Mährisches Tagblatt. Nr. 243, Olmütz, 24.10.1892.[Spaltenumbruch]
größte Unrecht. Die entscheidenden Factoren der Der Ministerpräsident erklärte, die Absetzung Politische Nachrichten. (Der Abschied des Freiherrn v. Winkler.) Der Landespräsident von Krain, Freiherr von (Zur Reform des Militär-Strafprocesses.) Wie die "Allg. Juristen-Zeitung" erfährt, liegt (Die Mitglieder des Bischofscomites), welche in den letzten Tagen in Wien verweilten, (Zur Auflösung der Reichenberger Stadt- vertretung.) Der "Politik" wird aus Reichen- (Ein Widerruf des Mechanikers Schneider.) Mechaniker Schneider publicirt in den anti-libe- [Spaltenumbruch] nun, meinen Fall dem Plenum unseres Clubs Genehmigen Sie, hochverehrtester Herr Nun faltete er sorgsam den Brief zusam- "Lieber Herr Cartagny, wollen Sie nun die Der glattrasirte Schauspieler verneigte sich, "Hochverehrte Versammlung!" las er, "ich Wie Ihnen allen bekannt ist, zähle ich jetzt Wir verlebten oft sehr herrliche Stunden. Alfred --, Sie verzeihen meine Herren, wenn [Spaltenumbruch]
größte Unrecht. Die entſcheidenden Factoren der Der Miniſterpräſident erklärte, die Abſetzung Politiſche Nachrichten. (Der Abſchied des Freiherrn v. Winkler.) Der Landespräſident von Krain, Freiherr von (Zur Reform des Militär-Strafproceſſes.) Wie die „Allg. Juriſten-Zeitung“ erfährt, liegt (Die Mitglieder des Biſchofscomités), welche in den letzten Tagen in Wien verweilten, (Zur Auflöſung der Reichenberger Stadt- vertretung.) Der „Politik“ wird aus Reichen- (Ein Widerruf des Mechanikers Schneider.) Mechaniker Schneider publicirt in den anti-libe- [Spaltenumbruch] nun, meinen Fall dem Plenum unſeres Clubs Genehmigen Sie, hochverehrteſter Herr Nun faltete er ſorgſam den Brief zuſam- „Lieber Herr Cartagny, wollen Sie nun die Der glattraſirte Schauſpieler verneigte ſich, „Hochverehrte Verſammlung!“ las er, „ich Wie Ihnen allen bekannt iſt, zähle ich jetzt Wir verlebten oft ſehr herrliche Stunden. Alfred —, Sie verzeihen meine Herren, wenn <TEI> <text> <body> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="f1a" next="#f1b" type="jArticle" n="2"> <pb facs="#f0002" n="[2]"/> <cb/> </div> </div> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div xml:id="a1b" prev="#a1a" type="jArticle" n="2"> <p>größte Unrecht. Die entſcheidenden Factoren der<lb/> Armee können nichts dafür, daß Ungarns Staats-<lb/> männer ſie irregeführt haben. Die Aufhäufung<lb/> von Fehlern, mit welchen dieſe Angelegenheit<lb/> vom Miniſterpräſidenten geführt wurde, iſt ge-<lb/> radezu ſtaunenswerth. Ehe ein Staatsmann den<lb/> höchſten Factor im Staate, ſein eigenes Cabinet,<lb/> ſeine eigene Partei in eine Angelegenheit hinein-<lb/> führt, die Sanction der Krone zu derſelben for-<lb/> dert, iſt es doch Pflicht, ſich über die öffentliche<lb/> Stimmung zu orientiren und ſich die Gewißheit<lb/> darüber zu verſchaffen, daß dasjenige, was er<lb/> beantragt, auf der einmüthigen Billigung der<lb/> öffentlichen Meinung beruht und der allgemeinen<lb/> Empfindung entſpricht. Wer ſühnen und verſöhnen<lb/> will, wer eine nationale Feier veranſtalten will,<lb/> durch welche alte Kämpfe vergeſſen und nicht<lb/> neue Kämpfe heraufbeſchworen werden ſollen,<lb/> muß doch der öffentlichen Meinung ſicher ſein.