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Märkische Blätter. 5. Jg., Nr. 4. Hattingen, 12. Januar 1853.

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[Beginn Spaltensatz] wollte, brachte ihm Hugsheims Diener eine gewichtige Geldrolle nach
nebst einem artigen Billette des Gebers, der seine hastige Sendung
damit entschuldigte, das der Zufall denn doch seine Abreise vor Otto's
Rückkehr herbeiführen könne. Der Jnhalt der Rolle übertraf des
Letzteren Erwartung.

Nach drei Tagen, die er an den Ufern des Rheines zugebracht
hatte, trat Otto senen Rückweg wieder an. Er gedachte den Wiater
in Frankfurt a. M. zuzubringen, zuvor aber in jener Rheinstadt Nach-
richt von Ravenberg, wo möglich ihn selbst zu erwarten. Er war
auf's Angenehmste überrascht, als er den Freund auf dem Dampf-
schiffe fand, daß nun Beide rheinaufwärts trug.

Navenberg war in der glücklichsten Stimmung; seine Schwester
hatte nach einigen Bedenklichkeiten Rosaliens Aufnahme zugesagt und
wollte den Reisenden selbst eine Strecke Weges entgegenkommen, so-
bald sie bestimmte Nachricht erhielte, damit die Nachbarn keinen An-
stoß daran nähmen, wenn das erwachsene Mädchen mit ihrem Bru-
der allein ankäme. Bis zu diesem Begegnungspunkte hoffte Raven-
berg auf die Begleitung des Pflegevaters. Er besorgte um so we-
niger einen Abschlag seiner Bitte von Rosaliens Pflegeeltern, weil er
diesen eine ansehnliche "Vergütung" ihrer bisherigen Leistungen für
Rosalie zudachte. Zu seiner Beglaubigung diente ein verbindlich ab-
gefaßter Brief seiner Schwester an die Hauswirthin des Helikons.

Aber wie betroffen waren die Freunde, als sie bei ihrem Ein-
tritte in das Haus die Nachricht erhielten, daß Hugsheim nicht bloß
mit dem Bilde, fondern auch mit dem Originale abgereist sei! Die
Familie berichtete mit verlegener Freundlichkeit, daß Rosalte "das Glück
habe, von dem Herrn Baron als Mitglied seines Hauses aufgenom-
men zu werden und daß er feierlich versprochen habe, für die Erzie-
hung und ihre ganze Zukunft väterlich zu sorgen."

"Fassung und Verstellung!" flüsterte Otto dem erbleichenden
Freunde zu, der nun gewaltsam an sich hielt, um seinen Schmerz
über die unerwartete Vereitelung seiner Hoffnungen zu verhehlen.
Sie sprachen erst, als sie allein waren, ihren Zorn über den zwiefa-
chen Dieb Rosaliens und der Feenkönigin aus; denn auch Otto klagte
ihn des Raubes an, so wenig er auch diese Anklage rechtfertigen
konnte. Zu dem tieferen Schmerze kam der Aerger hinzu, von dem
klugen Beobachter dupirt worden zu sein. Sie zweifelten nicht, daß
Hugsheim Ravenbergs Plan errathen, vielleicht auch die Freunde da-
rüber belauscht, und deshalb ganz im Stillen das Präveniere gespielt
habe, Otto's Ausflug benutzend.

Es gelang ihnen bald, den Hausvater auszufragen, der in
gedrückter wehmüthiger Stimmung umherging und gerne den Freunden
sein Herz ausschüttete.

"Jch darf es Frau und Töchtern gar nicht merken lassen,"
sagte er, "wie leid mir die Abwesenheit des lieben Kindes thut; sie
warfen mir immer vor, ich sei ihm mehr zugethan, als meinen eige-
nen Töchtern."

