Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mährisches Tagblatt. Nr. 266, Olmütz, 21.11.1892.

Bild:
erste Seite
[Spaltenumbruch]

Das
"Mährische Tagblatt"
erscheint mit Ausnahme der
Sonn- und Feiertage täglich.
Ausgabe 2 Uhr Nachmittag
im Administrationslocale
Niederring Nr. 41 neu.
Abonnement für Olmütz:

Ganzjährig fl. 10.--
Halbjährig " 5.--
Vierteljährig " 2.50
Monatlich " --.90
Zustellung ins Haus monat-
lich 10 kr.
Auswärts durch die Post:
Ganzjährig fl. 14.--
Halbjährig " 7.--
Vierteljährig " 3.50
Einzelne Nummern 5 kr.



Telephon Nr. 9.


[Spaltenumbruch]
Mährisches
Tagblatt.

[Spaltenumbruch]

Insertionsgebühren
nach aufliegendem Tarif



Außerhalb Olmütz überneh-
men Insertions-Aufträge:
Heinrich Schalek, Annon-
cen-Exped in Wien, I. Woll-
zeile Nr. 11, Haasenstein &
Vogler,
in Wien, Prag, Buda-
pest, Berlin, Frankfurt a. M.
Hamburg, Basel und Leipzig.
Alois Opellik, in Wien, Rud.
Mosse,
in Wien, München u.
Berlin. M. Dukes, Wien, I.
Schulerstraße 8. G. L. Daube,
und Co.,
Frankfurt a. M.
Adolf Steiner's Annoncen-
bureau in Hamburg, sowie
sämmtl. conc. Insertionsbu-
reaus des In- u. Auslandes.
Manuscripte werden ni[ch]t
zurückgestellt.


Telephon Nr. 9.




Nr. 266. Olmütz, Montag den 21. November 1892. 13. Jahrgang.


[Spaltenumbruch]
Die Parteiorganisation Nieder-
österreichs.

(Original-Bericht des "Mähr. Tagbl.")


In der Volkshalle des neuen Rathhauses
hat heute Vormittags unter imposanter Theil-
nahme die constituirende Versammlung für die
Organisation der deutsch-fortschrittlichen Parte[i]
Niederösterreichs stattgefunden. Der Verlauf
dieser von etwa 2000 Theilnehmern besuchten
Parteiversammlung war ein wahrhaft erhebender
und was ihr eine besonders hervorragende Be-
deutung verlieh ist der Umstand, daß 70 Städte
und Ortschaften Niederösterreichs vertreten waren
und daß deren Wortführer unter dem begeisterten
Jubel der Versammlung ihre Zugehörigkeit zur
großen deutsch-fortschrittlichen Partei Oesterreichs,
zum Programm der Vereinigten Deutschen Linken
aussprachen.

In der Versammlung waren anwesend:
sämmtliche Abgeordnete der Vereinigten deutschen
Linken mit ihrem Vorstand, Plener, Chlu-
mecky, Heilsberg,
der Bürgermeister von
Wien und sämmtliche Bürgermeister und Vertrauens-
männer der deutschliberalen Partei Niederöster-
reichs.

Nachdem Dr. Weitlof Namens des ein-
berufenden Comites die Parteiversammlung mit
einer kurzen, kernigen Ansprache begrüßt und den
Zweck derselben dargelegt hatte, wurde über
dessen Vorschlag Prof. Eduard Sueß zum Vor-
sitzenden gewählt. Der gefeierte Gelehrte und
Parlamentarier wurde bei seinem Erscheinen auf
[Spaltenumbruch] der Tribüne mit einem wahren Beifallssturme
begrüßt. Nachdem Sueß auf den ehemaligen Be-
stand des "eisernen Ringes" hingewiesen hatte,
fuhr er fort: Die Deutschen in Böhmen können
uns als ein Muster und Vorbild politischer Ein-
sicht und Thatkraft dienen. Ihrer Einigkeit danken
sie den Einfluß, den sie im Parlamente besitzen.
Nirgends in Böhmen ist es möglich, daß jene zerspal-
tende Bewegung, der Antisemitismus dauernd
Wurzel fasse gegenüber der gemeinsamen Bewegung.
Anders ist es leider vielfach bei uns. Niederöster-
reich als Herzland der Monarchie und Wien als
Capitole desselben müssen wissen, wie groß die
Gefahren der föderalistischen Bestrebungen für
das Reich seien. Redner schildert die Gefahren
des Antisemitismus, hob hervor, daß die Partei
die Beseitigung aller nationalen Kämpfe wünsche
und gab seiner Freude Ausdruck, daß der erste
Versuch einer festen Organisation der städtischen
und ländlichen Kreise Niederösterreichs auf Grund-
lage des Programms der Vereinigten Deutschen
Linken so glänzend gelungen sei. (Stürmischer
Beifall.)

Prof. Dr. v. Reinöhl (Baden) erörterte
sodann den Entwicklungsgang zu den Vorbe-
reitungen des heutigen Parteitages, erzählte wel-
chem Jubel die Bildung der deutsch-fortschrittlichen
Organisation in ganz Niederösterreich begegnet,
und daß man sich eigentlich erst jetzt dessen be-
wußt wurde, über welch' großen Anhang diese
Partei im Lande verfüge. (Beifall.)

Schriftführer Prof. Bittner verliest so-
dann die zahlreich eingelaufenen Zustimmungen,
von denen ein Telegramm Dr. Schmeykal's
[Spaltenumbruch] aus Prag mit jubelnder Begeisterung aufge-
nommen wurde. Dieses Telegramm lautet:

"Die Vertrauensmänner der Deutschen in
Böhmen begrüßen die Parteiversammlung der
niederösterreichischen Stammes- und Gesinnungs-
genossen mit freundlichster Theilnahme. Mit
niemals wankender Treue halten wir Deutsche
in Böhmen, zum Reiche und seiner Hauptstadt, in
deren nationalem, politischem und wirthschaftlichem
Aufschwunge wir eine feste Bürgschaft erblicken
für die hohen Güter der Reichseinheit, des Fort-
schritts und Deutschthums, Glück auf!"

Ein weiteres Telegramm war von Taschek
aus Budweis eingelaufen. -- Es sprachen sodann
die Bürgermeister Dr. Haberl (Wiener-Neustadt),
Dr. Ofner (St.-Pölten) und Schaumann
(Korneuburg), die alle die herzlichsten Grüße der
deutsch-fortschrittlichen Bevölkerung von Stadt
und Land überbrachten und ihrer Freude über
die endliche Organisation der Partei in
Niederösterreich Ausdruck gaben. Landtagsab-
geordneter und Stadtrath Noske (Wien)
wünscht, daß der zur Vertheilung gelangte Auf-
ruf einen mächtigen Widerhall in der Bevölke-
rung finde und hofft, daß die Bevölkerung mit
Begeisterung an dem Werke der Organisation
theilnehmen werde. (Beifall.) Der Vorsitzende er-
theilte nunmehr dem Abg. Dr. v. Plener
das Wort. Bei Nennung dieses Namens durch-
braust ein wahrer Beifallssturm die weite Halle,
Hüte werden geschwenkt, es ertönen die Rufe:
Hoch Plener! und es vergeht geraume Zeit, ehe
der gefeierte Führer der Linken zu Worte gelangt.
Dr. v. Plener begrüßt in trefflicher Rede die
Organisation der deutsch-fortschrittlichen Partei Nie-




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.



Der Spieler.
Novelette von Max Montani.
(Nachdruck verboten.)

