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Märkische Blätter. Nr. 33. Hattingen, 23. April 1851.

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[Beginn Spaltensatz]
Erinnerungen eines Londoner Polizeibeamten.
( Schluß. )

Jn diesem Angenblick ward laut an die Hausthüre gepocht.
"Ah, da sind sie!" rief Levasseur und ging ihnen rasch ent-
gegen. Durch die Fensterblende blickend, sah ich zu meiner
Bestürzung, daß Lebreton den Commis Dubarle mitgebracht
hatte. Mein erster Gedanke war meine Pistolen zu ergreifen
und aus dem Hause zu entfliehen; aber ruhigere Ueberlegung
zeigte mir die hohe Unwahrscheinlichkeit meines Verdachts, daß
man mir eine Schlinge gelegt hatte. Jndeß wenn der Commis
mich erkennen sollte? Meine Lage war allerdings eine sehr
critische, aber ich hatte mich nun einmal auf die Sache ein-
gelassen und mußte sie daher so gut wie möglich hinausführen.

Zunächst fesselte meine Aufmerksamkeit eine Unterredung,
in einem anstoßenden Zimmer zwischen Levasseur und den bei-
den soeben Angekommenen in drohendem Tone gesührt wurde,
und ich trat leise der Thüre näher, um zu horchen. Jch
merkte bald, daß Lebreton nur ein halber Schurke und aus-
nehmend ängstlich war, den gestohlenen Werth nicht eher zu
verkaufen, als bis noch ein weiterer Versuch gemacht worden
war, ihn umzusetzen. Die beiden Andern dagegen wollten die
sich eben bietende Gelegenheit zum Verkauf der Banknoten,
Wechsel und anderer Werthpapiere benutzen und sich dann
aus dem Staube machen. Lebreton flehte beinahe in Todes-
angst seine Mitschuldigen an, sie möchten doch nicht den gänz-
lichen Ruin des von ihm verrathenen Hauses herbeiführen,
aber seine Bitten wurden mit verächtlichem Grimm und voll
Entrüstung verlacht und er wurde am Ende durch ihre barsche
Drohungen zum Schweigen gebracht. Später erfuhr ich, Le-
breton sei ein Vetter von Madame Levasseur, von deren Gat-
ten er erst im Spiel ausgeplündert und dann zu diesem Ver-
brechen angestachelt worden war, als dem einzigen Mittel, die
Veruntreuungen zu verhehlen, welche er sich nach seinen Ver-
lusten im Spiel bereits hatte zu Schulden kommen lassen.

Nach kurzem Verzug traten alle drei in das Speisezimmer,
und als der Commis Dubarle leicht aber bedeutsam genug
zusammenschrack, während mich Levasseur ihm vorstellte, wollte
mir beinahe der Muth sinken. Sein aufdämmernder Verdacht
schien jedoch vorerst durch Levasseur's humoristische Schilderung
der Art und Weise beschwichtigt, in welcher ich dem betrunke-
nen Trelawney die Taschen geleert, und wir setzten uns zu ei-
ner trefflichen Mahlzeit, die für mich gleichwohl die unbehag-
lichste war, die ich all mein Lebtage eingenommen. Dubarle
schien nur theilweise beruhigt, und die forschenden scheuen
Blicke, die er auf mich warf, däuchten mir je länger desto ern-
ster und besorgter zu werden. Glücklicherweise war Levasseur
in solch überschäumend fröhlicher Weinlaune, daß er die be-
sorgten Blicke seines jungen Spießgesellen nicht bemerkte, und
Lebreton hatte ohnehin für nichts ein Auge, als für seinen
Teller. Endlich war die Henkersmahlzeit vorüber, und die
Weinflasche machte fleißig die Runde. Jch trank weit mehr
als sonst, theilweise um meine Nerven zu beruhigen, theils um
Nichts merken zu lassen. Es war nahezu die Zeit wo der
Jude kommen sollte, als Dubarle nach einem langen forschen-
den Blick auf mich plötzlich die unvermittelte Aeußerung an
mich richtete: "Mir ist, Monsieur Williams, als hätt' ich
Sie schon irgendwo gesehen?

"Sehr möglich," versetzte ich mit kaltblütiger Unverschämt-
heit; mich haben schon viele Personen gesehen, und Manche
denk' ich, ein= oder zweimal zu oft."

