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Märkische Blätter. 5. Jg., Nr. 4. Hattingen, 12. Januar 1853.

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[Beginn Spaltensatz] daß sie der alte Mann mit noch stärkerem Scheingrunde ihm selbst
zurückgeben konnte, wenn er sie ihm ausspräche.

Nach den Aeußerungen des gleichfalls bejahrten Dieners, wel-
cher den Baron begleitete nnd mit großer Verehrung und Ergebenheit
ihm anzuhangen schien, würde Rosalie auch der mütterlichen Obhut
nicht entbehren, da seine eigene Gattin die Oberaufsicht über den
ganzeu Haushalt führe und des Barons ganzes Zutrauen besitze und
verdiene.

2.

Der Frühling war gekommen. An einem seiner ersten milden
Tage trat ein rüstiger Fußgänger in den Park, der Schloß Hugs-
heim umgibt. Es war Otto, der auf der nächsten Poststation sein
Reisegepäcke zurückgelassen hatte, weil er noch nicht wußte, wie seine
Aufnahme bei dem Baron ausfallen würde.

Jm Posthause hatte er einige Erkundigungen über die Bewoh-
ner des Schlosses eingezogen. Man hatte ihm gesagt, daß er als
Maler dort ohne Zweifel willkommen sein werde, wenn er der stren-
gen Kunstprüfung genüge, die der alte Herr dem Vernehmen nach
mit seinen Gästen anstelle. Dieser gelte in der ganzen Gegend als
ein Sonderling, über dessen Charaker nur unzuverlässige Gerüchte
im Umlaufe gingen, da er fast mit Niemanden Umgang pflege und
in dem nahen Städtchen, worin das Posthaus lag, gewöhnlich nur
in den Winterkonzerten erscheine, und zwar in letztem Winter in Be-
gleitung
eines sehr jungen wunderschönen Mädchens, das er in vo-
rigem Herbste von einer Reise mit heimgebracht habe und mit einer
Sorgfalt und Zärtlichkeit behandele, die verschiedenartige Deutungen
hervorriefe. Er sei übrigens nicht in dem Lande zu Hause, sondern
vor mehreren Jahren nach dem Tode des letzten Besitzers von Hugs-
heim als Käufer des Schlosses erfchienen, von einem Haushofmeister
und dessen Gattin begleitet, welche, wie er selbst, allen Forschungen
über sein früheres Leben unzugänglich seien. Auch seinen früheren
Namen wisse das Publikum nicht, wenn auch wahrscheinlich die Be-
hörden, die aber auch darüber schwiegen: er habe sogleich den Namen
des Schlosses angenommen. Er müsse sehr reich sein. Das zum
Schlosse gehörige Landgut habe er um billigen Pacht in größeren
Parzellen an Bauern der nächsten Dörfer gegeben, die ihm als die
fleißigsten und ordentlichsten empfohlen worden seien und sich eine
gewisse Oberaufsicht dabei vorbehalten. Seine Pächter schilderten
ihn als strenge und gebieterisch, zugleich aber rühmten sie seinen ver-
ständigen Rath und seine Bereitwilligkeit, unverschuldeter Noth frei-
gebig beizustehen.

Nachdenklich und mit gemischten Erwartungen schritt Otto
durch die Allee, welche den Park in der Richtung des Schlosses
durchschneidet. Jm Schlosse wurde er von dem alten Diener, den er
vom Rheine her kannte, empfangen und freundlich begrüßt. Der
Baron, sagte dieser, werde sich seines Besuches sehr freuen; er habe
schon öfters geäußer, daß er ihn erwarte, und sogar nach seiner ver-
sorglichen Weise bereits ein Zimmer bestimmt, in welchem er wohnen
solle. Jm Augenblicke sei er zu einem seiner Pächter hinausgegangen
werde aber bald wiederkommen.

