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Mährisches Tagblatt. Nr. 300, Olmütz, 30.12.1896.

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Telephon Nr. 9.


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Mährisches
Tagblatt.

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nach aufliegendem Tarik



Außerhalb Olmütz überneh-
men Insertions-Aufträge.
Heinrich Schalek, Annon-
cen-Exped. in Wien, 1. Woll-
zeile Nr. 11, Haasenstein
& Vogler,
in Wien, Buda-
pest, Berlin, Frankfurt a. M.
Hamburg, Basel und Leipzig.
M. Dukes Nachf. Max Angen-
feld & Emerich Lessner,
Wien I., Wollzeile 6--8.
Rud. Mosse. Wien München
u. Berlin. Alois Opellik, in
Wien, G. L. Daube und Co
Frankfurt a. M. Karoly [u]
Liebmann's
Annoncenburean
in Hamburg, sowie sämmtl,
conc. Insertionsbureaus des
In- u. Auslandes
Manuscripte werden nicht
zurückgestellt.


Telephon Nr. 9.




Nr. 300 Olmütz, Mittwoch, den 30. December 1896. 17. Jahrgang.


Pränumerations-Einladung!

Mit 1. Jänner beginnt das erste
Quartal des 18. Jahrganges des "Mähr.
Tagblattes".

Die Pränumerationspreise betragen:


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Zahlungen sind nur in der Admi-
nistration zu leisten.

Unsere P. T. bisherigen Pränumeranten
werden ersucht, das Abonnement ehestens zu
erneuern, damit in der Zustellung des Blattes
keine Unterbrechung eintrete.





Cleveland's Abschied.


Es wird zwar noch einige Wochen dauern,
ehe Grover Cleveland das Weiße Haus in
Washington verläßt, allein es kann schon jetzt
darauf hingewiesen werden, wie schwer ihm dieser
Abschied gemacht wird. Nicht in dem Sinne, daß
der derzeitige Präsident der Vereinigten Staaten
mit ehrgeiziger Zähigkeit an seinem Amte haftet;
auch wenn er um jeden Preis bleiben wollte,
[Spaltenumbruch] was er ist, müßte er gehen, denn die Verfassung
des Reiches gestattet keine längere Frist und es
entfiel darum auch bei den Neuwahlen keine
einzige Stimme auf ihn, obwohl er sich großen
Ansehens im ganzen Lande erfreut. Cleveland
trennt sich von seinem hohen und verantwortungs-
vollen Posten, weil die Sorge sein Herz bedrückt.
Seit dem Secessionskriege waren die inneren
Verhältnisse der Unionstaaten nicht so verworren
wie in diesem Augenblicke. Wer da weiß, mit
welcher Brutalität in Amerika überhaupt die
materiellen Interessen in den Vordergrund ge-
stellt werden, begreift den Kummer, den der der-
malige Zustand in den Vereinigten Staaten einem
Manne bereitet, welcher mit dem Blicke eines
großen, die Eigenthümlichkeiten seiner Heimat
verstehenden Staatsmannes begnabet ist. Cleveland
war als Präsidentschafts-Candidat ein Programm.
Die Silberkönige des Westens hatten ihr Haupt
schon mächtig erhoben und standen mit allen
Mitteln der schlimmsten Corruption bereit, die
wohlfundirte eingelebte Goldwahrung der Republik
aus den Angeln zu heben. Daneben erhob sich,
damals noch mächtiger, eine beispiellose Schutzzoll-
Agitation, welche Nordamerika von allen europäschen
Zufuhren abschneiden wollte, die auf diese Art
entstehende Vertheuerung aller Producte sollte
das Land den dortigen Industriellen ausliefern.
Das Gesetz, das mit dem Namen des Nachfolgers
des scheidenden Präsidenten unzertrennlich ver-
bunden ist, markirte den Sieg dieser gewalt-
thätigen Wirthschaftspolitik. Da erhoben sich die
reinlicheren Democraten und warfen mit der
Wahl Clevelands die in allen Fasern verdorbenen
Republikaner aus dem Sattel. Das neue Staats-
oberhaupt legte rasch Bresche in das begonnene
[Spaltenumbruch] Prohibitivsystem und hatte die Genugthuung,
den öconomischen Kampf mit den europäischen
Staaten wesentlich mildern zu können.

