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Märkische Blätter. Jahrgang 4, Nr. 71. Hattingen, 4. September 1852.

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[Beginn Spaltensatz] in einem Kaschemir nicht übel aus. Du weist, ich lege das Haupt-
gewicht da auf, daß das Weib eine imponirende Haltung habe, und
kümmere mich nichts um Liebe. Jch finde, daß es von keinem gu-
ten Ton zeugt, wenn man sich liebt, daß die Liebe überhaupt nur
in der aufgeregten Einbildungskraft der Dichter lebt."

"Du irrst, es gibt in der That hie und da Leute, die sich lie-
ben," erwiderte die Schwester.

"Hie und da?" wiederholte Anielka unhörbar. Dieses Gespräch
hatte sie schmerzlich berührt, sie wußte nicht warum. Jhr Herz
schlug heftig, ihr Antlitz glühte, sie sah lieblicher als je aus.

"Vielleicht. Wir behaupten natürlich, jedes hübsche Weib an-
zubeten," setzte Leon nachlässig hinzu. "Aber, meine liebe Schwester,
was für ein reizendes Kammermädchen hast Du da?" Er näherte
sich dem Winkel, wo Anielka saß und beugte sich mit einem rohen
familiärem Lächeln zu ihr herab. Anielka, obwohl Leibeigene, fand
keinen Gefallen daran und begegnete ihm mit einem Blick voll
Würde. Als aber ihre Augen das schöne Antlitz das schöne Antlitz
des Jünglings trafen. erhob sich das Gefühl, welches still und all-
mählig in ihrem jungen und unerfahrenen Herzen gewachsen war,
mit siegender Gewalt über ihren hohen Stolz und ihren Zorn.
Lebhaft wünschte sie, eine gewisse Erinnerung in Leon wieder zu er-
wecken, und fast unwillkürlich griff sie nach der kleinen Börse, die
noch immer um ihren Nacken hing. Sie nahm den Rubel heraus,
den er ihr gegeben.

"Schau!" rief Leon lachend, "welch' ein drolliges Ding, wie
stolz sie auf ihren Reichthum ist. Nun, mein Mädchen, Du bist eine
Person von Vermögen, Eigenthümerin eines ganzen Rubels."

"Jch hoffe, sie ist in Ehren dazugekommen," sagte die alte
Gräfin, die eben in das Zimmer trat.

Diese Anspielung erfüllte Anielka so sehr mit Scham und Zorn,
daß sie eine Zeitlang schweigend dasaß. Sie steckte das Geld rasch
wieder in die Börse. Mit bitterm Schmerz erkannte sie, daß jene
wenigen glücklichen Momente, welche sich so unauslöslich in ihr Ge-
dächtniß gegraben hatten, von Leon gänzlich vergessen worden waren.
Da sie jedoch sah, wie Alle sie forschend anschauten, stammelte sie
endlich, um sich zu rechtfertigen: "Erinnern Sie sich nicht mehr,
Herr Leon, daß Sie mir selbst vor zwei Jahren im Garten dies
Geldstück schenkten?"

"Das ist merkwürdig!" rief Leon lachend, "glaubst Du, ich
foll mich all der hübschen Mädchen erinnern, denen ich einmal Geld
schenkte? Doch ich glaube, Du hast Recht, sonst würdest Du diesen
unglücklichen Rubel nicht wie eine heilige Reliquie aufbewahrt haben.
Du solltest aber nicht so filzig sein, mein Kind; das Geld ist dazu
gemacht, daß man es ausgiebt."

"Jch bitte Dich, mache Deine Spässe anderswo," sagte Kon-
stanze ungeduldig. "Jch liebe dieses Mädchen, und will nicht, daß
man es plage, Anielka versteht sich besser als irgend Eine auf meine
Angelegenheiten und versetzt mich oft durch ihre schöne Stimme in
gute Laune."

"So singe mir etwas, mein hübsches Jungferchen," sagte Leon,
"und ich will Dir wieder einen Rubel schenken, und zwar einen
neuen, glänzenden."

