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Mährisches Tagblatt. Nr. 89, Olmütz, 19.04.1886.

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[Spaltenumbruch] erregten Scenen, deren Schauplatz das Haus
noch in der letzten Minute seines Beisammen-
seins war.

(Die Abstimmung über die Landsturm-
vorlage.)

In der Freitagsitzung des Abgeord-
netenhauses erfolgte die Entscheidung übrr die
Landsturmvorlage; dieselbe wurde, wie bereits von
uns telegrafisch gemeldet, mit 178 gegen 88
Stimmen vom Abgeordnetenhause in dritter Le-
sung angenommen.

Für das Gesetz siimmten nämlich -- im
Vereine mit der Rechten und dem Coronini Club
-- vom Deutschösterr. Club 26 Mitglieder und
zwar: Chlumetzky, Aresin, Bärnreuther, Dubsky,
Eltz, Goeß, Gomperz, Gudenus, Hochhauser,
Jaksch, Kübeck, Pirquet, Popper, Promber, Pros-
kowetz, Scharschmid, Schwegel, Suttner, Eduard
Sueß, Tersch, Wagner, Weeber, Wurmbrand und
Zedtwitz. (Ein uns Samstag zugekommenes ver-
stümmeltes Telegramm meldete, daß Abg. Dr.
Weeber wegen Krankheit nicht im Abgeordneten-
hause erschien; dieß war jedoch wie aus Vorste-
hendem hervorgeht nicht der Fall, denn Abg. Dr.
Weeber hat für die Vorlage gestimmt. Die Red.)

Gegen das Gesetz stimmten der ganze Deutsche
Club, die Democraten, die Antisemiten und 39
Mann vom Deutschösterr. Club unter Führung
der Abgeordneten Herbst-Plener-Sturm-Kopp.

Sehr characteristisch ist das Verzeichniß der
Abstimmenden, da nicht nur Mitglieder der Op-
position, sondern auch solche von der Rechtspartei
sich vor der Abstimmung entfernten. Im Ganzen
waren 82 Mitglieder abwesend. Es sind dies
zunächst der ganze Trentino-Club, viele Mitglie-
der Rechten, so die Polen Hausuer, Gniewosz,
Lewakowski, Lewicki, Czartoryski, Dzieduszycki etc.;
die Tschechen Gregr, Tonner, Fandrlik, ferner die
meisten slovenischen Abgeordneten; die Grafen
Vetter und Berchtold und Fürst Schwarzenberg
fehlten gleichfalls, ebenso Pattai und Kreuzig.
Vom Deutschösterr. Club waren 20 Absenzen zu
verzeichnen, nämlich die Abg. Beeß, Brenner,
Demel, Dobler, Doblhoff, Ghon, Haase, Hirsch,
Hübner, Oppenheimer, Posselt, Ruß, Skene,
Spens, Stöhr, Taufferer, Waibel und Wildauer.

(Eine Reminiscenz an Dr. Gregr's Rede
gegen Dr. Knotz.)

Die jüngste in Form und
Inhalt verletzende Rede des jungtsche[ch]ischen Ab-
geordneten Dr. Gregr hat begreiflicher Weise auch
auf einzelne Mitglieder der Majorität einen um
so unangenehmeren Eindruck hervorgerufen, als
bekanntermaßen kurz zuvor von maßgebendster
Stelle der Freude über den relativ ruhigen Ver-
lauf der Budgetdebatte Ausdruck gegeben worden
war. Unglaubwürdig wäre es daher unter sol-
chen Umständen nicht, daß der Herr Ministerprä-
sident Graf Taaffe aus Anlaß des Gregr-Scan-
dales dem Obmanne des Tscheskiclub, Herrn Dr.
Rieger, Vorstellungen gemacht habe; gleichwol
mögen wir für die nachstehende der "Pilsner Zei-
tung" aus Wien zugeschickte Mittheilung die Ver-
antwortung nicht übernehmen. Dieselbe lautet:

"Unmittelbar nach dem jüngsten Gregr-Scan-
dal trat Graf Taaffe auf den Tschechenführer Dr.
Rieger zu und beschwerte sich in heftigen Worten
über das Gebahren Gregr's; "Herr Doctor" --
sagte er, "es ist hoch an der Zeit, daß Sie dafür
sorgen, daß derartige Sie wie mich compromiti-
rende Scandale nicht mehr vorkommen!" Achsel-
zuckend erwiderte Dr. Rieger: "Excellenz, Sie
überschätzen meinen Einfluß; ein Gregr beugt sich
keiner Autorität, am allerwenigsten der meinen!"
Unmuthig schwieg Graf Taaffe, dann wandte er
sich mit den Worten ab: "Dann kann ich Sie
nur bedauern, muß Ihnen aber meine Verwun-
derung ausdrücken, daß Sie der Regierung ge-
genüber eine so große, einem einzelnen Clubmit-
gliede gegenüber so gar keine Energie besitzen."

(Ist ein Krieg in Sicht?)

Aus Berlin wie
von Petersburg kommen in den letzten Stunden
Allarmnachrichten, welche den Schein zu erwecken
suchen, als ob ein Weltkrieg unmittelbar in
Sicht sei. Für Oesterreich ist es besonders wich-
tig zu erfahren, welche Aufnahme das österr. Land-
sturmgesetz in russischen Kreisen gefunden hat.

Die "Petersburgski Wjedomosti" bringen be-
treffs des im österreichischen Reichsrath verhan-
delten Landsturmgesetzes, einen Artikel, welcher be-
tont, die Rede des österr. Landesvertheidigungs-
Ministers bestätige, daß man es mehr mit chau-
vinistischen als mit eigentlichen Kriegsmaßregeln
zu thun habe. Jedenfalls vermehre die befreun-
dete Monarchie eiligst ihre Kriegsstärke. In Wien
scheine man Wichtiges und Plötzliches in so kur-
[Spaltenumbruch] zer Zeit zu erwarten, daß man die sonst üblichen
internationalen Höflichkeiten ganz außer Acht lasse.
Nur ein großer Optimist könne in dieser Art des
Vorgehens etwas Anderes als eine Art Her-
ausforderung
erblicken, ja es sei sogar mehr
als ein deutliches Symptom, daß der Krieg
nahe sei.

