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Mährisches Tagblatt. Nr. 6, Olmütz, 10.01.1887.

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[Spaltenumbruch] überzeugende Darlegungen über allen Zweifelklar
gemacht hat, wie nothwendig, ja unentbehrlich
gerade im jetzigen Augenblicke die vollständige Einig-
keit der Deutschen in Mähren geworden ist.

Als Wahrzeichen unserer Einigkeit und als
Stätte des freundlichen Meinungsaustausches über
die politische Lage und über die Fragen des Tages
dienten uns die deutschen Parteitage, welche in
der Aera der Fundamental-Artikel durch die ver-
dienstliche Initiative unserer zweiten Landeshaupt-
stadt Olmütz entstanden, mit Ausnahme der Wahl-
jahre alljährlich in einer anderen Stadt des Lan-
des abgehalten wurden bis auf den Wunsch dieser
Provinzialtage der große allgemeine deutsch-öster-
reichische Parteitag im November 1880, von
Kopp, Schmeykal und meiner Wenigkeit einberufen
einen denkwürdigen Abschnitt bildete, gegen die
zweite sl[a]visch-föderalistische Regierungs-Epoche
seine Stimme erhob und die Solidarität aller
Deutschen in Oesterreich neuerlich proclamirte.

Seitdem haben wir Deutsche in Mähren auch
mit Rücksicht auf die frühen Herbstsessionen des
Reichsrathes und die für so große Versammlun-
gen kaum geeigneten Sommermonate an Stelle
der Parteitage zur Besprechung der politischen
Lage nur Wanderversammlungen abgehalten, welche
der Brünner Deutsche Verein in dankenswerther
Weise 1882 in Zwittau, 1883 in Olmütz und
1886 in Iglau veranstaltete.

Die Einberufer der heutigen Versammlung
sind zwar durch den siebenten deutsch-mährischen
Parteitag ermächtigt worden, auch den nächsten
Parteitag nach ihrem Ermessen einzuberufen, das
Präsidium hat es jedoch vorgezogen, in Anbetracht
der seither verflossenen langen Zeit vorher die
Meinung der geehrten Vertrauensmänner zu ver-
nehmen, welche im brieflichen Wege nur unzu-
reichend eingeholt und constatirt werden könnte.

Gestatten Sie mir nunmehr, verehrte Herren,
daß ich die auf unserer heutigen Tagesordnung
stehende Besprechung der Parteiverhältnisse mit
einem kurzen Rückblicke auf deren bisherige Ent-
wickelung einleite. Es ist wol selbstverständlich,
daß ich hiebei das Hauptgewicht auf die als
Vorbedingung jeder lebensfähigen Partei unent-
behrliche Einigkeit der Deutschen legen muß, welche
in Mähren das beste Gedeihen zeigte.

Wenn auch innerhalb der dentsch-mährischen
Verfassungspartei zur Zeit unserer unbestrittenen
parlamentarischen Majorität mitunter ernste Mei-
nungsverschiedenheiten auftauchten, so wurde doch
durch die im Jahre 1871 zum erstenmale zur
Geltung gelangte stavisch-föderalistische Strömung
die vollständige Einigkeit der Deutschen in Mähren
hergestellt, welche nun durch mehr als 15 Jahre
eine ernste Störung nicht mehr erlitt.

Alle unsere jährlichen Parteitage und Wander-
versammlungen, sowie alle unsere Landtags- und
Reichsrathswahlen haben die ungetrübte Einigkeit
und entschieden nationale Haltung der Deutschen
in Mähren manifestirt, ohne jemals von der
Thatsache beeinflußt zu werden, da unsere Abge-
ordneten im Reichsrathe es aus parlamentarisch-
tactischen Gründen auch früher wiederholt ange-
zeigt gefunden hatten, sich in zwei oder selbst drei
Parteifractionen zu theilen.

Insbesondere bot uns der von beinahe 1000
bewährten Vertrauensmännern und Parteigenossen
besuchte siebente deutsch-mährische Parteitag in
Brünn am 19. September 1880 eine glänzende
Manifestation der Einigkeit der Deutschen in
Mähren, welche sich schon damals in förmlicher
Resolution für die Solidarität und das einträch-
tige Vorgehen aller Deutschen, sowie für die ent-
schiedene Bekämpfung des gegenwärtigen Regie-
rungssystemes und für die Einberufung eines
allgemeinen deutsch-österreichischen Parteitages ein-
stimmig und in erhebender Begeisterung aus-
sprachen. (Bravo.)

Und auf den einhelligen Wunsch des deutsch-
österreichischen Parteitages wurde diese Solidarität
und Eintracht auch parlamentarisch verwirklicht,
indem die sämmtlichen deutschen und verfassungs-
treuen Abgeordneten des Reichsrathes zur kräf-
tigeren und erfolgreicheren Verfolgung ihrer
nationalen und staatlichen Aufgaben sich zu einer
einzigen großen parlamentarischen Verbindung von
beinahe 150 Mitgliedern vereinigten.

Als vollends die vorzeitige Auflösung des
verfassungstreuen böhmischen Landtages und dessen
neue tschechisch-feudale Majoritäl im Jahre 1883
die Gefahren der slavischen Oberherrschaft in un-
sere nächste Nähe rückte, da wurde die Ueberzeu-
[Spaltenumbruch] gung allgemein daß die Deutschen in Mähren
nur durch Ei[nig]keit und Bundesgenossenschaft
dem slavischen [An]sturme Stand zu halten ver-
möchten, und ich konnte nicht nur in meinen
Wahlreden, sondern auch in unseren Wahlauf-
rufen für den Landtag und für den Reichsrath
ohne Widerspruch und unter allgemeiner Zustim-
mung der deutschen Parteigenossen erklären, daß
der Kampf für das deutsche Volk und für die
Staatseinheit in Oesterreich gar nicht getrennt
werden kann und daß Deutsch-Nationale wie
Centralisten, wenn auch die Einen mehr aus na-
tionalen und die Anderen mehr aus staatlichen
Motiven das gleiche Ziel anstreben müssen: "die
Vertheidigung der von der Sicherung der Staats-
einheit unzertrennlichen Stellung der Deutschen
in Oesterreich." (Stürmischer Beifall.)