Mein Freund, Herr Julius Eck, ist ein
reicher Mann, mit Vorliebe pflegt er Abends in
vertrauten Kreisen davon zu erzählen, wie er zu
seinem Reichthum gekommen ist.

"Meine Grundsätze," sagte er, "meine
felsenfesten Grundsätze tragen die Schuld daran!"

Und das ist wahr, der böseste Neider muß
es Herrn Eck lassen; er hat thatsächlich Grund-
sätze. Nie ist er zu bewegen nach 11 Uhr Abends
noch irgendwo in Freundeskreisen zu verweilen
-- er geht nach Hause, und ob er auch bestimmt
wußte, daß er sich noch köstlich amüsiren werde.
Niemals trinkt er nach seinem reichhaltigen Diner
einen Liqueur: "denn," so meint er, "ein solcher
überflüssiger Alkoholgenuß geht gegen meine
Grundsätze." Indessen braucht Niemand zu fürch-
ten, daß mein Freund etwa verschmachten müsse;
er trinkt zum Mittagessen ein und eine halbe
Flasche "Rüdesheimer Auslese" nnd am Abend
bricht er regelmäßig zwei Flaschen guten alten
"Niersteiner" den rothbelackten Hals. Auch weiß
er sehr wohl Austern und Trüffeln zu schätzen
-- kurz, man sieht, daß mein Freund ein klein
wenig bei Epikur in die Schule gegangen ist.
Warum auch nicht? Er kann es sich ja leisten
-- er ist ja reich. Und noch einen bemerkens-
[Spaltenumbruch] werthen Grundsatz hat mein Freund: er verleiht
niemals Geld! "Selbst seinem Bruder nicht!"
sagt er; indessen hat er keinen Bruder, der ihm
ein solches Ansinnen stellen würde, Herr Eck hat
überhaupt keinen Verwandten, -- er ist völlig
unabhängig und seine Schätze werden dereinst
lachenden Erben zufallen. Daß er keine Schul-
den, überhaupt den Grundsatz hat, keine Schulden
zu machen, brauche ich nicht zu erwähnen; er
schüttelt bedenklich den Kopf über Leute, von denen
er so etwas hört.

Es gibt höhnische Zungen, die über den
Umstand, daß mein Freund Eck nie Geld ver-
leiht, sagen, das sei eine elende Principienreiterei,
-- einem bedrängten Menschen müsse man schon
einmal beispringen, auch dann, wenn er durch
Leichtsinn in seine Bedrängniß gerathen. Auch
dann, so meinen jene Leute, dürfe man einen
Bedrückten nicht so kurzer Hand abweisen; man
müsse ihm vielmehr durch Darreichung von
Geldmitteln die Möglichkeit geben, vom Pfade
des Leichtsinns umzukehren um begangene Sün-
den gut zu machen. Herr Eck aber lächelt über
solche "traurige Philosophen," wie er sie nennt.
Er selbst ist niemals leichtsinnig gewesen, ich
glaube, er ist überhaupt niemals jung gewesen
-- denn auch das würde gegen seine Grundsätze
sein. Im Uebrigen erfreut sich Herr Eck der
größten Achtung; man munkelte sogar einmal
davon, ihn zum Stadtverordneten oder etwas
Aehnliches zu wählen --

Neulich Abends sitze ich nach des Tages
Last und Hitze zu Hause, rauche meine Cigarre
[Spaltenumbruch] -- Herr Eck raucht sie besser! -- und denke an
nichts, als draußen plötzlich an der Klingel ge-
rissen wird, daß ich glaube, sie fliegt in hun-
dert Stücke.

Erschreckt fahre ich vom Sopha auf, da
wird auch schon die Thür aufgemacht und
herein stürzt mein lieber guter Freund Harry
Wolfgang.

Mein Gott, wie sah der Junge aus! Wirr
hing ihm das üppige blonde Haar um den Kopf,
leichenblaß war sein Gesicht, und schier aus ihren
Höhlen treten wollten seine Augen.

"Harry," sagte ich ganz besorgt, "guter
Junge, was ist Dir?"

Er wirft sich in einem Sessel, bedeckte sein
Gesicht mit den Händen und stöhnt, daß mein
Herz bebt und zittert.

"So sprich doch," dränge ich, "was ist Dir
denn?"

Sanft ziehe ich ihm die Hand von den
Augen, und starre entsetzt in das bildschöne,
todtbleiche Antlitz.

"Bist Du krank, Harry?" fragte ich.

"Nein, nein -- mir fehlt Nichts, gar Nichts
-- nur Geld!"

Das war's also! Ja, ja, ich kannte den
guten Jungen genau, ich wußte, daß er mit sei-
nem Gelde nie auskam -- er hatte eben in die-
ser Beziehung keine Grundsätze.

"Sprich deutlicher!" mahnte ich. "Vertraue
Dich mir an! Hast Du gespielt?"

Er stöhnte nur. Mir war's Antwort genug.


[Spaltenumbruch]

Das
„Mähriſche Tagblatt“
erſcheint mit Ausnahme der
Sonn- und Feiertage täglich.
Ausgabe 2 Uhr Nachmittag
im Adminiſtrationslocale
Niederring Nr. 41 neu.
Abonnement für Olmütz:

Ganzjährig fl. 10.—
Halbjährig „ 5.—
Vierteljährig „ 2.50
Monatlich „ —.90
Zuſtellung ins Haus monat-
lich 10 kr.
Auswärts durch die Poſt:
Ganzjährig fl. 14.—
Halbjährig „ 7.—
Vierteljährig „ 3.50
Einzelne Nummern 5 kr.



Telephon Nr. 9.


[Spaltenumbruch]
Mähriſches
Tagblatt.

[Spaltenumbruch]

Inſertionsgebühren
nach aufliegendem Tarif



Außerhalb Olmütz überneh-
men Inſertions-Aufträge:
Heinrich Schalek, Annon-
cen-Exped in Wien, I. Woll-
zeile Nr. 11, Haasenstein &
Vogler,
in Wien, Prag, Buda-
peſt, Berlin, Frankfurt a. M.
Hamburg, Baſel und Leipzig.
Alois Opellik, in Wien, Rud.
Mosse,
in Wien, München u.
Berlin. M. Dukes, Wien, I.
Schulerſtraße 8. G. L. Daube,
und Co.,
Frankfurt a. M.
Adolf Steiner’s Annoncen-
bureau in Hamburg, ſowie
ſämmtl. conc. Inſertionsbu-
reaus ďes In- u. Auslandes.
Manuſcripte werden ni[ch]t
zurückgeſtellt.


Telephon Nr. 9.




Nr. 266. Olmütz, Montag den 21. November 1892. 13. Jahrgang.


[Spaltenumbruch]
Die Parteiorganiſation Nieder-
öſterreichs.

(Original-Bericht des „Mähr. Tagbl.“)


In der Volkshalle des neuen Rathhauſes
hat heute Vormittags unter impoſanter Theil-
nahme die conſtituirende Verſammlung für die
Organiſation der deutſch-fortſchrittlichen Parte[i]
Niederöſterreichs ſtattgefunden. Der Verlauf
dieſer von etwa 2000 Theilnehmern beſuchten
Parteiverſammlung war ein wahrhaft erhebender
und was ihr eine beſonders hervorragende Be-
deutung verlieh iſt der Umſtand, daß 70 Städte
und Ortſchaften Niederöſterreichs vertreten waren
und daß deren Wortführer unter dem begeiſterten
Jubel der Verſammlung ihre Zugehörigkeit zur
großen deutſch-fortſchrittlichen Partei Oeſterreichs,
zum Programm der Vereinigten Deutſchen Linken
ausſprachen.