Da der Hofmeister zu Otto's Befremden von Rosalien schwieg
so fragte er nach ihr. Jener sagte darauf: "Das Fräulein wird sich
gewiß ebenfalls freuen, Sie wiederzusehen." Als aber nun Otto sie
zu sehen verlangte, zögerte er in offenbarer Verlegenheit und sagte
endlich: "der Herr Baron sieht es nichs gerne, wenn sie in ihrer
Arbeit unterbrochen wird, und ich weiß, daß er ihr noch vor seinem
Weggange eine Aufgabe gab.

"Ohne Zweifel macht ein altrr Bekannter eine Ausnahme
erwiederte Otto mit sehr bestimmtem Tone, woraus Jener ihn bat
ihm zu folgen."

    Forts. folgt.



Lage Napoleons für den Falle eines Krieges.

Napoleon hat dadurch, daß er seinem Namen das Prädicat
"der dritte" hinzugefügt, Ansprüche erhoben, welche die östlichen Groß-
mächte in seiner Anerkennung nothwendig bedenklich machen müssen.
Zwar sind die Verhältnisse für den Augenblick nicht der Art, daß die
Ansprüche, die sich hinter jenem Prädicate verbergen, verwirklicht
werden könnten, aber dadurch hören dieselben nicht auf, für die Ruhe
Europa's gefährlich zu sein. Dies wird Jeder zugeben, der an die
[Spaltenumbruch] Beweglichkeit unserer Zeit und das eigenthümliche Verhältniß denkt,
in welchem die größeren Regierungen zu Napoleon stehen. Sie sehen
in ihm den Mann, der eine Feuersbrunst gelöscht hat, welche unab-
sehbare Verwüstungen in Europa anrichten und die Kultur der Mensch-
heit um ein Jahrtausend zurückbringen könnte. Sie können ihm da-
her ihre Anerkennung trotz dem, daß er sich wider die Verträge von
1815 die Kaiserkrone aufgesetzt hat versagen, denn sie müssen die
Schritte, die ihn zur Kaiserkrone geführt haben auch wider ihren
Willen billigen. Er hat den Socialismus gebändigt, der Demokra-
tie einen tödtlichen Schlag versetzt, dem Parlamentarismus seine Lö-
wenhaut abgestreift und dadurch auf vielen Seiten eine Bewunderung
erzeugt, durch die er vielfach eine getstige Herrschaft ausübt.

Darin hat Napoleon für den Fall eines Krieges einen gewal-
tigen Vortheil über seine Gegner. Wer die Geister beherrscht, beherrscht
die Welt; denn wo der Geist nicht widersteht, widersteht der Leib noch
weniger. Ein anderer Vortheil, den Napoleon vor seinen Gegnern
voraus hat, ist die Machtfülle, die ihm dadurch erwächst, daß er das
monarchische Regierungsprinzip mit größerer Entschiedenheit vertritt
und dennoch sich anf die Massen stützt, daß er die Autorität und die
Majorität nicht in ein feindliches sondern in ein freundliches Verhältniß
zu einander bringt, wodurch seine Macht nicht nur einen kräftigen
Geist, sondern auch einen starken Leib bekommt. Er hat bei seinen
Einrichtungen weniger Rücksichten zu nehmen, wenn er sie nicht von
sich selbst, sondern von dem Willen des Volkes ausgehen läßt.