Eine Berliner Zuschrift der "Pol. Corr."
constatirt, daß augenblicklich in Deutschland, und
zwar sowohl in den maßgebenden politischen
Kreisen, als in der Bevölkerung Frankreich gegen-
über eine unfreundliche Stimmung herrscht, die
indeß mit den rein geschäftlichen Beziehungen,
wie sie durch den französischen Botschafter Baron
Courcel unterhalten werden, nichts zu thun hat,
sondern ausschließlich darauf zurückzuführen ist,
daß angesichts der immer häufigeren und hesti-
geren chauvinistischen Kundgebungen die Ansicht
zum Durchbruch gekommen ist, alle Bemühungen,
ein dauerndes gutes Verhältniß mit Frankreich
herzustellen, seien vergeblich. Frankreich wolle den
dauernden Frieden nur um den Preis von Elsaß-
Lothringen und Deutschland müsse deshalb eines
Angriffes von Frankreich gewärtig sein, sobald
die Lage sich so gestaltet habe, daß die Franzosen
hoffen könnten, in einem Kampfe mit Deutschland
als Sieger hervorzugehen. Die Zuschrift führt
weiter aus, das diese Stimmung, insofern Deutsch-
land in Betracht kommt, nicht als besorgnißer-
regend bezeichnet werden kann, daß aber bei fort-
gesetzter Nährung derselben schließlich auch die
officiellen Beziehungen zwischen Deutschland und
Frankreich leiden könnten.

Aus Berlin wird unterm Gestrigen ge-
schrieben: Es wird in politischen Kreisen sehr be-
merkt, daß der deutsche Botschafter in Petersburg,
General von Schweinitz, welcher augenblicklich in
Berlin weilt, sofort nach seiner Ankunft hierselbst
mehrere längere Unterredungen mit dem Fürsten
Bismarck hatte. Allerdings pflegt Herr v. Schwei-
nitz gewöhnlich zu seinem Urlaub die Zeit zu be-
nutzen, da der Czar und der russische Minister
des Aeußern, Herr von Giers, wie es jetzt eben
der Fall ist, nicht in Petersburg anwesend sind,
und es ist wohl natürlich, daß der Botschafter
seinem Chef seine Aufwartung machte. Eine ge-
wisse Bedeutung gewinnen die Unterredungen des
Herrn von Schweinitz mit dem Reichskanzler in-
dessen doch, wenn man daneben hält, daß der
deutsche Botschafter in Paris, Graf Münster,
demnächst gleichfalls mit kurzem Urlaub nach
Deutschland und jedenfalls auch nach Berlin
kommen wird. Es ist die augenblickliche Situation
in Europa derartig zugespitzt, daß man die fast
gleichzeitige Anwesenheit der beiden hervorragen-
den Diplomaten in der deutschen Reichshauptstadt
nicht als eine zufällige betrachten mag.

(Die Antwort Griechenlands)

auf die
letzte Mittheilung der Mächte ist bereits erfolgt.
Minister Delyannis besteht auf der von der Ber-
liner Conferenz festgestellten Grenzlinie. So lautet
officiell die Anforderung Griechenlands, officiös
begnügen sich die Hellenen, wie aus einer Aeuße-
rung des Königs hervorgeht, mit dem kleinen
Bezirke des Olympos. Es ist nicht unmöglich,
daß Gladstone schließlich doch eine Pression auf
die Pforte in diesem Sinne ausüben wird.

(Die irische Vorlage Gladstones.)

Gladstone
hat am Freitag im englischen Unterhause seiner
ersten irischen Vorlage die zweite folgen lassen.
Während die erste Irland eine autonome Ver-
tretung und Verwaltung innerhalb des Reichs-
verbandes geben will, ist das Ziel der gestrigen
Vorlage, die irischen Bodenpächter zu Grundbe-
sitzern zu machen, und zwar durch Staatsvor-
schüsse, für welche Irland selbst aufkommen soll.
Daß es in Irland fast gar keinen Bauernstand,
sondern nur besitzlich fast rechtlose Kleinpächter
giebt, das ist eben das vielbeklagte und vorgestern
auch von Gladstone zugestandene Grundübel in
jenem Lande. Von den 23 Millionen Acres des
irischen Bodens verblieben dem irischen Volke
nach den Cromwell'schen Massen-Confiscationen
nur 2 bis 3 Millionen als Eigenthum, das
Uebrige kam zumeist an englische oder wenigstens
anglicanische Besitzer, während die früheren Be-
sitzer zu bloßen Pächtern herabsanken.

Dieser Uebelstand führte zu zahlreichen Agrar-
verbrechen und zeitweiligen Aufständen so wie in
neuerer Zeit zur Organisirung der irischen
Nationalliga, welche den Widerstand gegen die
Gutsherren und deren Agenten durch Pachtver-
weigerung und Verhängung der gesellschaftlchen
Acht, vielfach auch durch die Gewaltthaten einer
[Spaltenumbruch] geheimen Vehme planmäßig cultivirte. Die be-
stehenden Gesetze reichten nicht aus, um diesen
Widerstand zu brechen; man griff daber zu zeit-
weisen Ausnahmsgesetzen, für deren Verlängerung
aber keine der englischen Hauptparteien bei den
Wahlen die Verantwortung übernehmen wollte
und die eben jetzt wieder seit drei Vierteljahren
abgelaufen sind. Herr Gladstone setzte auch schon
während seiner letzten Amtsführung eine irische
Landbill durch, welche das Emporkommen eines
Bauernstandes in Irland ermöglichen sollte, die
Initiative aber den Einzelnen überließ und ihnen
nur die Garantie und Beihilfe des Staates zur
Verfügung stellte. Die Ereignisse haben inzwischen
den Premier dazu geführt, diesen Plan zu dem
neu vorgelegten zu erweitern.




Locales und Provinzielles.


Carl Maria Klob +.

