Competenz-Ueber-
ſchreitung durch die Feſtſtellung des bekannten
Programms desavouirt und das Comité demzu-
folge demiſſionirt hat, iſt der geplanten Verſöh-
nungsfeier der Boden entzogen und die erregte
Reichstagsdebatte völlig gegenſtandslos. Die ganze
Feier wird vertagt werden, wahrſcheinlich bis zum
Frühjahr. Statt einer Verſöhnung iſt eine ver-
[Spaltenumbruch] ſchärfte Spannung eingetreten und das vorläufige
Schlußergebniß beſteht in der Cabinetskriſe.

Durch die neueſte Wendung der Denkmal-
affaire iſt die Situation für die Perſon des Mi-
niſterpräſidenten Grafen Szapary eine äußerſt
kritiſche geworden. Darüber ſtimmen alle Be-
richte überein und darin ſcheinen alle politiſchen
Kreiſe einig. Der freitägigen Debatte ſah man in
allen Kreiſen mit großem Intereſſe entgegen. In
Folge des Beſchlußes des Honved-Centralaus-
ſchußes, die ganze Denkmalangelegenheit auf un-
beſtimmte Zeit zu vertagen, hatten ſich die oppo-
ſitionellen Parteien geeinigt, die ſeit acht Tagen
mit großer Erbitterung geführte Debatte abzu-
brechen und alle Anträge von der Tagesordnung
abzuſetzen. Der Präſident verlas die Zuſchrift
des Honved-Denkmalcentralcomités. Hierauf erhob
ſich Miniſterpräſident Graf Szapary und erklärte:
Da eine Vertagung der Feier nothwendig gewor-
den ſei, halte er die weitere Fortſetzung der Dis-
cuſſion nicht für nothwendig und bitte die An-
tragſteller ihre Anträge zurückzuziehen und den
Gegenſtand überhaupt von der Tagesordnung ab-
zuſetzen.

Abg. Carl Eötvös (Unabhängigkeitspartei)
zog hierauf ſeinen Antrag zurück und ſagte: Ich kann
nicht umhin, in unſer aller Namen das Geſühl
der größten Dankbarkeit für jene alten Honveds
auszuſprechen (Stürmiſche Eljen-Rufe links), welche
die Ehre unſerer Nation und auch ihre eigene Ehre ver-
theidigt haben. Aus allen Geſchehniſſen der
letzten Tage ziehe ich die Conſequenz, daß der
Chef des Cabinets ſich über die Verhältniſſe
nicht genügend orientirt hat, um den erhabenen
[Spaltenumbruch] Träger der Krone und die gemeinſame Armee
von dem zu unterrichten, wovon hier namentlich
die Rede iſt. Aber nicht nur die Krone und die
Armee, auch die Volksvertretung und die ganze
Nation ſind falſch informirt worden. Man hat
das Land ohne Noth einer großen Erregung
überantwortet. Wenn ſich der Miniſterpräſident
hierüber pflichtgemäß informirt hätte, und zwar
mit jenem ernſten Pflichtbewußtſein, welches er
der Nation, dem Anſehen der Krone und dem
Preſtige ſeiner Regierung ſchuldet, hätte er hier
im erſten Augenblicke dazu gelangen müſſen,
wozu er erſt nach einer Woche größter Auf-
regung im ganzen Lande gekommen iſt. Nun
ſind er, die Krone, das Land und die Armee
das Opfer einer Myſtification. Wir erwarten
von der Regierung, daß ſie aus dieſer ſchweren
und bitteren Erfahrung die Conſequenz ziehen
wird. (Erneuerter Beifall links.)

Graf Albert Apponyi ſchließt ſich zuerſt dem
Ausdruck patriotiſcher Freude darüber an, daß dieſe
odioſe Angelegenheit in einer ſolchen Weiſe für
alle Zeiten vom Horizonte verſchwunden ſei. Der
Plan iſt nun begraben. Ritterlichkeit ſchulden
wir, fährt Redner fort, Jedem, auch dem ehr-
lichen Gegner, aber wir ſchulden ſie auch unſeren
eigenen Söhnen. Wir wären Letzteren gegenüber
undankbar, wenn wir ſie mit den Feinden des
Vaterlandes in eine Linie ſtellen würden. Wir
haben nicht die Verſöhnung, ſondern dieſe Vor-
ausſetzung zurückgewieſen. Es gibt keine ſchmäh-
lichere Verdächtigung gegen die Oppoſition, als
daß dieſe in dieſer Affairee die gemeinſame Armee
angegriffen hat. Das wäre das äußerſte und




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.