Neben diesen Vortheilen, welche Napoleon aus seiner eigenthüm-
lichen Lage als glücklicher Bewältiger der Revolution und als klugen
Benutzer derselben im Auslande und Jnlande erwachsen, arbeiten ihn
auch noch die zerrütteten Verhältnisse vieler Länder und die verblen-
deten Gelüste der Pa[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]te[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]en in die Hände. Man blicke in dieser Hin-
sicht nur auf Jtalien, die Schweiz, Belgien. Jn allen diesen Ländern
dürfte Napoleon zahlreiche Anhänger finden. Dänemark beirachtet
sich bereits als seinen Bundesgenossen und dürfte das Schwert, das
ihm mit Hülfe Deutschlands in die Hand gegeben worden ist, schwer-
lich für Deutschland ziehen. Selbst in Deutschland dürften Sym[p]a-
thieen für dem neuen Kaiser nicht fehlen, zumal wenn seine ersten
kühnen Griffe in der äußern Politik vom Glück unterstützt werden
sollten. Das Alles dürfen wir uns nicht verheimlichen, wenn wir
von den Ereignissen nicht überrascht werden wollen. Mögen das be-
sonders unsere Abgeordneten erwägen, damit sie erkennen, was sie zu
thun haben, um jeder Erschütterung vorzubeugen, die eintreten müßte,
wenn ein Krieg mit Frankreich ausbräche und unsere Reg[i]erung nicht
die vollste Selstständigkeit in der Ergreisung ihrer Maßregeln besäße.
Mögen sie dafür sorgen, daß die Majorität bei uns mit der Autori-
tät
nicht minder gehe, als in Frankreich, Dann, aber auch nur dann
werden wir uns mit Frenkrech messen können. Denn in solchem Falle
stehen wir da, wie ein Mann, der die Kraft von Millionen in sich
vereinigt, und mit Gott für König und Vaterland sein Schwert zieht.
Wer sollte einen solchen Helden überwinden können?


Vermischtes.

- Zu Paris fand dieser Tage ein Duell Statt, das unblu-
tig ablief, aber so manchem Raufbolde zur Lehre dienen mag. Jn ei-
nem Kaffeehause des Boulevard entspann sich ein Wortwechsel zwischen
einem übermüthigen jungen Modehelden und einem bejahrten Manne.
Der junge Mann beleidigte seinen Gegner und ein Duell wurde an-
beraumt. Auf dem bestimmten Platze angekommen, schien der junge
Mann Anfangs sehr muthig, trillerte ein Liedchen und wollte nichts
von Genugthuung wissen, die sein Gegner von ihm verlangte. Als
der Alte seine Hartnäckigkeit wahrnahm, rief er: Geben Sie Acht!
und er schoß einen Vogel herunter der gerade überfl[o]g. Der junge
Mann erblaßte, denn er merkte, mit welchem Schützen er es zu thun
hatte. Sehen Sie - nahm der Alte wieder das Wort -, ich bin
der Beleidigte, und Sie wissen jetzt, daß ich treffen kann. Sie leisten
eine Ehrenerklärug und zahlen heute 1000 Franken in die Armen-
kasse des zweiten Arrondissements, oder ich schieße Sie nieder! Der
junge Fant mußte in den sauren Apfel beißen, und die Sache war
damit abgethan.


[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] daß sie der alte Mann mit noch stärkerem Scheingrunde ihm selbst
zurückgeben konnte, wenn er sie ihm ausspräche.

Nach den Aeußerungen des gleichfalls bejahrten Dieners, wel-
cher den Baron begleitete nnd mit großer Verehrung und Ergebenheit
ihm anzuhangen schien, würde Rosalie auch der mütterlichen Obhut
nicht entbehren, da seine eigene Gattin die Oberaufsicht über den
ganzeu Haushalt führe und des Barons ganzes Zutrauen besitze und
verdiene.

2.

Der Frühling war gekommen. An einem seiner ersten milden
Tage trat ein rüstiger Fußgänger in den Park, der Schloß Hugs-
heim umgibt. Es war Otto, der auf der nächsten Poststation sein
Reisegepäcke zurückgelassen hatte, weil er noch nicht wußte, wie seine
Aufnahme bei dem Baron ausfallen würde.