Nicht so glücklich war Grover Cleveland in
der Münzpolitik. Die Gläubiger Amerikas dieß-
seits des Atlantischen Oceans trauten den Dingen
nicht und sandten zunächst die Papiere der
Unionsstaaten in ihre Heimat. Dadurch entstand
ein unausgesetzter, großer Abfluß von Gold
aus New-York nach Europa und die Währung
der Republik ward tief erschüttert. Die Regierung
besaß kein rechtes Mittel, diesem Strome Halt
zu gebieten und mußte sich wiederholt an das
Privatcapital wenden, um sein Geld in den
Staatsschatz zu leiten, wenn dort die Ebbe so
groß ward, daß die Bedeckung der Noten nicht
mehr genügte. Theuerung und Entwerthung
wechselten in jähen Sprüngen ab, die Vermögens-
verhältnisse jedes Einzelnen wurden tief erschüt-
tert, Krisen traten ein und selbst die ernstesten
und ruhigsten Leute mußten sich die Frage vor-
legen, ob eine solche Entwickelung der Dinge
nicht einen Sturz der Vereinigen Staaten von
ihrem Fundamente der Solidität und des Reich-
thums in das Chaos und in die Verarmung zur
Folge haben werde. Die Rückwirkung auf
die Staatsfinanzen blieb nicht aus. Die
Republik, welche die während des Seces-
sionskrieges zu Schleuderpreisen contrahirte
enorme Staatsschuld beinahe ganz und al pari
zurückgezahlt hatte, gerieth in das Deficit und
dieses nahm allmählig einen Umfang an, der
geeignet war, die eingetretene Beunruhigung zu
fördern. Je größer die Verwirrung wurde, umso
mehr Oel gossen die Silberleute in das Feuer,
welches die bestehenden Verhältnisse verzehren




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.



Das Acetylen und seine Ge-
fahren.

Von Robert W. Dahus (Greifswald).

(Nachdruck verboten.)

Als vor einigen Jahren der Amerikaner
Wilson im electrischen Schmelzofen Kalk und
Kohle miteinander erhitzte, um zu sehen, was
die geheimnißvolle Kraft, die in kurzer Zeit so
viele neue chemische Processe er[m]öglicht hat, wohl
aus diesen Stoffen machen würde, entdeckte er das
Calciumcarbid und damit die fabriksmäßige Her-
stellung des Acetylens, dessen unberechenbare
Explosivkraft jetzt soviel Schrecken und Beunru-
higung verbreitet. Es war nur eine Wiederent-
deckung, -- denn der große Wöhler hat schon
vor 35 Jahren Proben desselben Stoffes herge-
stellt, -- und noch dazu ziemlich planlose.
Wilson erwartete gewiß etwas anderes beim
Oeffnen seines Schmelzofens, als was er fand;
vielleicht hoffte er, wie so viele seiner Collegen,
auf die künstlichen Diamanten, die man der
electrischen Gluth seit zehn Jahren abzugewinnen
bemüht ist, jedenfalls hielt er den Block erstarrten
Gesteins, der sich nach dem Erkalten des Ofens
als einziges Resultat der Schmelzung auswies,
weiterer Untcrsuchung nicht für werth. Man
warf den formlosen Klumpen beiseite, er gerieth
[Spaltenumbruch] durch Zufall in ein Gefäß mit Wasser, und
sofort begann jener wunderbare Proceß, in dem
man wenige Monate später den Anfang einer
neuen Aera der Beleuchtung sah. Ein übelriechen-
des Gas fing an sich stürmisch zu entwickeln;
angezündet, brannte es mit einem so weißen
glänzenden Lichte, daß eine Gasflamme daneben
einer Kienfackel glich, -- eine mühelose Dar-
stellung des längstgekannten, aber nur in Spuren
nachgewiesenen Leuchtgases Acetylen war erfunden.