"Sehr wahr -- Trelawney, zum Beispiel!" rief Levasseur
lachend.

"Jch möchte den Herrn einmal ohne Perücke sehen!" sagte
der Commis mit immer steigender Frechheit und Zuversicht.

"Unsinn, Dubarle! Jhr seid ein Narr, und ich werde es
nicht dulden, daß Jhr meinen guten Freund Williams beleidigt!"
rief Levasseur unwillig.

Dubarle bestand nicht auf seinem Verlangen, aber offenbar
machte ihn eine aufdämmernde Erinnerung an meine Züge ver-
legen und besorgt.

Endlich verkündete zu meiner unsäglichen Beruhigung, ein
[Spaltenumbruch] Pochen an der Hausthüre die Ankunft Jacksons oder vielmehr
unseres Levi Samuel. Wir Alle sprangen auf und eilten an's
Fenster -- es war der Jude, und Jackson hatte sich für seine
Rolle trefflich kostümirt und spielte sie vorzüglich. Levasseur
ging hinaus und brachte ihn nach einigen Minuten herein.
Jackson konnte ein Zusammenschrecken nicht unterdrücken, als
er den großen schnurrbärtigen Zuwachs unserer Gegner erblickte,
und obwohl er es sehr gut zu maskiren wußte, entschlüpfte ihm
doch in seinem jüdischen Dialekt und Anschauungsweise, die
ihm ganz geläufig waren, die Bemerkung: "Nu, Sie haben
geladen mehr Gesellschaft, als mein Freund Williams mir ge-
sagt, daß ich werde treffen!"

"Bah, ein Freund -- ein einziger Freund mehr, Mr. Sa-
muel!" sagte Levasseur. "Kommt, setzt Euch, Sir, und trinkt
ein Glas Wein mit uns. Jhr seid ein englischer Jude wie
ich sehe!"

"Aufzuwarten!" sagte Samuel; eine Pause von einer Mi-
nute oder drüber erfolgte, welche Levasseur mit der Frage un-
terbrach: "Jhr seid doch wohl zu unserem Geschäfte vorbe-
reitet?"

"Nu ja, ich will mache das Geschäft mit Jhne, -- das
heißt wann Sie sind raisonabel!"

"Raisonabel? bah, wir sind die raisonabelsten Männer von
der Welt!" versetzte Levasseur mit lautem Lachen. "Aber sagt
mir doch, wo ist das Gold, womit Jhr uns bezahlen wollt?"

"Wenn wir werden handelseins, so werde ich das Geld
beischaffen in einer halben Stunde Man nimmt nicht Säcke
voll Goldstücke mit sich in jede Gesellschaft!" sagte Jackson be-
sonnen.

"Nun ja, das versteht sich freilich!" rief Levasseur. "Und
was für einen Disconto rechnet Jhr an?"

"Das will ich Euch sagen, wenn ich hab' geseh'n die
Papiercher!"

Levasseur stand sogleich auf, ohne ein Wort mehr zu sagen
und verließ das Zimmer. Nach etwa 10 Minuten kehrte er
zurück und zählte keck die gestohlenen Banknoten und Wechsel
auf den Tisch. Jackson stand vom Stuhl auf, musterte alle
genau und begann den Betrag derselben in sein Taschenbuch
aufzuzeichnen. Auch ich stand vom Stuhle auf und that als
betrachte ich ein Gemälde über dem Kamin. Der Augenblick
war ein höchst peinlicher, da wir über das Signal uns ver-
ständigt hatten und dies nicht länger verschoben werden konnte.
Der Commis Dubarle stand auch auf und fixirte Jackson mit
flammendem aber noch unentschiedenem Blick. Endlich war die
Prüfung der Weltpapiere zu Ende, und Jackson begann die
Banknoten laut zu zählen: "Eins, zwei, drei, vier, fünf!" Wie
das Schlagwort über seine Lippen ging, warf er sich auf Lebre-
ton, der ihm zunächst saß, und schlug ihn mit einem Faust-
streich besinnungslos zu Boden. Jm selbem Augenblick schob
ich Dubarle meinen Fuß zwischen die Beine und schlenderte
ihn mit einem raschen geschickten Ruck zu Boden; einen An-
genblick später hatte ich Levasseur an der Kehle gefaßt und
ihm meine Pistole an's Ohr gesetzt. "Hurrah!" riefen wir
Beide in froher Aufregung, und ehe noch einer der drei Schur-
ken sich von ihrem Schreck und Ueberraschung erholt oder recht
begriffen hatten, was wir eigentlich von ihnen wollten, waren
Levasseur und Lebreton an den Händen geknebelt und Wider-
stand unmöglich, und des jungen Dubarle waren wir auch
bald Meister.