Jm Posthause hatte er einige Erkundigungen über die Bewoh-
ner des Schlosses eingezogen. Man hatte ihm gesagt, daß er als
Maler dort ohne Zweifel willkommen sein werde, wenn er der stren-
gen Kunstprüfung genüge, die der alte Herr dem Vernehmen nach
mit seinen Gästen anstelle. Dieser gelte in der ganzen Gegend als
ein Sonderling, über dessen Charaker nur unzuverlässige Gerüchte
im Umlaufe gingen, da er fast mit Niemanden Umgang pflege und
in dem nahen Städtchen, worin das Posthaus lag, gewöhnlich nur
in den Winterkonzerten erscheine, und zwar in letztem Winter in Be-
gleitung
eines sehr jungen wunderschönen Mädchens, das er in vo-
rigem Herbste von einer Reise mit heimgebracht habe und mit einer
Sorgfalt und Zärtlichkeit behandele, die verschiedenartige Deutungen
hervorriefe. Er sei übrigens nicht in dem Lande zu Hause, sondern
vor mehreren Jahren nach dem Tode des letzten Besitzers von Hugs-
heim als Käufer des Schlosses erfchienen, von einem Haushofmeister
und dessen Gattin begleitet, welche, wie er selbst, allen Forschungen
über sein früheres Leben unzugänglich seien. Auch seinen früheren
Namen wisse das Publikum nicht, wenn auch wahrscheinlich die Be-
hörden, die aber auch darüber schwiegen: er habe sogleich den Namen
des Schlosses angenommen. Er müsse sehr reich sein. Das zum
Schlosse gehörige Landgut habe er um billigen Pacht in größeren
Parzellen an Bauern der nächsten Dörfer gegeben, die ihm als die
fleißigsten und ordentlichsten empfohlen worden seien und sich eine
gewisse Oberaufsicht dabei vorbehalten. Seine Pächter schilderten
ihn als strenge und gebieterisch, zugleich aber rühmten sie seinen ver-
ständigen Rath und seine Bereitwilligkeit, unverschuldeter Noth frei-
gebig beizustehen.

Nachdenklich und mit gemischten Erwartungen schritt Otto
durch die Allee, welche den Park in der Richtung des Schlosses
durchschneidet. Jm Schlosse wurde er von dem alten Diener, den er
vom Rheine her kannte, empfangen und freundlich begrüßt. Der
Baron, sagte dieser, werde sich seines Besuches sehr freuen; er habe
schon öfters geäußer, daß er ihn erwarte, und sogar nach seiner ver-
sorglichen Weise bereits ein Zimmer bestimmt, in welchem er wohnen
solle. Jm Augenblicke sei er zu einem seiner Pächter hinausgegangen
werde aber bald wiederkommen.

Da der Hofmeister zu Otto's Befremden von Rosalien schwieg
so fragte er nach ihr. Jener sagte darauf: „Das Fräulein wird sich
gewiß ebenfalls freuen, Sie wiederzusehen.“ Als aber nun Otto sie
zu sehen verlangte, zögerte er in offenbarer Verlegenheit und sagte
endlich: „der Herr Baron sieht es nichs gerne, wenn sie in ihrer
Arbeit unterbrochen wird, und ich weiß, daß er ihr noch vor seinem
Weggange eine Aufgabe gab.

„Ohne Zweifel macht ein altrr Bekannter eine Ausnahme
erwiederte Otto mit sehr bestimmtem Tone, woraus Jener ihn bat
ihm zu folgen.“

    Forts. folgt.



Lage Napoleons für den Falle eines Krieges.