Der wackersten Einen unter unseren Mit-
bürgern hat ein jäher Tod heute hinweggerafft.
Carl Maria Klob, der langjährige Vicepräsident
der Olmützer Handels- und Gewerbekammer ver-
starb heute Morgens 91/2 Uhr nach kurzer Krank-
heit an Lungenentzündung. Einem alten Olmützer
Bürgerhause entsprossen, übte er alle Bürgertu-
genden im besten Sinne des Wortes. Kein Be-
dürftiger hat sich jemals vergeblich an ihn ge-
wendet und jede allgemeine Sorge fand an ihm
einen theilnehmenden Berather und Helfer; er
liebte seine Vaterstadt mit ganzer Seele und war
mit all' seiner Kraft bestrebt ihreu Aufschwung
zu fördern. Deutsch durch Geburt und Gesinnung
stand er stets und ohne Schwanken im Lager
der freisinnigen deutschen Partei, deren Grund-
sätze er überall mit Eifer vertrat. In der Han-
dels- und Gewerbekammer, in welche er wieder-
holt berufen wurde, war er ein sehr thätiges
und geschätztes Mitglied, dessen Gewissenhaftigkeit
allgemeine Anerkennung fand. Die Kammer ehrte
sein Streben durch wiederholte Wahl zum Vice-
präsidenten, in welcher Eigenschaft er mehrfach
mit selbstständigen Anträgen im Interesse des
Handels und Gewerbes hervortrat.

Das Vertrauen, welches seine Mitbürger in
ihn setzten fand auch noch durch seine Berufung
zum Leiter der Kinderbewahranstalt und des
Kindergartens Ausdruck; auch sonst wurde er
überall, wo es galt ein öffentliches Interesse zu
wahren zugezogen und nützte dem allgemeinen
Wohle durch seine reiche Erfahrung. Sein Hin-
scheiden erregt auch in allen Kreisen der Bevölke-
rung tiefe Trauer; sie gilt dem trefflichen Bürger,
dem wackeren Patrioten, dem überzeugungstreuen
Parteigenossen, als den ihn die ganze Stadt
kannte und ehrte. An seiner Bahre trauert seine
Gattin und seine Kinder, denen er in zärtlicher
Liebe zugethan war.




(Kaiserliche Spende.)

Der Kaiser hat
der Gemeinde Unter-Becwa zum Schulbaue eine
Unterstützung von 150 fl. bewilligt.

(Aus dem Stadtverordneten Collegium.)

Die Tagesordnung der heutigen Sitzung des
Stadtverordneten-Collegiums ist folgende: Ein-
ladungsschreiben des Festausschusses zum bevor-
stehenden Gesangsfeste. -- Note der Sparcassa-
Direction über die beschlossenen Widmungen zu
gemeinnützigen Zwecken. -- Zwei Gesuche um
das Heimatrecht. -- Gesuch um das Heimat- und
Bürgerrecht. -- Gesuch des Bierconsum-Einhebers
A. Nowak um definitive Aufnahme in den Ge-
meindedienst. -- Gesuch eines Aushilfsbeamten
um Gehaltsvorschuß. -- Bericht der 2. Section
über das Gesuch des Unterlehrers V. Schindler
um Verleihung der ortsüblichen Zulagen. --
Bericht der 2. Section über das Gesuch des
Schuldieners Ferdinand Sopper um definitive
Anstellung, desgleichen des Franz König. -- Be-
richt des Theater-Comites über das Gesuch des
artistischen Leiters Robert Müller um Gewäh-
rung einer Subvention. -- Gesuch des Feuer-
wehr-Vereines um Anlage einer Telefonleitung
nach der Wohnung des Herrn Feuerwehr-Com-
mandanten außerhalb der Stadt. -- Bauämt-
licher Bericht und Kostenanschlag über die An-
schaffung einer Strassenwalze. -- Bericht der

[Spaltenumbruch] erregten Scenen, deren Schauplatz das Haus
noch in der letzten Minute ſeines Beiſammen-
ſeins war.

(Die Abſtimmung über die Landſturm-
vorlage.)

In der Freitagſitzung des Abgeord-
netenhauſes erfolgte die Entſcheidung übrr die
Landſturmvorlage; dieſelbe wurde, wie bereits von
uns telegrafiſch gemeldet, mit 178 gegen 88
Stimmen vom Abgeordnetenhauſe in dritter Le-
ſung angenommen.

Für das Geſetz ſiimmten nämlich — im
Vereine mit der Rechten und dem Coronini Club
— vom Deutſchöſterr. Club 26 Mitglieder und
zwar: Chlumetzky, Areſin, Bärnreuther, Dubsky,
Eltz, Goeß, Gomperz, Gudenus, Hochhauſer,
Jakſch, Kübeck, Pirquet, Popper, Promber, Pros-
kowetz, Scharſchmid, Schwegel, Suttner, Eduard
Sueß, Terſch, Wagner, Weeber, Wurmbrand und
Zedtwitz. (Ein uns Samſtag zugekommenes ver-
ſtümmeltes Telegramm meldete, daß Abg. Dr.
Weeber wegen Krankheit nicht im Abgeordneten-
hauſe erſchien; dieß war jedoch wie aus Vorſte-
hendem hervorgeht nicht der Fall, denn Abg. Dr.
Weeber hat für die Vorlage geſtimmt. Die Red.)

Gegen das Geſetz ſtimmten der ganze Deutſche
Club, die Democraten, die Antiſemiten und 39
Mann vom Deutſchöſterr. Club unter Führung
der Abgeordneten Herbſt-Plener-Sturm-Kopp.

Sehr characteriſtiſch iſt das Verzeichniß der
Abſtimmenden, da nicht nur Mitglieder der Op-
poſition, ſondern auch ſolche von der Rechtspartei
ſich vor der Abſtimmung entfernten. Im Ganzen
waren 82 Mitglieder abweſend. Es ſind dies
zunächſt der ganze Trentino-Club, viele Mitglie-
der Rechten, ſo die Polen Hausuer, Gniewosz,
Lewakowski, Lewicki, Czartoryski, Dzieduszycki ꝛc.;
die Tſchechen Gregr, Tonner, Fandrlik, ferner die
meiſten ſloveniſchen Abgeordneten; die Grafen
Vetter und Berchtold und Fürſt Schwarzenberg
fehlten gleichfalls, ebenſo Pattai und Kreuzig.
Vom Deutſchöſterr. Club waren 20 Abſenzen zu
verzeichnen, nämlich die Abg. Beeß, Brenner,
Demel, Dobler, Doblhoff, Ghon, Haaſe, Hirſch,
Hübner, Oppenheimer, Poſſelt, Ruß, Skene,
Spens, Stöhr, Taufferer, Waibel und Wildauer.