Aus dem Berichte des Alten ergab sich Folgendes:

Der Baron hatte schon früher mit der Hausfrau Abrede ge-
nommen und mochte von dieser in der Vermuthung bestärkt worden
sein, daß Navenberg Rosaliens Entfernung beabsichtige. Erst wäh-
rend Otto's Abwesenheit war auch ihrem Pflegevater Hugsheims
Vorhaben als eine bereits abgemachte Sache vorgetragen worden.
Seine Einreden verstummten vor den Gründen der gebietenden Her-
rin des Hauses und Hugheim's, die ihm die Einwilligung als
eine Pflichterfüllung gegen Rosalie darstellten.

Auf weiteres Befragen ergab es sich, daß auch der Glanz des
Goldes seine Macht ausgeübt hatte. Hugsheim hatte Rosaliens
Pflegern eine sehr beträchtliche Summe übergeben, angeblich als Er-
satz für ein mit Diamanten besetztes Goldkreuz, welches von Rosalie
getragen wurde, aber auch in der That ihr angehörte, als einziges
Erbtheil von den verlorenen Eltern.

Jhre ersten Pfleger, ein verarmtes Ehepaar, hatten einst auf
der Auswanderung nach Amerika das verwaiste und erkrankte kleine
Wesen den mitleidigen Händen seiner bisherigen Erzieher - die da-
mals nur eine kleine Herberge besaßen - übergeben. Nach ihrer
Aussage hatten Rosaliens Eltern das Unglück eines Bankerotts nur
kurze Zeit überlebt und waren fast gleichzeitig an der Cholera gestor-
ben. Ohne Freunde und Verwandte an dem kleinen Orte, der ihre
letzte Zuflucht gewesen war, hatte sie ihr Kind in völliger Hülflosig-
[Spaltenumbruch] keit hinterlassen und als sein Erbtheil nur eine unbedeutende Geld-
summe und jenes Kreuz. Die Ortsbehörde hatte sogleich in ihre an-gebliche Heimath geschrieben, aber Niemand kannte dort ihren Namen.
Darauf hatte dieselbe den Wirthsleuten, bei welchen das unglückliche
Paar sich eingemiethet hatte, auf ihren Antrag gestattet, das Kind
als das ihre zu erziehen, wogegen der kleine Nachlaß ihr Eigenthum wurde, mit Ausnahme des Kreuzes, welches Rosalien als Andenken
an die Eltern verbleiben sollte. Diese Wirthsleute waren eben jene
Auswanderer, welche kurz nachher ein besseres Geschick über dem
Weltmeere suchten und willig ihren Pflegling, der sie nur hemmte
und ihre Sorgen vermehrte, neuen und zuverlässigeren Versorgern
überließen, die keinen Anspruch auf den Rest jenes Geldes machten.

Der Alte erzählte, wie entzückt damals er mit seiner ganzen
Familie über die Schönheit und Freundlichkeit des kleinen Waisen-
kindes gewesen sei, und besonders hatten seine, nur um einige Jahre
ältere Töchter die kleine Gespielelin nicht von sich lassen wollen. Jetzt
freilich sei sie ihnen zu schön geworden und, so gute Kinder sie auch
sonst wären, so stecke doch auch in ihnen der Teufel des Neides und
der Eifersucht. Er sah sich bei diesen offenherzig und unparteiischen
Worten ängstlich um, ob er nicht etwa von diesen guten Kindern
behorcht werde.