Sobald Levasseur wieder zur Besinnung gekommen war,
um welche ihn der plötzliche und heftige Ueberfall gebracht
hatte, schrie und tobte er wie wahnsinnig vor Zorn und Wuth,
und hätten wir ihn nicht mit Gewalt zurückgehalten, ich glaube
er hätte sich das Hirn an der Wand eingerannt. Die beiden
Anderen waren ruhiger, und als wir sie endlich alle gehörig
gefesselt und geknebelt hatten und die Beute vollends zusammen-
gelesen war, verließen wir im Triumphe Oak Cottage und ver-
schlossen das Haus, denn die Magd war entsprungen, ver-
muthlich um ihrer Herrin den unglücklichen Ausgang dieses
Geschäfts zu melden. Man fahndete später auf diese beiden
Personen nicht.

[Ende Spaltensatz]
[Beginn Spaltensatz]
Erinnerungen eines Londoner Polizeibeamten.
( Schluß. )

Jn diesem Angenblick ward laut an die Hausthüre gepocht.
„Ah, da sind sie!“ rief Levasseur und ging ihnen rasch ent-
gegen. Durch die Fensterblende blickend, sah ich zu meiner
Bestürzung, daß Lebreton den Commis Dubarle mitgebracht
hatte. Mein erster Gedanke war meine Pistolen zu ergreifen
und aus dem Hause zu entfliehen; aber ruhigere Ueberlegung
zeigte mir die hohe Unwahrscheinlichkeit meines Verdachts, daß
man mir eine Schlinge gelegt hatte. Jndeß wenn der Commis
mich erkennen sollte? Meine Lage war allerdings eine sehr
critische, aber ich hatte mich nun einmal auf die Sache ein-
gelassen und mußte sie daher so gut wie möglich hinausführen.

Zunächst fesselte meine Aufmerksamkeit eine Unterredung,
in einem anstoßenden Zimmer zwischen Levasseur und den bei-
den soeben Angekommenen in drohendem Tone gesührt wurde,
und ich trat leise der Thüre näher, um zu horchen. Jch
merkte bald, daß Lebreton nur ein halber Schurke und aus-
nehmend ängstlich war, den gestohlenen Werth nicht eher zu
verkaufen, als bis noch ein weiterer Versuch gemacht worden
war, ihn umzusetzen. Die beiden Andern dagegen wollten die
sich eben bietende Gelegenheit zum Verkauf der Banknoten,
Wechsel und anderer Werthpapiere benutzen und sich dann
aus dem Staube machen. Lebreton flehte beinahe in Todes-
angst seine Mitschuldigen an, sie möchten doch nicht den gänz-
lichen Ruin des von ihm verrathenen Hauses herbeiführen,
aber seine Bitten wurden mit verächtlichem Grimm und voll
Entrüstung verlacht und er wurde am Ende durch ihre barsche
Drohungen zum Schweigen gebracht. Später erfuhr ich, Le-
breton sei ein Vetter von Madame Levasseur, von deren Gat-
ten er erst im Spiel ausgeplündert und dann zu diesem Ver-
brechen angestachelt worden war, als dem einzigen Mittel, die
Veruntreuungen zu verhehlen, welche er sich nach seinen Ver-
lusten im Spiel bereits hatte zu Schulden kommen lassen.