In der Verſammlung waren anweſend:
ſämmtliche Abgeordnete der Vereinigten deutſchen
Linken mit ihrem Vorſtand, Plener, Chlu-
mecky, Heilsberg,
der Bürgermeiſter von
Wien und ſämmtliche Bürgermeiſter und Vertrauens-
männer der deutſchliberalen Partei Niederöſter-
reichs.

Nachdem Dr. Weitlof Namens des ein-
berufenden Comites die Parteiverſammlung mit
einer kurzen, kernigen Anſprache begrüßt und den
Zweck derſelben dargelegt hatte, wurde über
deſſen Vorſchlag Prof. Eduard Sueß zum Vor-
ſitzenden gewählt. Der gefeierte Gelehrte und
Parlamentarier wurde bei ſeinem Erſcheinen auf
[Spaltenumbruch] der Tribüne mit einem wahren Beifallsſturme
begrüßt. Nachdem Sueß auf den ehemaligen Be-
ſtand des „eiſernen Ringes“ hingewieſen hatte,
fuhr er fort: Die Deutſchen in Böhmen können
uns als ein Muſter und Vorbild politiſcher Ein-
ſicht und Thatkraft dienen. Ihrer Einigkeit danken
ſie den Einfluß, den ſie im Parlamente beſitzen.
Nirgends in Böhmen iſt es möglich, daß jene zerſpal-
tende Bewegung, der Antiſemitismus dauernd
Wurzel faſſe gegenüber der gemeinſamen Bewegung.
Anders iſt es leider vielfach bei uns. Niederöſter-
reich als Herzland der Monarchie und Wien als
Capitole deſſelben müſſen wiſſen, wie groß die
Gefahren der föderaliſtiſchen Beſtrebungen für
das Reich ſeien. Redner ſchildert die Gefahren
des Antiſemitismus, hob hervor, daß die Partei
die Beſeitigung aller nationalen Kämpfe wünſche
und gab ſeiner Freude Ausdruck, daß der erſte
Verſuch einer feſten Organiſation der ſtädtiſchen
und ländlichen Kreiſe Niederöſterreichs auf Grund-
lage des Programms der Vereinigten Deutſchen
Linken ſo glänzend gelungen ſei. (Stürmiſcher
Beifall.)

Prof. Dr. v. Reinöhl (Baden) erörterte
ſodann den Entwicklungsgang zu den Vorbe-
reitungen des heutigen Parteitages, erzählte wel-
chem Jubel die Bildung der deutſch-fortſchrittlichen
Organiſation in ganz Niederöſterreich begegnet,
und daß man ſich eigentlich erſt jetzt deſſen be-
wußt wurde, über welch’ großen Anhang dieſe
Partei im Lande verfüge. (Beifall.)

Schriftführer Prof. Bittner verlieſt ſo-
dann die zahlreich eingelaufenen Zuſtimmungen,
von denen ein Telegramm Dr. Schmeykal’s
[Spaltenumbruch] aus Prag mit jubelnder Begeiſterung aufge-
nommen wurde. Dieſes Telegramm lautet:

„Die Vertrauensmänner der Deutſchen in
Böhmen begrüßen die Parteiverſammlung der
niederöſterreichiſchen Stammes- und Geſinnungs-
genoſſen mit freundlichſter Theilnahme. Mit
niemals wankender Treue halten wir Deutſche
in Böhmen, zum Reiche und ſeiner Hauptſtadt, in
deren nationalem, politiſchem und wirthſchaftlichem
Aufſchwunge wir eine feſte Bürgſchaft erblicken
für die hohen Güter der Reichseinheit, des Fort-
ſchritts und Deutſchthums, Glück auf!“

Ein weiteres Telegramm war von Taſchek
aus Budweis eingelaufen. — Es ſprachen ſodann
die Bürgermeiſter Dr. Haberl (Wiener-Neuſtadt),
Dr. Ofner (St.-Pölten) und Schaumann
(Korneuburg), die alle die herzlichſten Grüße der
deutſch-fortſchrittlichen Bevölkerung von Stadt
und Land überbrachten und ihrer Freude über
die endliche Organiſation der Partei in
Niederöſterreich Ausdruck gaben. Landtagsab-
geordneter und Stadtrath Noske (Wien)
wünſcht, daß der zur Vertheilung gelangte Auf-
ruf einen mächtigen Widerhall in der Bevölke-
rung finde und hofft, daß die Bevölkerung mit
Begeiſterung an dem Werke der Organiſation
theilnehmen werde. (Beifall.) Der Vorſitzende er-
theilte nunmehr dem Abg. Dr. v. Plener
das Wort. Bei Nennung dieſes Namens durch-
brauſt ein wahrer Beifallsſturm die weite Halle,
Hüte werden geſchwenkt, es ertönen die Rufe:
Hoch Plener! und es vergeht geraume Zeit, ehe
der gefeierte Führer der Linken zu Worte gelangt.
Dr. v. Plener begrüßt in trefflicher Rede die
Organiſation der deutſch-fortſchrittlichen Partei Nie-




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.



Der Spieler.
Novelette von Max Montani.
(Nachdruck verboten.)

Mein Freund, Herr Julius Eck, iſt ein
reicher Mann, mit Vorliebe pflegt er Abends in
vertrauten Kreiſen davon zu erzählen, wie er zu
ſeinem Reichthum gekommen iſt.

„Meine Grundſätze,“ ſagte er, „meine
felſenfeſten Grundſätze tragen die Schuld daran!“

Und das iſt wahr, der böſeſte Neider muß
es Herrn Eck laſſen; er hat thatſächlich Grund-
ſätze. Nie iſt er zu bewegen nach 11 Uhr Abends
noch irgendwo in Freundeskreiſen zu verweilen
— er geht nach Hauſe, und ob er auch beſtimmt
wußte, daß er ſich noch köſtlich amüſiren werde.
Niemals trinkt er nach ſeinem reichhaltigen Diner
einen Liqueur: „denn,“ ſo meint er, „ein ſolcher
überflüſſiger Alkoholgenuß geht gegen meine
Grundſätze.“ Indeſſen braucht Niemand zu fürch-
ten, daß mein Freund etwa verſchmachten müſſe;
er trinkt zum Mittageſſen ein und eine halbe
Flaſche „Rüdesheimer Ausleſe“ nnd am Abend
bricht er regelmäßig zwei Flaſchen guten alten
„Nierſteiner“ den rothbelackten Hals. Auch weiß
er ſehr wohl Auſtern und Trüffeln zu ſchätzen
— kurz, man ſieht, daß mein Freund ein klein
wenig bei Epikur in die Schule gegangen iſt.
Warum auch nicht? Er kann es ſich ja leiſten
— er iſt ja reich. Und noch einen bemerkens-
[Spaltenumbruch] werthen Grundſatz hat mein Freund: er verleiht
niemals Geld! „Selbſt ſeinem Bruder nicht!“
ſagt er; indeſſen hat er keinen Bruder, der ihm
ein ſolches Anſinnen ſtellen würde, Herr Eck hat
überhaupt keinen Verwandten, — er iſt völlig
unabhängig und ſeine Schätze werden dereinſt
lachenden Erben zufallen. Daß er keine Schul-
den, überhaupt den Grundſatz hat, keine Schulden
zu machen, brauche ich nicht zu erwähnen; er
ſchüttelt bedenklich den Kopf über Leute, von denen
er ſo etwas hört.