Wörtlich hieß es in unserm von beinahe vier-
hundert bewährten deutschen Vertrauensmännern
und Parteigenossen aller Gegenden Mährens und
aller nationalen Grade unterzeichneten und von
allen unseren Candidaten als Wahlprogramm an-
genommenen Wahlaufrufe für die Reichsraths-
wahlen im Jahre 1885: "Jeder gute Deutsch-
Nationale muß mit dem Centralisten und jeder
gute Centralist mit dem Deutsch-Nationalen Hand
in Hand gehen, Schulter an Schulter kämpfen
gegen den gemeinsamen Feind, ohne Bedingung
und ohne Vorbehalt." (Bravo.)

Und so wurden auch die Reichsrathswahlen
in Mähren in vollständiger Einigkeit der deut-
schen Wählerschaften mit gutem Erfolge vollzogen,
und nur in zwei Städten eines deutschen Wahl-
bezirkes stellte die Minorität der Wähler gegen
die Empfehlung der Vertrauensmänner einen be-
sonderen Candidaten auf.

Erst seit der von keiner Seite gewünschten
und von beiden Seiten bedauerten Trennung der
deutsch-liberalen Abgeordneten in zwei parlamen-
tarische Functionen gelangte auch in Mähren die
Frage zur l[e]bafteren Erörterung, welche dieser
beiden Fractionen nach ihrer Richtung ihrem
Programm und ihrer Benennung wohl besser
geeignet sei, die Forderungen des deutschen Volkes
zur Geltung zu bringen.

Vor Allem will mir scheinen, daß die par-
lamentarische Gruppirung der Abgeordneten allein
für das Urtheil der Wähler über deren ent-
sprechende nationale und politische Haltung und
für eine ähnliche Gruppirung der Wählerschaften
nicht maßgebend sein sollte, wie sie bisher in
Mähren auch niemals maßgebend war, denn ich
selbst gehörte im Reichsrathe durch Jahre einer
anderen parlamentarischen Gruppe an, als die
große Mehrzahl meiner mährischen Collegen, und
doch wurden unsere Parteiverhältnisse in Mähren
seit mehr als 15 Jahren von solchen parlamen-
tarischen Trennungen gar nicht mehr berührt.
Aber ganz abgesehen hievon, sind die gegenwärti-
gen Verhältnisse in Oesterreich, welche selbst den
deutschen Abgeordneten zwingen, dem Staatsan-
walte seinen Tribut zu zollen -- wohl betrübend
und bedrohend genug, um uns klar zu machen,
daß der Streit um das bessere Deutschthum ein
unfruchtbarer bleibt, und daß nur die beiden
parlamentarischen Fractionen der deutschen Abge-
ordneten zusammen und mit Heranziehung weiterer
centralistischer Bundesgenossen im Stande sein
könnten, die Rechte der Deutschen und die Staats-
einheit erfolgreich zu schützen und zu sichern.
(Stürmischer Beifall.)

Dieses geeinigte und gemeinsame Wirken
beider deutschen Parlaments-Fractionen und das
hiezu unentbehrliche gegenseitige freundliche Ver-
halten ihrer Mitglieder ist aber um so eher mög-
lich, als die Programme der beiden Verbindun-
gen gemeinsamen Ursprunges sind und in allen
actuellen, nationalen und staatlichen Fragen über-
einstimmen. (Rufe: Richtig! So ist es!)

Und in der That konnte auch in den meisten
Fällen von nationaler oder staatlicher Wichtigkeit
ein loyales gemeinsames Vorgehen erzielt werden,
und ich habe dies jederzeit und insbesondere auch
in meiner Berichterstattung über die politische
Lage in der letzten Wanderversammlung zu Iglau
ausdrücklich anerkannt. Wenn ich die erfolgte
parlamentarische Trennung damals dennoch be-
dauerte und auch heute bedauere, so liegt darin
gewiß keine Verletzung, sondern, wie ich schon bei
anderer Gelegenheit öffentlich erklärte, vielmehr
der Wunsch, mit den nun getrennten deutsch-na-
tionalen Parteigenossen in engerer Verbindung
zu wirken.


[Spaltenumbruch]

Denn nach vieljähriger parlamentarischer
Erfahrung muß ich es schon als schwierig bezeich-
nen, eine größere Anzahl von deutschen Politikern
in gegebener, oft sehr kurzer Zeit bei gemeinsamer
Berathung zu wichtigeren Actionen zu einigen,
und um wie viel schwieriger wird diese Aufgabe
nach vorangegangenen abgesonderten Berathun-
gen und Beschlußfassungen. Bisher hat noch jede
solche parlamentarische Absonderung von deutschen
Parteigenossen in den wichtigsten Fragen zu Con-
flicten und weiteren Trennungen geführt, welche
jeden E[r]folg ausschlossen, oder aber zur endli-
chen Umkehr und Wiedervereinigung. Das Bei-
spiel der Polen, Tschechen, Feudalen und Clericalen,
welche trotz der fundamentalsten Gegensätze sich
willenlos dem Commando des Executiv-Comites
unterordnen, kann uns Deutschen nicht vorge-
halten werden.

Schon die Manifestation der eigenen beson-
deren Existenz-Berechtigung führt bei selbstständigen
deutschen Männern, zu Schwierigkeiten, und je
schwieriger sich die Deutschen -- nicht nur in
Mähren und in Oesterreich -- einigen können,
desto bedenklicher erscheint eben jedes, wenngleich
nur formale Hinderniß dieser Einigung.