Nach kurzem Verzug traten alle drei in das Speisezimmer,
und als der Commis Dubarle leicht aber bedeutsam genug
zusammenschrack, während mich Levasseur ihm vorstellte, wollte
mir beinahe der Muth sinken. Sein aufdämmernder Verdacht
schien jedoch vorerst durch Levasseur's humoristische Schilderung
der Art und Weise beschwichtigt, in welcher ich dem betrunke-
nen Trelawney die Taschen geleert, und wir setzten uns zu ei-
ner trefflichen Mahlzeit, die für mich gleichwohl die unbehag-
lichste war, die ich all mein Lebtage eingenommen. Dubarle
schien nur theilweise beruhigt, und die forschenden scheuen
Blicke, die er auf mich warf, däuchten mir je länger desto ern-
ster und besorgter zu werden. Glücklicherweise war Levasseur
in solch überschäumend fröhlicher Weinlaune, daß er die be-
sorgten Blicke seines jungen Spießgesellen nicht bemerkte, und
Lebreton hatte ohnehin für nichts ein Auge, als für seinen
Teller. Endlich war die Henkersmahlzeit vorüber, und die
Weinflasche machte fleißig die Runde. Jch trank weit mehr
als sonst, theilweise um meine Nerven zu beruhigen, theils um
Nichts merken zu lassen. Es war nahezu die Zeit wo der
Jude kommen sollte, als Dubarle nach einem langen forschen-
den Blick auf mich plötzlich die unvermittelte Aeußerung an
mich richtete: „Mir ist, Monsieur Williams, als hätt' ich
Sie schon irgendwo gesehen?

„Sehr möglich,“ versetzte ich mit kaltblütiger Unverschämt-
heit; mich haben schon viele Personen gesehen, und Manche
denk' ich, ein= oder zweimal zu oft.“

„Sehr wahr — Trelawney, zum Beispiel!“ rief Levasseur
lachend.

„Jch möchte den Herrn einmal ohne Perücke sehen!“ sagte
der Commis mit immer steigender Frechheit und Zuversicht.

„Unsinn, Dubarle! Jhr seid ein Narr, und ich werde es
nicht dulden, daß Jhr meinen guten Freund Williams beleidigt!“
rief Levasseur unwillig.

Dubarle bestand nicht auf seinem Verlangen, aber offenbar
machte ihn eine aufdämmernde Erinnerung an meine Züge ver-
legen und besorgt.

Endlich verkündete zu meiner unsäglichen Beruhigung, ein
[Spaltenumbruch] Pochen an der Hausthüre die Ankunft Jacksons oder vielmehr
unseres Levi Samuel. Wir Alle sprangen auf und eilten an's
Fenster — es war der Jude, und Jackson hatte sich für seine
Rolle trefflich kostümirt und spielte sie vorzüglich. Levasseur
ging hinaus und brachte ihn nach einigen Minuten herein.
Jackson konnte ein Zusammenschrecken nicht unterdrücken, als
er den großen schnurrbärtigen Zuwachs unserer Gegner erblickte,
und obwohl er es sehr gut zu maskiren wußte, entschlüpfte ihm
doch in seinem jüdischen Dialekt und Anschauungsweise, die
ihm ganz geläufig waren, die Bemerkung: „Nu, Sie haben
geladen mehr Gesellschaft, als mein Freund Williams mir ge-
sagt, daß ich werde treffen!“

„Bah, ein Freund — ein einziger Freund mehr, Mr. Sa-
muel!“ sagte Levasseur. „Kommt, setzt Euch, Sir, und trinkt
ein Glas Wein mit uns. Jhr seid ein englischer Jude wie
ich sehe!“

„Aufzuwarten!“ sagte Samuel; eine Pause von einer Mi-
nute oder drüber erfolgte, welche Levasseur mit der Frage un-
terbrach: „Jhr seid doch wohl zu unserem Geschäfte vorbe-
reitet?“

„Nu ja, ich will mache das Geschäft mit Jhne, — das
heißt wann Sie sind raisonabel!“

„Raisonabel? bah, wir sind die raisonabelsten Männer von
der Welt!“ versetzte Levasseur mit lautem Lachen. „Aber sagt
mir doch, wo ist das Gold, womit Jhr uns bezahlen wollt?“

„Wenn wir werden handelseins, so werde ich das Geld
beischaffen in einer halben Stunde Man nimmt nicht Säcke
voll Goldstücke mit sich in jede Gesellschaft!“ sagte Jackson be-
sonnen.