Napoleon hat dadurch, daß er seinem Namen das Prädicat
„der dritte“ hinzugefügt, Ansprüche erhoben, welche die östlichen Groß-
mächte in seiner Anerkennung nothwendig bedenklich machen müssen.
Zwar sind die Verhältnisse für den Augenblick nicht der Art, daß die
Ansprüche, die sich hinter jenem Prädicate verbergen, verwirklicht
werden könnten, aber dadurch hören dieselben nicht auf, für die Ruhe
Europa's gefährlich zu sein. Dies wird Jeder zugeben, der an die
[Spaltenumbruch] Beweglichkeit unserer Zeit und das eigenthümliche Verhältniß denkt,
in welchem die größeren Regierungen zu Napoleon stehen. Sie sehen
in ihm den Mann, der eine Feuersbrunst gelöscht hat, welche unab-
sehbare Verwüstungen in Europa anrichten und die Kultur der Mensch-
heit um ein Jahrtausend zurückbringen könnte. Sie können ihm da-
her ihre Anerkennung trotz dem, daß er sich wider die Verträge von
1815 die Kaiserkrone aufgesetzt hat versagen, denn sie müssen die
Schritte, die ihn zur Kaiserkrone geführt haben auch wider ihren
Willen billigen. Er hat den Socialismus gebändigt, der Demokra-
tie einen tödtlichen Schlag versetzt, dem Parlamentarismus seine Lö-
wenhaut abgestreift und dadurch auf vielen Seiten eine Bewunderung
erzeugt, durch die er vielfach eine getstige Herrschaft ausübt.

Darin hat Napoleon für den Fall eines Krieges einen gewal-
tigen Vortheil über seine Gegner. Wer die Geister beherrscht, beherrscht
die Welt; denn wo der Geist nicht widersteht, widersteht der Leib noch
weniger. Ein anderer Vortheil, den Napoleon vor seinen Gegnern
voraus hat, ist die Machtfülle, die ihm dadurch erwächst, daß er das
monarchische Regierungsprinzip mit größerer Entschiedenheit vertritt
und dennoch sich anf die Massen stützt, daß er die Autorität und die
Majorität nicht in ein feindliches sondern in ein freundliches Verhältniß
zu einander bringt, wodurch seine Macht nicht nur einen kräftigen
Geist, sondern auch einen starken Leib bekommt. Er hat bei seinen
Einrichtungen weniger Rücksichten zu nehmen, wenn er sie nicht von
sich selbst, sondern von dem Willen des Volkes ausgehen läßt.

Neben diesen Vortheilen, welche Napoleon aus seiner eigenthüm-
lichen Lage als glücklicher Bewältiger der Revolution und als klugen
Benutzer derselben im Auslande und Jnlande erwachsen, arbeiten ihn
auch noch die zerrütteten Verhältnisse vieler Länder und die verblen-
deten Gelüste der Pa[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]te[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]en in die Hände. Man blicke in dieser Hin-
sicht nur auf Jtalien, die Schweiz, Belgien. Jn allen diesen Ländern
dürfte Napoleon zahlreiche Anhänger finden. Dänemark beirachtet
sich bereits als seinen Bundesgenossen und dürfte das Schwert, das
ihm mit Hülfe Deutschlands in die Hand gegeben worden ist, schwer-
lich für Deutschland ziehen. Selbst in Deutschland dürften Sym[p]a-
thieen für dem neuen Kaiser nicht fehlen, zumal wenn seine ersten
kühnen Griffe in der äußern Politik vom Glück unterstützt werden
sollten. Das Alles dürfen wir uns nicht verheimlichen, wenn wir
von den Ereignissen nicht überrascht werden wollen. Mögen das be-
sonders unsere Abgeordneten erwägen, damit sie erkennen, was sie zu
thun haben, um jeder Erschütterung vorzubeugen, die eintreten müßte,
wenn ein Krieg mit Frankreich ausbräche und unsere Reg[i]erung nicht
die vollste Selstständigkeit in der Ergreisung ihrer Maßregeln besäße.
Mögen sie dafür sorgen, daß die Majorität bei uns mit der Autori-
tät
nicht minder gehe, als in Frankreich, Dann, aber auch nur dann
werden wir uns mit Frenkrech messen können. Denn in solchem Falle
stehen wir da, wie ein Mann, der die Kraft von Millionen in sich
vereinigt, und mit Gott für König und Vaterland sein Schwert zieht.
Wer sollte einen solchen Helden überwinden können?