<lb/> Sich darüber Gewißheit zu verſchaffen hat der<lb/> Miniſterpräſident verabſäumt. Offenbar durch ſeine<lb/> disherigen großen politiſchen Erfolge geblendet<lb/> (Schallende Heiterkeit und Applaus links), dachte<lb/> er ſicher, er kenne die öffentliche Meinung ſo<lb/> genau, daß er Niemandes Rath bedürfe. Mit<lb/> ſeiner Genialität glaubte er Alles ſelbſt zu<lb/> finden und ſetzte er voraus, daß Alle ſich beugen<lb/> werden, und daß er hiedurch das Piedeſtal ſeiner<lb/> ſtaatsmänniſchen Größe erhöhen werde. (Wieder-<lb/> holte Heiterkeit.) Nun aber folgt die Krönung<lb/> des Gebäudes, und es ſtelle ſich heraus, daß<lb/> dasjenige, worüber wir hier tagelang debattiren,<lb/> wofür der Miniſterpräſident die Zuſtimmung<lb/> der Krone angeſucht hat, wofür die Solidarität<lb/> des Cabinets engagirt wurde, einfach gegen-<lb/> ſtandslos geworden iſt. (Lautes Gelächter bei<lb/> der Oppoſition.) Hoffentlich iſt auch jede Dis-<lb/> cuſſion über die Regierungsfähigkeit und den<lb/> Regierungsberuf des Miniſterpräſidenten nun-<lb/> mehr gegenſtandslos geworden. (Wiederholte<lb/> Heiterkeit und Applaus links.) Wenn der Kranz<lb/> für das Hentzi-Denkmal mit der Inſchrift auf<lb/> den Schleifen: Sie ruhen in Frieden! bereits<lb/> beſtellt war, möge derſelbe auf den Sarg der<lb/> Regierungsfähigkeit des Miniſterprädenten nie-<lb/> dergelegt werden. (Minutenlanger Applaus links.)<lb/> Wenn aber nach Compromittirung alles deſſen,<lb/> was im Staate nicht compromittirt werden darf,<lb/> ſeine Regierung noch fortdauern dürfte, dann<lb/> gebe ich ihm wohl den Kranz, aber nicht die<lb/> Aufſchrift, denn er wird von unſerer Seite weder<lb/> Ruhe noch Frieden haben. Ich ſchließe mit den<lb/> Worten des franzöſiſchen Schriftſtellers: <hi rendition="#aq">C’est<lb/> le ridicule, qui tue!</hi> </p><lb/> <p>Der Miniſterpräſident erklärte, die Abſetzung<lb/> von der Tagesordnung bedeute nicht das letzte<lb/> Wort in dieſer Sache. Er acceptire ein Urtheil<lb/> über das Vorgehen der Regierung nicht von der<lb/><cb/> leidenſchaftlichen Oppoſition, ſondern nur von<lb/> competenter Seite. Hätten Jedermann die Ziele<lb/> vorgeſchwebt, welche die Regierung im Auge<lb/> hatte, würde die von der Oppoſition geltend<lb/> gemachte Aufregung nicht entſtanden ſein. Das<lb/> Haus beſchloß einſtimmig die Abſetzung von der<lb/> Tagesordnung. Die nächſte Sitzung findet am<lb/> 3. November ſtatt.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Politiſche Nachrichten.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">(Der Abſchied des Freiherrn v. 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Umgekehrt<lb/> werden die während ſeiner Herrſchaft ſo kräftig<lb/> emporgewachſenen ruſſiſchen Neigungen, von denen<lb/> nach ſeiner Behauptung nichts zu entdecken iſt,<lb/> überall geſehen, verſpürt, beklagt — nur von ihm<lb/> ſelbſt nicht. Sogar die clericale Preſſe gibt das<lb/> Vorhandenſein einer ruſſiſchen Strömung rück-<lb/> haltlos zu, und bekanntlich war es in erſter Linie<lb/> Krain, welches die Biſchöfe im Auge hatten, als<lb/> ſie in ihrem gemeinſamen Hirtenbriefe der pan-<lb/> ſlaviſtiſchen Gefahr entgegentraten. Man ſieht,<lb/> Freiherr von Winkler war auch noch zu guterletzt<lb/> größer in der gewandten formellen Conception<lb/> ſeiner Rede, als in der Kraft ihrer Beweisgründe.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">(Zur Reform des Militär-Strafproceſſes.)