„Nun ja, das versteht sich freilich!“ rief Levasseur. „Und
was für einen Disconto rechnet Jhr an?“

„Das will ich Euch sagen, wenn ich hab' geseh'n die
Papiercher!“

Levasseur stand sogleich auf, ohne ein Wort mehr zu sagen
und verließ das Zimmer. Nach etwa 10 Minuten kehrte er
zurück und zählte keck die gestohlenen Banknoten und Wechsel
auf den Tisch. Jackson stand vom Stuhl auf, musterte alle
genau und begann den Betrag derselben in sein Taschenbuch
aufzuzeichnen. Auch ich stand vom Stuhle auf und that als
betrachte ich ein Gemälde über dem Kamin. Der Augenblick
war ein höchst peinlicher, da wir über das Signal uns ver-
ständigt hatten und dies nicht länger verschoben werden konnte.
Der Commis Dubarle stand auch auf und fixirte Jackson mit
flammendem aber noch unentschiedenem Blick. Endlich war die
Prüfung der Weltpapiere zu Ende, und Jackson begann die
Banknoten laut zu zählen: „Eins, zwei, drei, vier, fünf!“ Wie
das Schlagwort über seine Lippen ging, warf er sich auf Lebre-
ton, der ihm zunächst saß, und schlug ihn mit einem Faust-
streich besinnungslos zu Boden. Jm selbem Augenblick schob
ich Dubarle meinen Fuß zwischen die Beine und schlenderte
ihn mit einem raschen geschickten Ruck zu Boden; einen An-
genblick später hatte ich Levasseur an der Kehle gefaßt und
ihm meine Pistole an's Ohr gesetzt. „Hurrah!“ riefen wir
Beide in froher Aufregung, und ehe noch einer der drei Schur-
ken sich von ihrem Schreck und Ueberraschung erholt oder recht
begriffen hatten, was wir eigentlich von ihnen wollten, waren
Levasseur und Lebreton an den Händen geknebelt und Wider-
stand unmöglich, und des jungen Dubarle waren wir auch
bald Meister.

Sobald Levasseur wieder zur Besinnung gekommen war,
um welche ihn der plötzliche und heftige Ueberfall gebracht
hatte, schrie und tobte er wie wahnsinnig vor Zorn und Wuth,
und hätten wir ihn nicht mit Gewalt zurückgehalten, ich glaube
er hätte sich das Hirn an der Wand eingerannt. Die beiden
Anderen waren ruhiger, und als wir sie endlich alle gehörig
gefesselt und geknebelt hatten und die Beute vollends zusammen-
gelesen war, verließen wir im Triumphe Oak Cottage und ver-
schlossen das Haus, denn die Magd war entsprungen, ver-
muthlich um ihrer Herrin den unglücklichen Ausgang dieses
Geschäfts zu melden. Man fahndete später auf diese beiden
Personen nicht.