"Sing augenblicklich," befahl Konstanze.

Bei diesem Befehl konnte Anielka ihren Schmerz nicht län-
ger bezwingen; sie bedeckte ihr Antlitz mit beiden Händen und weinte
heftig.

"Warum weinst Du?" fragte ihre Herrin ungeduldig. "Jch
kann das nicht hören; thue, wie ich Dir befohlen."

Mochte es nun die Gewohnheit eines slavischen Gehorsams,
oder das Resultat eines starken Selbstgefühls sein, Anielka hörte
augenblicklich zu weinen auf. Es gab eine kleine Pause, während
welcher die alte Gräfin brummend das Zimmer verließ. Anielka
wählte die Hymne an die Jungfrau, die sie damals im Garten ge-
sungen, und betete inbrünstig, während sie sang; sie bat um Frieden,
um Befreiung von den herben Gefühlen, die in ihr erweckt worden
waren. Jhr Ernst gab der Melodie eine Kraft des Ausdrucks, die
ihre Hörer ergriff. Als sie geendet, blieben jene eine Weile stumm.
Leon ging, die Arme über die Brust gekreuzt, auf und nieder. War
es Mitleid mit der jungen Leibeigenen? oder eine andere zärtlichere
Empfindung, was ihn so ernst stimmte? Wir werden gleich sehen.

[Spaltenumbruch]

"Meine liebe Konstanze," begann er, indem er plötzlich vor
seiner Schwester stehen blieb und ihr die Hand küßte, "willst Du
mir einen Gefallen thun?"

Konstanze schaute ihrem Bruder fragend in's Gesicht, ohne
eine Antwort zu geben.

"Schenke mir das Mädchen."

"Unmöglich!"

"Es ist mir vollkommen Ernst," fuhr Leon fort, "ich wünsche
meiner künftigen Gemahlin ein Präsent mit ihr zu machen. Die
Privatkapelle ihres Vaters, des Fürsten, bedarf eines Sopran-
solos."

"Jch werde sie Dir nicht geben," erwiderte Konstanze.

"Jch will sie nicht geschenkt, sondern gegen etwas Anderes
eintauschen. Jch will Dir dafür einen prächtigen, kohlschwarzen
jungen Neger geben. Die Damen in St. Petersburg und Paris
waren wie wüthend auf ihn, aber ich blieb unerbittlich; ich schlug
ihn selbst meiner Fürstin halb und halb ab."

"Nein, nein," erwiderte Konstanze, "ich würde ohne dieses
Mädchen zu verlassen sein; ich bin so an sie gewöhnt."

"Unsinn! Du kannst doch Bauernmädchen Dutzendweise haben;
wo aber bekommst Du einen schwarzen Pagen, mit Zähnen weißer
wie Elfenbein und reiner als Perlen; ein vollkommenes Original in
seiner Art? Du kannst unmöglich widerstehen. Die halbe Provinz
wird vor Neid sterben. Eben jetzt ist nichts so sehr in der Mode,
als einen Neger zum Diener zu haben, und der Deinige wird der
erste sein, den unsere Provinz zu Gesichte bekommt."

Dieser Beweis war allerdings nicht umzustoßen. "Gut," ver-
setzte Konstanze, "wann willst Du sie haben?"

"Sogleich; heute Abend um fünf Uhr," sagte Leon, indem er
voll Freude das Zimmer verließ.

Das war also das Resultat seines Wiederkommens -- das
Resultat der Hymne Anielka's an die Jungfrau! Konstanze befahl
ihr, sich zur Abreise vorzubereiten und gab dabei so wenig Empfin-
dung kund, wie wenn sie einen Schooßhund ausgetauscht oder einen
Papagei abgegeben hätte.

