Mährisches Tagblatt. Nr. 300, Olmütz, 30.12.1896.[Spaltenumbruch]
treten. Meine Absicht war es, in ganz ruhiger Abg. Kopp bedauert, daß der Landmar- Nachdem noch mehrere Redner gesprochen, Sodann wurden die Ausschußwahlen aus Böhmischer Landtag. Prag, 29. December. Nach dem Vortrage einer Reihe von Initia- Abg. Dr. Vasaty erklärt, daß er schon Abg. Dr. Vasaty schließt seine Rede mit Der deutschnationale Abgeordnete Reini- Abg. Dr. Nitsche protestirt gegen die Abg. Dr. Herold weist die Anschuldigung Der christlich-sociale Abg. Opitz spricht [Spaltenumbruch] aber aus dem ihm zunächst verwandten Gase, Aber vorläufig sollte, wie so oft, wieder Das Schlimmste aber ist eine gewisse Heim- [Spaltenumbruch]
treten. Meine Abſicht war es, in ganz ruhiger Abg. Kopp bedauert, daß der Landmar- Nachdem noch mehrere Redner geſprochen, Sodann wurden die Ausſchußwahlen aus Böhmiſcher Landtag. Prag, 29. December. Nach dem Vortrage einer Reihe von Initia- Abg. Dr. Vašaty erklärt, daß er ſchon Abg. Dr. Vašatý ſchließt ſeine Rede mit Der deutſchnationale Abgeordnete Reini- Abg. Dr. Nitſche proteſtirt gegen die Abg. Dr. Herold weiſt die Anſchuldigung Der chriſtlich-ſociale Abg. Opitz ſpricht [Spaltenumbruch] aber aus dem ihm zunächſt verwandten Gaſe, Aber vorläufig ſollte, wie ſo oft, wieder Das Schlimmſte aber iſt eine gewiſſe Heim- <TEI> <text> <body> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div next="#f1c" xml:id="f1b" prev="#f1a" type="jArticle" n="2"> <pb facs="#f0003" n="[3]"/> <cb/> </div> </div> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div xml:id="a2b" prev="#a2a" type="jArticle" n="2"> <p>treten. Meine Abſicht war es, in ganz ruhiger<lb/> und beſcheidener Weiſe (Gelächter rechts), ſo weit<lb/> es meine Kräfte geſtatten, an den Arbeiten des<lb/> Landtages mitzuwirken. Ich möchte nur auf das<lb/> im Antrage enthaltene — nicht gerade in ſehr<lb/> gebildeter Weiſe gebrauchtes Wort — (Gelächter<lb/> rechts) hinweiſen, auf den Mangel an Bildung.<lb/> Meine Fachbildung iſt nicht nur von meinen<lb/> Collegen, ſondern auch von der Regierung und<lb/> vom Auslande von allen Seiten anerkannt.<lb/> (Neuerliches Gelächter rechts!) Sie wiſſen ja<lb/> nichts davon. Ich erinnere mich da an das Wort<lb/> meines Lehrers, der auch der Lehrer des Dr.<lb/> Lueger war, Ihering (Abg. <hi rendition="#g">Gregorig:</hi> Auch<lb/> ein Jud!), welcher einmal ſagte: Wenn man in<lb/> ſolcher Weiſe angegriffen wird, hört jede Bildung<lb/> auf. 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Beleidi-<lb/> gend iſt es, wenn jemand bei einer Wahl in<lb/> einer Curie ſagt, einem Juden gebe ich keine<lb/> Stimme. (Ruf rechts: Das war recht von ihm.)<lb/> Das iſt beleidigend, und auf eine Beleidigung<lb/> gehört eine Antwort und ich wüßte nicht, welche<lb/> Antwort ich geben ſollte. Verſetzen Sie ſich in die<lb/> Sitnation, daß Jemand ſofort beim Eintritte in<lb/> die Arbeit angegriffen und beſchimpft wird.