Feigling!
— Von Oscar Geller.

(Nachdruck verboten.)

Die Mitglieder des Clubs der „Sanscu-
lotten des Geiſtes“ waren nicht wenig erſtaunt,
als ſie durch die Einladung des Präſidenten zu
einer außerordentlichen Sitzung einberufen wurden.
Der Gegenſtand der Verhandlung war nicht be-
kannt gegeben; man erging ſich in verſchiedenen
Vermuthungen, man rieth auf galante Abenteuer
und kritiſche Beſprechungen irgend einer neuen
Erſcheinung auf dieſem oder jenem Gebiete der
Literatur; man glaubte, es handle ſich um die
endlich gefundene Lenkbarkeit des Luftballons
oder um Adelaïdes Trotzköpfigkeit (ſo hieß der
verhätſchelte Liebling eines vorſtädtiſchen Operet-
tentheaters), in Henry d’Herville’s Boulevard-
poſſe „die Tigerin“, nicht mitwirken zu wollen.
Alle ſchüttelten die Köpfe, vom jüngſten Bo-
hémien angefangen bis zum weißhaarigen, greiſen-
haften Périnet, der mit ſeinem einzigen linken
Arme ſeine helleniſchen Götter meißelte, — Alle
waren ſie neugierig und folgten der Einladung.

Um neun Uhr Abends eröffnete der Prä-
ſident, der holländiſche Thiermaler van der
Haaſſen, der ſich zwei Jahre ſpäter an einer
Straßenlaterne in der Rue du Temple auf-
knüpfte, da er juſt vom Balle der rothhaarigen
Petite maman heimkehrte, und nichts beſaß
außer dem Fracke am Leibe und das ſeidene
[Spaltenumbruch] Tuch mit dem er ſich erdroſſelt hatte, — die
Verſammlung. Die Thüren des Clubſalons
waren geſchloſſen, die Portiéren niedergelaſſen, —
es herrſchte eine tiefe Stille, faſt unheimlich bange.

„Meine Herren,“ hub der Holländer an,
ſeine Stimme feierlich dämpfend und einen tiefen
Ton dabei anſchlagend, der nicht wenig geheim-
nißvoll klang, ſo daß die Erwartung der Hörer
um ein Bedeutendes ſtieg, „ich habe Sie in einer
höchſt wichtigen Angelegenheit hergebeten, in der
Sie über die Ehre, vielleicht über das Leben
eines Mitgliedes aus unſerer Mitte zu entſcheiden
haben. Bevor ich Ihnen die Sache vorlege, muß
ich Sie bitten, mir die feierliche Erklärung ab-
zugeben, daß Sie dieſe uns allein betreffende
Angelegenheit, bei der ſo viel auf dem Spiele
ſteht, als ſtrenges Geheimniß bewahren zu wol-
len. Es genügt mir ſelbſtverſtändlich, wenn Sie,
meine lieben Freunde, mir dies mit Handſchlag
verſprechen.“

Der alte Périnet war der Erſte, der ſich
erhob, und mit feierlichen Worten ſtrengſte
Discretion gelobte; die Anderen folgten ſeinem
Beiſpiele.

„Ich danke Ihnen meine Herren“, begann
der Präſident von Neuem. „Wir können ſomit
den Fall erörtern; doch zuvor mögen der Sicher-
heit wegen die zwei jüngſten Herren Mitglieder
ſich überzeugen, daß wir vollkommen ſicher ſind,
daß im Vorzimmer ſich Niemand befindet, der
lauſchen könnte.“ Am Ende des langen Tiſches
entſtand eine kleine Bewegung; der Journaliſt
Everett Frank O’Morra und der Carricaturen-
Zeichner des „Journal Amuſant“, Gasparin der
[Spaltenumbruch] Jüngere erhoben ſich, traten ins Vorzimmer,
unterſuchten daſſelbe, und meldeten dann dem
Präſidenten, daß nichts zu beſorgen ſei.