Rosalie hatte zuletzt unter Allen erfahren, daß sie in eine an-
dere Welt versetzt werden sollte. Jhre Pflegemutter hatte ihr gesagt
daß sie ein armes Mädchen sei, dessen Zukunft sie mit dem besten
Willen nicht sichern könne nnd die Gott und dem Herrn Baron nicht
genug danken könne, daß sie sich ihrer ennehmen wollten. Hugsheim
hatte ihr von dem schönen Schlosse erzählt, in welchem er ohne Weib
und Kind wohne, weßhalb er hoffe, daß sie ihm seine Sorge für
ihre Erziehung und ihr ganzes Lebensglück durch treue Anhänglich-
keit und durch Lust und Liebe an dem Unterrichte lohnen werde, den
er ihr theils ertheilen, theils durch gebildete und wohlmeinende Men-
schen spenden lassen werde. Wenn sie ihm nur den guten Willen
zeige, sich zu bilden und seinen Wünschen zu folgen, so werde er alles
Mögliche thun, um sie mit ihrem neuen Loose zufrieden zu machen
und ihr kein unschuldiges Vergnügen versagen. Rosalie war - so
erzählte der Wirth - wirklich von der Freundlichkeit und dem vä-
terlichen Wesen des Barons ganz gerührt gewesen und hatte ihn
zu seiner sichtbaren Freude besonders für das Versprechen gedankt
daß er mit ihrer Unwissenheit Nachsicht haben und für ihre Beleh-
rung Sorge tragen wolle. Doch habe sie gebeten, sie nur einige
Zeit, vielleicht bis zum nächsten Frühjahre hier zu lassen, damit
sie sich noch besser auf ihr neues Leben vorbereiten könne, und habe
diese Bitte hauptsächtlich an ihn selbst als ihren lieben Pflegevater
gerichtet. der sie gewiß nicht so schnell von sich lassen wolle. Er
habe sich bei dieser Bitte der Thränen nicht erwehren können und
das Wort für sie ergreifen wollen, aber die ernsten Winke seiner Frau
und des Barons hätten ihn davon abgehalten. Letzterer habe Ro-
salie mit dem Versprechen beruhigt, daß er über's Jahr um diese
Zeit sie zum Besuche in ihre bisherige Heimath bringen wolle. Sie
habe sich darauf über Erwartung verständig und gefaßt in das über
sie Beschlossene gefügt; aber sie müsse doch innerlich sehr bekümmert
gewesen sein, denn er habe sie einigemal im Garten belauscht, wo sie
mit weinenden Augen auf den Rhein hinaus blickte. Es sei ihm
auch vorgekommen, als wenn sie bei dem Läuten der Dampfschiffe in
eine zitternde Unruhe gerathen sei, vermuthlich weil es sie an ihre
bevorstehende Abreise erinnerte.

"Wir können jetzt gar Nichts thun," sagte Otto zu dem be-
wegten Freunde, der nicht übel Lust hatte, den Entführer zu verfolgen
als schweigen und deu nächsten Frühling abwarten, um unsere Ent-
führte wiederzusehen und vielleicht die Probe zu machen, ob die El-
fenkönigin zu fest von den Wurzelgeistern verstrickt ist, um ihre Fit-
tichen gebrauchen zu können."

Ravenberg sah ein, daß Otto Recht hatte und daß eine bal-
dige und deßhalb auffallende Annäherung nur ihre völlige Zurü[ck-]
weisung durch den umsichtigen Gegner zur Folge haben würde. A[m]
meisten quälte ihn der Argwohn, Hugsheim möge bei Rosaliens Auf-
nahme und Erziehung unlautere Zwecke haben; doch mußte er ihm
zugestehen, daß seine Haltung im Allgemeinen und insbesondere gegen
Rosalie keinen Grund zu dieser schweren Beschuldigung darbot und
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] wollte, brachte ihm Hugsheims Diener eine gewichtige Geldrolle nach
nebst einem artigen Billette des Gebers, der seine hastige Sendung
damit entschuldigte, das der Zufall denn doch seine Abreise vor Otto's
Rückkehr herbeiführen könne. Der Jnhalt der Rolle übertraf des
Letzteren Erwartung.

Nach drei Tagen, die er an den Ufern des Rheines zugebracht
hatte, trat Otto senen Rückweg wieder an. Er gedachte den Wiater
in Frankfurt a. M. zuzubringen, zuvor aber in jener Rheinstadt Nach-
richt von Ravenberg, wo möglich ihn selbst zu erwarten. Er war
auf's Angenehmste überrascht, als er den Freund auf dem Dampf-
schiffe fand, daß nun Beide rheinaufwärts trug.