</hi> </head><lb/> <p>Wie die „Allg. Juriſten-Zeitung“ erfährt, liegt<lb/> die Schwierigkeit, welche das Zuſtandekommen<lb/> eines neuen Militär-Strafverfahrens, trotz der<lb/> allſeits anerkannten Dringlichkeit, ſchon ſo lange<lb/> hindert, in erſter Linie und vielleicht ausſchließlich<lb/> nur darin, daß das Reichs-Kriegsminiſterium einen<lb/> ganz anderen principiellen Standpunct einnimmt,<lb/> als die beiderſeitigen Juſtizminiſterien. Sowohl<lb/> der Juſtizminiſter Graf Schönborn als auch der<lb/> jenſeitige Juſtizminiſter vertreten die Anſchauung,<lb/> daß das Militär-Strafverfahren nicht jener<lb/> Garantien entbehren kann, welche die moderne<lb/> Rechtswiſſenſchaft zum Schutze des Angeklagten<lb/> für unerläßlich hält. Die Garantien ſind haupt-<lb/> ſächlich: Oeffentlichkeit des Verfahrens, Zulaſſung<lb/> eines Vertheidigers und Beſchwerde, reſpective<lb/> Appellation gegen ein ungerechtes Urtheil. Beide<lb/><cb/> Juſtizminiſterien ſind ſo einig in dieſer Auffaſſung,<lb/> daß bereits für beide Reichshälften ein auf dieſen<lb/> Principien beruhender, faſt identiſcher Entwurf<lb/> eines neuen Militär-Straſproceſſes ausgearbeitet<lb/> wurde, wobei auf die beſonderen Verhältniſſe des<lb/> Militärdienſtes volle Rückſicht genommen wurde.<lb/> Das Reichs-Kriegsminiſterium glaubt den Stand-<lb/> punct der Juſtizminiſterien nicht acceptiren zu<lb/> können; anderſeits aber iſt es ebenſo gewiß, daß<lb/> weder das Parlament in Wien noch jenes in<lb/> Budapeſt einen Entwurf, welcher die oben citir-<lb/> ten Principien außer Acht läßt, jemals acceptiren<lb/> werden. Auf dieſe Weiſe bleibt bedauerlicherweiſe<lb/> Alles beim Alten.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">(Die Mitglieder des Biſchofscomités),</hi> </head><lb/> <p>welche in den letzten Tagen in Wien verweilten,<lb/> haben, wie man uns von dort ſchreibt, an Car-<lb/> dinal <hi rendition="#g">Gruſcha</hi> ein <hi rendition="#g">Schreiben</hi> gerichtet, in<lb/> welchem ſie dem tiefſten Schmerze über die<lb/> ſchweren Kränkungen Ausdruck geben, die dem<lb/> Cardinal bereits wiederholt namentlich aber an-<lb/> läßlich des bekannten Kreuzzeichen-Erlaſſes unter<lb/> dem Vorwande des Eintretens für die Sache des<lb/> Chriſtenthums in unqualificirbarer Weiſe zuge-<lb/> fügt wurden. Das Schreiben conſtatirt, daß der<lb/> öſterreichiſche Episcopat nichts unterlaſſen habe,<lb/> um eine Umgeſtaltung des Volksſchulweſens<lb/> auf confeſſioneller Grundlage herbeizuführen.<lb/> Das Schreiben erinnert an die verſchiedenen<lb/> Schritte des Episcopats in Angelegenheit der<lb/> confeſſionellen Schule und daran, daß eine Er-<lb/> klärung in der Schulcommiſſion des Herrenhauſes<lb/> infolge der Auflöſung des Reichsrathes eine Ant-<lb/> wort nicht erhalten hat. Trotzdem habe der<lb/> Episcopat unterm 13. März dieſes Jahres eine<lb/> neuerliche Eingabe bezüglich der Volksſchule an<lb/> das Geſammtminiſterium gerichtet. Eine vollkom-<lb/> mene Geſundung unſerer Schuleinrichtungen ſei<lb/> allerdings erſt dann zu hoffen, wenn ein inten-<lb/> ſiveres Verſtändniß dafür durch Zuſammenwirken<lb/> der berufenen Kreiſe bei den Wahlen in die<lb/> verſchiedenen Vertretungskörper und Schulräthe<lb/> maßgebenden Einfluß genommen haben wird.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">(Zur Auflöſung der Reichenberger Stadt-<lb/> vertretung.)</hi> </head> <p>Der „Politik“ wird aus Reichen-<lb/> berg telegraphirt: Wie verlautet, wird Dr. Schücker<lb/> die Wahl zum Bürgermeiſter, wenn ſie ihm an-<lb/> getragen werden ſollte, ablehnen, wahrſcheinlich<lb/> weil er beſorgt, die kaiſerliche Beſtätigung nicht<lb/> zu erhalten.</p> </div><lb/> <div xml:id="a2a" next="#a2b" type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">(Ein Widerruf des Mechanikers Schneider.)