Wir wollen uns mit der weiteren, glänzen-
den Ausgestaltung der Erfindung nicht lange
aufhalten. Daß der einfache Proceß der Her-
stellung von Calciumcarbid bald genug so weit
ausgebildet war, um große Fabriken zu seiner
Gewinnung als Handelswaare daraufhin zu be-
gründen, läßt sich bei der Wichtigkeit, die man
der Erfindung sofort beimaß, wohl begreifen.
So wunderbar der ganze Hergang dieser chemi-
schen Umwandlungen ist, so einfach ist ja ihre
practische Durchführung. Zwei unschmelzbare Sub-
stanzen, Kalk und Kohle, vereinigen sich unter
der electrischen Hitze mit Begier, und das Resultat
ist ein ganz leicht schmelzbarer Körper, den man
nur ins Wasser zu werfen braucht, um ihm
wieder eine neue Gestalt und Zusammensetzung
zu geben: ein Kohlenwasserstoff ist es jetzt, gleich
dem Leuchtgas, nur doppelt so schwer und von
der zehn- bis zwanzigfachen Leuchtkraft. Was ließ
sich nicht von einer solchen Combination günstiger
Umstände alles erwarten! Man sah schon alle
bisherigen Gasanstalten begraben, und anstatt
[Spaltenumbruch] der Retorten und Oesen und Maschinen und
Reinigungsapparate, statt der Kohlenkarrer und
Retortenzieher sah man im Geiste blos noch
Leute, die immerfort Calciumcarbid ins Wasser
warfen und Acetylen in winzigen Gasometern
auffingen und damit unmenschlich viel Geld ver-
dienten. Amerika, England, Frankreich harten als-
bald große electro-chemische Carbidwerke; mit
deutschem Gelde wurden deren im vorigen Jahre
zwei geschaffen, von denen eins die Kraft des
Rheinfalles, das andere die sächsischen Braun-
kohlenlager benutzen soll, um die gewaltigen
Electricitätsmassen zu erregen, welche Kalk und
Steinkohle in Carbid und Acetylen verwandeln
sollen. Natürlich kam man bald dahinter, daß
in der Acetylentechnik, um ein bekanntes fliegen-
des Wort zu gebrauchen, auch blos mit Wasser
gekocht wird, und daß die Farben anfangs ein
wenig stark aufgetragen waren. Der Preis des
Calciumcarbids blieb einstweilen auf 20 Mk.
pro Centner stehen, und das war und ist viel
zu theuer, als daß dem Leuchtgase von Seiten
des Acetylens irgend eine Gefahr erwachsen
könnte. Die alte ehrenwerthe Industrie der Gas-
anstalten, die den Todesstoß, wenn man allen
voreiligen Prophezeiungen erfinderischer Heiß-
sporne glauben wollte, mindestens schon ein dutzend
Mal bekommen hat, war wieder gerettet. Selbst
wenn der Carbidpreis, was bei sehr billigen
Wasserkräften, wie am Niagara, wohl möglich,
auf 5 Mk. pro Centner herabgehen sollte, würde
das Leuchtgas im Großen schwerlich vom Acelylen


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Das
„Mähriſche Tagblatt“
erſcheint mit Ausnahme der
Sonn- und Feiertage täglich.
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im Adminiſtrationslocale
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Ganzjährig fl. 14.—
Halbjährig „ 7.—
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Mähriſches
Tagblatt.

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nach aufliegendem Tarik



Außerhalb Olmütz überneh-
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Heinrich Schalek, Annon-
cen-Exped. in Wien, 1. Woll-
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peſt, Berlin, Frankfurt a. M.
Hamburg, Baſel und Leipzig.
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Wien, G. L. Daube und Co
Frankfurt a. M. Karoly [u]
Liebmann’s
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conc. Inſertionsbureaus des
In- u. Auslandes
Manuſcripte werden nicht
zurückgeſtellt.


Telephon Nr. 9.




Nr. 300 Olmütz, Mittwoch, den 30. December 1896. 17. Jahrgang.


Pränumerations-Einladung!