Es gibt höhniſche Zungen, die über den
Umſtand, daß mein Freund Eck nie Geld ver-
leiht, ſagen, das ſei eine elende Principienreiterei,
— einem bedrängten Menſchen müſſe man ſchon
einmal beiſpringen, auch dann, wenn er durch
Leichtſinn in ſeine Bedrängniß gerathen. Auch
dann, ſo meinen jene Leute, dürfe man einen
Bedrückten nicht ſo kurzer Hand abweiſen; man
müſſe ihm vielmehr durch Darreichung von
Geldmitteln die Möglichkeit geben, vom Pfade
des Leichtſinns umzukehren um begangene Sün-
den gut zu machen. Herr Eck aber lächelt über
ſolche „traurige Philoſophen,“ wie er ſie nennt.
Er ſelbſt iſt niemals leichtſinnig geweſen, ich
glaube, er iſt überhaupt niemals jung geweſen
— denn auch das würde gegen ſeine Grundſätze
ſein. Im Uebrigen erfreut ſich Herr Eck der
größten Achtung; man munkelte ſogar einmal
davon, ihn zum Stadtverordneten oder etwas
Aehnliches zu wählen —

Neulich Abends ſitze ich nach des Tages
Laſt und Hitze zu Hauſe, rauche meine Cigarre
[Spaltenumbruch] — Herr Eck raucht ſie beſſer! — und denke an
nichts, als draußen plötzlich an der Klingel ge-
riſſen wird, daß ich glaube, ſie fliegt in hun-
dert Stücke.

Erſchreckt fahre ich vom Sopha auf, da
wird auch ſchon die Thür aufgemacht und
herein ſtürzt mein lieber guter Freund Harry
Wolfgang.

Mein Gott, wie ſah der Junge aus! Wirr
hing ihm das üppige blonde Haar um den Kopf,
leichenblaß war ſein Geſicht, und ſchier aus ihren
Höhlen treten wollten ſeine Augen.

„Harry,“ ſagte ich ganz beſorgt, „guter
Junge, was iſt Dir?“

Er wirft ſich in einem Seſſel, bedeckte ſein
Geſicht mit den Händen und ſtöhnt, daß mein
Herz bebt und zittert.

„So ſprich doch,“ dränge ich, „was iſt Dir
denn?“

Sanft ziehe ich ihm die Hand von den
Augen, und ſtarre entſetzt in das bildſchöne,
todtbleiche Antlitz.

„Biſt Du krank, Harry?“ fragte ich.

„Nein, nein — mir fehlt Nichts, gar Nichts
— nur Geld!“

Das war’s alſo! Ja, ja, ich kannte den
guten Jungen genau, ich wußte, daß er mit ſei-
nem Gelde nie auskam — er hatte eben in die-
ſer Beziehung keine Grundſätze.

„Sprich deutlicher!“ mahnte ich. „Vertraue
Dich mir an! Haſt Du geſpielt?“

Er ſtöhnte nur. Mir war’s Antwort genug.