(Eine Reminiscenz an Dr. Gregr’s Rede
gegen Dr. Knotz.)

Die jüngſte in Form und
Inhalt verletzende Rede des jungtſche[ch]iſchen Ab-
geordneten Dr. Gregr hat begreiflicher Weiſe auch
auf einzelne Mitglieder der Majorität einen um
ſo unangenehmeren Eindruck hervorgerufen, als
bekanntermaßen kurz zuvor von maßgebendſter
Stelle der Freude über den relativ ruhigen Ver-
lauf der Budgetdebatte Ausdruck gegeben worden
war. Unglaubwürdig wäre es daher unter ſol-
chen Umſtänden nicht, daß der Herr Miniſterprä-
ſident Graf Taaffe aus Anlaß des Gregr-Scan-
dales dem Obmanne des Tſcheskiclub, Herrn Dr.
Rieger, Vorſtellungen gemacht habe; gleichwol
mögen wir für die nachſtehende der „Pilsner Zei-
tung“ aus Wien zugeſchickte Mittheilung die Ver-
antwortung nicht übernehmen. Dieſelbe lautet:

„Unmittelbar nach dem jüngſten Gregr-Scan-
dal trat Graf Taaffe auf den Tſchechenführer Dr.
Rieger zu und beſchwerte ſich in heftigen Worten
über das Gebahren Gregr’s; „Herr Doctor“ —
ſagte er, „es iſt hoch an der Zeit, daß Sie dafür
ſorgen, daß derartige Sie wie mich compromiti-
rende Scandale nicht mehr vorkommen!“ Achſel-
zuckend erwiderte Dr. Rieger: „Excellenz, Sie
überſchätzen meinen Einfluß; ein Gregr beugt ſich
keiner Autorität, am allerwenigſten der meinen!“
Unmuthig ſchwieg Graf Taaffe, dann wandte er
ſich mit den Worten ab: „Dann kann ich Sie
nur bedauern, muß Ihnen aber meine Verwun-
derung ausdrücken, daß Sie der Regierung ge-
genüber eine ſo große, einem einzelnen Clubmit-
gliede gegenüber ſo gar keine Energie beſitzen.“

(Iſt ein Krieg in Sicht?)

Aus Berlin wie
von Petersburg kommen in den letzten Stunden
Allarmnachrichten, welche den Schein zu erwecken
ſuchen, als ob ein Weltkrieg unmittelbar in
Sicht ſei. Für Oeſterreich iſt es beſonders wich-
tig zu erfahren, welche Aufnahme das öſterr. Land-
ſturmgeſetz in ruſſiſchen Kreiſen gefunden hat.

Die „Petersburgski Wjedomoſti“ bringen be-
treffs des im öſterreichiſchen Reichsrath verhan-
delten Landſturmgeſetzes, einen Artikel, welcher be-
tont, die Rede des öſterr. Landesvertheidigungs-
Miniſters beſtätige, daß man es mehr mit chau-
viniſtiſchen als mit eigentlichen Kriegsmaßregeln
zu thun habe. Jedenfalls vermehre die befreun-
dete Monarchie eiligſt ihre Kriegsſtärke. In Wien
ſcheine man Wichtiges und Plötzliches in ſo kur-
[Spaltenumbruch] zer Zeit zu erwarten, daß man die ſonſt üblichen
internationalen Höflichkeiten ganz außer Acht laſſe.
Nur ein großer Optimiſt könne in dieſer Art des
Vorgehens etwas Anderes als eine Art Her-
ausforderung
erblicken, ja es ſei ſogar mehr
als ein deutliches Symptom, daß der Krieg
nahe ſei.

Eine Berliner Zuſchrift der „Pol. Corr.“
conſtatirt, daß augenblicklich in Deutſchland, und
zwar ſowohl in den maßgebenden politiſchen
Kreiſen, als in der Bevölkerung Frankreich gegen-
über eine unfreundliche Stimmung herrſcht, die
indeß mit den rein geſchäftlichen Beziehungen,
wie ſie durch den franzöſiſchen Botſchafter Baron
Courcel unterhalten werden, nichts zu thun hat,
ſondern ausſchließlich darauf zurückzuführen iſt,
daß angeſichts der immer häufigeren und heſti-
geren chauviniſtiſchen Kundgebungen die Anſicht
zum Durchbruch gekommen iſt, alle Bemühungen,
ein dauerndes gutes Verhältniß mit Frankreich
herzuſtellen, ſeien vergeblich. Frankreich wolle den
dauernden Frieden nur um den Preis von Elſaß-
Lothringen und Deutſchland müſſe deshalb eines
Angriffes von Frankreich gewärtig ſein, ſobald
die Lage ſich ſo geſtaltet habe, daß die Franzoſen
hoffen könnten, in einem Kampfe mit Deutſchland
als Sieger hervorzugehen. Die Zuſchrift führt
weiter aus, das dieſe Stimmung, inſofern Deutſch-
land in Betracht kommt, nicht als beſorgnißer-
regend bezeichnet werden kann, daß aber bei fort-
geſetzter Nährung derſelben ſchließlich auch die
officiellen Beziehungen zwiſchen Deutſchland und
Frankreich leiden könnten.