Mit 1. Jänner beginnt das erſte
Quartal des 18. Jahrganges des „Mähr.
Tagblattes“.

Die Pränumerationspreiſe betragen:


[Spaltenumbruch]

Für Olmütz:

Ganzjährig . fl. 10. —

Halbjährig . fl. 5. —

Vierteljährig fl. 2.50

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Ganzjährig . fl. 14.—

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niſtration zu leiſten.

Unſere P. T. bisherigen Pränumeranten
werden erſucht, das Abonnement eheſtens zu
erneuern, damit in der Zuſtellung des Blattes
keine Unterbrechung eintrete.





Cleveland’s Abſchied.


Es wird zwar noch einige Wochen dauern,
ehe Grover Cleveland das Weiße Haus in
Waſhington verläßt, allein es kann ſchon jetzt
darauf hingewieſen werden, wie ſchwer ihm dieſer
Abſchied gemacht wird. Nicht in dem Sinne, daß
der derzeitige Präſident der Vereinigten Staaten
mit ehrgeiziger Zähigkeit an ſeinem Amte haftet;
auch wenn er um jeden Preis bleiben wollte,
[Spaltenumbruch] was er iſt, müßte er gehen, denn die Verfaſſung
des Reiches geſtattet keine längere Friſt und es
entfiel darum auch bei den Neuwahlen keine
einzige Stimme auf ihn, obwohl er ſich großen
Anſehens im ganzen Lande erfreut. Cleveland
trennt ſich von ſeinem hohen und verantwortungs-
vollen Poſten, weil die Sorge ſein Herz bedrückt.
Seit dem Seceſſionskriege waren die inneren
Verhältniſſe der Unionſtaaten nicht ſo verworren
wie in dieſem Augenblicke. Wer da weiß, mit
welcher Brutalität in Amerika überhaupt die
materiellen Intereſſen in den Vordergrund ge-
ſtellt werden, begreift den Kummer, den der der-
malige Zuſtand in den Vereinigten Staaten einem
Manne bereitet, welcher mit dem Blicke eines
großen, die Eigenthümlichkeiten ſeiner Heimat
verſtehenden Staatsmannes begnabet iſt. Cleveland
war als Präſidentſchafts-Candidat ein Programm.
Die Silberkönige des Weſtens hatten ihr Haupt
ſchon mächtig erhoben und ſtanden mit allen
Mitteln der ſchlimmſten Corruption bereit, die
wohlfundirte eingelebte Goldwahrung der Republik
aus den Angeln zu heben. Daneben erhob ſich,
damals noch mächtiger, eine beiſpielloſe Schutzzoll-
Agitation, welche Nordamerika von allen europäſchen
Zufuhren abſchneiden wollte, die auf dieſe Art
entſtehende Vertheuerung aller Producte ſollte
das Land den dortigen Induſtriellen ausliefern.
Das Geſetz, das mit dem Namen des Nachfolgers
des ſcheidenden Präſidenten unzertrennlich ver-
bunden iſt, markirte den Sieg dieſer gewalt-
thätigen Wirthſchaftspolitik. Da erhoben ſich die
reinlicheren Democraten und warfen mit der
Wahl Clevelands die in allen Faſern verdorbenen
Republikaner aus dem Sattel. Das neue Staats-
oberhaupt legte raſch Breſche in das begonnene
[Spaltenumbruch] Prohibitivſyſtem und hatte die Genugthuung,
den öconomiſchen Kampf mit den europäiſchen
Staaten weſentlich mildern zu können.