Navenberg war in der glücklichsten Stimmung; seine Schwester
hatte nach einigen Bedenklichkeiten Rosaliens Aufnahme zugesagt und
wollte den Reisenden selbst eine Strecke Weges entgegenkommen, so-
bald sie bestimmte Nachricht erhielte, damit die Nachbarn keinen An-
stoß daran nähmen, wenn das erwachsene Mädchen mit ihrem Bru-
der allein ankäme. Bis zu diesem Begegnungspunkte hoffte Raven-
berg auf die Begleitung des Pflegevaters. Er besorgte um so we-
niger einen Abschlag seiner Bitte von Rosaliens Pflegeeltern, weil er
diesen eine ansehnliche „Vergütung“ ihrer bisherigen Leistungen für
Rosalie zudachte. Zu seiner Beglaubigung diente ein verbindlich ab-
gefaßter Brief seiner Schwester an die Hauswirthin des Helikons.

Aber wie betroffen waren die Freunde, als sie bei ihrem Ein-
tritte in das Haus die Nachricht erhielten, daß Hugsheim nicht bloß
mit dem Bilde, fondern auch mit dem Originale abgereist sei! Die
Familie berichtete mit verlegener Freundlichkeit, daß Rosalte „das Glück
habe, von dem Herrn Baron als Mitglied seines Hauses aufgenom-
men zu werden und daß er feierlich versprochen habe, für die Erzie-
hung und ihre ganze Zukunft väterlich zu sorgen.“

„Fassung und Verstellung!“ flüsterte Otto dem erbleichenden
Freunde zu, der nun gewaltsam an sich hielt, um seinen Schmerz
über die unerwartete Vereitelung seiner Hoffnungen zu verhehlen.
Sie sprachen erst, als sie allein waren, ihren Zorn über den zwiefa-
chen Dieb Rosaliens und der Feenkönigin aus; denn auch Otto klagte
ihn des Raubes an, so wenig er auch diese Anklage rechtfertigen
konnte. Zu dem tieferen Schmerze kam der Aerger hinzu, von dem
klugen Beobachter dupirt worden zu sein. Sie zweifelten nicht, daß
Hugsheim Ravenbergs Plan errathen, vielleicht auch die Freunde da-
rüber belauscht, und deshalb ganz im Stillen das Präveniere gespielt
habe, Otto's Ausflug benutzend.

Es gelang ihnen bald, den Hausvater auszufragen, der in
gedrückter wehmüthiger Stimmung umherging und gerne den Freunden
sein Herz ausschüttete.

„Jch darf es Frau und Töchtern gar nicht merken lassen,“
sagte er, „wie leid mir die Abwesenheit des lieben Kindes thut; sie
warfen mir immer vor, ich sei ihm mehr zugethan, als meinen eige-
nen Töchtern.“

Aus dem Berichte des Alten ergab sich Folgendes:

Der Baron hatte schon früher mit der Hausfrau Abrede ge-
nommen und mochte von dieser in der Vermuthung bestärkt worden
sein, daß Navenberg Rosaliens Entfernung beabsichtige. Erst wäh-
rend Otto's Abwesenheit war auch ihrem Pflegevater Hugsheims
Vorhaben als eine bereits abgemachte Sache vorgetragen worden.
Seine Einreden verstummten vor den Gründen der gebietenden Her-
rin des Hauses und Hugheim's, die ihm die Einwilligung als
eine Pflichterfüllung gegen Rosalie darstellten.

Auf weiteres Befragen ergab es sich, daß auch der Glanz des
Goldes seine Macht ausgeübt hatte. Hugsheim hatte Rosaliens
Pflegern eine sehr beträchtliche Summe übergeben, angeblich als Er-
satz für ein mit Diamanten besetztes Goldkreuz, welches von Rosalie
getragen wurde, aber auch in der That ihr angehörte, als einziges
Erbtheil von den verlorenen Eltern.