Aus Berlin wird unterm Geſtrigen ge-
ſchrieben: Es wird in politiſchen Kreiſen ſehr be-
merkt, daß der deutſche Botſchafter in Petersburg,
General von Schweinitz, welcher augenblicklich in
Berlin weilt, ſofort nach ſeiner Ankunft hierſelbſt
mehrere längere Unterredungen mit dem Fürſten
Bismarck hatte. Allerdings pflegt Herr v. Schwei-
nitz gewöhnlich zu ſeinem Urlaub die Zeit zu be-
nutzen, da der Czar und der ruſſiſche Miniſter
des Aeußern, Herr von Giers, wie es jetzt eben
der Fall iſt, nicht in Petersburg anweſend ſind,
und es iſt wohl natürlich, daß der Botſchafter
ſeinem Chef ſeine Aufwartung machte. Eine ge-
wiſſe Bedeutung gewinnen die Unterredungen des
Herrn von Schweinitz mit dem Reichskanzler in-
deſſen doch, wenn man daneben hält, daß der
deutſche Botſchafter in Paris, Graf Münſter,
demnächſt gleichfalls mit kurzem Urlaub nach
Deutſchland und jedenfalls auch nach Berlin
kommen wird. Es iſt die augenblickliche Situation
in Europa derartig zugeſpitzt, daß man die faſt
gleichzeitige Anweſenheit der beiden hervorragen-
den Diplomaten in der deutſchen Reichshauptſtadt
nicht als eine zufällige betrachten mag.

(Die Antwort Griechenlands)

auf die
letzte Mittheilung der Mächte iſt bereits erfolgt.
Miniſter Delyannis beſteht auf der von der Ber-
liner Conferenz feſtgeſtellten Grenzlinie. So lautet
officiell die Anforderung Griechenlands, officiös
begnügen ſich die Hellenen, wie aus einer Aeuße-
rung des Königs hervorgeht, mit dem kleinen
Bezirke des Olympos. Es iſt nicht unmöglich,
daß Gladſtone ſchließlich doch eine Preſſion auf
die Pforte in dieſem Sinne ausüben wird.

(Die iriſche Vorlage Gladſtones.)

Gladſtone
hat am Freitag im engliſchen Unterhauſe ſeiner
erſten iriſchen Vorlage die zweite folgen laſſen.
Während die erſte Irland eine autonome Ver-
tretung und Verwaltung innerhalb des Reichs-
verbandes geben will, iſt das Ziel der geſtrigen
Vorlage, die iriſchen Bodenpächter zu Grundbe-
ſitzern zu machen, und zwar durch Staatsvor-
ſchüſſe, für welche Irland ſelbſt aufkommen ſoll.
Daß es in Irland faſt gar keinen Bauernſtand,
ſondern nur beſitzlich faſt rechtloſe Kleinpächter
giebt, das iſt eben das vielbeklagte und vorgeſtern
auch von Gladſtone zugeſtandene Grundübel in
jenem Lande. Von den 23 Millionen Acres des
iriſchen Bodens verblieben dem iriſchen Volke
nach den Cromwell’ſchen Maſſen-Confiscationen
nur 2 bis 3 Millionen als Eigenthum, das
Uebrige kam zumeiſt an engliſche oder wenigſtens
anglicaniſche Beſitzer, während die früheren Be-
ſitzer zu bloßen Pächtern herabſanken.

Dieſer Uebelſtand führte zu zahlreichen Agrar-
verbrechen und zeitweiligen Aufſtänden ſo wie in
neuerer Zeit zur Organiſirung der iriſchen
Nationalliga, welche den Widerſtand gegen die
Gutsherren und deren Agenten durch Pachtver-
weigerung und Verhängung der geſellſchaftlchen
Acht, vielfach auch durch die Gewaltthaten einer
[Spaltenumbruch] geheimen Vehme planmäßig cultivirte. Die be-
ſtehenden Geſetze reichten nicht aus, um dieſen
Widerſtand zu brechen; man griff daber zu zeit-
weiſen Ausnahmsgeſetzen, für deren Verlängerung
aber keine der engliſchen Hauptparteien bei den
Wahlen die Verantwortung übernehmen wollte
und die eben jetzt wieder ſeit drei Vierteljahren
abgelaufen ſind. Herr Gladſtone ſetzte auch ſchon
während ſeiner letzten Amtsführung eine iriſche
Landbill durch, welche das Emporkommen eines
Bauernſtandes in Irland ermöglichen ſollte, die
Initiative aber den Einzelnen überließ und ihnen
nur die Garantie und Beihilfe des Staates zur
Verfügung ſtellte. Die Ereigniſſe haben inzwiſchen
den Premier dazu geführt, dieſen Plan zu dem
neu vorgelegten zu erweitern.




Locales und Provinzielles.


Carl Maria Klob †.

Der wackerſten Einen unter unſeren Mit-
bürgern hat ein jäher Tod heute hinweggerafft.
Carl Maria Klob, der langjährige Vicepräſident
der Olmützer Handels- und Gewerbekammer ver-
ſtarb heute Morgens 9½ Uhr nach kurzer Krank-
heit an Lungenentzündung. Einem alten Olmützer
Bürgerhauſe entſproſſen, übte er alle Bürgertu-
genden im beſten Sinne des Wortes. Kein Be-
dürftiger hat ſich jemals vergeblich an ihn ge-
wendet und jede allgemeine Sorge fand an ihm
einen theilnehmenden Berather und Helfer; er
liebte ſeine Vaterſtadt mit ganzer Seele und war
mit all’ ſeiner Kraft beſtrebt ihreu Aufſchwung
zu fördern. Deutſch durch Geburt und Geſinnung
ſtand er ſtets und ohne Schwanken im Lager
der freiſinnigen deutſchen Partei, deren Grund-
ſätze er überall mit Eifer vertrat. In der Han-
dels- und Gewerbekammer, in welche er wieder-
holt berufen wurde, war er ein ſehr thätiges
und geſchätztes Mitglied, deſſen Gewiſſenhaftigkeit
allgemeine Anerkennung fand. Die Kammer ehrte
ſein Streben durch wiederholte Wahl zum Vice-
präſidenten, in welcher Eigenſchaft er mehrfach
mit ſelbſtſtändigen Anträgen im Intereſſe des
Handels und Gewerbes hervortrat.

Das Vertrauen, welches ſeine Mitbürger in
ihn ſetzten fand auch noch durch ſeine Berufung
zum Leiter der Kinderbewahranſtalt und des
Kindergartens Ausdruck; auch ſonſt wurde er
überall, wo es galt ein öffentliches Intereſſe zu
wahren zugezogen und nützte dem allgemeinen
Wohle durch ſeine reiche Erfahrung. Sein Hin-
ſcheiden erregt auch in allen Kreiſen der Bevölke-
rung tiefe Trauer; ſie gilt dem trefflichen Bürger,
dem wackeren Patrioten, dem überzeugungstreuen
Parteigenoſſen, als den ihn die ganze Stadt
kannte und ehrte. An ſeiner Bahre trauert ſeine
Gattin und ſeine Kinder, denen er in zärtlicher
Liebe zugethan war.