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( Schluß. )<note type="editorial">Die Ausgabe, die (vermutlich) den unmittelbar vorangegangenen Teil des Artikels enthält, fehlt. <ref target="nn_maerkische029_1851#Polizei1">Die Ausgabe</ref>, die den ersten Teil des Artikels enthält, ist vorhanden.</note></head><lb/>
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[0002] Erinnerungen eines Londoner Polizeibeamten. ( Schluß. ) Jn diesem Angenblick ward laut an die Hausthüre gepocht. „Ah, da sind sie!“ rief Levasseur und ging ihnen rasch ent- gegen. Durch die Fensterblende blickend, sah ich zu meiner Bestürzung, daß Lebreton den Commis Dubarle mitgebracht hatte. Mein erster Gedanke war meine Pistolen zu ergreifen und aus dem Hause zu entfliehen; aber ruhigere Ueberlegung zeigte mir die hohe Unwahrscheinlichkeit meines Verdachts, daß man mir eine Schlinge gelegt hatte. Jndeß wenn der Commis mich erkennen sollte? Meine Lage war allerdings eine sehr critische, aber ich hatte mich nun einmal auf die Sache ein- gelassen und mußte sie daher so gut wie möglich hinausführen. Zunächst fesselte meine Aufmerksamkeit eine Unterredung, in einem anstoßenden Zimmer zwischen Levasseur und den bei- den soeben Angekommenen in drohendem Tone gesührt wurde, und ich trat leise der Thüre näher, um zu horchen. Jch merkte bald, daß Lebreton nur ein halber Schurke und aus- nehmend ängstlich war, den gestohlenen Werth nicht eher zu verkaufen, als bis noch ein weiterer Versuch gemacht worden war, ihn umzusetzen. Die beiden Andern dagegen wollten die sich eben bietende Gelegenheit zum Verkauf der Banknoten, Wechsel und anderer Werthpapiere benutzen und sich dann aus dem Staube machen. Lebreton flehte beinahe in Todes- angst seine Mitschuldigen an, sie möchten doch nicht den gänz- lichen Ruin des von ihm verrathenen Hauses herbeiführen, aber seine Bitten wurden mit verächtlichem Grimm und voll Entrüstung verlacht und er wurde am Ende durch ihre barsche Drohungen zum Schweigen gebracht. Später erfuhr ich, Le- breton sei ein Vetter von Madame Levasseur, von deren Gat- ten er erst im Spiel ausgeplündert und dann zu diesem Ver- brechen angestachelt worden war, als dem einzigen Mittel, die Veruntreuungen zu verhehlen, welche er sich nach seinen Ver- lusten im Spiel bereits hatte zu Schulden kommen lassen. Nach kurzem Verzug traten alle drei in das Speisezimmer, und als der Commis Dubarle leicht aber bedeutsam genug zusammenschrack, während mich Levasseur ihm vorstellte, wollte mir beinahe der Muth sinken. Sein aufdämmernder Verdacht schien jedoch vorerst durch Levasseur's humoristische Schilderung der Art und Weise beschwichtigt, in welcher ich dem betrunke- nen Trelawney die Taschen geleert, und wir setzten uns zu ei- ner trefflichen Mahlzeit, die für mich gleichwohl die unbehag- lichste war, die ich all mein Lebtage eingenommen. Dubarle schien nur theilweise beruhigt, und die forschenden scheuen Blicke, die er auf mich warf, däuchten mir je länger desto ern- ster und besorgter zu werden. Glücklicherweise war Levasseur in solch überschäumend fröhlicher Weinlaune, daß er die be- sorgten Blicke seines jungen Spießgesellen nicht bemerkte, und Lebreton hatte ohnehin für nichts ein Auge, als für seinen Teller. Endlich war die Henkersmahlzeit vorüber, und die Weinflasche machte fleißig die Runde. Jch trank weit mehr als sonst, theilweise um meine Nerven zu beruhigen, theils um Nichts merken zu lassen. Es war nahezu die Zeit wo der Jude kommen sollte, als Dubarle nach einem langen forschen- den Blick auf mich plötzlich die unvermittelte Aeußerung an mich richtete: „Mir ist, Monsieur Williams, als hätt' ich Sie schon irgendwo gesehen? „Sehr möglich,“ versetzte ich mit kaltblütiger Unverschämt- heit; mich haben schon viele Personen gesehen, und Manche denk' ich, ein= oder zweimal zu oft.“ „Sehr wahr — Trelawney, zum Beispiel!“ rief Levasseur lachend. „Jch möchte den Herrn einmal ohne Perücke sehen!“ sagte der Commis mit immer steigender Frechheit und Zuversicht. „Unsinn, Dubarle! Jhr seid ein Narr, und ich werde es nicht dulden, daß Jhr meinen guten Freund Williams beleidigt!