<TEI>
  <text>
    <front>
      <pb facs="#f0001" n="[1]"/>
      <cb/>
      <div type="jExpedition">
        <p> Das<lb/><hi rendition="#b">&#x201E;Mähri&#x017F;che Tagblatt&#x201C;</hi><lb/>
er&#x017F;cheint mit Ausnahme der<lb/>
Sonn- und Feiertage täglich.<lb/>
Ausgabe 2 Uhr Nachmittag<lb/>
im Admini&#x017F;trationslocale<lb/><hi rendition="#b">Niederring Nr. 41 neu.<lb/>
Abonnement für Olmütz:</hi><lb/>
Ganzjährig fl. 10.&#x2014;<lb/>
Halbjährig &#x201E; 5.&#x2014;<lb/>
Vierteljährig &#x201E; 2.50<lb/>
Monatlich &#x201E; &#x2014;.90<lb/>
Zu&#x017F;tellung ins Haus monat-<lb/>
lich 10 kr.<lb/><hi rendition="#b">Auswärts durch die Po&#x017F;t:</hi><lb/>
Ganzjährig fl. 14.&#x2014;<lb/>
Halbjährig &#x201E; 7.&#x2014;<lb/>
Vierteljährig &#x201E; 3.50<lb/>
Einzelne Nummern 5 kr.<lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><hi rendition="#b">Telephon Nr. 9.</hi> </p>
      </div><lb/>
      <cb/>
      <titlePage type="heading">
        <titlePart type="main"> <hi rendition="#b">Mähri&#x017F;ches<lb/>
Tagblatt.</hi> </titlePart>
      </titlePage><lb/>
      <cb/>
      <div type="jExpedition">
        <p><hi rendition="#b">In&#x017F;ertionsgebühren</hi><lb/>
nach aufliegendem Tarif<lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Außerhalb <hi rendition="#b">Olmütz</hi> überneh-<lb/>
men In&#x017F;ertions-Aufträge:<lb/><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">Heinrich Schalek,</hi></hi> Annon-<lb/>
cen-Exped in Wien, <hi rendition="#aq">I.</hi> Woll-<lb/>
zeile Nr. 11, <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">Haasenstein &amp;<lb/>
Vogler,</hi></hi> in Wien, Prag, Buda-<lb/>
pe&#x017F;t, Berlin, Frankfurt a. M.<lb/>
Hamburg, Ba&#x017F;el und Leipzig.<lb/><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">Alois Opellik,</hi></hi> in Wien, <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">Rud.<lb/>
Mosse,</hi></hi> in Wien, München u.<lb/>
Berlin. <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">M. Dukes,</hi></hi> Wien, <hi rendition="#aq">I.</hi><lb/>
Schuler&#x017F;traße 8. <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">G. L. Daube,<lb/>
und Co.,</hi></hi> Frankfurt a. M.<lb/><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">Adolf Steiner&#x2019;s</hi></hi> Annoncen-<lb/>
bureau in Hamburg, &#x017F;owie<lb/>
&#x017F;ämmtl. conc. In&#x017F;ertionsbu-<lb/>
reaus &#x010F;es In- u. Auslandes.<lb/>
Manu&#x017F;cripte werden <hi rendition="#g">ni<supplied>ch</supplied>t</hi><lb/>
zurückge&#x017F;tellt.<lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><hi rendition="#b">Telephon Nr. 9.</hi> </p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <titlePage type="heading">
        <docImprint>
          <docDate> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Nr.</hi> 266. Olmütz, Montag den 21. November 1892. 13. Jahrgang.</hi> </docDate>
        </docImprint><lb/>
      </titlePage>
    </front>
    <body>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <cb/>
      <div type="jPoliticalNews" n="1">
        <div xml:id="a1a" next="#a1b" type="jArticle" n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Die Parteiorgani&#x017F;ation Nieder-<lb/>
ö&#x017F;terreichs.</hi><lb/>
            <bibl> <hi rendition="#b">(Original-Bericht des &#x201E;Mähr. Tagbl.&#x201C;)</hi> </bibl>
          </head><lb/>
          <dateline><hi rendition="#g">Wien,</hi> 20. November.</dateline><lb/>
          <p>In der Volkshalle des neuen Rathhau&#x017F;es<lb/>
hat heute Vormittags unter impo&#x017F;anter Theil-<lb/>
nahme die con&#x017F;tituirende Ver&#x017F;ammlung für die<lb/>
Organi&#x017F;ation der deut&#x017F;ch-fort&#x017F;chrittlichen Parte<supplied>i</supplied><lb/>
Niederö&#x017F;terreichs &#x017F;tattgefunden. Der Verlauf<lb/>
die&#x017F;er von etwa 2000 Theilnehmern be&#x017F;uchten<lb/>
Parteiver&#x017F;ammlung war ein wahrhaft erhebender<lb/>
und was ihr eine be&#x017F;onders hervorragende Be-<lb/>
deutung verlieh i&#x017F;t der Um&#x017F;tand, daß 70 Städte<lb/>
und Ort&#x017F;chaften Niederö&#x017F;terreichs vertreten waren<lb/>
und daß deren Wortführer unter dem begei&#x017F;terten<lb/>
Jubel der Ver&#x017F;ammlung ihre Zugehörigkeit zur<lb/>
großen deut&#x017F;ch-fort&#x017F;chrittlichen Partei Oe&#x017F;terreichs,<lb/>
zum Programm der Vereinigten Deut&#x017F;chen Linken<lb/>
aus&#x017F;prachen.</p><lb/>
          <p>In der Ver&#x017F;ammlung waren anwe&#x017F;end:<lb/>
&#x017F;ämmtliche Abgeordnete der Vereinigten deut&#x017F;chen<lb/>
Linken mit ihrem Vor&#x017F;tand, <hi rendition="#g">Plener, Chlu-<lb/>
mecky, Heilsberg,</hi> der Bürgermei&#x017F;ter von<lb/>
Wien und &#x017F;ämmtliche Bürgermei&#x017F;ter und Vertrauens-<lb/>
männer der deut&#x017F;chliberalen Partei Niederö&#x017F;ter-<lb/>
reichs.</p><lb/>
          <p>Nachdem Dr. <hi rendition="#g">Weitlof</hi> Namens des ein-<lb/>
berufenden Comites die Parteiver&#x017F;ammlung mit<lb/>
einer kurzen, kernigen An&#x017F;prache begrüßt und den<lb/>
Zweck der&#x017F;elben dargelegt hatte, wurde über<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Vor&#x017F;chlag Prof. Eduard <hi rendition="#g">Sueß</hi> zum Vor-<lb/>
&#x017F;itzenden gewählt. Der gefeierte Gelehrte und<lb/>
Parlamentarier wurde bei &#x017F;einem Er&#x017F;cheinen auf<lb/><cb/>
der Tribüne mit einem wahren Beifalls&#x017F;turme<lb/>
begrüßt. Nachdem Sueß auf den ehemaligen Be-<lb/>
&#x017F;tand des &#x201E;ei&#x017F;ernen Ringes&#x201C; hingewie&#x017F;en hatte,<lb/>
fuhr er fort: Die Deut&#x017F;chen in Böhmen können<lb/>
uns als ein Mu&#x017F;ter und Vorbild politi&#x017F;cher Ein-<lb/>
&#x017F;icht und Thatkraft dienen. Ihrer Einigkeit danken<lb/>
&#x017F;ie den Einfluß, den &#x017F;ie im Parlamente be&#x017F;itzen.<lb/>
Nirgends in Böhmen i&#x017F;t es möglich, daß jene zer&#x017F;pal-<lb/>
tende Bewegung, der Anti&#x017F;emitismus dauernd<lb/>
Wurzel fa&#x017F;&#x017F;e gegenüber der gemein&#x017F;amen Bewegung.<lb/>
Anders i&#x017F;t es leider vielfach bei uns. Niederö&#x017F;ter-<lb/>
reich als Herzland der Monarchie und Wien als<lb/>
Capitole de&#x017F;&#x017F;elben mü&#x017F;&#x017F;en wi&#x017F;&#x017F;en, wie groß die<lb/>
Gefahren der föderali&#x017F;ti&#x017F;chen Be&#x017F;trebungen für<lb/>
das Reich &#x017F;eien. Redner &#x017F;childert die Gefahren<lb/>
des Anti&#x017F;emitismus, hob hervor, daß die Partei<lb/>
die Be&#x017F;eitigung aller nationalen Kämpfe wün&#x017F;che<lb/>
und gab &#x017F;einer Freude Ausdruck, daß der er&#x017F;te<lb/>
Ver&#x017F;uch einer fe&#x017F;ten Organi&#x017F;ation der &#x017F;tädti&#x017F;chen<lb/>