Anielka gehorchte schweigend. Jhr Herz war übervoll. Sie
ging nach dem Garten, um dort ungesehen weinen und sich erleichtern
zu können. Die eine Hand gegen den brennende Kopf, die andere
fest wider das Herz gepreßt, um ihr Schluchzen zu ersticken, wandelte
sie mechanisch fort, bis nach dem Ufer des Baches. Rasch griff sie
jetzt nach ihrer Börse, um den Rubel in das Wasser zu schleudern,
aber eben so schnell zog sie die Hand wieder zurück, denn sie konnte
es nicht über's Herz bringen, sich von ihrem Schatze zu trennen.
Es war ihr, als ob sie ohne ihn noch verwaister wäre. Bitterlich
weinend lehnte sie sich an einen Baum, der schon einmal Zeuge ih-
rer Thränen gewesen war. Allmählich machte die stürmische Leiden-
schaft in ihrem Jnnern einer ruhigen Ueberlegung Platz, Heute sollte
sie von hier fort, sie sollte unter einem andern Dache wohnen, einer
andern Gebieterin dienen. Demüthigung! überall Demüthigung!
Aber diese brachte wenigstens einigen Wechsel in ihr Leben. Als sie
dies bedachte, eilte sie rasch nach dem Schlosse zurück, um nicht am
letzten Tage ihrer hiesigen Knechtschaft den Zorn ihrer jungen Her-
rin auf sich zu laden.     ( Fortsetzung folgt. )



Vermischtes.

-- Geistesgegenwart. Jm Danziger Werder war bei
einem Mennoniten, der seiner Kaltblütigkeit wegen bekannt ist, ein
Dieb eingebrochen und mit einem Dolche bewaffnet an das Bett des
Besitzers, der allein schlief, getreten. Unter der Drohung, ihn zu er-
morden, wollte er wissen, wo jener sein Geld liegen habe. Der Men-
nonit bemerkte ihm hierauf, er werde es so doch nicht finden, er sel-
ber wolle es ihm aber zeigen, wenn ihm kein Leid angethan würde.
Darauf kleidete er sich ruhig an, geht mit dem Diebe durch mehrere
Zimmer, öffnet dann einen Schrank, nimmt aus demselben ein paar
Pistolen und hält sie dem Diebe mit den Worten auf die Brust:
"Ut welkem Büdel beleewt em?"

-- Der Herr Polizeipräsident in Berlin ist so gut
und schnell bedient wie kein College in der Welt. Alle Eisenbahn-
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] in einem Kaschemir nicht übel aus. Du weist, ich lege das Haupt-
gewicht da auf, daß das Weib eine imponirende Haltung habe, und
kümmere mich nichts um Liebe. Jch finde, daß es von keinem gu-
ten Ton zeugt, wenn man sich liebt, daß die Liebe überhaupt nur
in der aufgeregten Einbildungskraft der Dichter lebt.“

„Du irrst, es gibt in der That hie und da Leute, die sich lie-
ben,“ erwiderte die Schwester.

„Hie und da?“ wiederholte Anielka unhörbar. Dieses Gespräch
hatte sie schmerzlich berührt, sie wußte nicht warum. Jhr Herz
schlug heftig, ihr Antlitz glühte, sie sah lieblicher als je aus.

„Vielleicht. Wir behaupten natürlich, jedes hübsche Weib an-
zubeten,“ setzte Leon nachlässig hinzu. „Aber, meine liebe Schwester,
was für ein reizendes Kammermädchen hast Du da?“ Er näherte
sich dem Winkel, wo Anielka saß und beugte sich mit einem rohen
familiärem Lächeln zu ihr herab. Anielka, obwohl Leibeigene, fand
keinen Gefallen daran und begegnete ihm mit einem Blick voll
Würde. Als aber ihre Augen das schöne Antlitz das schöne Antlitz
des Jünglings trafen. erhob sich das Gefühl, welches still und all-
mählig in ihrem jungen und unerfahrenen Herzen gewachsen war,
mit siegender Gewalt über ihren hohen Stolz und ihren Zorn.
Lebhaft wünschte sie, eine gewisse Erinnerung in Leon wieder zu er-
wecken, und fast unwillkürlich griff sie nach der kleinen Börse, die
noch immer um ihren Nacken hing. Sie nahm den Rubel heraus,
den er ihr gegeben.