Nicht ſo glücklich war Grover Cleveland in
der Münzpolitik. Die Gläubiger Amerikas dieß-
ſeits des Atlantiſchen Oceans trauten den Dingen
nicht und ſandten zunächſt die Papiere der
Unionsſtaaten in ihre Heimat. Dadurch entſtand
ein unausgeſetzter, großer Abfluß von Gold
aus New-York nach Europa und die Währung
der Republik ward tief erſchüttert. Die Regierung
beſaß kein rechtes Mittel, dieſem Strome Halt
zu gebieten und mußte ſich wiederholt an das
Privatcapital wenden, um ſein Geld in den
Staatsſchatz zu leiten, wenn dort die Ebbe ſo
groß ward, daß die Bedeckung der Noten nicht
mehr genügte. Theuerung und Entwerthung
wechſelten in jähen Sprüngen ab, die Vermögens-
verhältniſſe jedes Einzelnen wurden tief erſchüt-
tert, Kriſen traten ein und ſelbſt die ernſteſten
und ruhigſten Leute mußten ſich die Frage vor-
legen, ob eine ſolche Entwickelung der Dinge
nicht einen Sturz der Vereinigen Staaten von
ihrem Fundamente der Solidität und des Reich-
thums in das Chaos und in die Verarmung zur
Folge haben werde. Die Rückwirkung auf
die Staatsfinanzen blieb nicht aus. Die
Republik, welche die während des Seceſ-
ſionskrieges zu Schleuderpreiſen contrahirte
enorme Staatsſchuld beinahe ganz und al pari
zurückgezahlt hatte, gerieth in das Deficit und
dieſes nahm allmählig einen Umfang an, der
geeignet war, die eingetretene Beunruhigung zu
fördern. Je größer die Verwirrung wurde, umſo
mehr Oel goſſen die Silberleute in das Feuer,
welches die beſtehenden Verhältniſſe verzehren




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.



Das Acetylen und ſeine Ge-
fahren.

Von Robert W. Dahus (Greifswald).

(Nachdruck verboten.)

Als vor einigen Jahren der Amerikaner
Wilſon im electriſchen Schmelzofen Kalk und
Kohle miteinander erhitzte, um zu ſehen, was
die geheimnißvolle Kraft, die in kurzer Zeit ſo
viele neue chemiſche Proceſſe er[m]öglicht hat, wohl
aus dieſen Stoffen machen würde, entdeckte er das
Calciumcarbid und damit die fabriksmäßige Her-
ſtellung des Acetylens, deſſen unberechenbare
Exploſivkraft jetzt ſoviel Schrecken und Beunru-
higung verbreitet. Es war nur eine Wiederent-
deckung, — denn der große Wöhler hat ſchon
vor 35 Jahren Proben deſſelben Stoffes herge-
ſtellt, — und noch dazu ziemlich planloſe.
Wilſon erwartete gewiß etwas anderes beim
Oeffnen ſeines Schmelzofens, als was er fand;
vielleicht hoffte er, wie ſo viele ſeiner Collegen,
auf die künſtlichen Diamanten, die man der
electriſchen Gluth ſeit zehn Jahren abzugewinnen
bemüht iſt, jedenfalls hielt er den Block erſtarrten
Geſteins, der ſich nach dem Erkalten des Ofens
als einziges Reſultat der Schmelzung auswies,
weiterer Untcrſuchung nicht für werth. Man
warf den formloſen Klumpen beiſeite, er gerieth
[Spaltenumbruch] durch Zufall in ein Gefäß mit Waſſer, und
ſofort begann jener wunderbare Proceß, in dem
man wenige Monate ſpäter den Anfang einer
neuen Aera der Beleuchtung ſah. Ein übelriechen-
des Gas fing an ſich ſtürmiſch zu entwickeln;
angezündet, brannte es mit einem ſo weißen
glänzenden Lichte, daß eine Gasflamme daneben
einer Kienfackel glich, — eine müheloſe Dar-
ſtellung des längſtgekannten, aber nur in Spuren
nachgewieſenen Leuchtgaſes Acetylen war erfunden.