<lb/> (Widerſpruch rechts.) Es war dies kein einmaliger<lb/> Ausbruch Schneider’s ſondern das iſt das Glied<lb/> in der Kette der Beſchimpfungen, Verhetzungen<lb/><cb/> und Angriffe. Sie kennen die Entwicklung der<lb/> Dinge und wiſſen, daß endlich einmal ſo etwas<lb/> provocirt wird. Schon vor 40 und 50 Jahren<lb/> haben ſich mir ſehr naheſtehende Verwandte, die<lb/> Officiere in der Armee waren, wegen ſolcher An-<lb/> griffe geſchlagen und ſind dabei gefallen. (Ge-<lb/> lächter rechts.) 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Dr.<lb/> Vašaty unterbricht den Redner in heftiger Weiſe.)<lb/> Abg. Dr. Herold wendet ſich hierauf gegen den<lb/> Abg Vašaty und erklärt, er könne mit gutem<lb/> Gewiſſen behaupten, daß die Jungtſchechen nicht<lb/> diejenigen ſeien, welche Vertrauen zur Regierung<lb/> haben und darnach ihr Handeln einrichten, ſon-<lb/> dern ſie hätten Vertrauen zur Gerechtigkeit ihres<lb/> Programmes, und zum Rechte des Volkes, und<lb/> nur aus dieſem Vertrauen zu ihren Grundſätzen<lb/> und zu ihrem Volke leite ſich ihr Handeln gegen<lb/> die Regierung her.</p><lb/> <p>Der chriſtlich-ſociale Abg. <hi rendition="#g">Opitz</hi> ſpricht<lb/> gegen die Bewilligung des Budgetproviſoriums.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> </div> </div> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="f1c" prev="#f1b" type="jArticle" n="2"> <p>aber aus dem ihm zunächſt verwandten Gaſe,<lb/><hi rendition="#g">Aethylen</hi> (<hi rendition="#aq">Aethylen</hi>), und letzteres kann man<lb/> wieder aus erſterem herſtellen. In chemiſch de<supplied>n</supplied>kenden<lb/> Köpfen baute ſich bereits die Möglichkeit einer<lb/> Zukunft auf, von der ſchon Werner Siemens<lb/> einſt geſprochen hatte, einer Zukunft, welche die<lb/> ganze Reihe der organiſchen Gebilde und Lebens-<lb/> mittel, deren Schöpfung heute das tiefſte Geheimniß<lb/> der Natur iſt, aus den nackten Elementen auf-<lb/> bauen gelernt hat.</p><lb/> <p>Aber vorläufig ſollte, wie ſo oft, wieder<lb/> einmal alles anders kommen, und das Acetylen,<lb/> der geträumte Wohlthäter der leidenden Menſch-<lb/> heit, ſpielt ſich einſtweilen auf ein rechtes Schreck-<lb/> geſpenſt hinaus. Erſtens iſt es giftig und zwar<lb/> mindeſtens in demſelben Maße wie das berüch-<lb/> tigte Kohlenoxydgas. Aber damit wäre fertig zu<lb/> werden, wir haben ja mit dem Kohlenoxyd um-<lb/> zuſpringen gelernt und das Acetylen zeichnet ſich<lb/> vor jenem durch einen höchſt widerwärtigen<lb/> Geruch aus, ſo daß man es jederzeit leicht be-<lb/> merkt. Ferner iſt es exploſiv. Das wäre auch<lb/> nicht ſchlimm, denn Petroleumgaſe, Leuchtgaſe<lb/> und dergleichen ſind es auch und wir verbrennen<lb/> ſie doch. Das Maximum der Exploſivkraft tritt<lb/> bei Acetylen ein, ſobald es mit der zwölffachen<lb/> Menge Luft gemiſcht iſt, Lenchtgas bedarf dazu<lb/> nur halb ſoviel Luft. Aber das Schlimme iſt<lb/> nur: Leuchtgas brennt im reinen Zuſtande ſehr<lb/> gut, Acetylen <hi rendition="#g">muß,</hi> wenn es nicht rußen ſoll,<lb/><cb/> ſtark mit Luft gemiſcht werden, oder es bedarf<lb/> eigenthümlich gebauter Brenner, die einen ſtarken<lb/> Luftſtrom von ſelbſt ſchaffen. Für den Motoren-<lb/> betrieb ſchien auf den erſten Blick die höhere<lb/> Exploſivkraft des Acetylens ein Vortheil, da Gas-<lb/> motoren überhaupt nur auf den exploſiven Eigen-<lb/> ſchaften ihrer Füllung beruhen. Aber auch das<lb/> war Schein: die krachenden Detonationen in den<lb/> erſten Acetylenmotoren verſetzten die Anweſenden<lb/> in Angſt und Schrecken, und bis heute ſcheinen<lb/> keine weſentlichen Fortſchritte erzielt zu ſein.