Märkische Blätter. Jahrgang 4, Nr. 71. Hattingen, 4. September 1852.Märkische Blätter. Erscheinen Mittwoch und Sonnabend. ro 71.Hattingen, Sonnabend, den 4. September 1852. [Beginn Spaltensatz]
Rundschan. Berlin, 31. Aug. Verschiedene Umstände deuten darauf hin, -- Se. königl. Hoheit der Prinz von Preußen, dessen Ge- -- Die Verfügungen über das Zusammentreten der Provin- -- Wie wir erfahren, hat noch im Laufe des gestrigen Tages Man hört, daß Seitens des Bevollmächtigten von Baiern und Nach der gestern erwähnten Liquidation der von Preußen in Paris, 31. Aug. Für heute nur in möglichster Kürze wie Die Leibeigene von Poberez. ( Fortsetzung. ) Aber die Freundlichkeit, die man ihr seither bewiesen, begann So vergingen zwei Jahre, während welcher Leon abwesend Eines Tages trat Leon in das Zimmer seiner Schwester. "Vielleicht erhältst Du einen Korb," gab Konstanze kalt zur "Einen Korb? O nein! Der alte Fürst hat bereits seine Ein- Märkische Blätter. Erscheinen Mittwoch und Sonnabend. ro 71.Hattingen, Sonnabend, den 4. September 1852. [Beginn Spaltensatz]
Rundschan. Berlin, 31. Aug. Verschiedene Umstände deuten darauf hin, — Se. königl. Hoheit der Prinz von Preußen, dessen Ge- — Die Verfügungen über das Zusammentreten der Provin- — Wie wir erfahren, hat noch im Laufe des gestrigen Tages Man hört, daß Seitens des Bevollmächtigten von Baiern und Nach der gestern erwähnten Liquidation der von Preußen in Paris, 31. Aug. Für heute nur in möglichster Kürze wie Die Leibeigene von Poberez. ( Fortsetzung. ) Aber die Freundlichkeit, die man ihr seither bewiesen, begann So vergingen zwei Jahre, während welcher Leon abwesend Eines Tages trat Leon in das Zimmer seiner Schwester. „Vielleicht erhältst Du einen Korb,“ gab Konstanze kalt zur „Einen Korb? O nein! Der alte Fürst hat bereits seine Ein- <TEI> <text> <front> <pb facs="#f0001"/> <titlePage xml:id="tb01" type="heading" next="#tb02"> <docTitle> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b #c #fr">Märkische Blätter.</hi> </titlePart><lb/> </docTitle> </titlePage><lb/> <cb type="start"/> <div type="jExpedition"> <p>Erscheinen <hi rendition="#g">Mittwoch</hi> und <hi rendition="#g">Sonnabend.</hi><lb/> Preis vierteljährlich 10 Sgr.<lb/><cb n="2"/> <hi rendition="#g #larger">Dritter Jahrgang</hi>.<lb/><cb n="3"/> <hi rendition="#g">Anzeigen</hi> per Petitzeile 1 Sgr.<lb/> Briefe werden franco erbeten.</p> </div><lb/> <cb type="end"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <titlePage xml:id="tb02" prev="#tb01" type="heading"> <docImprint> <hi rendition="#b"><hi rendition="#sup">ro</hi> 71.</hi> <pubPlace> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Hattingen,</hi> </hi> </pubPlace> <docDate> Sonnabend, den 4. 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Niemand, der sie so lange Zeit nicht ge-<lb/> sehen, würde sie wieder erkannt haben. So erging es auch Leon.<lb/> Es war nicht denkbar, daß er in dem Strudel unaufhörlicher Ver-<lb/> gnügungen sich des armen Bauernmädchens hätte erinnern sollen;<lb/> er aber war in Anielka's Gedächtniß geblieben, sie sah zu ihm em-<lb/> por als einem höheren Wesen, als ihrem Wohlthäter, als dem Ein-<lb/> zigen, der freundlich mit ihr gesprochen, als sie arm, verachtet und<lb/> verlassen war! Wenn ihr in einem französischen Romane ein junger<lb/> zwanzigjähriger Mann von edelm Charakter und schönem Aeußeren<lb/> aufstieß, so hieß sie ihn Leon. Die Erinnerung an den Kuß, den er<lb/> ihr gegeben, jagte stets eine flammende Röthe auf ihre Wangen,<lb/> entlockte ihr einen tiefen Seufzer.</p><lb/> <p>Eines Tages trat Leon in das Zimmer seiner Schwester.<lb/> Anielka war da und saß in einer Ecke an der Arbeit. 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Meine Zukünftige ist durchaus nicht<lb/> nach meinem Geschmack. Sie zählt dreißig Jahre, und ist so mager,<lb/> daß ich, so oft ich sie ansehe, unwillkürlich an die anatomischen Fi-<lb/> guren meines alten Hofmeisters denken muß. Aber Dank ihrem<lb/> Pariser Schneider, macht sie eine ziemlich erträgliche Figur und sieht<lb/><cb type="end"/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [0001]
Märkische Blätter.