Wir wollen uns mit der weiteren, glänzen-
den Ausgeſtaltung der Erfindung nicht lange
aufhalten. Daß der einfache Proceß der Her-
ſtellung von Calciumcarbid bald genug ſo weit
ausgebildet war, um große Fabriken zu ſeiner
Gewinnung als Handelswaare daraufhin zu be-
gründen, läßt ſich bei der Wichtigkeit, die man
der Erfindung ſofort beimaß, wohl begreifen.
So wunderbar der ganze Hergang dieſer chemi-
ſchen Umwandlungen iſt, ſo einfach iſt ja ihre
practiſche Durchführung. Zwei unſchmelzbare Sub-
ſtanzen, Kalk und Kohle, vereinigen ſich unter
der electriſchen Hitze mit Begier, und das Reſultat
iſt ein ganz leicht ſchmelzbarer Körper, den man
nur ins Waſſer zu werfen braucht, um ihm
wieder eine neue Geſtalt und Zuſammenſetzung
zu geben: ein Kohlenwaſſerſtoff iſt es jetzt, gleich
dem Leuchtgas, nur doppelt ſo ſchwer und von
der zehn- bis zwanzigfachen Leuchtkraft. Was ließ
ſich nicht von einer ſolchen Combination günſtiger
Umſtände alles erwarten! Man ſah ſchon alle
bisherigen Gasanſtalten begraben, und anſtatt
[Spaltenumbruch] der Retorten und Oeſen und Maſchinen und
Reinigungsapparate, ſtatt der Kohlenkarrer und
Retortenzieher ſah man im Geiſte blos noch
Leute, die immerfort Calciumcarbid ins Waſſer
warfen und Acetylen in winzigen Gaſometern
auffingen und damit unmenſchlich viel Geld ver-
dienten. Amerika, England, Frankreich harten als-
bald große electro-chemiſche Carbidwerke; mit
deutſchem Gelde wurden deren im vorigen Jahre
zwei geſchaffen, von denen eins die Kraft des
Rheinfalles, das andere die ſächſiſchen Braun-
kohlenlager benutzen ſoll, um die gewaltigen
Electricitätsmaſſen zu erregen, welche Kalk und
Steinkohle in Carbid und Acetylen verwandeln
ſollen. Natürlich kam man bald dahinter, daß
in der Acetylentechnik, um ein bekanntes fliegen-
des Wort zu gebrauchen, auch blos mit Waſſer
gekocht wird, und daß die Farben anfangs ein
wenig ſtark aufgetragen waren. Der Preis des
Calciumcarbids blieb einſtweilen auf 20 Mk.
pro Centner ſtehen, und das war und iſt viel
zu theuer, als daß dem Leuchtgaſe von Seiten
des Acetylens irgend eine Gefahr erwachſen
könnte. Die alte ehrenwerthe Induſtrie der Gas-
anſtalten, die den Todesſtoß, wenn man allen
voreiligen Prophezeiungen erfinderiſcher Heiß-
ſporne glauben wollte, mindeſtens ſchon ein dutzend
Mal bekommen hat, war wieder gerettet. Selbſt
wenn der Carbidpreis, was bei ſehr billigen
Waſſerkräften, wie am Niagara, wohl möglich,
auf 5 Mk. pro Centner herabgehen ſollte, würde
das Leuchtgas im Großen ſchwerlich vom Acelylen