Jhre ersten Pfleger, ein verarmtes Ehepaar, hatten einst auf
der Auswanderung nach Amerika das verwaiste und erkrankte kleine
Wesen den mitleidigen Händen seiner bisherigen Erzieher – die da-
mals nur eine kleine Herberge besaßen – übergeben. Nach ihrer
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kurze Zeit überlebt und waren fast gleichzeitig an der Cholera gestor-
ben. Ohne Freunde und Verwandte an dem kleinen Orte, der ihre
letzte Zuflucht gewesen war, hatte sie ihr Kind in völliger Hülflosig-
[Spaltenumbruch] keit hinterlassen und als sein Erbtheil nur eine unbedeutende Geld-
summe und jenes Kreuz. Die Ortsbehörde hatte sogleich in ihre an-gebliche Heimath geschrieben, aber Niemand kannte dort ihren Namen.
Darauf hatte dieselbe den Wirthsleuten, bei welchen das unglückliche
Paar sich eingemiethet hatte, auf ihren Antrag gestattet, das Kind
als das ihre zu erziehen, wogegen der kleine Nachlaß ihr Eigenthum wurde, mit Ausnahme des Kreuzes, welches Rosalien als Andenken
an die Eltern verbleiben sollte. Diese Wirthsleute waren eben jene
Auswanderer, welche kurz nachher ein besseres Geschick über dem
Weltmeere suchten und willig ihren Pflegling, der sie nur hemmte
und ihre Sorgen vermehrte, neuen und zuverlässigeren Versorgern
überließen, die keinen Anspruch auf den Rest jenes Geldes machten.

Der Alte erzählte, wie entzückt damals er mit seiner ganzen
Familie über die Schönheit und Freundlichkeit des kleinen Waisen-
kindes gewesen sei, und besonders hatten seine, nur um einige Jahre
ältere Töchter die kleine Gespielelin nicht von sich lassen wollen. Jetzt
freilich sei sie ihnen zu schön geworden und, so gute Kinder sie auch
sonst wären, so stecke doch auch in ihnen der Teufel des Neides und
der Eifersucht. Er sah sich bei diesen offenherzig und unparteiischen
Worten ängstlich um, ob er nicht etwa von diesen guten Kindern
behorcht werde.

Rosalie hatte zuletzt unter Allen erfahren, daß sie in eine an-
dere Welt versetzt werden sollte. Jhre Pflegemutter hatte ihr gesagt
daß sie ein armes Mädchen sei, dessen Zukunft sie mit dem besten
Willen nicht sichern könne nnd die Gott und dem Herrn Baron nicht
genug danken könne, daß sie sich ihrer ennehmen wollten. Hugsheim
hatte ihr von dem schönen Schlosse erzählt, in welchem er ohne Weib
und Kind wohne, weßhalb er hoffe, daß sie ihm seine Sorge für
ihre Erziehung und ihr ganzes Lebensglück durch treue Anhänglich-
keit und durch Lust und Liebe an dem Unterrichte lohnen werde, den
er ihr theils ertheilen, theils durch gebildete und wohlmeinende Men-
schen spenden lassen werde. Wenn sie ihm nur den guten Willen
zeige, sich zu bilden und seinen Wünschen zu folgen, so werde er alles
Mögliche thun, um sie mit ihrem neuen Loose zufrieden zu machen
und ihr kein unschuldiges Vergnügen versagen. Rosalie war – so
erzählte der Wirth – wirklich von der Freundlichkeit und dem vä-
terlichen Wesen des Barons ganz gerührt gewesen und hatte ihn
zu seiner sichtbaren Freude besonders für das Versprechen gedankt
daß er mit ihrer Unwissenheit Nachsicht haben und für ihre Beleh-
rung Sorge tragen wolle. Doch habe sie gebeten, sie nur einige
Zeit, vielleicht bis zum nächsten Frühjahre hier zu lassen, damit
sie sich noch besser auf ihr neues Leben vorbereiten könne, und habe
diese Bitte hauptsächtlich an ihn selbst als ihren lieben Pflegevater
gerichtet. der sie gewiß nicht so schnell von sich lassen wolle. Er
habe sich bei dieser Bitte der Thränen nicht erwehren können und
das Wort für sie ergreifen wollen, aber die ernsten Winke seiner Frau
und des Barons hätten ihn davon abgehalten. Letzterer habe Ro-
salie mit dem Versprechen beruhigt, daß er über's Jahr um diese
Zeit sie zum Besuche in ihre bisherige Heimath bringen wolle. Sie
habe sich darauf über Erwartung verständig und gefaßt in das über
sie Beschlossene gefügt; aber sie müsse doch innerlich sehr bekümmert
gewesen sein, denn er habe sie einigemal im Garten belauscht, wo sie
mit weinenden Augen auf den Rhein hinaus blickte. Es sei ihm
auch vorgekommen, als wenn sie bei dem Läuten der Dampfschiffe in
eine zitternde Unruhe gerathen sei, vermuthlich weil es sie an ihre
bevorstehende Abreise erinnerte.