Erscheinen Mittwoch und Sonnabend.
Preis vierteljährlich 10 Sgr.
Dritter Jahrgang.
Anzeigen per Petitzeile 1 Sgr.
Briefe werden franco erbeten.
ro 71.Hattingen, Sonnabend, den 4. September 1852.
Rundschan.
Berlin, 31. Aug. Verschiedene Umstände deuten darauf hin,
daß in den Angelegenheiten der inneren Politik in Kurzem erhebliche
Aenderungen bevorstehen. Die Auffassung der Verfassungs=Revisions-
Frage und der Frage in Betreff der Gemeinde=Ordnung werden selbst
in den höchsten Regionen nicht gebilligt. Es wird namentlich von
gutunterrichteter Seite versichert, daß der Prinz von Preußen, gewiß
der treueste Unterthan Sr. Majestät des Königs, an entscheidender
Stelle sich entschieden gegen die reactionäre Tendenz der gegenwärti-
gen inneren Politik ausgesprochen und diese als im Widerspruch mit
dem eigentlichen Berufe Preußens bezeichnet habe. Die Bedeutung
einer solchen Ansicht wird wohl Niemand unterschätzen.
— Se. königl. Hoheit der Prinz von Preußen, dessen Ge-
sundheit im Ganzen vollkommen befriedigt, ist deswegen mit seinen
höchsten Verwandten nicht von Stettin zurückgekehrt, weil die Aerzte,
in Berücksichtigung der Erschütterung, welche Se königl. Hoheit bei
dem letzten Unfall erlitt, es für nöthig befunden haben, daß der
Prinz noch einige Tage Ruhe genieße, ehe er ebenfalls die Reise nach
Berlin antritt.
— Die Verfügungen über das Zusammentreten der Provin-
zial=Landtage sind so eben getroffen. Die Landtage von Westphalen
und Sachsen werden schon am 5. September, die Landtage aller
übrigen Provinzen am 12. September eröffnet werden. Auch die
Landtagsmarschälle und Vicemarschälle sind meistens bereits ernannt;
nur für die Rheinprovinz ist weder der Landtagsmarschall noch der
Vicemarschall ernannt.
— Wie wir erfahren, hat noch im Laufe des gestrigen Tages
eine vertrauliche Besprechung zwischen den Bevollmächtigten der coa-
lirten Staaten stattgefunden.
Man hört, daß Seitens des Bevollmächtigten von Baiern und
Würtemberg die Zusage gegeben ist die Replik auf die gestern ent-
gegengenommene Erklärung möchlichst zu beschleunigen. An unterrich-
teter Stelle wird versichert, daß nur mit Hülfe dieser eine baldige
Entscheidung der Sache in Aussicht stellenden Zusage diejenige Mo-
difikation der Erklärung vom 30. welche sich in der Zulassung einer
neuen Frist darstellt, erreicht wurde. Ueber das Verhalten Baierns
in den Verhandlungen der letzten Zeit verlautet, daß dieser Staat
jetzt eine weniger schroffe Stellung einnimmt. Personen, die der Ver-
hältnisse kundig sind, schreiben diese Wandelung, abgesehen von dem
Erklärungsgrunde, welcher sich in Baierns Jnteresse an der Erhaltung
des Zollverbandes darbietet, unter Anderm auch dem in München
selbst stattgehabten Umschwunge zu, über welchen wir mehrfach An-
deutungen zu geben Gelegenheit hatten.
Nach der gestern erwähnten Liquidation der von Preußen in
Folge des Malmöer Waffenstillstandes für die übrigen deutschen Re-
gierungen gemachten Vorschüsse wegen der durch die Bundestruppen
in Jütland requirirten Naturalien soll der Gesammtbetrag sich auf
mehr als 160,000 Thlr. belaufen, wovon Preußen sich allein 50,000
Thlr. zur Last schreibt. Die noch zu erstattenden Antheile sollen un-
gefähr 100,000 Thlr. betragen. Hannover hat gegen 7000 Thlr.
auf diese Liquidation als den ihm zufallenden Antheil vergütet.