</p><lb/> <p>Das Schlimmſte aber iſt eine gewiſſe Heim-<lb/> tücke des neuen Gaſes, die ſeiner ungeheuren<lb/> Vielſeitigkeit, — in guten wie böſen Eigenſchaf-<lb/> ten — zuzuſchreiben iſt und die den damit Ex-<lb/> perimentirenden ſtets im Ungewiſſen läßt, weſſen<lb/> er ſich zu verſehen hat. Plötzliche, blitzſchnell ein-<lb/> tretende Cataſtrophen, wie deren in Paris eine<lb/> ſehr unglückliche, die vorübergehend die polizei-<lb/> liche Schließung der Acetylenfabriken zur Folge<lb/> hatte, und in Berlin bereits mehrere ſtattfanden,<lb/> führen allmählich einige Aufklärung herbei, aber<lb/> dieſe iſt, wie es ſcheint, noch lange nicht genü-<lb/> gend, und die Opfer, die ſie fordert, ſind ſehr<lb/> traurige und große. Beſondere Gefahren ſcheinen<lb/> bei der Compreſſion und Verflüſſigung des<lb/> Acetylens vorzuherrſchen. Man hat beobachtet,<lb/> daß das Gas ſchon bei zwei Atmoſphären Druck<lb/> zu blitzartigen Exploſionen neigt, bei denen ſich<lb/> unter Hitzegraden von beinahe 3000 Grad das<lb/><cb/> Acetylen in ſeine Beſtandtheile auflöſt, den Koh-<lb/> lenſtoff als feſte Maſſe abſetzt und den Waſſer-<lb/> ſtoff entweichen läßt. Im flüſſigen Zuſtande iſt<lb/> die Gefahr einer Exploſion noch viel größer, und<lb/> die anſcheinend ſichere Thatſache, daß dazu ſtets<lb/> die Anweſenheit von Luft in den explodirenden<lb/> Gefäßen und ein zündender Funke gehören, ge-<lb/> währt bei der geheimnißvollen Art, wie dieſe<lb/> Exploſionen in der Regel zuſtande kommen, nur<lb/> einen ſchwachen Troſt. Bei explodirenden flüſſigen<lb/> Acetylen aber wurden Druckwirkungen von 5000<lb/> bis 6000 Atmoſphären beobachtet, ſo daß alsdann<lb/> ſelbſt die feſteſten Stahlflaſchen in der That wie<lb/> Glas zerſprengt werden müſſen, da ja ihre Feſtig-<lb/> keit um mehr als das Zehnfache überſchritten<lb/> wird. Sogar Kupfer, ſowie Silber, kann durch<lb/> durch die Einwirkung von Acetylen in einen<lb/> Körper von der Exploſionsgefahr des Dynamits<lb/> verwandelt werden. Schon die geringen Mengen<lb/> Acetylen, welche dem Leuchtgas durch Zufall bei-<lb/> gemiſcht ſind, haben an Kupfertheilen der Lei-<lb/> tungsröhren dieſes gefährliche Acetylenkupfer ab-<lb/> geſetzt und erſchütternde Exploſionen hervorgeru-<lb/> fcn. Ob wir überhaupt alle böſen Eigenſchaften<lb/> des Acetylen ſchon kennen, iſt ſehr fraglich; vom<lb/> Kennen eber iſt es noch ein weiter Schritt zum<lb/> ſicheren Vermeidenlernen, und erſt dieſer Schritt<lb/> wird das Acetylen mit Recht in die Reihe der<lb/> hilfreichen, wohlthätigen Stoffe emporheben.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[3]/0003]
treten. Meine Abſicht war es, in ganz ruhiger
und beſcheidener Weiſe (Gelächter rechts), ſo weit
es meine Kräfte geſtatten, an den Arbeiten des
Landtages mitzuwirken. Ich möchte nur auf das
im Antrage enthaltene — nicht gerade in ſehr
gebildeter Weiſe gebrauchtes Wort — (Gelächter
rechts) hinweiſen, auf den Mangel an Bildung.