und ländlichen Krei&#x017F;e Niederö&#x017F;terreichs auf Grund-<lb/>
lage des Programms der Vereinigten Deut&#x017F;chen<lb/>
Linken &#x017F;o glänzend gelungen &#x017F;ei. (Stürmi&#x017F;cher<lb/>
Beifall.)</p><lb/>
          <p>Prof. Dr. v. <hi rendition="#g">Reinöhl</hi> (Baden) erörterte<lb/>
&#x017F;odann den Entwicklungsgang zu den Vorbe-<lb/>
reitungen des heutigen Parteitages, erzählte wel-<lb/>
chem Jubel die Bildung der deut&#x017F;ch-fort&#x017F;chrittlichen<lb/>
Organi&#x017F;ation in ganz Niederö&#x017F;terreich begegnet,<lb/>
und daß man &#x017F;ich eigentlich er&#x017F;t jetzt de&#x017F;&#x017F;en be-<lb/>
wußt wurde, über welch&#x2019; großen Anhang die&#x017F;e<lb/>
Partei im Lande verfüge. (Beifall.)</p><lb/>
          <p>Schriftführer Prof. <hi rendition="#g">Bittner</hi> verlie&#x017F;t &#x017F;o-<lb/>
dann die zahlreich eingelaufenen Zu&#x017F;timmungen,<lb/>
von denen ein Telegramm Dr. <hi rendition="#g">Schmeykal&#x2019;s</hi><lb/><cb/>
aus Prag mit jubelnder Begei&#x017F;terung aufge-<lb/>
nommen wurde. Die&#x017F;es Telegramm lautet:</p><lb/>
          <p>&#x201E;Die Vertrauensmänner der Deut&#x017F;chen in<lb/>
Böhmen begrüßen die Parteiver&#x017F;ammlung der<lb/>
niederö&#x017F;terreichi&#x017F;chen Stammes- und Ge&#x017F;innungs-<lb/>
geno&#x017F;&#x017F;en mit freundlich&#x017F;ter Theilnahme. Mit<lb/>
niemals wankender Treue halten wir Deut&#x017F;che<lb/>
in Böhmen, zum Reiche und &#x017F;einer Haupt&#x017F;tadt, in<lb/>
deren nationalem, politi&#x017F;chem und wirth&#x017F;chaftlichem<lb/>
Auf&#x017F;chwunge wir eine fe&#x017F;te Bürg&#x017F;chaft erblicken<lb/>
für die hohen Güter der Reichseinheit, des Fort-<lb/>
&#x017F;chritts und Deut&#x017F;chthums, Glück auf!&#x201C;</p><lb/>
          <p>Ein weiteres Telegramm war von <hi rendition="#g">Ta&#x017F;chek</hi><lb/>
aus Budweis eingelaufen. &#x2014; Es &#x017F;prachen &#x017F;odann<lb/>
die Bürgermei&#x017F;ter Dr. <hi rendition="#g">Haberl</hi> (Wiener-Neu&#x017F;tadt),<lb/>
Dr. <hi rendition="#g">Ofner</hi> (St.-Pölten) und <hi rendition="#g">Schaumann</hi><lb/>
(Korneuburg), die alle die herzlich&#x017F;ten Grüße der<lb/>
deut&#x017F;ch-fort&#x017F;chrittlichen Bevölkerung von Stadt<lb/>
und Land überbrachten und ihrer Freude über<lb/>
die endliche Organi&#x017F;ation der Partei in<lb/>
Niederö&#x017F;terreich Ausdruck gaben. Landtagsab-<lb/>
geordneter und Stadtrath <hi rendition="#g">Noske</hi> (Wien)<lb/>
wün&#x017F;cht, daß der zur Vertheilung gelangte Auf-<lb/>
ruf einen mächtigen Widerhall in der Bevölke-<lb/>
rung finde und hofft, daß die Bevölkerung mit<lb/>
Begei&#x017F;terung an dem Werke der Organi&#x017F;ation<lb/>
theilnehmen werde. (Beifall.) Der Vor&#x017F;itzende er-<lb/>
theilte nunmehr dem Abg. Dr. v. <hi rendition="#g">Plener</hi><lb/>
das Wort. Bei Nennung die&#x017F;es Namens durch-<lb/>
brau&#x017F;t ein wahrer Beifalls&#x017F;turm die weite Halle,<lb/>
Hüte werden ge&#x017F;chwenkt, es ertönen die Rufe:<lb/>
Hoch Plener! und es vergeht geraume Zeit, ehe<lb/>
der gefeierte Führer der Linken zu Worte gelangt.<lb/>
Dr. v. <hi rendition="#g">Plener</hi> begrüßt in trefflicher Rede die<lb/>
Organi&#x017F;ation der deut&#x017F;ch-fort&#x017F;chrittlichen Partei Nie-</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <cb/>
        </div>
      </div>
      <div type="jFeuilleton" n="1">
        <head> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Feuilleton.</hi> </hi> </hi> </head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div xml:id="f1a" next="#f1b" type="jArticle" n="2">
          <head><hi rendition="#b">Der Spieler.</hi><lb/>
Novelette von <bibl><hi rendition="#b">Max Montani.</hi></bibl><lb/>
(Nachdruck verboten.)</head><lb/>
          <p>Mein Freund, Herr Julius Eck, i&#x017F;t ein<lb/>
reicher Mann, mit Vorliebe pflegt er Abends in<lb/>
vertrauten Krei&#x017F;en davon zu erzählen, wie er zu<lb/>
&#x017F;einem Reichthum gekommen i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Meine Grund&#x017F;ätze,&#x201C; &#x017F;agte er, &#x201E;meine<lb/>
fel&#x017F;enfe&#x017F;ten Grund&#x017F;ätze tragen die Schuld daran!&#x201C;</p><lb/>
          <p>Und das i&#x017F;t wahr, der bö&#x017F;e&#x017F;te Neider muß<lb/>
es Herrn Eck la&#x017F;&#x017F;en; er hat that&#x017F;ächlich Grund-<lb/>
&#x017F;ätze. Nie i&#x017F;t er zu bewegen nach 11 Uhr Abends<lb/>
noch irgendwo in Freundeskrei&#x017F;en zu verweilen<lb/>
&#x2014; er geht nach Hau&#x017F;e, und ob er auch be&#x017F;timmt<lb/>
wußte, daß er &#x017F;ich noch kö&#x017F;tlich amü&#x017F;iren werde.<lb/>
Niemals trinkt er nach &#x017F;einem reichhaltigen Diner<lb/>
einen Liqueur: &#x201E;denn,&#x201C; &#x017F;o meint er, &#x201E;ein &#x017F;olcher<lb/>
überflü&#x017F;&#x017F;iger Alkoholgenuß geht gegen meine<lb/>
Grund&#x017F;ätze.&#x201C; Inde&#x017F;&#x017F;en braucht Niemand zu fürch-<lb/>
ten, daß mein Freund etwa ver&#x017F;chmachten mü&#x017F;&#x017F;e;<lb/>
er trinkt zum Mittage&#x017F;&#x017F;en ein und eine halbe<lb/>
Fla&#x017F;che &#x201E;Rüdesheimer Ausle&#x017F;e&#x201C; nnd am Abend<lb/>
bricht er regelmäßig zwei Fla&#x017F;chen guten alten<lb/>
&#x201E;Nier&#x017F;teiner&#x201C; den rothbelackten Hals. Auch weiß<lb/>
er &#x017F;ehr wohl Au&#x017F;tern und Trüffeln zu &#x017F;chätzen<lb/>
&#x2014; kurz, man &#x017F;ieht, daß mein Freund ein klein<lb/>
wenig bei Epikur in die Schule gegangen i&#x017F;t.<lb/>
Warum auch nicht? Er kann es &#x017F;ich ja lei&#x017F;ten<lb/>
&#x2014; er i&#x017F;t ja reich. Und noch einen bemerkens-<lb/><cb/>
werthen Grund&#x017F;atz hat mein Freund: er verleiht<lb/>
niemals Geld! &#x201E;Selb&#x017F;t &#x017F;einem Bruder nicht!&#x201C;<lb/>
&#x017F;agt er; inde&#x017F;&#x017F;en hat er keinen Bruder, der ihm<lb/>
ein &#x017F;olches An&#x017F;innen &#x017F;tellen würde, Herr Eck hat<lb/>
überhaupt keinen Verwandten, &#x2014; er i&#x017F;t völlig<lb/>
unabhängig und &#x017F;eine Schätze werden derein&#x017F;t<lb/>
lachenden Erben zufallen. Daß er keine Schul-<lb/>
den, überhaupt den Grund&#x017F;atz hat, keine Schulden<lb/>
zu machen, brauche ich nicht zu erwähnen; er<lb/>
&#x017F;chüttelt bedenklich den Kopf über Leute, von denen<lb/>
er &#x017F;o etwas hört.</p><lb/>
          <p>Es gibt höhni&#x017F;che Zungen, die über den<lb/>
Um&#x017F;tand, daß mein Freund Eck nie Geld ver-<lb/>
leiht, &#x017F;agen, das &#x017F;ei eine elende Principienreiterei,<lb/>
&#x2014; einem bedrängten Men&#x017F;chen mü&#x017F;&#x017F;e man &#x017F;chon<lb/>
einmal bei&#x017F;pringen, auch dann, wenn er durch<lb/>