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[[1]/0001] Das „Mähriſche Tagblatt“ erſcheint mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage täglich. Ausgabe 2 Uhr Nachmittag im Adminiſtrationslocale Niederring Nr. 41 neu. Abonnement für Olmütz: Ganzjährig fl. 10.— Halbjährig „ 5.— Vierteljährig „ 2.50 Monatlich „ —·90 Zuſtellung ins Haus monat- lich 10 kr, Auswärts durch die Poſt: Ganzjährig fl. 14.— Halbjährig „ 7.— Vierteljährig „ 3.50 Einzelne Nummern 5 kr. Telephon Nr. 9. Mähriſches Tagblatt. Inſertionsgebühren nach aufliegendem Tarik Außerhalb Olmütz überneh- men Inſertions-Aufträge. Heinrich Schalek, Annon- cen-Exped. in Wien, 1. Woll- zeile Nr. 11, Haasenstein & Vogler, in Wien, Buda- peſt, Berlin, Frankfurt a. M. Hamburg, Baſel und Leipzig. M. Dukes Nachf. Max Angen- feld & Emerich Leſſner, Wien I., Wollzeile 6—8. Rud. Mosse. Wien München u. Berlin. Alois Opellik, in Wien, G. L. Daube und Co Frankfurt a. M. Karoly u Liebmann’s Annoncenburean in Hamburg, ſowie ſämmtl, conc. Inſertionsbureaus des In- u. Auslandes Manuſcripte werden nicht zurückgeſtellt. Telephon Nr. 9. Nr. 300 Olmütz, Mittwoch, den 30. December 1896. 17. Jahrgang. Pränumerations-Einladung! Mit 1. Jänner beginnt das erſte Quartal des 18. Jahrganges des „Mähr. Tagblattes“. Die Pränumerationspreiſe betragen: Für Olmütz: Ganzjährig . fl. 10. — Halbjährig . fl. 5. — Vierteljährig fl. 2.50 Monatlich . fl. —·90 Für Auswärts: Ganzjährig . fl. 14.— Halbjährig . fl. 7.— Vierteljährig fl. 3.50 Zahlungen ſind nur in der Admi- niſtration zu leiſten. Unſere P. T. bisherigen Pränumeranten werden erſucht, das Abonnement eheſtens zu erneuern, damit in der Zuſtellung des Blattes keine Unterbrechung eintrete. Die Adminiſtration. Comptoir und Expedition Olmütz, Niederring, Nr. 41. Cleveland’s Abſchied. Olmütz, 30. December. Es wird zwar noch einige Wochen dauern, ehe Grover Cleveland das Weiße Haus in Waſhington verläßt, allein es kann ſchon jetzt darauf hingewieſen werden, wie ſchwer ihm dieſer Abſchied gemacht wird. Nicht in dem Sinne, daß der derzeitige Präſident der Vereinigten Staaten mit ehrgeiziger Zähigkeit an ſeinem Amte haftet; auch wenn er um jeden Preis bleiben wollte, was er iſt, müßte er gehen, denn die Verfaſſung des Reiches geſtattet keine längere Friſt und es entfiel darum auch bei den Neuwahlen keine einzige Stimme auf ihn, obwohl er ſich großen Anſehens im ganzen Lande erfreut. Cleveland trennt ſich von ſeinem hohen und verantwortungs- vollen Poſten, weil die Sorge ſein Herz bedrückt. Seit dem Seceſſionskriege waren die inneren Verhältniſſe der Unionſtaaten nicht ſo verworren wie in dieſem Augenblicke. Wer da weiß, mit welcher Brutalität in Amerika überhaupt die materiellen Intereſſen in den Vordergrund ge- ſtellt werden, begreift den Kummer, den der der- malige Zuſtand in den Vereinigten Staaten einem Manne bereitet, welcher mit dem Blicke eines großen, die Eigenthümlichkeiten ſeiner Heimat verſtehenden Staatsmannes begnabet iſt. Cleveland war als Präſidentſchafts-Candidat ein Programm. Die Silberkönige des Weſtens hatten ihr Haupt ſchon mächtig erhoben und ſtanden mit allen Mitteln der ſchlimmſten Corruption bereit, die wohlfundirte eingelebte Goldwahrung der Republik aus den Angeln zu heben. Daneben erhob ſich, damals noch mächtiger, eine beiſpielloſe Schutzzoll- Agitation, welche Nordamerika von allen europäſchen Zufuhren abſchneiden wollte, die auf dieſe Art entſtehende Vertheuerung aller Producte ſollte das Land den dortigen Induſtriellen ausliefern. Das Geſetz, das mit dem Namen des Nachfolgers des ſcheidenden Präſidenten unzertrennlich ver- bunden iſt, markirte den Sieg dieſer gewalt- thätigen Wirthſchaftspolitik. Da erhoben ſich die reinlicheren Democraten und warfen mit der Wahl Clevelands die in allen Faſern verdorbenen Republikaner aus dem Sattel. 