Meine Fachbildung iſt nicht nur von meinen
Collegen, ſondern auch von der Regierung und
vom Auslande von allen Seiten anerkannt.
(Neuerliches Gelächter rechts!) Sie wiſſen ja
nichts davon. Ich erinnere mich da an das Wort
meines Lehrers, der auch der Lehrer des Dr.
Lueger war, Ihering (Abg. Gregorig: Auch
ein Jud!), welcher einmal ſagte: Wenn man in
ſolcher Weiſe angegriffen wird, hört jede Bildung
auf. Mit den Büchern und Theorien kann man
ſich gegen perſönliche Beſchimpfungen nicht wehren.
Der Abgeordneter Schneider, der ſeit geſtern
eine hervorragende Stellung im Landtage
einnimmt, hat mich ohne jeden Anlaß beſchimpft.
(Widerſpruch rechts) Ich will ganz davon ab-
ſehen — weil ich mich damit nicht decken will —
daß ich zufälliger Weiſe ein Chriſt bin. (Gelächter
rechts.) Lachen Sie nur, das macht nichts Ueber
unſere religiöſe Ueberzeugung wollen wir nicht
ſtreiten. (Rafe rechts: Die geht uns nichts an.)
Die geht Sie gewiß nichts an. Der Angriff des
Abgeordneten Schneider war ein unprovocirter
und ein beleidigender und er verdiente denjenigen
Ausdruck, der auch im Antrage angeführt iſt.
Der Angriff Schneid r’s war auch kein zufälliger,
er ſteht aus, wie eine Art Vorpoſtengefecht. Es
iſt unmöglich, dem gegenüber die Ruhe zu be-
wahren, es iſt dies auch nicht weine Aufgabe,
denn ich bin, nachdem ich ſo lange Zeit in meinem
Berufe ehrenvoll gearbeitet und gewirkt habe,
durchaus nicht in den Landtag entſendet worden,
um mich von irgend Einem von Ihnen be-
ſchimpfen zu laſſen. Das iſt nicht meine Abſicht,
und ich werde es unter keinen Umſtänden dulden:
die Wahl des Mittels der Abwehr muß mir
überlaſſen bleiben und ich mußte dieſe Abwehr
wählen, weil eine andere Abwehr hier gar nicht
gontiren wird. Ich gebe zu, daß meine Er-
widerung eine Art Exploſion war, aber wenn
Einer Feuer legt, darf er ſich nicht wundern,
wenn es zu brennen anfängt. In dieſem Sinne habe
ich erwidert, um meine perſönliche Ehre zu ſchützen,
denn es iſt eine faule Ausrede, wenn man ſagt,
das Wort Jude ſei keine Beleidigung. Beleidi-
gend iſt es, wenn jemand bei einer Wahl in
einer Curie ſagt, einem Juden gebe ich keine
Stimme. (Ruf rechts: Das war recht von ihm.)
Das iſt beleidigend, und auf eine Beleidigung
gehört eine Antwort und ich wüßte nicht, welche
Antwort ich geben ſollte. Verſetzen Sie ſich in die
Sitnation, daß Jemand ſofort beim Eintritte in
die Arbeit angegriffen und beſchimpft wird.
(Widerſpruch rechts.) Es war dies kein einmaliger
Ausbruch Schneider’s ſondern das iſt das Glied
in der Kette der Beſchimpfungen, Verhetzungen
und Angriffe. Sie kennen die Entwicklung der
Dinge und wiſſen, daß endlich einmal ſo etwas
provocirt wird. Schon vor 40 und 50 Jahren
haben ſich mir ſehr naheſtehende Verwandte, die
Officiere in der Armee waren, wegen ſolcher An-
griffe geſchlagen und ſind dabei gefallen. (Ge-
lächter rechts.) Ich bitte den Landtag und jene
Elemente desſelben, die noch gerecht denken, ſich
über den Fall das richtige Urtheil zu bilden.