</hi> </head><lb/> <p>Mechaniker Schneider publicirt in den anti-libe-<lb/> ralen Blättern einen Widerruf, in welchem er<lb/> den Wiener Erzbiſchof um Verzeihung bittet.<lb/> Die betreffende Zuſchrift lautet: „In meiner<lb/> Wählerverſammlung vom 20. d. M. habe ich<lb/> gegen Se. Eminenz den Herrn Erzbiſchof an-<lb/> läßlich des jüngſten Schulerlaſſes Vorwürfe er-</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> </div> </div> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div next="#f1c" xml:id="f1b" prev="#f1a" type="jArticle" n="2"> <p>nun, meinen Fall dem Plenum unſeres Clubs<lb/> vorzutragen; mögen meine Freunde über mich<lb/> richten.</p><lb/> <p>Genehmigen Sie, hochverehrteſter Herr<lb/> Präſident die Verſicherung meiner beſonderen<lb/> Werthſchätzung<lb/><hi rendition="#et">mit der ich verbleibe ſtets Ihr<lb/> Prinz Felix Rawanojeff.“</hi> </p><lb/> <p>Nun faltete er ſorgſam den Brief zuſam-<lb/> men, hielt ihn <hi rendition="#g">an</hi> die Flamme einer Kerze, bis<lb/> er gänzlich verbrannt war. 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Ich bin in Petersburg geboren, lebte<lb/> aber größtentheils im Auslande, beſonders in Lon-<lb/> don und Paris. Hier und da kam ich auch nach<lb/><cb/> Wien oder München; ferner wiſſen Sie Alle,<lb/> daß ich ſeit jeher zur Kunſt mich hingezogen<lb/> fühle, daß ich ſelbſt ſchwache Verſuche wagte, ſie<lb/> auszuüben, zumeiſt mich aber damit begnügen<lb/> muß, für ſelbe zu ſchwärmen, ſie zu lieben, mich<lb/> für alles Schöne zu begeiſtern. Dieſer mein Hang<lb/> zum Träumeriſchen, Idealen, wie er von vielen<lb/> Seiten ſo falſch aufgefaßt, verſtanden und beur-<lb/> theilt wurde, hat mir von mancher Seite Spott,<lb/> von anderer aufrichtige Freundſchaft eingetragen.<lb/> Letzteres in beſonderem Maße bei einem jungen,<lb/> ſchwärmeriſch veranlagten Kunſtacademiker, deſſen<lb/> Name ich noch vorläufig geheim halten muß.<lb/> Wir lernten uns in der Bibliothek Saint-Querin<lb/> kennen, wo wir neben einander die alten Kupfer-<lb/> ſtiche und Radirungen copirten. Die Gleichartig-<lb/> keit der Beſchäftigung, die Nachbarſchaft, das faſt<lb/> gleiche Alter hatte uns bald zuſammengeführt,<lb/> wir wurden gute Freunde. Da ich aber ſchon zu<lb/> Anfang dieſer Bekanntſchaft die ärmlichen, ſorg-<lb/> reichen Verhältniſſe meines jungen Freundes er-<lb/> kannt hatte, (er copirte des lieben Verdienſtes<lb/> willen), ſcheute ich mich, ihm meinen wahren<lb/> Namen anzugeben, aus Furcht, ſeine Auf-<lb/> richtigkeit gegen mich werde darunter leiden.<lb/> Erblickte er aber in mir Einen ſeines<lb/> Gleichen, ſo hatte er ja keinen Grund, in die<lb/> Tiefe und Wahrhaftigkeit meiner Freundſchaft<lb/> Zweifel zu ſetzen. Ich war für ihn einfach ein<lb/> Felix Ranewski, ein ruſſiſcher Kunſtjünger, der<lb/> zufällig mehr Geld hatte als er, und der ſich<lb/> deshalb den Spaß machen durfte, ſeinem Freunde<lb/> von Fall zu Fall kleinere Summen vorzuſtrecken.<lb/> Größere hätte er nicht angenommen; wüßte<lb/><cb/> er, von wem das Geld ſtammt, er wäre gewiß<lb/> beleidigt geweſen, denn er war ungemein zart-<lb/> fühlend. Dies merkte ich ſehr oft aus ſeinen<lb/> Reden.</p><lb/> <p>Wir verlebten oft ſehr herrliche Stunden.</p><lb/> <p>Alfred —, Sie verzeihen meine Herren, wenn<lb/> ich ihn bei dieſem erdichteten Vornamen nenne,<lb/> — war durch und durch Künſtler. Einfach, be-<lb/> ſcheiden und unſchuldig heiteren, wahrhaft kindli-<lb/> chen Gemüthes; offenes, ehrliches Geſicht, den<lb/> ein kurzer, krauſer Blondbart einrahmte; helle,<lb/> braune Augen und volle, wellige Locken, die den<lb/> ſchön geformten Kopf in reicher Fülle übergoſſen.