Wenn dessenungeachtet aus meiner Iglauer
Rede die Verletzung einer weitergehenden natio-
nalen Richtung herausgelesen werden sollte -- und
ich muß auch dieses persöuliche Moment berühren,
weil eine Person niemals das Hinderniß der
Einigkeit sein darf -- so mag dies wohl aus
dem einmal schon entbrannten publicistischen
Kampfe und auch daher zu erklären sein, daß
manches deutsch-nationale Organ, welches so freund-
lich war, meine Rede sehr ausführlich zu repro-
duciren, eben jene Stellen überging, in welchen
ich auf meine deutsch-nationale Vergangenheit hin-
wies und die Versicherung abgab, "daß ich bis
gegenwärtig niemals von meiner nationalen Rich-
tung abgewichen bin und auch niemals abweichen
werde." (Stürmischer Beifall.)

Und nicht etwa, um mich selbst zu loben
oder loben zu hören -- denn die Festhaltung und
Geltendmachung der eigenen Ueberzeugung ist ein-
fach Pflicht und verdient gar kein Lob -- sondern
um auch jüngere Parteigenossen, welche mein
öffentliches Wirken erst seit kürzerer Zeit verfol-
gen oder sich der Vergangenheit nicht erinnern,
im Interesse der großen deutschen Sache zu be-
ruhigen, und um so vielen gegen meine Person
gerichteten Anwürsen zu begegnen, will ich vor
Ihnen wie vor meinen Wählern Rechenschaft
geben und in wenigen Worten auf einige Mark-
steine meiner nationalen Thätigkeit hinweisen. Ich
wähle hiezu namentlich die gewöhnlich als Probe
der nationalen Gesinnung betrachtete Frage des
Bündnisses mit Deutschland.

Mit dem Wunsche des engsten Anschlusses an
Deutschland betrat ich noch als Angehöriger des
deutschen Bundes im Jahre 1865 die parlamen-
tarische Laufbahn, und diesen Wunsch durfte ich
damals noch ohne Gefahr der Verdächtigung in
mein Wahlprogramm aufnehmen. Aber auch nach
Verdrängung Oesterreichs aus der leitenden deut-
schen Stellung war ich im Jahre 1869 in der
Delegation unter den Ersten, welche im Interesse
der Deutschen und des Staates das Bündniß mit
Deutschland empfohlen haben, wofür ich in den
Regierungsorganen der "Bismärcker in der De-
legation" gescholten wurde, bis endlich nach zehn
Jahren das Bündniß zu Stande kam und seit-
dem officiell als Grundlage unserer äußeren Po-
litik anerkannt ist.

Ebenso bestrebte ich mich schon im J. 1870,
die deutsch-nationale Richtung in der Verfassungs-
partei zur parlamentarischen Geltung zu bringen,
und nahm an der allgemeinen nationalen Bewe-
gung des Jahres 1871 hervorragenden Antheil.

Im Jahre 1879 war ich unter den weni-
gen Parteigenossen, welche schon damals den An-
trag des Grafen Wurmbrand wegen Festhaltung
der deutschen Staatssprache rückhaltslos unter-
stützten, und vertrat im Jahre 1884 diesen An-
trag auch als Berichterstatter der Minorität. In
allen meinen Reden und Adreß-Entwürfen legte
ich auf die Pflege und Befestigung des deutschen
Bündnisses das größte Gewicht, und sprach bei
dem Bankette des Linzer Schulvereinstages im
Jahre 1883 den Wunsch aus, dieses Bündniß
auf alle gemeinsamen Interessen beider Reiche
ausgedehnt zu sehen, wofür ich abermals die gröb-
sten Verdächtigungen der officiösen Organe, aller-
dings aber auch die Genugthuung erntete, diesen

[Spaltenumbruch] überzeugende Darlegungen über allen Zweifelklar
gemacht hat, wie nothwendig, ja unentbehrlich
gerade im jetzigen Augenblicke die vollſtändige Einig-
keit der Deutſchen in Mähren geworden iſt.

Als Wahrzeichen unſerer Einigkeit und als
Stätte des freundlichen Meinungsaustauſches über
die politiſche Lage und über die Fragen des Tages
dienten uns die deutſchen Parteitage, welche in
der Aera der Fundamental-Artikel durch die ver-
dienſtliche Initiative unſerer zweiten Landeshaupt-
ſtadt Olmütz entſtanden, mit Ausnahme der Wahl-
jahre alljährlich in einer anderen Stadt des Lan-
des abgehalten wurden bis auf den Wunſch dieſer
Provinzialtage der große allgemeine deutſch-öſter-
reichiſche Parteitag im November 1880, von
Kopp, Schmeykal und meiner Wenigkeit einberufen
einen denkwürdigen Abſchnitt bildete, gegen die
zweite ſl[a]viſch-föderaliſtiſche Regierungs-Epoche
ſeine Stimme erhob und die Solidarität aller
Deutſchen in Oeſterreich neuerlich proclamirte.

Seitdem haben wir Deutſche in Mähren auch
mit Rückſicht auf die frühen Herbſtſeſſionen des
Reichsrathes und die für ſo große Verſammlun-
gen kaum geeigneten Sommermonate an Stelle
der Parteitage zur Beſprechung der politiſchen
Lage nur Wanderverſammlungen abgehalten, welche
der Brünner Deutſche Verein in dankenswerther
Weiſe 1882 in Zwittau, 1883 in Olmütz und
1886 in Iglau veranſtaltete.

Die Einberufer der heutigen Verſammlung
ſind zwar durch den ſiebenten deutſch-mähriſchen
Parteitag ermächtigt worden, auch den nächſten
Parteitag nach ihrem Ermeſſen einzuberufen, das
Präſidium hat es jedoch vorgezogen, in Anbetracht
der ſeither verfloſſenen langen Zeit vorher die
Meinung der geehrten Vertrauensmänner zu ver-
nehmen, welche im brieflichen Wege nur unzu-
reichend eingeholt und conſtatirt werden könnte.