Auf Ihr Urtheil (zur Rechten gewendet) muß ich
leider verzichten.
Abg. Kopp bedauert, daß der Landmar-
ſchall ſeiner correcten Auffaſſung nicht treu
geblieben ſei. Wenn dem Abg. Benedikt die
Mißbilligung auszuſprechen wäre, ſo wäre dies
auch dem Abg Schneider gegenüber am Platze.
Nachdem noch mehrere Redner geſprochen,
wird der Dringlichkeitsantrag mit allen gegen
die Stimmen der Liberalen und Socialpolitiker
angenommen.
Sodann wurden die Ausſchußwahlen aus
dem Plenum vorgenommen.
Böhmiſcher Landtag.
Prag, 29. December.
Nach dem Vortrage einer Reihe von Initia-
tiv-Anträgen wird in die Tagesordnung, und
zwar Verhandlung des Budgetproviſo-
riums, eingegangen. Als Contra-Redner ſind
zum Worte gemeldet die Abg. Dr. Vašaty,
die Deutſchnationalen Dr. Reiniger und
Iro und Opitz (chriſtlichſocial.)
Abg. Dr. Vašaty erklärt, daß er ſchon
darum gegen das Budgetproviſorium ſei, weil
der Oberſtlandmarſchall der geſtern zum Aus-
drucke gebrachten Forderung der Vertreter beider
Volksſtämme, den Antrag auf Einführung
directer Wahlen in den Landgemeinden ſchon
heute auf die Tagesordnung zu ſetzen, nicht
nachgekommen ſei, ferner weil er ſich gegen
die Landeszuſchläge ausſprechen müſſe. Redner
ſchlägt an deren Stelle eine Reihe von anderen
Steuerarten vor, z. B. Luxusſteuern, Gebühren-
Aequivalent von Fideicommiſſen. Während der
Rede des Abg. Dr. Vašatý entſteht eine ſolche
Unruhe, daß der Redner plötzlich zu ſprechen
aufhört und eine Weile ſchweigend daſteht. Hierauf
ruft jemand aus ſeiner Nähe mit Stentorſtimme:
„Ruhe!“, worauf ſich der Lärm legt. Abg. Dr.
Vašatý apoſtrophirt den Oberſtlandmarſchall:
„Euer Durchlaucht! Wenn der Lärm ſo fort-
dauert, ſo kann ich trotz der größten Mühe nicht
weiter ſprechen.“ Abg. Dr. Vašatý ſetzt hierauf
ſeine Rede fort. Er berechnet ziffermäßig das
Erträgniß einer einzuführenden Fideicommiß-Be-
ſteuerung auf 1½ Millionen.
Abg. Dr. Vašatý ſchließt ſeine Rede mit
einem Reſolutions-Antrage, wonach die
Caſſenbeſtände des Reiches für die Bedürfniſſe
Böhmens verwendet werden ſollen.
Der deutſchnationale Abgeordnete Reini-
ger kommt auf das Wort des Oberſtlandmar-
ſchalls von geſtern zu ſprechen, wonach derſelbe
ſein Bedauern darüber ausgedrückt habe, daß die
„maßgebenden Parteien“ keine Einigung erzielt
hätten in Bezug auf die formelle Behandlung
des Landesausſchußantrages über die Einführung
directer Wahlen in den Landgemeinden. Das
habe auf ihn den Eindruck gemacht, als ob hier
private Verhandlungen gepflogen worden ſeien
und er verlange, daß das Plenum des Landtages
von denſelben Kenntniß erhalte, weil es ſonſt
möglich wäre, daß andere Einflüſſe und mögli-
cherweiſe auch Regierungseinflüſſe bei den maßge-
benden Parteien platzgreifen könnten. Es erſcheine
ſomit wie ein Manöver, daß man ein beſchleu-
nigtes Vorgehen in Bezug auf die directen
Wahlen verlangte, gleichzeitig aber auch die Un-
möglichkeit eines ſolchen Verfahrens herbeige-
führt habe.