<lb/> Sein ganzes Weſen glich einem Spiegel, das<lb/> noch kein Hauch getrübt, es lag vor mir, wie<lb/> ein offenes Buch, deſſen Seiten noch unbeſchrie-<lb/> ben ſind. Wenn ihn auch hie und da Sorgen<lb/> bedrückten, er war doch zufrieden; er wiegte ſich<lb/> immer in ſüßen Hoffnungen, baute Luftſchlöſſer<lb/> und war Alles in Allem glücklich. Seine Auf-<lb/> richtigkeit gegen mich that mir we<supplied>h</supplied>, denn ich<lb/> begann es zu bereuen, ihn über meine Perſon ge-<lb/> täuſcht zu haben. Aber die unſelige Eitelkeit,<lb/> die häßliche Eigenliebe, vor ihm nicht als Lüg-<lb/> ner zu erſcheinen, hielten mich ab, mich ihm zu<lb/> offenbaren, trotzdem ich mir dies jedesmal auf’s<lb/> Neue vornahm. Ich ſchämte mich vor ihm. Seine<lb/> Freundlichkeit, Liebenswürdigkeit, ſeine aufrichtige<lb/> Art begannen mir wehe zu thun — —<lb/> ich begann ihn zu meiden. Sie können es mir<lb/> glauben, meine Herren, meine Lüge drückte mich<lb/> nieder und ich fühlte mich in Alfreds Nähe ſo<lb/> erbärmlich klein, ſo unwürdig ſeiner Liebe, daß<lb/> ich mich vor mir ſelbſt ſchämte und meine unſe-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[2]/0002]
größte Unrecht. Die entſcheidenden Factoren der
Armee können nichts dafür, daß Ungarns Staats-
männer ſie irregeführt haben. Die Aufhäufung
von Fehlern, mit welchen dieſe Angelegenheit
vom Miniſterpräſidenten geführt wurde, iſt ge-
radezu ſtaunenswerth. Ehe ein Staatsmann den
höchſten Factor im Staate, ſein eigenes Cabinet,
ſeine eigene Partei in eine Angelegenheit hinein-
führt, die Sanction der Krone zu derſelben for-
dert, iſt es doch Pflicht, ſich über die öffentliche
Stimmung zu orientiren und ſich die Gewißheit
darüber zu verſchaffen, daß dasjenige, was er
beantragt, auf der einmüthigen Billigung der
öffentlichen Meinung beruht und der allgemeinen
Empfindung entſpricht. Wer ſühnen und verſöhnen
will, wer eine nationale Feier veranſtalten will,
durch welche alte Kämpfe vergeſſen und nicht
neue Kämpfe heraufbeſchworen werden ſollen,
muß doch der öffentlichen Meinung ſicher ſein.
Sich darüber Gewißheit zu verſchaffen hat der
Miniſterpräſident verabſäumt. Offenbar durch ſeine
disherigen großen politiſchen Erfolge geblendet
(Schallende Heiterkeit und Applaus links), dachte
er ſicher, er kenne die öffentliche Meinung ſo
genau, daß er Niemandes Rath bedürfe. Mit
ſeiner Genialität glaubte er Alles ſelbſt zu
finden und ſetzte er voraus, daß Alle ſich beugen
werden, und daß er hiedurch das Piedeſtal ſeiner
ſtaatsmänniſchen Größe erhöhen werde. (Wieder-
holte Heiterkeit.) Nun aber folgt die Krönung
des Gebäudes, und es ſtelle ſich heraus, daß
dasjenige, worüber wir hier tagelang debattiren,
wofür der Miniſterpräſident die Zuſtimmung
der Krone angeſucht hat, wofür die Solidarität
des Cabinets engagirt wurde, einfach gegen-
ſtandslos geworden iſt. (Lautes Gelächter bei
der Oppoſition.) Hoffentlich iſt auch jede Dis-
cuſſion über die Regierungsfähigkeit und den
Regierungsberuf des Miniſterpräſidenten nun-
mehr gegenſtandslos geworden. (Wiederholte
Heiterkeit und Applaus links.) Wenn der Kranz
für das Hentzi-Denkmal mit der Inſchrift auf
den Schleifen: Sie ruhen in Frieden! bereits
beſtellt war, möge derſelbe auf den Sarg der
Regierungsfähigkeit des Miniſterprädenten nie-
dergelegt werden. (Minutenlanger Applaus links.)