Geſtatten Sie mir nunmehr, verehrte Herren,
daß ich die auf unſerer heutigen Tagesordnung
ſtehende Beſprechung der Parteiverhältniſſe mit
einem kurzen Rückblicke auf deren bisherige Ent-
wickelung einleite. Es iſt wol ſelbſtverſtändlich,
daß ich hiebei das Hauptgewicht auf die als
Vorbedingung jeder lebensfähigen Partei unent-
behrliche Einigkeit der Deutſchen legen muß, welche
in Mähren das beſte Gedeihen zeigte.

Wenn auch innerhalb der dentſch-mähriſchen
Verfaſſungspartei zur Zeit unſerer unbeſtrittenen
parlamentariſchen Majorität mitunter ernſte Mei-
nungsverſchiedenheiten auftauchten, ſo wurde doch
durch die im Jahre 1871 zum erſtenmale zur
Geltung gelangte ſtaviſch-föderaliſtiſche Strömung
die vollſtändige Einigkeit der Deutſchen in Mähren
hergeſtellt, welche nun durch mehr als 15 Jahre
eine ernſte Störung nicht mehr erlitt.

Alle unſere jährlichen Parteitage und Wander-
verſammlungen, ſowie alle unſere Landtags- und
Reichsrathswahlen haben die ungetrübte Einigkeit
und entſchieden nationale Haltung der Deutſchen
in Mähren manifeſtirt, ohne jemals von der
Thatſache beeinflußt zu werden, da unſere Abge-
ordneten im Reichsrathe es aus parlamentariſch-
tactiſchen Gründen auch früher wiederholt ange-
zeigt gefunden hatten, ſich in zwei oder ſelbſt drei
Parteifractionen zu theilen.

Insbeſondere bot uns der von beinahe 1000
bewährten Vertrauensmännern und Parteigenoſſen
beſuchte ſiebente deutſch-mähriſche Parteitag in
Brünn am 19. September 1880 eine glänzende
Manifeſtation der Einigkeit der Deutſchen in
Mähren, welche ſich ſchon damals in förmlicher
Reſolution für die Solidarität und das einträch-
tige Vorgehen aller Deutſchen, ſowie für die ent-
ſchiedene Bekämpfung des gegenwärtigen Regie-
rungsſyſtemes und für die Einberufung eines
allgemeinen deutſch-öſterreichiſchen Parteitages ein-
ſtimmig und in erhebender Begeiſterung aus-
ſprachen. (Bravo.)

Und auf den einhelligen Wunſch des deutſch-
öſterreichiſchen Parteitages wurde dieſe Solidarität
und Eintracht auch parlamentariſch verwirklicht,
indem die ſämmtlichen deutſchen und verfaſſungs-
treuen Abgeordneten des Reichsrathes zur kräf-
tigeren und erfolgreicheren Verfolgung ihrer
nationalen und ſtaatlichen Aufgaben ſich zu einer
einzigen großen parlamentariſchen Verbindung von
beinahe 150 Mitgliedern vereinigten.

Als vollends die vorzeitige Auflöſung des
verfaſſungstreuen böhmiſchen Landtages und deſſen
neue tſchechiſch-feudale Majoritäl im Jahre 1883
die Gefahren der ſlaviſchen Oberherrſchaft in un-
ſere nächſte Nähe rückte, da wurde die Ueberzeu-
[Spaltenumbruch] gung allgemein daß die Deutſchen in Mähren
nur durch Ei[nig]keit und Bundesgenoſſenſchaft
dem ſlaviſchen [An]ſturme Stand zu halten ver-
möchten, und ich konnte nicht nur in meinen
Wahlreden, ſondern auch in unſeren Wahlauf-
rufen für den Landtag und für den Reichsrath
ohne Widerſpruch und unter allgemeiner Zuſtim-
mung der deutſchen Parteigenoſſen erklären, daß
der Kampf für das deutſche Volk und für die
Staatseinheit in Oeſterreich gar nicht getrennt
werden kann und daß Deutſch-Nationale wie
Centraliſten, wenn auch die Einen mehr aus na-
tionalen und die Anderen mehr aus ſtaatlichen
Motiven das gleiche Ziel anſtreben müſſen: „die
Vertheidigung der von der Sicherung der Staats-
einheit unzertrennlichen Stellung der Deutſchen
in Oeſterreich.“ (Stürmiſcher Beifall.)

Wörtlich hieß es in unſerm von beinahe vier-
hundert bewährten deutſchen Vertrauensmännern
und Parteigenoſſen aller Gegenden Mährens und
aller nationalen Grade unterzeichneten und von
allen unſeren Candidaten als Wahlprogramm an-
genommenen Wahlaufrufe für die Reichsraths-
wahlen im Jahre 1885: „Jeder gute Deutſch-
Nationale muß mit dem Centraliſten und jeder
gute Centraliſt mit dem Deutſch-Nationalen Hand
in Hand gehen, Schulter an Schulter kämpfen
gegen den gemeinſamen Feind, ohne Bedingung
und ohne Vorbehalt.“ (Bravo.)

Und ſo wurden auch die Reichsrathswahlen
in Mähren in vollſtändiger Einigkeit der deut-
ſchen Wählerſchaften mit gutem Erfolge vollzogen,
und nur in zwei Städten eines deutſchen Wahl-
bezirkes ſtellte die Minorität der Wähler gegen
die Empfehlung der Vertrauensmänner einen be-
ſonderen Candidaten auf.