Vermischtes.

– Zu Paris fand dieser Tage ein Duell Statt, das unblu-
tig ablief, aber so manchem Raufbolde zur Lehre dienen mag. Jn ei-
nem Kaffeehause des Boulevard entspann sich ein Wortwechsel zwischen
einem übermüthigen jungen Modehelden und einem bejahrten Manne.
Der junge Mann beleidigte seinen Gegner und ein Duell wurde an-
beraumt. Auf dem bestimmten Platze angekommen, schien der junge
Mann Anfangs sehr muthig, trillerte ein Liedchen und wollte nichts
von Genugthuung wissen, die sein Gegner von ihm verlangte. Als
der Alte seine Hartnäckigkeit wahrnahm, rief er: Geben Sie Acht!
und er schoß einen Vogel herunter der gerade überfl[o]g. Der junge
Mann erblaßte, denn er merkte, mit welchem Schützen er es zu thun
hatte. Sehen Sie – nahm der Alte wieder das Wort –, ich bin
der Beleidigte, und Sie wissen jetzt, daß ich treffen kann. Sie leisten
eine Ehrenerklärug und zahlen heute 1000 Franken in die Armen-
kasse des zweiten Arrondissements, oder ich schieße Sie nieder! Der
junge Fant mußte in den sauren Apfel beißen, und die Sache war
damit abgethan.