(Kaiſerliche Spende.)

Der Kaiſer hat
der Gemeinde Unter-Bečwa zum Schulbaue eine
Unterſtützung von 150 fl. bewilligt.

(Aus dem Stadtverordneten Collegium.)

Die Tagesordnung der heutigen Sitzung des
Stadtverordneten-Collegiums iſt folgende: Ein-
ladungsſchreiben des Feſtausſchuſſes zum bevor-
ſtehenden Geſangsfeſte. — Note der Sparcaſſa-
Direction über die beſchloſſenen Widmungen zu
gemeinnützigen Zwecken. — Zwei Geſuche um
das Heimatrecht. — Geſuch um das Heimat- und
Bürgerrecht. — Geſuch des Bierconſum-Einhebers
A. Nowak um definitive Aufnahme in den Ge-
meindedienſt. — Geſuch eines Aushilfsbeamten
um Gehaltsvorſchuß. — Bericht der 2. Section
über das Geſuch des Unterlehrers V. Schindler
um Verleihung der ortsüblichen Zulagen. —
Bericht der 2. Section über das Geſuch des
Schuldieners Ferdinand Sopper um definitive
Anſtellung, desgleichen des Franz König. — Be-
richt des Theater-Comités über das Geſuch des
artiſtiſchen Leiters Robert Müller um Gewäh-
rung einer Subvention. — Geſuch des Feuer-
wehr-Vereines um Anlage einer Telefonleitung
nach der Wohnung des Herrn Feuerwehr-Com-
mandanten außerhalb der Stadt. — Bauämt-
licher Bericht und Koſtenanſchlag über die An-
ſchaffung einer Straſſenwalze. — Bericht der