Abg. Dr. Nitſche proteſtirt gegen die
Verdächtigungen ſeitens des deutſchnationalen Abg.
Reiniger gegenüber ſeiner Partei und weiſt ins-
beſonders die Bezeichnung „unwürdige Komödie“
zurück. Der deutſchnationale Abg. Iroſpricht im
gleichen Sinne wie der Abg. Reiniger. Er ſpricht
davon, daß das deutſch-böhmiſche Volk nicht
ſolche Männer wählen werde, welche mit der
Regierung unter einer Decke ſpielen Das deutſch-
böhmiſche Volk ſei nicht da, um zur Verdauung
„maßgebender Parteien“ ausgequetſcht zu werden.
Abg. Dr. Herold weiſt die Anſchuldigung
zurück, als ob auch ſeine Partei unter den
gleichen Motiven vorgegangen wäre, und er für
ſeine Perſon hätte gewünſcht, daß der Oberſt.
Landmarſchall auf die heutige Tagesordnung das
Geſetz betreffs der directen Wahlen geſetzt hätte,
denn es würde ſich dann herausgeſtellt haben, daß,
ſelbſt wenn der Landtag im beſchleunigten Ver-
fahren die directen Wahlen beſchloſſen hätte, es
dennoch nicht möglich geweſen wäre — ſchon aus
techniſchen Gründen — die Wirkſamkeit des
Geſetzes noch bis zur Zeit der Reichsraths-
neuwahlen in Geltung bringen zu können.
Das Odium hätte dann allerdings die Regierung
auf ſich nehmen müſſen. Seine Partei habe alles
gethan, um die Erledigung durchzuführen, und
man könne ihr daher keinen Vorwurf machen,
daß ſie etwas, was in ihrem eminenteſten Intereſſe
läge, nicht hätte durchführen wollen. (Abg. Dr.
Vašaty unterbricht den Redner in heftiger Weiſe.)
Abg. Dr. Herold wendet ſich hierauf gegen den
Abg Vašaty und erklärt, er könne mit gutem
Gewiſſen behaupten, daß die Jungtſchechen nicht
diejenigen ſeien, welche Vertrauen zur Regierung
haben und darnach ihr Handeln einrichten, ſon-
dern ſie hätten Vertrauen zur Gerechtigkeit ihres
Programmes, und zum Rechte des Volkes, und
nur aus dieſem Vertrauen zu ihren Grundſätzen
und zu ihrem Volke leite ſich ihr Handeln gegen
die Regierung her.
Der chriſtlich-ſociale Abg. Opitz ſpricht
gegen die Bewilligung des Budgetproviſoriums.
aber aus dem ihm zunächſt verwandten Gaſe,
Aethylen (Aethylen), und letzteres kann man
wieder aus erſterem herſtellen. In chemiſch denkenden
Köpfen baute ſich bereits die Möglichkeit einer
Zukunft auf, von der ſchon Werner Siemens
einſt geſprochen hatte, einer Zukunft, welche die
ganze Reihe der organiſchen Gebilde und Lebens-
mittel, deren Schöpfung heute das tiefſte Geheimniß
der Natur iſt, aus den nackten Elementen auf-
bauen gelernt hat.