Wenn aber nach Compromittirung alles deſſen,
was im Staate nicht compromittirt werden darf,
ſeine Regierung noch fortdauern dürfte, dann
gebe ich ihm wohl den Kranz, aber nicht die
Aufſchrift, denn er wird von unſerer Seite weder
Ruhe noch Frieden haben. Ich ſchließe mit den
Worten des franzöſiſchen Schriftſtellers: C’est
le ridicule, qui tue!
Der Miniſterpräſident erklärte, die Abſetzung
von der Tagesordnung bedeute nicht das letzte
Wort in dieſer Sache. Er acceptire ein Urtheil
über das Vorgehen der Regierung nicht von der
leidenſchaftlichen Oppoſition, ſondern nur von
competenter Seite. Hätten Jedermann die Ziele
vorgeſchwebt, welche die Regierung im Auge
hatte, würde die von der Oppoſition geltend
gemachte Aufregung nicht entſtanden ſein. Das
Haus beſchloß einſtimmig die Abſetzung von der
Tagesordnung. Die nächſte Sitzung findet am
3. November ſtatt.
Politiſche Nachrichten.
(Der Abſchied des Freiherrn v. Winkler.)
Der Landespräſident von Krain, Freiherr von
Winkler, welcher vor Kurzem ſeine Entlaſſung bekam,
hat in ſeiner Abſchiedsrede an die Beamten gegen
jene deutſchen Blätter polemiſirt, welche ſich die
Freiheit genommen haben, ſeine Amtswirkſamkeit
und deren Folgen mit ungeſchminkter Aufrichtig-
keit zu kennzeichnen. Die „Grazer Tagespoſt“
ſchreibt hierüber: Wir wollen nicht ausführlich
darauf repliciren, zumal der Herr Präſident doch
nicht mehr in der Lage wäre, zu antworten; nur
kurz ſei bemerkt, daß die Ruhe und der Friede,
welche Freiherr v. Winkler dem von ihm ſo lange
regierten Lande angeblich hinterläßt, ſonſt nirgeds
zu erblicken iſt, als auf dem Bilde, das er mit
kundiger Hand zu entwerfen verſtand. Umgekehrt
werden die während ſeiner Herrſchaft ſo kräftig
emporgewachſenen ruſſiſchen Neigungen, von denen
nach ſeiner Behauptung nichts zu entdecken iſt,
überall geſehen, verſpürt, beklagt — nur von ihm
ſelbſt nicht. Sogar die clericale Preſſe gibt das
Vorhandenſein einer ruſſiſchen Strömung rück-
haltlos zu, und bekanntlich war es in erſter Linie
Krain, welches die Biſchöfe im Auge hatten, als
ſie in ihrem gemeinſamen Hirtenbriefe der pan-
ſlaviſtiſchen Gefahr entgegentraten. Man ſieht,
Freiherr von Winkler war auch noch zu guterletzt
größer in der gewandten formellen Conception
ſeiner Rede, als in der Kraft ihrer Beweisgründe.
(Zur Reform des Militär-Strafproceſſes.)
Wie die „Allg. Juriſten-Zeitung“ erfährt, liegt
die Schwierigkeit, welche das Zuſtandekommen
eines neuen Militär-Strafverfahrens, trotz der
allſeits anerkannten Dringlichkeit, ſchon ſo lange
hindert, in erſter Linie und vielleicht ausſchließlich
nur darin, daß das Reichs-Kriegsminiſterium einen
ganz anderen principiellen Standpunct einnimmt,
als die beiderſeitigen Juſtizminiſterien. Sowohl
der Juſtizminiſter Graf Schönborn als auch der
jenſeitige Juſtizminiſter vertreten die Anſchauung,
daß das Militär-Strafverfahren nicht jener
Garantien entbehren kann, welche die moderne
Rechtswiſſenſchaft zum Schutze des Angeklagten
für unerläßlich hält. Die Garantien ſind haupt-
ſächlich: Oeffentlichkeit des Verfahrens, Zulaſſung
eines Vertheidigers und Beſchwerde, reſpective
Appellation gegen ein ungerechtes Urtheil. Beide
Juſtizminiſterien ſind ſo einig in dieſer Auffaſſung,
daß bereits für beide Reichshälften ein auf dieſen
Principien beruhender, faſt identiſcher Entwurf
eines neuen Militär-Straſproceſſes ausgearbeitet
wurde, wobei auf die beſonderen Verhältniſſe des
Militärdienſtes volle Rückſicht genommen wurde.