Leicht&#x017F;inn in &#x017F;eine Bedrängniß gerathen. Auch<lb/>
dann, &#x017F;o meinen jene Leute, dürfe man einen<lb/>
Bedrückten nicht &#x017F;o kurzer Hand abwei&#x017F;en; man<lb/>&#x017F;&#x017F;e ihm vielmehr durch Darreichung von<lb/>
Geldmitteln die Möglichkeit geben, vom Pfade<lb/>
des Leicht&#x017F;inns umzukehren um begangene Sün-<lb/>
den gut zu machen. Herr Eck aber lächelt über<lb/>
&#x017F;olche &#x201E;traurige Philo&#x017F;ophen,&#x201C; wie er &#x017F;ie nennt.<lb/>
Er &#x017F;elb&#x017F;t i&#x017F;t niemals leicht&#x017F;innig gewe&#x017F;en, ich<lb/>
glaube, er i&#x017F;t überhaupt niemals jung gewe&#x017F;en<lb/>
&#x2014; denn auch das würde gegen &#x017F;eine Grund&#x017F;ätze<lb/>
&#x017F;ein. Im Uebrigen erfreut &#x017F;ich Herr Eck der<lb/>
größten Achtung; man munkelte &#x017F;ogar einmal<lb/>
davon, ihn zum Stadtverordneten oder etwas<lb/>
Aehnliches zu wählen &#x2014;</p><lb/>
          <p>Neulich Abends &#x017F;itze ich nach des Tages<lb/>
La&#x017F;t und Hitze zu Hau&#x017F;e, rauche meine Cigarre<lb/><cb/>
&#x2014; Herr Eck raucht &#x017F;ie be&#x017F;&#x017F;er! &#x2014; und denke an<lb/>
nichts, als draußen plötzlich an der Klingel ge-<lb/>
ri&#x017F;&#x017F;en wird, daß ich glaube, &#x017F;ie fliegt in hun-<lb/>
dert Stücke.</p><lb/>
          <p>Er&#x017F;chreckt fahre ich vom Sopha auf, da<lb/>
wird auch &#x017F;chon die Thür aufgemacht und<lb/>
herein &#x017F;türzt mein lieber guter Freund Harry<lb/>
Wolfgang.</p><lb/>
          <p>Mein Gott, wie &#x017F;ah der Junge aus! Wirr<lb/>
hing ihm das üppige blonde Haar um den Kopf,<lb/>
leichenblaß war &#x017F;ein Ge&#x017F;icht, und &#x017F;chier aus ihren<lb/>
Höhlen treten wollten &#x017F;eine Augen.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Harry,&#x201C; &#x017F;agte ich ganz be&#x017F;orgt, &#x201E;guter<lb/>
Junge, was i&#x017F;t Dir?&#x201C;</p><lb/>
          <p>Er wirft &#x017F;ich in einem Se&#x017F;&#x017F;el, bedeckte &#x017F;ein<lb/>
Ge&#x017F;icht mit den Händen und &#x017F;töhnt, daß mein<lb/>
Herz bebt und zittert.</p><lb/>
          <p>&#x201E;So &#x017F;prich doch,&#x201C; dränge ich, &#x201E;was i&#x017F;t Dir<lb/>
denn?&#x201C;</p><lb/>
          <p>Sanft ziehe ich ihm die Hand von den<lb/>
Augen, und &#x017F;tarre ent&#x017F;etzt in das bild&#x017F;chöne,<lb/>
todtbleiche Antlitz.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Bi&#x017F;t Du krank, Harry?&#x201C; fragte ich.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Nein, nein &#x2014; mir fehlt Nichts, gar Nichts<lb/>
&#x2014; nur Geld!&#x201C;</p><lb/>
          <p>Das war&#x2019;s al&#x017F;o! Ja, ja, ich kannte den<lb/>
guten Jungen genau, ich wußte, daß er mit &#x017F;ei-<lb/>
nem Gelde nie auskam &#x2014; er hatte eben in die-<lb/>
&#x017F;er Beziehung keine Grund&#x017F;ätze.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Sprich deutlicher!&#x201C; mahnte ich. &#x201E;Vertraue<lb/>
Dich mir an! Ha&#x017F;t Du ge&#x017F;pielt?&#x201C;</p><lb/>
          <p>Er &#x017F;töhnte nur. Mir war&#x2019;s Antwort genug.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[1]/0001] Das „Mähriſche Tagblatt“ erſcheint mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage täglich. Ausgabe 2 Uhr Nachmittag im Adminiſtrationslocale Niederring Nr. 41 neu. Abonnement für Olmütz: Ganzjährig fl. 10.— Halbjährig „ 5.— Vierteljährig „ 2.50 Monatlich „ —.90 Zuſtellung ins Haus monat- lich 10 kr. Auswärts durch die Poſt: Ganzjährig fl. 14.— Halbjährig „ 7.— Vierteljährig „ 3.50 Einzelne Nummern 5 kr. Telephon Nr. 9. Mähriſches Tagblatt. Inſertionsgebühren nach aufliegendem Tarif Außerhalb Olmütz überneh- men Inſertions-Aufträge: Heinrich Schalek, Annon- cen-Exped in Wien, I. Woll- zeile Nr. 11, Haasenstein & Vogler, in Wien, Prag, Buda- peſt, Berlin, Frankfurt a. M. Hamburg, Baſel und Leipzig. Alois Opellik, in Wien, Rud. Mosse, in Wien, München u. Berlin. M. Dukes, Wien, I. Schulerſtraße 8. G. L. Daube, und Co., Frankfurt a. M. Adolf Steiner’s Annoncen- bureau in Hamburg, ſowie ſämmtl. conc. Inſertionsbu- reaus ďes In- u. Auslandes. Manuſcripte werden nicht zurückgeſtellt. Telephon Nr. 9. Nr. 266. Olmütz, Montag den 21. November 1892. 13. Jahrgang. Die Parteiorganiſation Nieder- öſterreichs. (Original-Bericht des „Mähr. Tagbl.“) Wien, 20. November. In der Volkshalle des neuen Rathhauſes hat heute Vormittags unter impoſanter Theil- nahme die conſtituirende Verſammlung für die Organiſation der deutſch-fortſchrittlichen Partei Niederöſterreichs ſtattgefunden. Der Verlauf dieſer von etwa 2000 Theilnehmern beſuchten Parteiverſammlung war ein wahrhaft erhebender und was ihr eine beſonders hervorragende Be- deutung verlieh iſt der Umſtand, daß 70 Städte und Ortſchaften Niederöſterreichs vertreten waren und daß deren Wortführer unter dem begeiſterten Jubel der Verſammlung ihre Zugehörigkeit zur großen deutſch-fortſchrittlichen Partei Oeſterreichs, zum Programm der Vereinigten Deutſchen Linken ausſprachen. In der Verſammlung waren anweſend: ſämmtliche Abgeordnete der Vereinigten deutſchen Linken mit ihrem Vorſtand, Plener, Chlu- mecky, Heilsberg, der Bürgermeiſter von Wien und ſämmtliche Bürgermeiſter und Vertrauens- männer der deutſchliberalen Partei Niederöſter- reichs. Nachdem Dr. Weitlof Namens des ein- berufenden Comites die Parteiverſammlung mit einer kurzen, kernigen Anſprache begrüßt und den Zweck derſelben dargelegt hatte, wurde über deſſen Vorſchlag Prof. Eduard Sueß zum Vor- ſitzenden gewählt. Der gefeierte Gelehrte und Parlamentarier wurde bei ſeinem Erſcheinen auf der Tribüne mit einem wahren Beifallsſturme begrüßt. Nachdem Sueß auf den ehemaligen Be- ſtand des „eiſernen Ringes“ hingewieſen hatte, fuhr er fort: Die Deutſchen in Böhmen können uns als ein Muſter und Vorbild politiſcher Ein- ſicht und Thatkraft dienen. Ihrer Einigkeit danken ſie den Einfluß, den ſie im Parlamente beſitzen. Nirgends in Böhmen iſt es möglich, daß jene zerſpal- tende Bewegung, der Antiſemitismus dauernd Wurzel faſſe gegenüber der gemeinſamen Bewegung. Anders iſt es leider vielfach bei uns. Niederöſter- reich als Herzland der Monarchie und Wien als Capitole deſſelben müſſen wiſſen, wie groß die Gefahren der föderaliſtiſchen Beſtrebungen für das Reich ſeien. Redner ſchildert die Gefahren des Antiſemitismus, hob hervor, daß die Partei die Beſeitigung aller nationalen Kämpfe wünſche und gab ſeiner Freude Ausdruck, daß der erſte Verſuch einer feſten Organiſation der ſtädtiſchen und ländlichen Kreiſe Niederöſterreichs auf Grund- lage des Programms der Vereinigten Deutſchen Linken ſo glänzend