Erſt ſeit der von keiner Seite gewünſchten
und von beiden Seiten bedauerten Trennung der
deutſch-liberalen Abgeordneten in zwei parlamen-
tariſche Functionen gelangte auch in Mähren die
Frage zur l[e]bafteren Erörterung, welche dieſer
beiden Fractionen nach ihrer Richtung ihrem
Programm und ihrer Benennung wohl beſſer
geeignet ſei, die Forderungen des deutſchen Volkes
zur Geltung zu bringen.

Vor Allem will mir ſcheinen, daß die par-
lamentariſche Gruppirung der Abgeordneten allein
für das Urtheil der Wähler über deren ent-
ſprechende nationale und politiſche Haltung und
für eine ähnliche Gruppirung der Wählerſchaften
nicht maßgebend ſein ſollte, wie ſie bisher in
Mähren auch niemals maßgebend war, denn ich
ſelbſt gehörte im Reichsrathe durch Jahre einer
anderen parlamentariſchen Gruppe an, als die
große Mehrzahl meiner mähriſchen Collegen, und
doch wurden unſere Parteiverhältniſſe in Mähren
ſeit mehr als 15 Jahren von ſolchen parlamen-
tariſchen Trennungen gar nicht mehr berührt.
Aber ganz abgeſehen hievon, ſind die gegenwärti-
gen Verhältniſſe in Oeſterreich, welche ſelbſt den
deutſchen Abgeordneten zwingen, dem Staatsan-
walte ſeinen Tribut zu zollen — wohl betrübend
und bedrohend genug, um uns klar zu machen,
daß der Streit um das beſſere Deutſchthum ein
unfruchtbarer bleibt, und daß nur die beiden
parlamentariſchen Fractionen der deutſchen Abge-
ordneten zuſammen und mit Heranziehung weiterer
centraliſtiſcher Bundesgenoſſen im Stande ſein
könnten, die Rechte der Deutſchen und die Staats-
einheit erfolgreich zu ſchützen und zu ſichern.
(Stürmiſcher Beifall.)

Dieſes geeinigte und gemeinſame Wirken
beider deutſchen Parlaments-Fractionen und das
hiezu unentbehrliche gegenſeitige freundliche Ver-
halten ihrer Mitglieder iſt aber um ſo eher mög-
lich, als die Programme der beiden Verbindun-
gen gemeinſamen Urſprunges ſind und in allen
actuellen, nationalen und ſtaatlichen Fragen über-
einſtimmen. (Rufe: Richtig! So iſt es!)

Und in der That konnte auch in den meiſten
Fällen von nationaler oder ſtaatlicher Wichtigkeit
ein loyales gemeinſames Vorgehen erzielt werden,
und ich habe dies jederzeit und insbeſondere auch
in meiner Berichterſtattung über die politiſche
Lage in der letzten Wanderverſammlung zu Iglau
ausdrücklich anerkannt. Wenn ich die erfolgte
parlamentariſche Trennung damals dennoch be-
dauerte und auch heute bedauere, ſo liegt darin
gewiß keine Verletzung, ſondern, wie ich ſchon bei
anderer Gelegenheit öffentlich erklärte, vielmehr
der Wunſch, mit den nun getrennten deutſch-na-
tionalen Parteigenoſſen in engerer Verbindung
zu wirken.


[Spaltenumbruch]

Denn nach vieljähriger parlamentariſcher
Erfahrung muß ich es ſchon als ſchwierig bezeich-
nen, eine größere Anzahl von deutſchen Politikern
in gegebener, oft ſehr kurzer Zeit bei gemeinſamer
Berathung zu wichtigeren Actionen zu einigen,
und um wie viel ſchwieriger wird dieſe Aufgabe
nach vorangegangenen abgeſonderten Berathun-
gen und Beſchlußfaſſungen. Bisher hat noch jede
ſolche parlamentariſche Abſonderung von deutſchen
Parteigenoſſen in den wichtigſten Fragen zu Con-
flicten und weiteren Trennungen geführt, welche
jeden E[r]folg ausſchloſſen, oder aber zur endli-
chen Umkehr und Wiedervereinigung. Das Bei-
ſpiel der Polen, Tſchechen, Feudalen und Clericalen,
welche trotz der fundamentalſten Gegenſätze ſich
willenlos dem Commando des Executiv-Comités
unterordnen, kann uns Deutſchen nicht vorge-
halten werden.

Schon die Manifeſtation der eigenen beſon-
deren Exiſtenz-Berechtigung führt bei ſelbſtſtändigen
deutſchen Männern, zu Schwierigkeiten, und je
ſchwieriger ſich die Deutſchen — nicht nur in
Mähren und in Oeſterreich — einigen können,
deſto bedenklicher erſcheint eben jedes, wenngleich
nur formale Hinderniß dieſer Einigung.

Wenn deſſenungeachtet aus meiner Iglauer
Rede die Verletzung einer weitergehenden natio-
nalen Richtung herausgeleſen werden ſollte — und
ich muß auch dieſes perſöuliche Moment berühren,
weil eine Perſon niemals das Hinderniß der
Einigkeit ſein darf — ſo mag dies wohl aus
dem einmal ſchon entbrannten publiciſtiſchen
Kampfe und auch daher zu erklären ſein, daß
manches deutſch-nationale Organ, welches ſo freund-
lich war, meine Rede ſehr ausführlich zu repro-
duciren, eben jene Stellen überging, in welchen
ich auf meine deutſch-nationale Vergangenheit hin-
wies und die Verſicherung abgab, „daß ich bis
gegenwärtig niemals von meiner nationalen Rich-
tung abgewichen bin und auch niemals abweichen
werde.“ (Stürmiſcher Beifall.)