Das Reichs-Kriegsminiſterium glaubt den Stand-
punct der Juſtizminiſterien nicht acceptiren zu
können; anderſeits aber iſt es ebenſo gewiß, daß
weder das Parlament in Wien noch jenes in
Budapeſt einen Entwurf, welcher die oben citir-
ten Principien außer Acht läßt, jemals acceptiren
werden. Auf dieſe Weiſe bleibt bedauerlicherweiſe
Alles beim Alten.
(Die Mitglieder des Biſchofscomités),
welche in den letzten Tagen in Wien verweilten,
haben, wie man uns von dort ſchreibt, an Car-
dinal Gruſcha ein Schreiben gerichtet, in
welchem ſie dem tiefſten Schmerze über die
ſchweren Kränkungen Ausdruck geben, die dem
Cardinal bereits wiederholt namentlich aber an-
läßlich des bekannten Kreuzzeichen-Erlaſſes unter
dem Vorwande des Eintretens für die Sache des
Chriſtenthums in unqualificirbarer Weiſe zuge-
fügt wurden. Das Schreiben conſtatirt, daß der
öſterreichiſche Episcopat nichts unterlaſſen habe,
um eine Umgeſtaltung des Volksſchulweſens
auf confeſſioneller Grundlage herbeizuführen.
Das Schreiben erinnert an die verſchiedenen
Schritte des Episcopats in Angelegenheit der
confeſſionellen Schule und daran, daß eine Er-
klärung in der Schulcommiſſion des Herrenhauſes
infolge der Auflöſung des Reichsrathes eine Ant-
wort nicht erhalten hat. Trotzdem habe der
Episcopat unterm 13. März dieſes Jahres eine
neuerliche Eingabe bezüglich der Volksſchule an
das Geſammtminiſterium gerichtet. Eine vollkom-
mene Geſundung unſerer Schuleinrichtungen ſei
allerdings erſt dann zu hoffen, wenn ein inten-
ſiveres Verſtändniß dafür durch Zuſammenwirken
der berufenen Kreiſe bei den Wahlen in die
verſchiedenen Vertretungskörper und Schulräthe
maßgebenden Einfluß genommen haben wird.
(Zur Auflöſung der Reichenberger Stadt-
vertretung.) Der „Politik“ wird aus Reichen-
berg telegraphirt: Wie verlautet, wird Dr. Schücker
die Wahl zum Bürgermeiſter, wenn ſie ihm an-
getragen werden ſollte, ablehnen, wahrſcheinlich
weil er beſorgt, die kaiſerliche Beſtätigung nicht
zu erhalten.
(Ein Widerruf des Mechanikers Schneider.)
Mechaniker Schneider publicirt in den anti-libe-
ralen Blättern einen Widerruf, in welchem er
den Wiener Erzbiſchof um Verzeihung bittet.
Die betreffende Zuſchrift lautet: „In meiner
Wählerverſammlung vom 20. d. M. habe ich
gegen Se. Eminenz den Herrn Erzbiſchof an-
läßlich des jüngſten Schulerlaſſes Vorwürfe er-
nun, meinen Fall dem Plenum unſeres Clubs
vorzutragen; mögen meine Freunde über mich
richten.
Genehmigen Sie, hochverehrteſter Herr
Präſident die Verſicherung meiner beſonderen
Werthſchätzung
mit der ich verbleibe ſtets Ihr
Prinz Felix Rawanojeff.“
Nun faltete er ſorgſam den Brief zuſam-
men, hielt ihn an die Flamme einer Kerze, bis
er gänzlich verbrannt war. Die Aſche wurde in
einem Teller aufgeſammelt.
„Lieber Herr Cartagny, wollen Sie nun die
Freundlichkeit haben, und die Angelegenheit des
Prinzen uns vortragen?“
Der glattraſirte Schauſpieler verneigte ſich,
übernahm vom Präſidenten das Manuſcript und
begann vorzuleſen. Er hatte ein angenehmes,
klangvolles Organ, eine ſehr deutliche, hübſche
Ausſprache, — einen beſſeren Vorleſer konnte
man ſich kaum denken.