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Als vor einigen Jahren der Amerikaner Wilſon im electriſchen Schmelzofen Kalk und Kohle miteinander erhitzte, um zu ſehen, was die geheimnißvolle Kraft, die in kurzer Zeit ſo viele neue chemiſche Proceſſe ermöglicht hat, wohl aus dieſen Stoffen machen würde, entdeckte er das Calciumcarbid und damit die fabriksmäßige Her- ſtellung des Acetylens, deſſen unberechenbare Exploſivkraft jetzt ſoviel Schrecken und Beunru- higung verbreitet. Es war nur eine Wiederent- deckung, — denn der große Wöhler hat ſchon vor 35 Jahren Proben deſſelben Stoffes herge- ſtellt, — und noch dazu ziemlich planloſe. Wilſon erwartete gewiß etwas anderes beim Oeffnen ſeines Schmelzofens, als was er fand; vielleicht hoffte er, wie ſo viele ſeiner Collegen, auf die künſtlichen Diamanten, die man der electriſchen Gluth ſeit zehn Jahren abzugewinnen bemüht iſt, jedenfalls hielt er den Block erſtarrten Geſteins, der ſich nach dem Erkalten des Ofens als einziges Reſultat der Schmelzung auswies, weiterer Untcrſuchung nicht für werth. Man warf den formloſen Klumpen beiſeite, er gerieth durch Zufall in ein Gefäß mit Waſſer, und ſofort begann jener wunderbare Proceß, in dem man wenige Monate ſpäter den Anfang einer neuen Aera der Beleuchtung ſah. Ein übelriechen- des Gas fing an ſich ſtürmiſch zu entwickeln; angezündet, brannte es mit einem ſo weißen glänzenden Lichte, daß eine Gasflamme daneben einer Kienfackel glich, — eine müheloſe Dar- ſtellung des längſtgekannten, aber nur in Spuren nachgewieſenen Leuchtgaſes Acetylen war erfunden. Wir wollen uns mit der weiteren, glänzen- den Ausgeſtaltung der Erfindung nicht lange aufhalten. Daß der einfache Proceß der Her- ſtellung von Calciumcarbid bald genug ſo weit ausgebildet war, um große Fabriken zu ſeiner Gewinnung als Handelswaare daraufhin zu be- gründen, läßt ſich bei der Wichtigkeit, die man der Erfindung ſofort beimaß, wohl begreifen. So wunderbar der ganze Hergang dieſer chemi- ſchen Umwandlungen iſt, ſo einfach iſt ja ihre practiſche Durchführung. Zwei unſchmelzbare Sub- ſtanzen, Kalk und Kohle, vereinigen ſich unter der electriſchen Hitze mit Begier, und das Reſultat iſt ein ganz leicht ſchmelzbarer Körper, den man nur ins Waſſer zu werfen braucht, um ihm wieder eine neue Geſtalt und Zuſammenſetzung zu geben: ein Kohlenwaſſerſtoff iſt es jetzt, gleich dem Leuchtgas, nur doppelt ſo ſchwer und von der zehn- bis zwanzigfachen Leuchtkraft. Was ließ ſich nicht von einer ſolchen Combination günſtiger Umſtände alles erwarten! Man ſah ſchon alle bisherigen Gasanſtalten begraben, und anſtatt der Retorten und Oeſen und Maſchinen und Reinigungsapparate, ſtatt der Kohlenkarrer und Retortenzieher ſah man im Geiſte blos noch Leute, die immerfort Calciumcarbid ins Waſſer warfen und Acetylen in winzigen Gaſometern auffingen und damit unmenſchlich viel Geld ver- dienten. Amerika, England, Frankreich harten als- bald große electro-chemiſche Carbidwerke; mit deutſchem Gelde wurden deren im vorigen Jahre zwei geſchaffen, von denen eins die Kraft des Rheinfalles, das andere die ſächſiſchen Braun- kohlenlager benutzen ſoll, um die gewaltigen Electricitätsmaſſen zu erregen, welche Kalk und Steinkohle in Carbid und Acetylen verwandeln ſollen. Natürlich kam man bald dahinter, daß in der Acetylentechnik, um ein bekanntes fliegen- des Wort zu gebrauchen, auch blos mit Waſſer gekocht wird, und daß die Farben anfangs ein wenig ſtark aufgetragen waren. 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Zitationshilfe: Mährisches Tagblatt. Nr. 300, Olmütz, 30.12.1896, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maehrisches300_1896/1>, abgerufen am 21.11.2024.