„Meinen verbindlichſten Dank.“ Er reichte
Beiden ſeine Hand, bat ſie, ihre Plätze wieder
einzunehmen, gab endlich das Glockenzeichen und
zog aus der Bruſttaſche ein großes, weißes
Couvert hervor, auf deſſen Rückſeite ein zierliches
eirundes Wappen in Blau, Roth und Gold an-
gebracht war.

„Ich habe geſtern,“ begann er ſein: Rede,
„folgenden Brief erhalten, den ich Ihnen vorzu-
leſen mir die Ehre gebe:

„Trouville, den 18
Hochverehrteſter Herr Präſident!

Ich habe Ihre ſehr geſchätzte Zuſchrift von
voriger Woche erhalten, und ich muß Ihnen ge-
ſtehen, daß ich nicht wenig außer mir bin. Die
Nachricht vom Hinſcheiden unſeres lieben Freundes
hat mich auf’s Tieffte ergriffen. Sie würden mich ſehr
zu Dank verbinden, wollten Sie die beſondere Freund-
lichkeit haben und in meinem Namen einen Kranz
aus Camelien, Maréchall-Niels-Roſen und be-
rauſchenden Tubablüthen an ſeinem Sarge nieder-
zulegen, zu welchem Zweck ich mir erlaube anbei
Ihnen ſechshundert Francs anzuweiſen.

Leider zwingen mich zugleich Verhältniſſe
anderer Art Ihre Güte und Geduld für mich
ſelbſt in Anſpruch zu nehmen. Es handelt ſich
um meine Ehre, um mein Leben, — zugleich
aber auch um das Leben eines Nebenmenſchen.
Ich habe mir die redlichſte Mühe gegeben, Ihnen
den Fall in beiliegender Schrift auseinanderzu-
ſetzen. Nach § 7 unſerer Statuten, bitte ich Sie