„Hochverehrte Verſammlung!“ las er, „ich
werde Sie nicht lange ermüden, auch nicht Ihre
Geduld auf eine allzuharte Probe ſtellen. Doch
bevor ich in medias res übergehe, muß ich mir
zwei Bemerkungen geſtatten: Erſtens bitte ich
um vollſte Discretion und Verbrennung dieſes
Manuſcriptes nach beendeter Vorleſung, zweitens:
bitte, ja flehe ich Sie an: üben Sie Gerechtig-
keit! —
Wie Ihnen allen bekannt iſt, zähle ich jetzt
32 Jahre. Ich bin in Petersburg geboren, lebte
aber größtentheils im Auslande, beſonders in Lon-
don und Paris. Hier und da kam ich auch nach
Wien oder München; ferner wiſſen Sie Alle,
daß ich ſeit jeher zur Kunſt mich hingezogen
fühle, daß ich ſelbſt ſchwache Verſuche wagte, ſie
auszuüben, zumeiſt mich aber damit begnügen
muß, für ſelbe zu ſchwärmen, ſie zu lieben, mich
für alles Schöne zu begeiſtern. Dieſer mein Hang
zum Träumeriſchen, Idealen, wie er von vielen
Seiten ſo falſch aufgefaßt, verſtanden und beur-
theilt wurde, hat mir von mancher Seite Spott,
von anderer aufrichtige Freundſchaft eingetragen.
Letzteres in beſonderem Maße bei einem jungen,
ſchwärmeriſch veranlagten Kunſtacademiker, deſſen
Name ich noch vorläufig geheim halten muß.
Wir lernten uns in der Bibliothek Saint-Querin
kennen, wo wir neben einander die alten Kupfer-
ſtiche und Radirungen copirten. Die Gleichartig-
keit der Beſchäftigung, die Nachbarſchaft, das faſt
gleiche Alter hatte uns bald zuſammengeführt,
wir wurden gute Freunde. Da ich aber ſchon zu
Anfang dieſer Bekanntſchaft die ärmlichen, ſorg-
reichen Verhältniſſe meines jungen Freundes er-
kannt hatte, (er copirte des lieben Verdienſtes
willen), ſcheute ich mich, ihm meinen wahren
Namen anzugeben, aus Furcht, ſeine Auf-
richtigkeit gegen mich werde darunter leiden.
Erblickte er aber in mir Einen ſeines
Gleichen, ſo hatte er ja keinen Grund, in die
Tiefe und Wahrhaftigkeit meiner Freundſchaft
Zweifel zu ſetzen. Ich war für ihn einfach ein
Felix Ranewski, ein ruſſiſcher Kunſtjünger, der
zufällig mehr Geld hatte als er, und der ſich
deshalb den Spaß machen durfte, ſeinem Freunde
von Fall zu Fall kleinere Summen vorzuſtrecken.
Größere hätte er nicht angenommen; wüßte
er, von wem das Geld ſtammt, er wäre gewiß
beleidigt geweſen, denn er war ungemein zart-
fühlend. Dies merkte ich ſehr oft aus ſeinen
Reden.
Wir verlebten oft ſehr herrliche Stunden.
Alfred —, Sie verzeihen meine Herren, wenn
ich ihn bei dieſem erdichteten Vornamen nenne,
— war durch und durch Künſtler. Einfach, be-
ſcheiden und unſchuldig heiteren, wahrhaft kindli-
chen Gemüthes; offenes, ehrliches Geſicht, den
ein kurzer, krauſer Blondbart einrahmte; helle,
braune Augen und volle, wellige Locken, die den
ſchön geformten Kopf in reicher Fülle übergoſſen.
Sein ganzes Weſen glich einem Spiegel, das
noch kein Hauch getrübt, es lag vor mir, wie
ein offenes Buch, deſſen Seiten noch unbeſchrie-
ben ſind. Wenn ihn auch hie und da Sorgen
bedrückten, er war doch zufrieden; er wiegte ſich
immer in ſüßen Hoffnungen, baute Luftſchlöſſer
und war Alles in Allem glücklich. Seine Auf-
richtigkeit gegen mich that mir weh, denn ich
begann es zu bereuen, ihn über meine Perſon ge-
täuſcht zu haben. Aber die unſelige Eitelkeit,
die häßliche Eigenliebe, vor ihm nicht als Lüg-
ner zu erſcheinen, hielten mich ab, mich ihm zu
offenbaren, trotzdem ich mir dies jedesmal auf’s
Neue vornahm. Ich ſchämte mich vor ihm. Seine
Freundlichkeit, Liebenswürdigkeit, ſeine aufrichtige
Art begannen mir wehe zu thun — —
ich begann ihn zu meiden. Sie können es mir
glauben, meine Herren, meine Lüge drückte mich
nieder und ich fühlte mich in Alfreds Nähe ſo
erbärmlich klein, ſo unwürdig ſeiner Liebe, daß
ich mich vor mir ſelbſt ſchämte und meine unſe-
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