Aber vorläufig ſollte, wie ſo oft, wieder
einmal alles anders kommen, und das Acetylen,
der geträumte Wohlthäter der leidenden Menſch-
heit, ſpielt ſich einſtweilen auf ein rechtes Schreck-
geſpenſt hinaus. Erſtens iſt es giftig und zwar
mindeſtens in demſelben Maße wie das berüch-
tigte Kohlenoxydgas. Aber damit wäre fertig zu
werden, wir haben ja mit dem Kohlenoxyd um-
zuſpringen gelernt und das Acetylen zeichnet ſich
vor jenem durch einen höchſt widerwärtigen
Geruch aus, ſo daß man es jederzeit leicht be-
merkt. Ferner iſt es exploſiv. Das wäre auch
nicht ſchlimm, denn Petroleumgaſe, Leuchtgaſe
und dergleichen ſind es auch und wir verbrennen
ſie doch. Das Maximum der Exploſivkraft tritt
bei Acetylen ein, ſobald es mit der zwölffachen
Menge Luft gemiſcht iſt, Lenchtgas bedarf dazu
nur halb ſoviel Luft. Aber das Schlimme iſt
nur: Leuchtgas brennt im reinen Zuſtande ſehr
gut, Acetylen muß, wenn es nicht rußen ſoll,
ſtark mit Luft gemiſcht werden, oder es bedarf
eigenthümlich gebauter Brenner, die einen ſtarken
Luftſtrom von ſelbſt ſchaffen. Für den Motoren-
betrieb ſchien auf den erſten Blick die höhere
Exploſivkraft des Acetylens ein Vortheil, da Gas-
motoren überhaupt nur auf den exploſiven Eigen-
ſchaften ihrer Füllung beruhen. Aber auch das
war Schein: die krachenden Detonationen in den
erſten Acetylenmotoren verſetzten die Anweſenden
in Angſt und Schrecken, und bis heute ſcheinen
keine weſentlichen Fortſchritte erzielt zu ſein.
Das Schlimmſte aber iſt eine gewiſſe Heim-
tücke des neuen Gaſes, die ſeiner ungeheuren
Vielſeitigkeit, — in guten wie böſen Eigenſchaf-
ten — zuzuſchreiben iſt und die den damit Ex-
perimentirenden ſtets im Ungewiſſen läßt, weſſen
er ſich zu verſehen hat. Plötzliche, blitzſchnell ein-
tretende Cataſtrophen, wie deren in Paris eine
ſehr unglückliche, die vorübergehend die polizei-
liche Schließung der Acetylenfabriken zur Folge
hatte, und in Berlin bereits mehrere ſtattfanden,
führen allmählich einige Aufklärung herbei, aber
dieſe iſt, wie es ſcheint, noch lange nicht genü-
gend, und die Opfer, die ſie fordert, ſind ſehr
traurige und große. Beſondere Gefahren ſcheinen
bei der Compreſſion und Verflüſſigung des
Acetylens vorzuherrſchen. Man hat beobachtet,
daß das Gas ſchon bei zwei Atmoſphären Druck
zu blitzartigen Exploſionen neigt, bei denen ſich
unter Hitzegraden von beinahe 3000 Grad das
Acetylen in ſeine Beſtandtheile auflöſt, den Koh-
lenſtoff als feſte Maſſe abſetzt und den Waſſer-
ſtoff entweichen läßt. Im flüſſigen Zuſtande iſt
die Gefahr einer Exploſion noch viel größer, und
die anſcheinend ſichere Thatſache, daß dazu ſtets
die Anweſenheit von Luft in den explodirenden
Gefäßen und ein zündender Funke gehören, ge-
währt bei der geheimnißvollen Art, wie dieſe
Exploſionen in der Regel zuſtande kommen, nur
einen ſchwachen Troſt. Bei explodirenden flüſſigen
Acetylen aber wurden Druckwirkungen von 5000
bis 6000 Atmoſphären beobachtet, ſo daß alsdann
ſelbſt die feſteſten Stahlflaſchen in der That wie
Glas zerſprengt werden müſſen, da ja ihre Feſtig-
keit um mehr als das Zehnfache überſchritten
wird. Sogar Kupfer, ſowie Silber, kann durch
durch die Einwirkung von Acetylen in einen
Körper von der Exploſionsgefahr des Dynamits
verwandelt werden. Schon die geringen Mengen
Acetylen, welche dem Leuchtgas durch Zufall bei-
gemiſcht ſind, haben an Kupfertheilen der Lei-
tungsröhren dieſes gefährliche Acetylenkupfer ab-
geſetzt und erſchütternde Exploſionen hervorgeru-
fcn. Ob wir überhaupt alle böſen Eigenſchaften
des Acetylen ſchon kennen, iſt ſehr fraglich; vom
Kennen eber iſt es noch ein weiter Schritt zum
ſicheren Vermeidenlernen, und erſt dieſer Schritt
wird das Acetylen mit Recht in die Reihe der
hilfreichen, wohlthätigen Stoffe emporheben.
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