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[[1]/0001] Das „Mähriſche Tagblatt“ erſcheint mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage täglich. Ausgabe 2 Uhr Nachmittag im Adminiſtrationslocale Riederring Nr. 41 neu. Abonnement für Olmütz: Ganzjährig fl. 10.— Halbjährig „ 5.— Vierteljährig „ 2.50 Monatlich „ —.90 Zuſtellung ins Haus monat- lich 10 kr. Auswärts durch die Poſt: Ganzjährig fl. 14.— Halbjährig „ 7.— Vierteljährig „ 3.50 Einzelne Nummern 5 kr. Telephon Nr. 9. Mähriſches Tagblatt. Inſertionsgebühren nach aufliegendem Tarif. Außerhalb Olmütz überneh- men Inſertions-Aufträge: Heinrich Schalek, Annon- cen-Exped in Wien, I. Woll- zeile Nr. 11, Haasensteln & Vogler, in Wien, Prag, Buda- peſt, Berlin, Frankfurt a. M. Hamburg, Baſel und Leipzig. Alois Opellik, in Wien. Rud. Mosse, in Wien, München u, Berlin. M. Dukes, Wien, I. Schulerſtraße 8. G. L. Daube, und Co., Frankfurt a. M. Adolf Steiner’s Annoncen- bureau in Hamburg, ſowie ſämmtl. conc. Inſertionsbu- reaus des In- u. Auslandes. Manuſcripte werden nicht zurückgeſtellt. Telephon Nr. 9. Nr. 243. Olmütz, Montag den 24. October 1892. 13. Jahrgang. Der Sturz des Miniſteriums Szapary? Olmütz, 24. October. Die neueſte Budapeſter Militäraffaire hat nunmehr dahin geführt, daß die ohnehin durch die Kirchenfrage ſchwierig gewordene Stellung des Cabinets Szapary ziemlich allgemein als unhalt- bar angeſehen wird. Bereits wird die Demiſſion des Cabinets vielfach als nahe bevorſtehend an- gekündigt und auch der Nachfolger des Miniſter- präſidenten ſchon genannt. Graf Szapary — ſo ſagt man — habe die Krone bei der Honved- Denkmal Angelegenheit allzu ſtark engagirt und könne unmöglich an der Spitze der Regierung bleiben. Finanzminiſter Wekerle oder Juſtiz- miniſter Szilagyi ſoll an die Spitze des Cabinets treten. Die Perſonenfrage iſt indeß vorerſt noch unentſchieden. Zweifellos dagegen iſt, daß auch innerhalb der Regierungspartei große Unzufrie- denheit mit Graf Szapary vorhanden iſt. Inzwiſchen hat die Militäraffaire die abſan- derlichſte Geſtalt angenommen. Nachdem der Honved-Centralausſchuß vorgeſtern plötzlich nach einer ſtürmiſch erregten Sitzung das eigene Denk- malcomité wegen angeblicher Competenz-Ueber- ſchreitung durch die Feſtſtellung des bekannten Programms desavouirt und das Comité demzu- folge demiſſionirt hat, iſt der geplanten Verſöh- nungsfeier der Boden entzogen und die erregte Reichstagsdebatte völlig gegenſtandslos. Die ganze Feier wird vertagt werden, wahrſcheinlich bis zum Frühjahr. Statt einer Verſöhnung iſt eine ver- ſchärfte Spannung eingetreten und das vorläufige Schlußergebniß beſteht in der Cabinetskriſe. Durch die neueſte Wendung der Denkmal- affaire iſt die Situation für die Perſon des Mi- niſterpräſidenten Grafen Szapary eine äußerſt kritiſche geworden. Darüber ſtimmen alle Be- richte überein und darin ſcheinen alle politiſchen Kreiſe einig. Der freitägigen Debatte ſah man in allen Kreiſen mit großem Intereſſe entgegen. 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Aus allen Geſchehniſſen der letzten Tage ziehe ich die Conſequenz, daß der Chef des Cabinets ſich über die Verhältniſſe nicht genügend orientirt hat, um den erhabenen Träger der Krone und die gemeinſame Armee von dem zu unterrichten, wovon hier namentlich die Rede iſt. Aber nicht nur die Krone und die Armee, auch die Volksvertretung und die ganze Nation ſind falſch informirt worden. Man hat das Land ohne Noth einer großen Erregung überantwortet. Wenn ſich der Miniſterpräſident hierüber pflichtgemäß informirt hätte, und zwar mit jenem ernſten Pflichtbewußtſein, welches er der Nation, dem Anſehen der Krone und dem Preſtige ſeiner Regierung ſchuldet, hätte er hier im erſten Augenblicke dazu gelangen müſſen, wozu er erſt nach einer Woche größter Auf- regung im ganzen Lande gekommen iſt. Nun ſind er, die Krone, das Land und die Armee das Opfer einer Myſtification. Wir erwarten von der Regierung, daß ſie aus dieſer ſchweren und bitteren Erfahrung die Conſequenz ziehen wird. (Erneuerter Beifall links.) Graf Albert Apponyi ſchließt ſich zuerſt dem Ausdruck patriotiſcher Freude darüber an, daß dieſe odioſe Angelegenheit in einer ſolchen Weiſe