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[[3]/0003] erregten Scenen, deren Schauplatz das Haus noch in der letzten Minute ſeines Beiſammen- ſeins war. (Die Abſtimmung über die Landſturm- vorlage.) In der Freitagſitzung des Abgeord- netenhauſes erfolgte die Entſcheidung übrr die Landſturmvorlage; dieſelbe wurde, wie bereits von uns telegrafiſch gemeldet, mit 178 gegen 88 Stimmen vom Abgeordnetenhauſe in dritter Le- ſung angenommen. Für das Geſetz ſiimmten nämlich — im Vereine mit der Rechten und dem Coronini Club — vom Deutſchöſterr. Club 26 Mitglieder und zwar: Chlumetzky, Areſin, Bärnreuther, Dubsky, Eltz, Goeß, Gomperz, Gudenus, Hochhauſer, Jakſch, Kübeck, Pirquet, Popper, Promber, Pros- kowetz, Scharſchmid, Schwegel, Suttner, Eduard Sueß, Terſch, Wagner, Weeber, Wurmbrand und Zedtwitz. (Ein uns Samſtag zugekommenes ver- ſtümmeltes Telegramm meldete, daß Abg. Dr. Weeber wegen Krankheit nicht im Abgeordneten- hauſe erſchien; dieß war jedoch wie aus Vorſte- hendem hervorgeht nicht der Fall, denn Abg. Dr. Weeber hat für die Vorlage geſtimmt. Die Red.) Gegen das Geſetz ſtimmten der ganze Deutſche Club, die Democraten, die Antiſemiten und 39 Mann vom Deutſchöſterr. Club unter Führung der Abgeordneten Herbſt-Plener-Sturm-Kopp. Sehr characteriſtiſch iſt das Verzeichniß der Abſtimmenden, da nicht nur Mitglieder der Op- poſition, ſondern auch ſolche von der Rechtspartei ſich vor der Abſtimmung entfernten. Im Ganzen waren 82 Mitglieder abweſend. Es ſind dies zunächſt der ganze Trentino-Club, viele Mitglie- der Rechten, ſo die Polen Hausuer, Gniewosz, Lewakowski, Lewicki, Czartoryski, Dzieduszycki ꝛc.; die Tſchechen Gregr, Tonner, Fandrlik, ferner die meiſten ſloveniſchen Abgeordneten; die Grafen Vetter und Berchtold und Fürſt Schwarzenberg fehlten gleichfalls, ebenſo Pattai und Kreuzig. Vom Deutſchöſterr. Club waren 20 Abſenzen zu verzeichnen, nämlich die Abg. Beeß, Brenner, Demel, Dobler, Doblhoff, Ghon, Haaſe, Hirſch, Hübner, Oppenheimer, Poſſelt, Ruß, Skene, Spens, Stöhr, Taufferer, Waibel und Wildauer. (Eine Reminiscenz an Dr. Gregr’s Rede gegen Dr. Knotz.) Die jüngſte in Form und Inhalt verletzende Rede des jungtſchechiſchen Ab- geordneten Dr. Gregr hat begreiflicher Weiſe auch auf einzelne Mitglieder der Majorität einen um ſo unangenehmeren Eindruck hervorgerufen, als bekanntermaßen kurz zuvor von maßgebendſter Stelle der Freude über den relativ ruhigen Ver- lauf der Budgetdebatte Ausdruck gegeben worden war. Unglaubwürdig wäre es daher unter ſol- chen Umſtänden nicht, daß der Herr Miniſterprä- ſident Graf Taaffe aus Anlaß des Gregr-Scan- dales dem Obmanne des Tſcheskiclub, Herrn Dr. Rieger, Vorſtellungen gemacht habe; gleichwol mögen wir für die nachſtehende der „Pilsner Zei- tung“ aus Wien zugeſchickte Mittheilung die Ver- antwortung nicht übernehmen. Dieſelbe lautet: „Unmittelbar nach dem jüngſten Gregr-Scan- dal trat Graf Taaffe auf den Tſchechenführer Dr. Rieger zu und beſchwerte ſich in heftigen Worten über das Gebahren Gregr’s; „Herr Doctor“ — ſagte er, „es iſt hoch an der Zeit, daß Sie dafür ſorgen, daß derartige Sie wie mich compromiti- rende Scandale nicht mehr vorkommen!“ Achſel- zuckend erwiderte Dr. Rieger: „Excellenz, Sie überſchätzen meinen Einfluß; ein Gregr beugt ſich keiner Autorität, am allerwenigſten der meinen!“ Unmuthig ſchwieg Graf Taaffe, dann wandte er ſich mit den Worten ab: „Dann kann ich Sie nur bedauern, muß Ihnen aber meine Verwun- derung ausdrücken, daß Sie der Regierung ge- genüber eine ſo große, einem einzelnen Clubmit- gliede gegenüber ſo gar keine Energie beſitzen.“ (Iſt ein Krieg in Sicht?) Aus Berlin wie von Petersburg kommen in den letzten Stunden Allarmnachrichten, welche den Schein zu erwecken ſuchen, als ob ein Weltkrieg unmittelbar in Sicht ſei. Für Oeſterreich iſt es beſonders wich- tig zu erfahren, welche Aufnahme das öſterr. Land- ſturmgeſetz in ruſſiſchen Kreiſen gefunden hat. Die „Petersburgski Wjedomoſti“ bringen be- treffs des im öſterreichiſchen Reichsrath verhan- delten Landſturmgeſetzes, einen Artikel, welcher be- tont, die Rede des öſterr. Landesvertheidigungs- Miniſters beſtätige, daß man es mehr mit chau- viniſtiſchen als mit eigentlichen Kriegsmaßregeln zu thun habe. Jedenfalls vermehre die befreun- dete Monarchie eiligſt ihre Kriegsſtärke. In Wien ſcheine man Wichtiges und Plötzliches in ſo kur- zer Zeit zu erwarten, daß man die ſonſt üblichen internationalen Höflichkeiten ganz außer Acht laſſe. Nur ein großer Optimiſt könne in dieſer Art des Vorgehens etwas Anderes als eine Art Her- ausforderung erblicken, ja es ſei ſogar mehr als ein deutliches Symptom, daß der Krieg nahe ſei. Eine Berliner Zuſchrift der „Pol. Corr.“ conſtatirt, daß augenblicklich in Deutſchland, und zwar ſowohl in den maßgebenden politiſchen Kreiſen, als in der Bevölkerung Frankreich gegen- über eine unfreundliche Stimmung herrſcht, die indeß mit den rein geſchäftlichen Beziehungen, wie ſie durch den franzöſiſchen Botſchafter Baron Courcel unterhalten werden, nichts zu thun hat, ſondern ausſchließlich darauf zurückzuführen iſt, daß angeſichts der immer häufigeren und heſti- geren chauviniſtiſchen Kundgebungen die Anſicht zum Durchbruch gekommen iſt, alle Bemühungen, ein dauerndes gutes Verhältniß mit Frankreich herzuſtellen, ſeien vergeblich. Frankreich wolle den dauernden Frieden nur um den Preis von Elſaß- Lothringen und Deutſchland müſſe deshalb eines Angriffes von Frankreich gewärtig ſein, ſobald die Lage ſich ſo geſtaltet habe, daß die Franzoſen hoffen könnten, in einem Kampfe mit Deutſchland als Sieger hervorzugehen. Die Zuſchrift führt weiter aus, das dieſe Stimmung, inſofern Deutſch- land in Betracht kommt, nicht als beſorgnißer- regend bezeichnet werden kann, daß aber bei fort- geſetzter Nährung derſelben ſchließlich auch die officiellen Beziehungen zwiſchen Deutſchland und Frankreich leiden könnten. Aus Berlin wird unterm Geſtrigen ge- ſchrieben: Es wird in politiſchen Kreiſen ſehr be- merkt, daß der deutſche Botſchafter in Petersburg, General von Schweinitz, welcher augenblicklich in Berlin weilt, ſofort nach ſeiner Ankunft hierſelbſt mehrere längere Unterredungen mit dem Fürſten Bismarck hatte. Allerdings pflegt Herr v. Schwei- nitz gewöhnlich zu ſeinem Urlaub die Zeit zu be- nutzen, da der Czar und der ruſſiſche Miniſter des Aeußern, Herr von Giers, wie es jetzt eben der Fall iſt, nicht in Petersburg