„Wir können jetzt gar Nichts thun,“ sagte Otto zu dem be-
wegten Freunde, der nicht übel Lust hatte, den Entführer zu verfolgen
als schweigen und deu nächsten Frühling abwarten, um unsere Ent-
führte wiederzusehen und vielleicht die Probe zu machen, ob die El-
fenkönigin zu fest von den Wurzelgeistern verstrickt ist, um ihre Fit-
tichen gebrauchen zu können.“

Ravenberg sah ein, daß Otto Recht hatte und daß eine bal-
dige und deßhalb auffallende Annäherung nur ihre völlige Zurü[ck-]
weisung durch den umsichtigen Gegner zur Folge haben würde. A[m]
meisten quälte ihn der Argwohn, Hugsheim möge bei Rosaliens Auf-
nahme und Erziehung unlautere Zwecke haben; doch mußte er ihm
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Rosalie keinen Grund zu dieser schweren Beschuldigung darbot und
[Ende Spaltensatz]

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[0002] wollte, brachte ihm Hugsheims Diener eine gewichtige Geldrolle nach nebst einem artigen Billette des Gebers, der seine hastige Sendung damit entschuldigte, das der Zufall denn doch seine Abreise vor Otto's Rückkehr herbeiführen könne. Der Jnhalt der Rolle übertraf des Letzteren Erwartung. Nach drei Tagen, die er an den Ufern des Rheines zugebracht hatte, trat Otto senen Rückweg wieder an. Er gedachte den Wiater in Frankfurt a. M. zuzubringen, zuvor aber in jener Rheinstadt Nach- richt von Ravenberg, wo möglich ihn selbst zu erwarten. Er war auf's Angenehmste überrascht, als er den Freund auf dem Dampf- schiffe fand, daß nun Beide rheinaufwärts trug. Navenberg war in der glücklichsten Stimmung; seine Schwester hatte nach einigen Bedenklichkeiten Rosaliens Aufnahme zugesagt und wollte den Reisenden selbst eine Strecke Weges entgegenkommen, so- bald sie bestimmte Nachricht erhielte, damit die Nachbarn keinen An- stoß daran nähmen, wenn das erwachsene Mädchen mit ihrem Bru- der allein ankäme. Bis zu diesem Begegnungspunkte hoffte Raven- berg auf die Begleitung des Pflegevaters. Er besorgte um so we- niger einen Abschlag seiner Bitte von Rosaliens Pflegeeltern, weil er diesen eine ansehnliche „Vergütung“ ihrer bisherigen Leistungen für Rosalie zudachte. Zu seiner Beglaubigung diente ein verbindlich ab- gefaßter Brief seiner Schwester an die Hauswirthin des Helikons. Aber wie betroffen waren die Freunde, als sie bei ihrem Ein- tritte in das Haus die Nachricht erhielten, daß Hugsheim nicht bloß mit dem Bilde, fondern auch mit dem Originale abgereist sei! Die Familie berichtete mit verlegener Freundlichkeit, daß Rosalte „das Glück habe, von dem Herrn Baron als Mitglied seines Hauses aufgenom- men zu werden und daß er feierlich versprochen habe, für die Erzie- hung und ihre ganze Zukunft väterlich zu sorgen.“ „Fassung und Verstellung!“ flüsterte Otto dem erbleichenden Freunde zu, der nun gewaltsam an sich hielt, um seinen Schmerz über die unerwartete Vereitelung seiner Hoffnungen zu verhehlen. Sie sprachen erst, als sie allein waren, ihren Zorn über den zwiefa- chen Dieb Rosaliens und der Feenkönigin aus; denn auch Otto klagte ihn des Raubes an, so wenig er auch diese Anklage rechtfertigen konnte. Zu dem tieferen Schmerze kam der Aerger hinzu, von dem klugen Beobachter dupirt worden zu sein. Sie zweifelten nicht, daß Hugsheim Ravenbergs Plan errathen, vielleicht auch die Freunde da- rüber belauscht, und deshalb ganz im Stillen das Präveniere gespielt habe, Otto's Ausflug benutzend. Es gelang ihnen bald, den Hausvater auszufragen, der in gedrückter wehmüthiger Stimmung umherging und gerne den Freunden sein Herz ausschüttete. „Jch darf es Frau und Töchtern gar nicht merken lassen,“ sagte er, „wie leid mir die Abwesenheit des lieben Kindes thut; sie warfen mir immer vor, ich sei ihm mehr zugethan, als meinen eige- nen Töchtern.