Paris, 31. Aug. Für heute nur in möglichster Kürze wie
man sich in den gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen über die Stim-
mung der großen Mächte in Betreff des Kaiserreichs ausläßt. Die
Regierung scheint der Beipflichtung Oesterreichs zur Herstellung des
Kaiserreichs ganz gewiß zu sein; das Wiener Cabinet soll nicht nur
nichts gegen dieselbe einzuwenden, sondern sie als einen Akt der Noth-
wendigkeit gewünscht haben. Es sei ihm vor allen Dingen darum
zu thun, daß die Republik in Frankreich bis auf den Namen ver-
schwinde. Das russische Cabinet, wird versichert, ist in der jüngsten
Zeit viel zugänglicher geworden, so daß man von seiner Seite eben
so wenig, wie von Seiten Englands nachhaltige Schwierigkeiten zu
fürchten habe. Preußen dagegen wird als Stein des Anstoßes be-
trachtet. Die persönliche Abneigung des Königs gegen den Präsidenten
der Republik haben sich nie so deutlich kundgegeben, als gerade in
der letzten Zeit. Es versteht sich von selbst, daß ich nicht die Bürg-
schaft übernehme für die Richtigkeit dieser Angaben.
Die Leibeigene von Poberez.
( Fortsetzung. )
Aber die Freundlichkeit, die man ihr seither bewiesen, begann
wieder etwas nachzulassen. Leon hatte in Begleitung seines alten
Hofmeisters und eines Busenfreundes, der ebenso jung, so fröhlich
und so gedankenlos wie er selbst war, eine große Reise angetreten.
So vergingen zwei Jahre, während welcher Leon abwesend
war. Als er zurückkehrte, zählte Anielka siebzehn Jahre und war
groß und schön geworden. Niemand, der sie so lange Zeit nicht ge-
sehen, würde sie wieder erkannt haben. So erging es auch Leon.
Es war nicht denkbar, daß er in dem Strudel unaufhörlicher Ver-
gnügungen sich des armen Bauernmädchens hätte erinnern sollen;
er aber war in Anielka's Gedächtniß geblieben, sie sah zu ihm em-
por als einem höheren Wesen, als ihrem Wohlthäter, als dem Ein-
zigen, der freundlich mit ihr gesprochen, als sie arm, verachtet und
verlassen war! Wenn ihr in einem französischen Romane ein junger
zwanzigjähriger Mann von edelm Charakter und schönem Aeußeren
aufstieß, so hieß sie ihn Leon. Die Erinnerung an den Kuß, den er
ihr gegeben, jagte stets eine flammende Röthe auf ihre Wangen,
entlockte ihr einen tiefen Seufzer.
Eines Tages trat Leon in das Zimmer seiner Schwester.
Anielka war da und saß in einer Ecke an der Arbeit. Mit Leon
selbst war eine große Beränderung vor sich gegangen, aus einem
Knaben war er ein Mann geworden. „Du wirst wohl schon ge-
hört haben, Konstanze,“ sprach er, „was für ein guter Junge ich
bin, und mit welcher Gefügigkeit ich mich dem Ehejoche, das der
Graf und die Gräfin für mich ausgesucht haben, zu unterwerfen ge-
willt bin?“ — Dabei begann er zu pfeifen und einige Schritte
Mazurka zu tanzen.
„Vielleicht erhältst Du einen Korb,“ gab Konstanze kalt zur
Antwort.
„Einen Korb? O nein! Der alte Fürst hat bereits seine Ein-
willigung gegeben, und was seine Tochter betrifft, so ist sie zum
Rasendwerden in mich verliebt. Sieh nur einmal diesen Schnurr-
bart an, giebt es etwas Unwiderstehlicheres auf dieser Welt?“ — er
sah in den Spiegel und drehte den Bart zwischen den Fingern; dann
fuhr er in einem ernsteren Tone fort: „Aufrichtig gestanden, ich er-
wiederte ihre Liebe nicht sehr. Meine Zukünftige ist durchaus nicht
nach meinem Geschmack. Sie zählt dreißig Jahre, und ist so mager,
daß ich, so oft ich sie ansehe, unwillkürlich an die anatomischen Fi-
guren meines alten Hofmeisters denken muß. Aber Dank ihrem
Pariser Schneider, macht sie eine ziemlich erträgliche Figur und sieht
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