für alle Zeiten vom Horizonte verſchwunden ſei. Der Plan iſt nun begraben. Ritterlichkeit ſchulden wir, fährt Redner fort, Jedem, auch dem ehr- lichen Gegner, aber wir ſchulden ſie auch unſeren eigenen Söhnen. Wir wären Letzteren gegenüber undankbar, wenn wir ſie mit den Feinden des Vaterlandes in eine Linie ſtellen würden. Wir haben nicht die Verſöhnung, ſondern dieſe Vor- ausſetzung zurückgewieſen. Es gibt keine ſchmäh- lichere Verdächtigung gegen die Oppoſition, als daß dieſe in dieſer Affairee die gemeinſame Armee angegriffen hat. Das wäre das äußerſte und Feuilleton. Feigling! — Von Oscar Geller. — (Nachdruck verboten.) Die Mitglieder des Clubs der „Sanscu- lotten des Geiſtes“ waren nicht wenig erſtaunt, als ſie durch die Einladung des Präſidenten zu einer außerordentlichen Sitzung einberufen wurden. Der Gegenſtand der Verhandlung war nicht be- kannt gegeben; man erging ſich in verſchiedenen Vermuthungen, man rieth auf galante Abenteuer und kritiſche Beſprechungen irgend einer neuen Erſcheinung auf dieſem oder jenem Gebiete der Literatur; man glaubte, es handle ſich um die endlich gefundene Lenkbarkeit des Luftballons oder um Adelaïdes Trotzköpfigkeit (ſo hieß der verhätſchelte Liebling eines vorſtädtiſchen Operet- tentheaters), in Henry d’Herville’s Boulevard- poſſe „die Tigerin“, nicht mitwirken zu wollen. Alle ſchüttelten die Köpfe, vom jüngſten Bo- hémien angefangen bis zum weißhaarigen, greiſen- haften Périnet, der mit ſeinem einzigen linken Arme ſeine helleniſchen Götter meißelte, — Alle waren ſie neugierig und folgten der Einladung. Um neun Uhr Abends eröffnete der Prä- ſident, der holländiſche Thiermaler van der Haaſſen, der ſich zwei Jahre ſpäter an einer Straßenlaterne in der Rue du Temple auf- knüpfte, da er juſt vom Balle der rothhaarigen Petite maman heimkehrte, und nichts beſaß außer dem Fracke am Leibe und das ſeidene Tuch mit dem er ſich erdroſſelt hatte, — die Verſammlung. Die Thüren des Clubſalons waren geſchloſſen, die Portiéren niedergelaſſen, — es herrſchte eine tiefe Stille, faſt unheimlich bange. „Meine Herren,“ hub der Holländer an, ſeine Stimme feierlich dämpfend und einen tiefen Ton dabei anſchlagend, der nicht wenig geheim- nißvoll klang, ſo daß die Erwartung der Hörer um ein Bedeutendes ſtieg, „ich habe Sie in einer höchſt wichtigen Angelegenheit hergebeten, in der Sie über die Ehre, vielleicht über das Leben eines Mitgliedes aus unſerer Mitte zu entſcheiden haben. Bevor ich Ihnen die Sache vorlege, muß ich Sie bitten, mir die feierliche Erklärung ab- zugeben, daß Sie dieſe uns allein betreffende Angelegenheit, bei der ſo viel auf dem Spiele ſteht, als ſtrenges Geheimniß bewahren zu wol- len. Es genügt mir ſelbſtverſtändlich, wenn Sie, meine lieben Freunde, mir dies mit Handſchlag verſprechen.“ Der alte Périnet war der Erſte, der ſich erhob, und mit feierlichen Worten ſtrengſte Discretion gelobte; die Anderen folgten ſeinem Beiſpiele. „Ich danke Ihnen meine Herren“, begann der Präſident von Neuem. „Wir können ſomit den Fall erörtern; doch zuvor mögen der Sicher- heit wegen die zwei jüngſten Herren Mitglieder ſich überzeugen, daß wir vollkommen ſicher ſind, daß im Vorzimmer ſich Niemand befindet, der lauſchen könnte.“ Am Ende des langen Tiſches entſtand eine kleine Bewegung; der Journaliſt Everett Frank O’Morra und der Carricaturen- Zeichner des „Journal Amuſant“, Gasparin der Jüngere erhoben ſich, traten ins Vorzimmer, unterſuchten daſſelbe, und meldeten dann dem Präſidenten, daß nichts zu beſorgen ſei. „Meinen verbindlichſten Dank.“ Er reichte Beiden ſeine Hand, bat ſie, ihre Plätze wieder einzunehmen, gab endlich das Glockenzeichen und zog aus der Bruſttaſche ein großes, weißes Couvert hervor, auf deſſen Rückſeite ein zierliches eirundes Wappen in Blau, Roth und Gold an- gebracht war. „Ich habe geſtern,“ begann er ſein: Rede, „folgenden Brief erhalten, den ich Ihnen vorzu- leſen mir die Ehre gebe: „Trouville, den 18 Hochverehrteſter Herr Präſident! 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Zitationshilfe: Mährisches Tagblatt. Nr. 243, Olmütz, 24.10.1892, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maehrisches243_1892/1>, abgerufen am 21.11.2024.