“ Aus dem Berichte des Alten ergab sich Folgendes: Der Baron hatte schon früher mit der Hausfrau Abrede ge- nommen und mochte von dieser in der Vermuthung bestärkt worden sein, daß Navenberg Rosaliens Entfernung beabsichtige. Erst wäh- rend Otto's Abwesenheit war auch ihrem Pflegevater Hugsheims Vorhaben als eine bereits abgemachte Sache vorgetragen worden. Seine Einreden verstummten vor den Gründen der gebietenden Her- rin des Hauses und Hugheim's, die ihm die Einwilligung als eine Pflichterfüllung gegen Rosalie darstellten. Auf weiteres Befragen ergab es sich, daß auch der Glanz des Goldes seine Macht ausgeübt hatte. Hugsheim hatte Rosaliens Pflegern eine sehr beträchtliche Summe übergeben, angeblich als Er- satz für ein mit Diamanten besetztes Goldkreuz, welches von Rosalie getragen wurde, aber auch in der That ihr angehörte, als einziges Erbtheil von den verlorenen Eltern. Jhre ersten Pfleger, ein verarmtes Ehepaar, hatten einst auf der Auswanderung nach Amerika das verwaiste und erkrankte kleine Wesen den mitleidigen Händen seiner bisherigen Erzieher – die da- mals nur eine kleine Herberge besaßen – übergeben. Nach ihrer Aussage hatten Rosaliens Eltern das Unglück eines Bankerotts nur kurze Zeit überlebt und waren fast gleichzeitig an der Cholera gestor- ben. Ohne Freunde und Verwandte an dem kleinen Orte, der ihre letzte Zuflucht gewesen war, hatte sie ihr Kind in völliger Hülflosig- keit hinterlassen und als sein Erbtheil nur eine unbedeutende Geld- summe und jenes Kreuz. Die Ortsbehörde hatte sogleich in ihre an-gebliche Heimath geschrieben, aber Niemand kannte dort ihren Namen. Darauf hatte dieselbe den Wirthsleuten, bei welchen das unglückliche Paar sich eingemiethet hatte, auf ihren Antrag gestattet, das Kind als das ihre zu erziehen, wogegen der kleine Nachlaß ihr Eigenthum wurde, mit Ausnahme des Kreuzes, welches Rosalien als Andenken an die Eltern verbleiben sollte. Diese Wirthsleute waren eben jene Auswanderer, welche kurz nachher ein besseres Geschick über dem Weltmeere suchten und willig ihren Pflegling, der sie nur hemmte und ihre Sorgen vermehrte, neuen und zuverlässigeren Versorgern überließen, die keinen Anspruch auf den Rest jenes Geldes machten. Der Alte erzählte, wie entzückt damals er mit seiner ganzen Familie über die Schönheit und Freundlichkeit des kleinen Waisen- kindes gewesen sei, und besonders hatten seine, nur um einige Jahre ältere Töchter die kleine Gespielelin nicht von sich lassen wollen. Jetzt freilich sei sie ihnen zu schön geworden und, so gute Kinder sie auch sonst wären, so stecke doch auch in ihnen der Teufel des Neides und der Eifersucht. Er sah sich bei diesen offenherzig und unparteiischen Worten ängstlich um, ob er nicht etwa von diesen guten Kindern behorcht werde. Rosalie hatte zuletzt unter Allen erfahren, daß