[Ende Spaltensatz]
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[0003] daß sie der alte Mann mit noch stärkerem Scheingrunde ihm selbst zurückgeben konnte, wenn er sie ihm ausspräche. Nach den Aeußerungen des gleichfalls bejahrten Dieners, wel- cher den Baron begleitete nnd mit großer Verehrung und Ergebenheit ihm anzuhangen schien, würde Rosalie auch der mütterlichen Obhut nicht entbehren, da seine eigene Gattin die Oberaufsicht über den ganzeu Haushalt führe und des Barons ganzes Zutrauen besitze und verdiene. 2. Der Frühling war gekommen. An einem seiner ersten milden Tage trat ein rüstiger Fußgänger in den Park, der Schloß Hugs- heim umgibt. Es war Otto, der auf der nächsten Poststation sein Reisegepäcke zurückgelassen hatte, weil er noch nicht wußte, wie seine Aufnahme bei dem Baron ausfallen würde. Jm Posthause hatte er einige Erkundigungen über die Bewoh- ner des Schlosses eingezogen. Man hatte ihm gesagt, daß er als Maler dort ohne Zweifel willkommen sein werde, wenn er der stren- gen Kunstprüfung genüge, die der alte Herr dem Vernehmen nach mit seinen Gästen anstelle. Dieser gelte in der ganzen Gegend als ein Sonderling, über dessen Charaker nur unzuverlässige Gerüchte im Umlaufe gingen, da er fast mit Niemanden Umgang pflege und in dem nahen Städtchen, worin das Posthaus lag, gewöhnlich nur in den Winterkonzerten erscheine, und zwar in letztem Winter in Be- gleitung eines sehr jungen wunderschönen Mädchens, das er in vo- rigem Herbste von einer Reise mit heimgebracht habe und mit einer Sorgfalt und Zärtlichkeit behandele, die verschiedenartige Deutungen hervorriefe. Er sei übrigens nicht in dem Lande zu Hause, sondern vor mehreren Jahren nach dem Tode des letzten Besitzers von Hugs- heim als Käufer des Schlosses erfchienen, von einem Haushofmeister und dessen Gattin begleitet, welche, wie er selbst, allen Forschungen über sein früheres Leben unzugänglich seien. Auch seinen früheren Namen wisse das Publikum nicht, wenn auch wahrscheinlich die Be- hörden, die aber auch darüber schwiegen: er habe sogleich den Namen des Schlosses angenommen. Er müsse sehr reich sein. Das zum Schlosse gehörige Landgut habe er um billigen Pacht in größeren Parzellen an Bauern der nächsten Dörfer gegeben, die ihm als die fleißigsten und ordentlichsten empfohlen worden seien und sich eine gewisse Oberaufsicht dabei vorbehalten. Seine Pächter schilderten ihn als strenge und gebieterisch, zugleich aber rühmten sie seinen ver- ständigen Rath und seine Bereitwilligkeit, unverschuldeter Noth frei- gebig beizustehen. Nachdenklich und mit gemischten Erwartungen schritt Otto durch die Allee, welche den Park in der Richtung des Schlosses durchschneidet. Jm Schlosse wurde er von dem alten Diener, den er vom Rheine her kannte, empfangen und freundlich begrüßt. Der Baron, sagte dieser, werde sich seines Besuches sehr freuen; er habe schon öfters geäußer, daß er ihn erwarte, und sogar nach seiner ver- sorglichen Weise bereits ein Zimmer bestimmt, in welchem er wohnen solle. Jm Augenblicke sei er zu einem seiner Pächter hinausgegangen werde aber bald wiederkommen. Da der Hofmeister zu Otto's Befremden von Rosalien schwieg so fragte er nach ihr. Jener sagte darauf: „Das Fräulein wird sich gewiß ebenfalls freuen, Sie wiederzusehen.“ Als aber nun Otto sie zu sehen verlangte, zögerte er in offenbarer Verlegenheit und sagte endlich: „der Herr Baron sieht es nichs gerne, wenn sie in ihrer Arbeit unterbrochen wird, und ich weiß, daß er ihr noch vor seinem Weggange eine Aufgabe gab. „Ohne Zweifel macht ein altrr Bekannter eine Ausnahme erwiederte Otto mit sehr bestimmtem Tone, woraus Jener ihn bat ihm zu folgen.“ Forts. folgt. Lage Napoleons für den Falle eines Krieges. Napoleon hat dadurch, daß er seinem Namen das Prädicat „der dritte“ hinzugefügt, Ansprüche erhoben, welche die östlichen Groß- mächte in seiner Anerkennung nothwendig bedenklich machen müssen. Zwar sind die Verhältnisse für den Augenblick nicht der Art, daß die Ansprüche, die sich hinter jenem Prädicate verbergen, verwirklicht werden könnten, aber dadurch hören dieselben nicht auf, für die Ruhe Europa's gefährlich zu sein. Dies wird Jeder zugeben, der an die Beweglichkeit unserer Zeit und das eigenthümliche Verhältniß denkt, in welchem die größeren Regierungen zu Napoleon stehen. Sie sehen in ihm den Mann, der