anweſend ſind, und es iſt wohl natürlich, daß der Botſchafter ſeinem Chef ſeine Aufwartung machte. Eine ge- wiſſe Bedeutung gewinnen die Unterredungen des Herrn von Schweinitz mit dem Reichskanzler in- deſſen doch, wenn man daneben hält, daß der deutſche Botſchafter in Paris, Graf Münſter, demnächſt gleichfalls mit kurzem Urlaub nach Deutſchland und jedenfalls auch nach Berlin kommen wird. Es iſt die augenblickliche Situation in Europa derartig zugeſpitzt, daß man die faſt gleichzeitige Anweſenheit der beiden hervorragen- den Diplomaten in der deutſchen Reichshauptſtadt nicht als eine zufällige betrachten mag. (Die Antwort Griechenlands) auf die letzte Mittheilung der Mächte iſt bereits erfolgt. Miniſter Delyannis beſteht auf der von der Ber- liner Conferenz feſtgeſtellten Grenzlinie. So lautet officiell die Anforderung Griechenlands, officiös begnügen ſich die Hellenen, wie aus einer Aeuße- rung des Königs hervorgeht, mit dem kleinen Bezirke des Olympos. Es iſt nicht unmöglich, daß Gladſtone ſchließlich doch eine Preſſion auf die Pforte in dieſem Sinne ausüben wird. (Die iriſche Vorlage Gladſtones.) Gladſtone hat am Freitag im engliſchen Unterhauſe ſeiner erſten iriſchen Vorlage die zweite folgen laſſen. Während die erſte Irland eine autonome Ver- tretung und Verwaltung innerhalb des Reichs- verbandes geben will, iſt das Ziel der geſtrigen Vorlage, die iriſchen Bodenpächter zu Grundbe- ſitzern zu machen, und zwar durch Staatsvor- ſchüſſe, für welche Irland ſelbſt aufkommen ſoll. Daß es in Irland faſt gar keinen Bauernſtand, ſondern nur beſitzlich faſt rechtloſe Kleinpächter giebt, das iſt eben das vielbeklagte und vorgeſtern auch von Gladſtone zugeſtandene Grundübel in jenem Lande. Von den 23 Millionen Acres des iriſchen Bodens verblieben dem iriſchen Volke nach den Cromwell’ſchen Maſſen-Confiscationen nur 2 bis 3 Millionen als Eigenthum, das Uebrige kam zumeiſt an engliſche oder wenigſtens anglicaniſche Beſitzer, während die früheren Be- ſitzer zu bloßen Pächtern herabſanken. Dieſer Uebelſtand führte zu zahlreichen Agrar- verbrechen und zeitweiligen Aufſtänden ſo wie in neuerer Zeit zur Organiſirung der iriſchen Nationalliga, welche den Widerſtand gegen die Gutsherren und deren Agenten durch Pachtver- weigerung und Verhängung der geſellſchaftlchen Acht, vielfach auch durch die Gewaltthaten einer geheimen Vehme planmäßig cultivirte. Die be- ſtehenden Geſetze reichten nicht aus, um dieſen Widerſtand zu brechen; man griff daber zu zeit- weiſen Ausnahmsgeſetzen, für deren Verlängerung aber keine der engliſchen Hauptparteien bei den Wahlen die Verantwortung übernehmen wollte und die eben jetzt wieder ſeit drei Vierteljahren abgelaufen ſind. Herr Gladſtone ſetzte auch ſchon während ſeiner letzten Amtsführung eine iriſche Landbill durch, welche das Emporkommen eines Bauernſtandes in Irland ermöglichen ſollte, die Initiative aber den Einzelnen überließ und ihnen nur die Garantie und Beihilfe des Staates zur Verfügung ſtellte. Die Ereigniſſe haben inzwiſchen den Premier dazu geführt, dieſen Plan zu dem neu vorgelegten zu erweitern. Locales und Provinzielles. Olmütz, 19. April. Carl Maria Klob †. Der wackerſten Einen unter unſeren Mit- bürgern hat ein jäher Tod heute hinweggerafft. Carl Maria Klob, der langjährige Vicepräſident der Olmützer Handels- und Gewerbekammer ver- ſtarb heute Morgens 9½ Uhr nach kurzer Krank- heit an Lungenentzündung. Einem alten Olmützer Bürgerhauſe entſproſſen, übte er alle Bürgertu- genden im beſten Sinne des Wortes. Kein Be- dürftiger hat ſich jemals vergeblich an ihn ge- wendet und jede allgemeine Sorge fand an ihm einen theilnehmenden Berather und Helfer; er liebte ſeine Vaterſtadt mit ganzer Seele und war mit all’ ſeiner Kraft beſtrebt ihreu Aufſchwung zu fördern. Deutſch durch Geburt und Geſinnung ſtand er ſtets und ohne Schwanken im Lager der freiſinnigen deutſchen Partei, deren Grund- ſätze er überall mit Eifer vertrat. In der Han- dels- und Gewerbekammer, in welche er wieder- holt berufen wurde, war er ein ſehr thätiges und geſchätztes Mitglied, deſſen Gewiſſenhaftigkeit allgemeine Anerkennung fand. Die Kammer ehrte ſein Streben durch wiederholte Wahl zum Vice- präſidenten, in welcher Eigenſchaft er mehrfach mit ſelbſtſtändigen Anträgen im Intereſſe des Handels und Gewerbes hervortrat. Das Vertrauen, welches ſeine Mitbürger in ihn ſetzten fand auch noch durch ſeine Berufung zum Leiter der Kinderbewahranſtalt und des Kindergartens Ausdruck; auch ſonſt wurde er überall, wo es galt ein öffentliches Intereſſe zu wahren zugezogen und nützte dem allgemeinen Wohle durch ſeine reiche Erfahrung. Sein Hin- ſcheiden erregt auch in allen Kreiſen der Bevölke- rung tiefe Trauer; ſie gilt dem trefflichen Bürger, dem wackeren Patrioten, dem überzeugungstreuen Parteigenoſſen, als den ihn die ganze Stadt kannte und ehrte. An ſeiner Bahre trauert ſeine Gattin und ſeine Kinder, denen er in zärtlicher Liebe zugethan war. (Kaiſerliche Spende.) Der Kaiſer hat der Gemeinde Unter-Bečwa zum Schulbaue eine Unterſtützung von 150 fl. bewilligt. (Aus dem Stadtverordneten Collegium.) Die Tagesordnung der heutigen Sitzung des Stadtverordneten-Collegiums iſt folgende: Ein- ladungsſchreiben des Feſtausſchuſſes zum bevor- ſtehenden Geſangsfeſte. — Note der Sparcaſſa- Direction über die beſchloſſenen Widmungen zu gemeinnützigen Zwecken. — Zwei Geſuche um das Heimatrecht. — Geſuch um das Heimat- und Bürgerrecht. — Geſuch des Bierconſum-Einhebers A. Nowak um definitive Aufnahme in den Ge- meindedienſt. — Geſuch eines Aushilfsbeamten um Gehaltsvorſchuß. — Bericht der 2. Section über das Geſuch des Unterlehrers V. Schindler um Verleihung der ortsüblichen Zulagen. — Bericht der 2. Section über das Geſuch des Schuldieners Ferdinand Sopper um definitive Anſtellung, desgleichen des Franz König. — Be- richt des Theater-Comités über das Geſuch des artiſtiſchen Leiters Robert Müller um Gewäh- rung einer Subvention. — Geſuch des Feuer- wehr-Vereines um Anlage einer Telefonleitung nach der Wohnung des Herrn Feuerwehr-Com- mandanten außerhalb der Stadt. — Bauämt- licher Bericht und Koſtenanſchlag über die An- ſchaffung einer Straſſenwalze. — Bericht der

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Zitationshilfe: Mährisches Tagblatt. Nr. 89, Olmütz, 19.04.1886, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maehrisches89_1886/3>, abgerufen am 21.11.2024.