“ rief Levasseur unwillig. Dubarle bestand nicht auf seinem Verlangen, aber offenbar machte ihn eine aufdämmernde Erinnerung an meine Züge ver- legen und besorgt. Endlich verkündete zu meiner unsäglichen Beruhigung, ein Pochen an der Hausthüre die Ankunft Jacksons oder vielmehr unseres Levi Samuel. Wir Alle sprangen auf und eilten an's Fenster — es war der Jude, und Jackson hatte sich für seine Rolle trefflich kostümirt und spielte sie vorzüglich. Levasseur ging hinaus und brachte ihn nach einigen Minuten herein. Jackson konnte ein Zusammenschrecken nicht unterdrücken, als er den großen schnurrbärtigen Zuwachs unserer Gegner erblickte, und obwohl er es sehr gut zu maskiren wußte, entschlüpfte ihm doch in seinem jüdischen Dialekt und Anschauungsweise, die ihm ganz geläufig waren, die Bemerkung: „Nu, Sie haben geladen mehr Gesellschaft, als mein Freund Williams mir ge- sagt, daß ich werde treffen!“ „Bah, ein Freund — ein einziger Freund mehr, Mr. Sa- muel!“ sagte Levasseur. „Kommt, setzt Euch, Sir, und trinkt ein Glas Wein mit uns. Jhr seid ein englischer Jude wie ich sehe!“ „Aufzuwarten!“ sagte Samuel; eine Pause von einer Mi- nute oder drüber erfolgte, welche Levasseur mit der Frage un- terbrach: „Jhr seid doch wohl zu unserem Geschäfte vorbe- reitet?“ „Nu ja, ich will mache das Geschäft mit Jhne, — das heißt wann Sie sind raisonabel!“ „Raisonabel? bah, wir sind die raisonabelsten Männer von der Welt!“ versetzte Levasseur mit lautem Lachen. „Aber sagt mir doch, wo ist das Gold, womit Jhr uns bezahlen wollt?“ „Wenn wir werden handelseins, so werde ich das Geld beischaffen in einer halben Stunde Man nimmt nicht Säcke voll Goldstücke mit sich in jede Gesellschaft!“ sagte Jackson be- sonnen. „Nun ja, das versteht sich freilich!“ rief Levasseur. „Und was für einen Disconto rechnet Jhr an?“ „Das will ich Euch sagen, wenn ich hab' geseh'n die Papiercher!“ Levasseur stand sogleich auf, ohne ein Wort mehr zu sagen und verließ das Zimmer. Nach etwa 10 Minuten kehrte er zurück und zählte keck die gestohlenen Banknoten und Wechsel auf den Tisch. Jackson stand vom Stuhl auf, musterte alle genau und begann den Betrag derselben in sein Taschenbuch aufzuzeichnen. Auch ich stand vom Stuhle auf und that als betrachte ich ein Gemälde über dem Kamin. Der Augenblick war ein höchst peinlicher, da wir über das Signal uns ver- ständigt hatten und dies nicht länger verschoben werden konnte. Der Commis Dubarle stand auch auf und fixirte Jackson mit flammendem aber noch unentschiedenem Blick. Endlich war die Prüfung der Weltpapiere zu Ende, und Jackson begann die Banknoten laut zu zählen: „Eins, zwei, drei, vier, fünf!“ Wie das Schlagwort über seine Lippen ging, warf er sich auf Lebre- ton, der ihm zunächst saß, und schlug ihn mit einem Faust- streich besinnungslos zu Boden. Jm selbem Augenblick schob ich Dubarle meinen Fuß zwischen die Beine und schlenderte ihn mit einem raschen geschickten Ruck zu Boden; einen An- genblick später hatte ich Levasseur an der Kehle gefaßt und ihm meine Pistole an's Ohr gesetzt. „Hurrah!“ riefen wir Beide in froher Aufregung, und ehe noch einer der drei Schur- ken sich von ihrem Schreck und Ueberraschung erholt oder recht begriffen hatten, was wir eigentlich von ihnen wollten, waren Levasseur und Lebreton an den Händen geknebelt und Wider- stand unmöglich, und des jungen Dubarle waren wir auch bald Meister. Sobald Levasseur wieder zur Besinnung gekommen war, um welche ihn der plötzliche und heftige Ueberfall gebracht hatte, schrie und tobte er wie wahnsinnig vor Zorn und Wuth, und hätten wir ihn nicht mit Gewalt zurückgehalten, ich glaube er hätte sich das Hirn an der Wand eingerannt. Die beiden Anderen waren ruhiger, und als wir sie endlich alle gehörig gefesselt und geknebelt hatten und die Beute vollends zusammen- gelesen war, verließen wir im Triumphe Oak Cottage und ver- schlossen das Haus, denn die Magd war entsprungen, ver- muthlich um ihrer Herrin den unglücklichen Ausgang dieses Geschäfts zu melden. Man fahndete später auf diese beiden Personen nicht.

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Zitationshilfe: Märkische Blätter. Nr. 33. Hattingen, 23. April 1851, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maerkische033_1851/2>, abgerufen am 21.11.2024.