eine Feuersbrunst gelöscht hat, welche unab- sehbare Verwüstungen in Europa anrichten und die Kultur der Mensch- heit um ein Jahrtausend zurückbringen könnte. Sie können ihm da- her ihre Anerkennung trotz dem, daß er sich wider die Verträge von 1815 die Kaiserkrone aufgesetzt hat versagen, denn sie müssen die Schritte, die ihn zur Kaiserkrone geführt haben auch wider ihren Willen billigen. Er hat den Socialismus gebändigt, der Demokra- tie einen tödtlichen Schlag versetzt, dem Parlamentarismus seine Lö- wenhaut abgestreift und dadurch auf vielen Seiten eine Bewunderung erzeugt, durch die er vielfach eine getstige Herrschaft ausübt. Darin hat Napoleon für den Fall eines Krieges einen gewal- tigen Vortheil über seine Gegner. Wer die Geister beherrscht, beherrscht die Welt; denn wo der Geist nicht widersteht, widersteht der Leib noch weniger. Ein anderer Vortheil, den Napoleon vor seinen Gegnern voraus hat, ist die Machtfülle, die ihm dadurch erwächst, daß er das monarchische Regierungsprinzip mit größerer Entschiedenheit vertritt und dennoch sich anf die Massen stützt, daß er die Autorität und die Majorität nicht in ein feindliches sondern in ein freundliches Verhältniß zu einander bringt, wodurch seine Macht nicht nur einen kräftigen Geist, sondern auch einen starken Leib bekommt. Er hat bei seinen Einrichtungen weniger Rücksichten zu nehmen, wenn er sie nicht von sich selbst, sondern von dem Willen des Volkes ausgehen läßt. Neben diesen Vortheilen, welche Napoleon aus seiner eigenthüm- lichen Lage als glücklicher Bewältiger der Revolution und als klugen Benutzer derselben im Auslande und Jnlande erwachsen, arbeiten ihn auch noch die zerrütteten Verhältnisse vieler Länder und die verblen- deten Gelüste der Pa_te_en in die Hände. Man blicke in dieser Hin- sicht nur auf Jtalien, die Schweiz, Belgien. Jn allen diesen Ländern dürfte Napoleon zahlreiche Anhänger finden. Dänemark beirachtet sich bereits als seinen Bundesgenossen und dürfte das Schwert, das ihm mit Hülfe Deutschlands in die Hand gegeben worden ist, schwer- lich für Deutschland ziehen. Selbst in Deutschland dürften Sympa- thieen für dem neuen Kaiser nicht fehlen, zumal wenn seine ersten kühnen Griffe in der äußern Politik vom Glück unterstützt werden sollten. Das Alles dürfen wir uns nicht verheimlichen, wenn wir von den Ereignissen nicht überrascht werden wollen. Mögen das be- sonders unsere Abgeordneten erwägen, damit sie erkennen, was sie zu thun haben, um jeder Erschütterung vorzubeugen, die eintreten müßte, wenn ein Krieg mit Frankreich ausbräche und unsere Regierung nicht die vollste Selstständigkeit in der Ergreisung ihrer Maßregeln besäße. Mögen sie dafür sorgen, daß die Majorität bei uns mit der Autori- tät nicht minder gehe, als in Frankreich, Dann, aber auch nur dann werden wir uns mit Frenkrech messen können. Denn in solchem Falle stehen wir da, wie ein Mann, der die Kraft von Millionen in sich vereinigt, und mit Gott für König und Vaterland sein Schwert zieht. Wer sollte einen solchen Helden überwinden können? Vermischtes. – Zu Paris fand dieser Tage ein Duell Statt, das unblu- tig ablief, aber so manchem Raufbolde zur Lehre dienen mag. Jn ei- nem Kaffeehause des Boulevard entspann sich ein Wortwechsel zwischen einem übermüthigen jungen Modehelden und einem bejahrten Manne. Der junge Mann beleidigte seinen Gegner und ein Duell wurde an- beraumt. Auf dem bestimmten Platze angekommen, schien der junge Mann Anfangs sehr muthig, trillerte ein Liedchen und wollte nichts von Genugthuung wissen, die sein Gegner von ihm verlangte. Als der Alte seine Hartnäckigkeit wahrnahm, rief er: Geben Sie Acht! und er schoß einen Vogel herunter der gerade überflog. Der junge Mann erblaßte, denn er merkte, mit welchem Schützen er es zu thun hatte. Sehen Sie – nahm der Alte wieder das Wort –, ich bin der Beleidigte, und Sie wissen jetzt, daß ich treffen kann. Sie leisten eine Ehrenerklärug und zahlen heute 1000 Franken in die Armen- kasse des zweiten Arrondissements, oder ich schieße Sie nieder! Der junge Fant mußte in den sauren Apfel beißen, und die Sache war damit abgethan.

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Zitationshilfe: Märkische Blätter. 5. Jg., Nr. 4. Hattingen, 12. Januar 1853, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maerkische004_1853/3>, abgerufen am 21.11.2024.