Und nicht etwa, um mich ſelbſt zu loben
oder loben zu hören — denn die Feſthaltung und
Geltendmachung der eigenen Ueberzeugung iſt ein-
fach Pflicht und verdient gar kein Lob — ſondern
um auch jüngere Parteigenoſſen, welche mein
öffentliches Wirken erſt ſeit kürzerer Zeit verfol-
gen oder ſich der Vergangenheit nicht erinnern,
im Intereſſe der großen deutſchen Sache zu be-
ruhigen, und um ſo vielen gegen meine Perſon
gerichteten Anwürſen zu begegnen, will ich vor
Ihnen wie vor meinen Wählern Rechenſchaft
geben und in wenigen Worten auf einige Mark-
ſteine meiner nationalen Thätigkeit hinweiſen. Ich
wähle hiezu namentlich die gewöhnlich als Probe
der nationalen Geſinnung betrachtete Frage des
Bündniſſes mit Deutſchland.

Mit dem Wunſche des engſten Anſchluſſes an
Deutſchland betrat ich noch als Angehöriger des
deutſchen Bundes im Jahre 1865 die parlamen-
tariſche Laufbahn, und dieſen Wunſch durfte ich
damals noch ohne Gefahr der Verdächtigung in
mein Wahlprogramm aufnehmen. Aber auch nach
Verdrängung Oeſterreichs aus der leitenden deut-
ſchen Stellung war ich im Jahre 1869 in der
Delegation unter den Erſten, welche im Intereſſe
der Deutſchen und des Staates das Bündniß mit
Deutſchland empfohlen haben, wofür ich in den
Regierungsorganen der „Bismärcker in der De-
legation“ geſcholten wurde, bis endlich nach zehn
Jahren das Bündniß zu Stande kam und ſeit-
dem officiell als Grundlage unſerer äußeren Po-
litik anerkannt iſt.

Ebenſo beſtrebte ich mich ſchon im J. 1870,
die deutſch-nationale Richtung in der Verfaſſungs-
partei zur parlamentariſchen Geltung zu bringen,
und nahm an der allgemeinen nationalen Bewe-
gung des Jahres 1871 hervorragenden Antheil.

Im Jahre 1879 war ich unter den weni-
gen Parteigenoſſen, welche ſchon damals den An-
trag des Grafen Wurmbrand wegen Feſthaltung
der deutſchen Staatsſprache rückhaltslos unter-
ſtützten, und vertrat im Jahre 1884 dieſen An-
trag auch als Berichterſtatter der Minorität. In
allen meinen Reden und Adreß-Entwürfen legte
ich auf die Pflege und Befeſtigung des deutſchen
Bündniſſes das größte Gewicht, und ſprach bei
dem Bankette des Linzer Schulvereinstages im
Jahre 1883 den Wunſch aus, dieſes Bündniß
auf alle gemeinſamen Intereſſen beider Reiche
ausgedehnt zu ſehen, wofür ich abermals die gröb-
ſten Verdächtigungen der officiöſen Organe, aller-
dings aber auch die Genugthuung erntete, dieſen