sie in eine an- dere Welt versetzt werden sollte. Jhre Pflegemutter hatte ihr gesagt daß sie ein armes Mädchen sei, dessen Zukunft sie mit dem besten Willen nicht sichern könne nnd die Gott und dem Herrn Baron nicht genug danken könne, daß sie sich ihrer ennehmen wollten. Hugsheim hatte ihr von dem schönen Schlosse erzählt, in welchem er ohne Weib und Kind wohne, weßhalb er hoffe, daß sie ihm seine Sorge für ihre Erziehung und ihr ganzes Lebensglück durch treue Anhänglich- keit und durch Lust und Liebe an dem Unterrichte lohnen werde, den er ihr theils ertheilen, theils durch gebildete und wohlmeinende Men- schen spenden lassen werde. Wenn sie ihm nur den guten Willen zeige, sich zu bilden und seinen Wünschen zu folgen, so werde er alles Mögliche thun, um sie mit ihrem neuen Loose zufrieden zu machen und ihr kein unschuldiges Vergnügen versagen. Rosalie war – so erzählte der Wirth – wirklich von der Freundlichkeit und dem vä- terlichen Wesen des Barons ganz gerührt gewesen und hatte ihn zu seiner sichtbaren Freude besonders für das Versprechen gedankt daß er mit ihrer Unwissenheit Nachsicht haben und für ihre Beleh- rung Sorge tragen wolle. Doch habe sie gebeten, sie nur einige Zeit, vielleicht bis zum nächsten Frühjahre hier zu lassen, damit sie sich noch besser auf ihr neues Leben vorbereiten könne, und habe diese Bitte hauptsächtlich an ihn selbst als ihren lieben Pflegevater gerichtet. der sie gewiß nicht so schnell von sich lassen wolle. Er habe sich bei dieser Bitte der Thränen nicht erwehren können und das Wort für sie ergreifen wollen, aber die ernsten Winke seiner Frau und des Barons hätten ihn davon abgehalten. Letzterer habe Ro- salie mit dem Versprechen beruhigt, daß er über's Jahr um diese Zeit sie zum Besuche in ihre bisherige Heimath bringen wolle. Sie habe sich darauf über Erwartung verständig und gefaßt in das über sie Beschlossene gefügt; aber sie müsse doch innerlich sehr bekümmert gewesen sein, denn er habe sie einigemal im Garten belauscht, wo sie mit weinenden Augen auf den Rhein hinaus blickte. Es sei ihm auch vorgekommen, als wenn sie bei dem Läuten der Dampfschiffe in eine zitternde Unruhe gerathen sei, vermuthlich weil es sie an ihre bevorstehende Abreise erinnerte. „Wir können jetzt gar Nichts thun,“ sagte Otto zu dem be- wegten Freunde, der nicht übel Lust hatte, den Entführer zu verfolgen als schweigen und deu nächsten Frühling abwarten, um unsere Ent- führte wiederzusehen und vielleicht die Probe zu machen, ob die El- fenkönigin zu fest von den Wurzelgeistern verstrickt ist, um ihre Fit- tichen gebrauchen zu können.“ Ravenberg sah ein, daß Otto Recht hatte und daß eine bal- dige und deßhalb auffallende Annäherung nur ihre völlige Zurück- weisung durch den umsichtigen Gegner zur Folge haben würde. Am meisten quälte ihn der Argwohn, Hugsheim möge bei Rosaliens Auf- nahme und Erziehung unlautere Zwecke haben; doch mußte er ihm zugestehen, daß seine Haltung im Allgemeinen und insbesondere gegen Rosalie keinen Grund zu dieser schweren Beschuldigung darbot und

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Zitationshilfe: Märkische Blätter. 5. Jg., Nr. 4. Hattingen, 12. Januar 1853, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maerkische004_1853/2>, abgerufen am 21.11.2024.