gelungen ſei. (Stürmiſcher Beifall.) Prof. Dr. v. Reinöhl (Baden) erörterte ſodann den Entwicklungsgang zu den Vorbe- reitungen des heutigen Parteitages, erzählte wel- chem Jubel die Bildung der deutſch-fortſchrittlichen Organiſation in ganz Niederöſterreich begegnet, und daß man ſich eigentlich erſt jetzt deſſen be- wußt wurde, über welch’ großen Anhang dieſe Partei im Lande verfüge. (Beifall.) Schriftführer Prof. Bittner verlieſt ſo- dann die zahlreich eingelaufenen Zuſtimmungen, von denen ein Telegramm Dr. Schmeykal’s aus Prag mit jubelnder Begeiſterung aufge- nommen wurde. Dieſes Telegramm lautet: „Die Vertrauensmänner der Deutſchen in Böhmen begrüßen die Parteiverſammlung der niederöſterreichiſchen Stammes- und Geſinnungs- genoſſen mit freundlichſter Theilnahme. Mit niemals wankender Treue halten wir Deutſche in Böhmen, zum Reiche und ſeiner Hauptſtadt, in deren nationalem, politiſchem und wirthſchaftlichem Aufſchwunge wir eine feſte Bürgſchaft erblicken für die hohen Güter der Reichseinheit, des Fort- ſchritts und Deutſchthums, Glück auf!“ Ein weiteres Telegramm war von Taſchek aus Budweis eingelaufen. — Es ſprachen ſodann die Bürgermeiſter Dr. Haberl (Wiener-Neuſtadt), Dr. Ofner (St.-Pölten) und Schaumann (Korneuburg), die alle die herzlichſten Grüße der deutſch-fortſchrittlichen Bevölkerung von Stadt und Land überbrachten und ihrer Freude über die endliche Organiſation der Partei in Niederöſterreich Ausdruck gaben. Landtagsab- geordneter und Stadtrath Noske (Wien) wünſcht, daß der zur Vertheilung gelangte Auf- ruf einen mächtigen Widerhall in der Bevölke- rung finde und hofft, daß die Bevölkerung mit Begeiſterung an dem Werke der Organiſation theilnehmen werde. (Beifall.) Der Vorſitzende er- theilte nunmehr dem Abg. Dr. v. Plener das Wort. Bei Nennung dieſes Namens durch- brauſt ein wahrer Beifallsſturm die weite Halle, Hüte werden geſchwenkt, es ertönen die Rufe: Hoch Plener! und es vergeht geraume Zeit, ehe der gefeierte Führer der Linken zu Worte gelangt. Dr. v. Plener begrüßt in trefflicher Rede die Organiſation der deutſch-fortſchrittlichen Partei Nie- Feuilleton. Der Spieler. Novelette von Max Montani. (Nachdruck verboten.) Mein Freund, Herr Julius Eck, iſt ein reicher Mann, mit Vorliebe pflegt er Abends in vertrauten Kreiſen davon zu erzählen, wie er zu ſeinem Reichthum gekommen iſt. „Meine Grundſätze,“ ſagte er, „meine felſenfeſten Grundſätze tragen die Schuld daran!“ Und das iſt wahr, der böſeſte Neider muß es Herrn Eck laſſen; er hat thatſächlich Grund- ſätze. Nie iſt er zu bewegen nach 11 Uhr Abends noch irgendwo in Freundeskreiſen zu verweilen — er geht nach Hauſe, und ob er auch beſtimmt wußte, daß er ſich noch köſtlich amüſiren werde. Niemals trinkt er nach ſeinem reichhaltigen Diner einen Liqueur: „denn,“ ſo meint er, „ein ſolcher überflüſſiger Alkoholgenuß geht gegen meine Grundſätze.“ Indeſſen braucht Niemand zu fürch- ten, daß mein Freund etwa verſchmachten müſſe; er trinkt zum Mittageſſen ein und eine halbe Flaſche „Rüdesheimer Ausleſe“ nnd am Abend bricht er regelmäßig zwei Flaſchen guten alten „Nierſteiner“ den rothbelackten Hals. Auch weiß er ſehr wohl Auſtern und Trüffeln zu ſchätzen — kurz, man ſieht, daß mein Freund ein klein wenig bei Epikur in die Schule gegangen iſt. Warum auch nicht? Er kann es ſich ja leiſten — er iſt ja reich. Und noch einen bemerkens- werthen Grundſatz hat mein Freund: er verleiht niemals Geld! „Selbſt ſeinem Bruder nicht!“ ſagt er; indeſſen hat er keinen Bruder, der ihm ein ſolches Anſinnen ſtellen würde, Herr Eck hat überhaupt keinen Verwandten, — er iſt völlig unabhängig und ſeine Schätze werden dereinſt lachenden Erben zufallen. Daß er keine Schul- den, überhaupt den Grundſatz hat, keine Schulden zu machen, brauche ich nicht zu erwähnen; er ſchüttelt bedenklich den Kopf über Leute, von denen er ſo etwas hört. Es gibt höhniſche Zungen, die über den Umſtand, daß mein Freund Eck nie Geld ver- leiht, ſagen, das ſei eine elende Principienreiterei, — einem bedrängten Menſchen müſſe man ſchon einmal beiſpringen, auch dann, wenn er durch Leichtſinn in ſeine Bedrängniß gerathen. Auch dann, ſo meinen jene Leute, dürfe man einen Bedrückten nicht ſo kurzer Hand abweiſen; man müſſe ihm vielmehr durch Darreichung von Geldmitteln die Möglichkeit geben, vom Pfade des Leichtſinns umzukehren um begangene Sün- den gut zu machen. Herr Eck aber lächelt über ſolche „traurige Philoſophen,“ wie er ſie nennt. Er ſelbſt iſt niemals leichtſinnig geweſen, ich glaube, er iſt überhaupt niemals jung geweſen — denn auch das würde gegen ſeine Grundſätze ſein. Im Uebrigen erfreut ſich Herr Eck der größten Achtung; man munkelte ſogar einmal davon, ihn zum Stadtverordneten oder etwas Aehnliches zu wählen — Neulich Abends ſitze ich nach des Tages Laſt und Hitze zu Hauſe, rauche meine Cigarre — Herr Eck raucht ſie beſſer! — und denke an nichts, als draußen plötzlich an der Klingel ge- riſſen wird, daß ich glaube, ſie fliegt in hun- dert Stücke. Erſchreckt fahre ich vom Sopha auf, da wird auch ſchon die Thür aufgemacht und herein ſtürzt mein lieber guter Freund Harry Wolfgang. Mein Gott, wie ſah der Junge aus! Wirr hing ihm das üppige blonde Haar um den Kopf, leichenblaß war ſein Geſicht, und ſchier aus ihren Höhlen treten wollten ſeine Augen. „Harry,“ ſagte ich ganz beſorgt, „guter Junge, was iſt Dir?“ Er wirft ſich in einem Seſſel, bedeckte ſein Geſicht mit den Händen und ſtöhnt, daß mein Herz bebt und zittert. „So ſprich doch,“ dränge ich, „was iſt Dir denn?“ Sanft ziehe ich ihm die Hand von den Augen, und ſtarre entſetzt in das bildſchöne, todtbleiche Antlitz. „Biſt Du krank, Harry?“ fragte ich. „Nein, nein — mir fehlt Nichts, gar Nichts — nur Geld!“ Das war’s alſo! Ja, ja, ich kannte den guten Jungen genau, ich wußte, daß er mit ſei- nem Gelde nie auskam — er hatte eben in die- ſer Beziehung keine Grundſätze. „Sprich deutlicher!“ mahnte ich. „Vertraue Dich mir an! Haſt Du geſpielt?“ Er ſtöhnte nur. Mir war’s Antwort genug.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Benjamin Fiechter, Susanne Haaf: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat). (2018-01-26T15:49:55Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T15:49:55Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T15:49:55Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maehrisches266_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maehrisches266_1892/1
Zitationshilfe: Mährisches Tagblatt. Nr. 266, Olmütz, 21.11.1892, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maehrisches266_1892/1>, abgerufen am 29.03.2024.