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[[2]/0002] überzeugende Darlegungen über allen Zweifelklar gemacht hat, wie nothwendig, ja unentbehrlich gerade im jetzigen Augenblicke die vollſtändige Einig- keit der Deutſchen in Mähren geworden iſt. Als Wahrzeichen unſerer Einigkeit und als Stätte des freundlichen Meinungsaustauſches über die politiſche Lage und über die Fragen des Tages dienten uns die deutſchen Parteitage, welche in der Aera der Fundamental-Artikel durch die ver- dienſtliche Initiative unſerer zweiten Landeshaupt- ſtadt Olmütz entſtanden, mit Ausnahme der Wahl- jahre alljährlich in einer anderen Stadt des Lan- des abgehalten wurden bis auf den Wunſch dieſer Provinzialtage der große allgemeine deutſch-öſter- reichiſche Parteitag im November 1880, von Kopp, Schmeykal und meiner Wenigkeit einberufen einen denkwürdigen Abſchnitt bildete, gegen die zweite ſlaviſch-föderaliſtiſche Regierungs-Epoche ſeine Stimme erhob und die Solidarität aller Deutſchen in Oeſterreich neuerlich proclamirte. 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Geſtatten Sie mir nunmehr, verehrte Herren, daß ich die auf unſerer heutigen Tagesordnung ſtehende Beſprechung der Parteiverhältniſſe mit einem kurzen Rückblicke auf deren bisherige Ent- wickelung einleite. Es iſt wol ſelbſtverſtändlich, daß ich hiebei das Hauptgewicht auf die als Vorbedingung jeder lebensfähigen Partei unent- behrliche Einigkeit der Deutſchen legen muß, welche in Mähren das beſte Gedeihen zeigte. Wenn auch innerhalb der dentſch-mähriſchen Verfaſſungspartei zur Zeit unſerer unbeſtrittenen parlamentariſchen Majorität mitunter ernſte Mei- nungsverſchiedenheiten auftauchten, ſo wurde doch durch die im Jahre 1871 zum erſtenmale zur Geltung gelangte ſtaviſch-föderaliſtiſche Strömung die vollſtändige Einigkeit der Deutſchen in Mähren hergeſtellt, welche nun durch mehr als 15 Jahre eine ernſte Störung nicht mehr erlitt. Alle unſere jährlichen Parteitage und Wander- verſammlungen, ſowie alle unſere Landtags- und Reichsrathswahlen haben die ungetrübte Einigkeit und entſchieden nationale Haltung der Deutſchen in Mähren manifeſtirt, ohne jemals von der Thatſache beeinflußt zu werden, da unſere Abge- ordneten im Reichsrathe es aus parlamentariſch- tactiſchen Gründen auch früher wiederholt ange- zeigt gefunden hatten, ſich in zwei oder ſelbſt drei Parteifractionen zu theilen. Insbeſondere bot uns der von beinahe 1000 bewährten Vertrauensmännern und Parteigenoſſen beſuchte ſiebente deutſch-mähriſche Parteitag in Brünn am 19. September 1880 eine glänzende Manifeſtation der Einigkeit der Deutſchen in Mähren, welche ſich ſchon damals in förmlicher Reſolution für die Solidarität und das einträch- tige Vorgehen aller Deutſchen, ſowie für die ent- ſchiedene Bekämpfung des gegenwärtigen Regie- rungsſyſtemes und für die Einberufung eines allgemeinen deutſch-öſterreichiſchen Parteitages ein- ſtimmig und in erhebender Begeiſterung aus- ſprachen. (Bravo.) Und auf den einhelligen Wunſch des deutſch- öſterreichiſchen Parteitages wurde dieſe Solidarität und Eintracht auch parlamentariſch verwirklicht, indem die ſämmtlichen deutſchen und verfaſſungs- treuen Abgeordneten des Reichsrathes zur kräf- tigeren und erfolgreicheren Verfolgung ihrer nationalen und ſtaatlichen Aufgaben ſich zu einer einzigen großen parlamentariſchen Verbindung von beinahe 150 Mitgliedern vereinigten. Als vollends die vorzeitige Auflöſung des verfaſſungstreuen böhmiſchen Landtages und deſſen neue tſchechiſch-feudale Majoritäl im Jahre 1883 die Gefahren der ſlaviſchen Oberherrſchaft in un- ſere nächſte Nähe rückte, da wurde die Ueberzeu- gung allgemein daß die Deutſchen in Mähren nur durch Einigkeit und Bundesgenoſſenſchaft dem ſlaviſchen Anſturme Stand zu halten ver- möchten, und ich konnte nicht nur in meinen Wahlreden, ſondern auch in unſeren Wahlauf- rufen für den Landtag und für den Reichsrath ohne Widerſpruch und unter allgemeiner Zuſtim- mung der deutſchen Parteigenoſſen erklären, daß der Kampf für das deutſche Volk und für die Staatseinheit in Oeſterreich gar nicht getrennt werden kann und daß Deutſch-Nationale wie Centraliſten, wenn auch die Einen mehr aus na- tionalen und die Anderen mehr aus ſtaatlichen Motiven das gleiche Ziel anſtreben müſſen: „die Vertheidigung der von der Sicherung der Staats- einheit unzertrennlichen Stellung der Deutſchen in Oeſterreich.“ (Stürmiſcher Beifall.) Wörtlich hieß es in unſerm von beinahe vier- hundert bewährten deutſchen Vertrauensmännern und Parteigenoſſen aller Gegenden Mährens und aller nationalen Grade unterzeichneten und von allen unſeren Candidaten als Wahlprogramm an- genommenen Wahlaufrufe für die Reichsraths- wahlen im Jahre 1885: „Jeder gute Deutſch- Nationale muß mit dem Centraliſten und jeder gute Centraliſt mit dem Deutſch-Nationalen Hand in Hand gehen, Schulter an Schulter kämpfen gegen den gemeinſamen Feind, ohne Bedingung und ohne Vorbehalt.“ (Bravo.) Und ſo wurden auch die Reichsrathswahlen in Mähren in vollſtändiger Einigkeit der deut- ſchen Wählerſchaften mit gutem Erfolge vollzogen, und nur in zwei Städten eines deutſchen Wahl- bezirkes ſtellte die Minorität der Wähler gegen die Empfehlung der Vertrauensmänner einen be- ſonderen Candidaten auf. Erſt ſeit der von keiner Seite gewünſchten und von beiden Seiten bedauerten Trennung der deutſch-liberalen Abgeordneten in zwei parlamen- tariſche Functionen gelangte auch in Mähren die Frage zur lebafteren Erörterung, welche dieſer beiden Fractionen nach ihrer Richtung ihrem Programm und ihrer Benennung wohl beſſer geeignet ſei, die Forderungen des deutſchen Volkes zur Geltung zu bringen. Vor Allem will mir ſcheinen, daß die par- lamentariſche Gruppirung der Abgeordneten allein für das Urtheil der Wähler über deren ent- ſprechende nationale und politiſche Haltung und für eine ähnliche Gruppirung der Wählerſchaften nicht maßgebend ſein ſollte, wie ſie bisher in Mähren auch niemals maßgebend war, denn ich ſelbſt gehörte im Reichsrathe durch Jahre einer anderen parlamentariſchen Gruppe an, als die große Mehrzahl meiner mähriſchen Collegen, und doch wurden unſere Parteiverhältniſſe in Mähren ſeit mehr als 15 Jahren von ſolchen parlamen- tariſchen Trennungen gar nicht mehr berührt. Aber ganz abgeſehen hievon, ſind die gegenwärti- gen Verhältniſſe in Oeſterreich, welche ſelbſt den deutſchen Abgeordneten zwingen, dem Staatsan- walte ſeinen Tribut zu zollen — wohl betrübend und bedrohend genug, um uns klar zu machen, daß der Streit um das beſſere Deutſchthum ein unfruchtbarer bleibt, und daß nur die beiden parlamentariſchen Fractionen der deutſchen Abge- ordneten zuſammen und mit Heranziehung weiterer centraliſtiſcher Bundesgenoſſen im Stande ſein könnten, die Rechte der Deutſchen und die Staats- einheit erfolgreich zu ſchützen und zu ſichern. (Stürmiſcher Beifall.) Dieſes geeinigte und gemeinſame Wirken beider deutſchen Parlaments-Fractionen und das hiezu unentbehrliche gegenſeitige freundliche Ver- halten ihrer Mitglieder iſt aber um ſo eher mög- lich, als die Programme der beiden Verbindun- gen gemeinſamen Urſprunges ſind und in allen actuellen, nationalen und ſtaatlichen Fragen über- einſtimmen. (Rufe: Richtig! So iſt es!) Und in der That konnte auch in den meiſten Fällen von nationaler oder ſtaatlicher Wichtigkeit ein loyales gemeinſames Vorgehen erzielt werden, und ich habe dies jederzeit und insbeſondere auch in meiner Berichterſtattung über die politiſche Lage in der letzten Wanderverſammlung zu Iglau ausdrücklich anerkannt. Wenn ich die erfolgte parlamentariſche Trennung damals dennoch be- dauerte und auch heute bedauere, ſo liegt darin gewiß keine Verletzung, ſondern, wie ich ſchon bei anderer Gelegenheit öffentlich erklärte, vielmehr der Wunſch, mit den nun getrennten deutſch-na- tionalen Parteigenoſſen in engerer Verbindung zu wirken. Denn nach vieljähriger parlamentariſcher Erfahrung muß ich es ſchon als ſchwierig bezeich- nen, eine größere Anzahl von deutſchen Politikern in gegebener, oft ſehr kurzer Zeit bei gemeinſamer Berathung zu wichtigeren Actionen zu einigen, und um wie viel ſchwieriger wird dieſe Aufgabe nach vorangegangenen abgeſonderten Berathun- gen und Beſchlußfaſſungen. Bisher hat noch jede ſolche parlamentariſche Abſonderung von deutſchen Parteigenoſſen in den wichtigſten Fragen zu Con- flicten und weiteren Trennungen geführt, welche jeden Erfolg ausſchloſſen, oder aber zur endli- chen Umkehr und Wiedervereinigung. Das Bei- ſpiel der Polen, Tſchechen, Feudalen und Clericalen, welche trotz der fundamentalſten Gegenſätze ſich willenlos dem Commando des Executiv-Comités unterordnen, kann uns Deutſchen nicht vorge- halten werden. Schon die Manifeſtation der eigenen beſon- deren Exiſtenz-Berechtigung führt bei ſelbſtſtändigen deutſchen Männern, zu Schwierigkeiten, und je ſchwieriger ſich die Deutſchen — nicht nur in Mähren und in Oeſterreich — einigen können, deſto bedenklicher erſcheint eben jedes, wenngleich nur formale Hinderniß dieſer Einigung. Wenn deſſenungeachtet aus meiner Iglauer Rede die Verletzung einer weitergehenden natio- nalen Richtung herausgeleſen werden ſollte — und ich muß auch dieſes perſöuliche Moment berühren, weil eine Perſon niemals das Hinderniß der Einigkeit ſein darf — ſo mag dies wohl aus dem einmal ſchon entbrannten publiciſtiſchen Kampfe und auch daher zu erklären ſein, daß manches deutſch-nationale Organ, welches ſo freund- lich war, meine Rede ſehr ausführlich zu repro- duciren, eben jene Stellen überging, in welchen ich auf meine deutſch-nationale Vergangenheit hin- wies und die Verſicherung abgab, „daß ich bis gegenwärtig niemals von meiner nationalen Rich- tung abgewichen bin und auch niemals abweichen werde.“ (Stürmiſcher Beifall.) Und nicht etwa, um mich ſelbſt zu loben oder loben zu hören — denn die Feſthaltung und Geltendmachung der eigenen Ueberzeugung iſt ein- fach Pflicht und verdient gar kein Lob — ſondern um auch jüngere Parteigenoſſen, welche mein öffentliches Wirken erſt ſeit kürzerer Zeit verfol- gen oder ſich der Vergangenheit nicht erinnern, im Intereſſe der großen deutſchen Sache zu be- ruhigen, und um ſo vielen gegen meine Perſon gerichteten Anwürſen zu begegnen, will ich vor Ihnen wie vor meinen Wählern Rechenſchaft geben und in wenigen Worten auf einige Mark- ſteine meiner nationalen Thätigkeit hinweiſen. Ich wähle hiezu namentlich die gewöhnlich als Probe der nationalen Geſinnung betrachtete Frage des Bündniſſes mit Deutſchland. Mit dem Wunſche des engſten Anſchluſſes an Deutſchland betrat ich noch als Angehöriger des deutſchen Bundes im Jahre 1865 die parlamen- tariſche Laufbahn, und dieſen Wunſch durfte ich damals noch ohne Gefahr der Verdächtigung in mein Wahlprogramm aufnehmen. Aber auch nach Verdrängung Oeſterreichs aus der leitenden deut- ſchen Stellung war ich im Jahre 1869 in der Delegation unter den Erſten, welche im Intereſſe der Deutſchen und des Staates das Bündniß mit Deutſchland empfohlen haben, wofür ich in den Regierungsorganen der „Bismärcker in der De- legation“ geſcholten wurde, bis endlich nach zehn Jahren das Bündniß zu Stande kam und ſeit- dem officiell als Grundlage unſerer äußeren Po- litik anerkannt iſt. Ebenſo beſtrebte ich mich ſchon im J. 1870, die deutſch-nationale Richtung in der Verfaſſungs- partei zur parlamentariſchen Geltung zu bringen, und nahm an der allgemeinen nationalen Bewe- gung des Jahres 1871 hervorragenden Antheil. Im Jahre 1879 war ich unter den weni- gen Parteigenoſſen, welche ſchon damals den An- trag des Grafen Wurmbrand wegen Feſthaltung der deutſchen Staatsſprache rückhaltslos unter- ſtützten, und vertrat im Jahre 1884 dieſen An- trag auch als Berichterſtatter der Minorität. In allen meinen Reden und Adreß-Entwürfen legte ich auf die Pflege und Befeſtigung des deutſchen Bündniſſes das größte Gewicht, und ſprach bei dem Bankette des Linzer Schulvereinstages im Jahre 1883 den Wunſch aus, dieſes Bündniß auf alle gemeinſamen Intereſſen beider Reiche ausgedehnt zu ſehen, wofür ich abermals die gröb- ſten Verdächtigungen der officiöſen Organe, aller- dings aber auch die Genugthuung erntete, dieſen

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Zitationshilfe: Mährisches Tagblatt. Nr. 6, Olmütz, 10.01.1887, S. [2]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maehrisches6_1887/2>, abgerufen am 03.12.2024.