„Schau!“ rief Leon lachend, „welch' ein drolliges Ding, wie
stolz sie auf ihren Reichthum ist. Nun, mein Mädchen, Du bist eine
Person von Vermögen, Eigenthümerin eines ganzen Rubels.“

„Jch hoffe, sie ist in Ehren dazugekommen,“ sagte die alte
Gräfin, die eben in das Zimmer trat.

Diese Anspielung erfüllte Anielka so sehr mit Scham und Zorn,
daß sie eine Zeitlang schweigend dasaß. Sie steckte das Geld rasch
wieder in die Börse. Mit bitterm Schmerz erkannte sie, daß jene
wenigen glücklichen Momente, welche sich so unauslöslich in ihr Ge-
dächtniß gegraben hatten, von Leon gänzlich vergessen worden waren.
Da sie jedoch sah, wie Alle sie forschend anschauten, stammelte sie
endlich, um sich zu rechtfertigen: „Erinnern Sie sich nicht mehr,
Herr Leon, daß Sie mir selbst vor zwei Jahren im Garten dies
Geldstück schenkten?“

„Das ist merkwürdig!“ rief Leon lachend, „glaubst Du, ich
foll mich all der hübschen Mädchen erinnern, denen ich einmal Geld
schenkte? Doch ich glaube, Du hast Recht, sonst würdest Du diesen
unglücklichen Rubel nicht wie eine heilige Reliquie aufbewahrt haben.
Du solltest aber nicht so filzig sein, mein Kind; das Geld ist dazu
gemacht, daß man es ausgiebt.“

„Jch bitte Dich, mache Deine Spässe anderswo,“ sagte Kon-
stanze ungeduldig. „Jch liebe dieses Mädchen, und will nicht, daß
man es plage, Anielka versteht sich besser als irgend Eine auf meine
Angelegenheiten und versetzt mich oft durch ihre schöne Stimme in
gute Laune.“

„So singe mir etwas, mein hübsches Jungferchen,“ sagte Leon,
„und ich will Dir wieder einen Rubel schenken, und zwar einen
neuen, glänzenden.“

„Sing augenblicklich,“ befahl Konstanze.

Bei diesem Befehl konnte Anielka ihren Schmerz nicht län-
ger bezwingen; sie bedeckte ihr Antlitz mit beiden Händen und weinte
heftig.

„Warum weinst Du?“ fragte ihre Herrin ungeduldig. „Jch
kann das nicht hören; thue, wie ich Dir befohlen.“

Mochte es nun die Gewohnheit eines slavischen Gehorsams,
oder das Resultat eines starken Selbstgefühls sein, Anielka hörte
augenblicklich zu weinen auf. Es gab eine kleine Pause, während
welcher die alte Gräfin brummend das Zimmer verließ. Anielka
wählte die Hymne an die Jungfrau, die sie damals im Garten ge-
sungen, und betete inbrünstig, während sie sang; sie bat um Frieden,
um Befreiung von den herben Gefühlen, die in ihr erweckt worden
waren. Jhr Ernst gab der Melodie eine Kraft des Ausdrucks, die
ihre Hörer ergriff. Als sie geendet, blieben jene eine Weile stumm.
Leon ging, die Arme über die Brust gekreuzt, auf und nieder. War
es Mitleid mit der jungen Leibeigenen? oder eine andere zärtlichere
Empfindung, was ihn so ernst stimmte? Wir werden gleich sehen.

[Spaltenumbruch]

„Meine liebe Konstanze,“ begann er, indem er plötzlich vor
seiner Schwester stehen blieb und ihr die Hand küßte, „willst Du
mir einen Gefallen thun?“

Konstanze schaute ihrem Bruder fragend in's Gesicht, ohne
eine Antwort zu geben.

„Schenke mir das Mädchen.“

„Unmöglich!“

„Es ist mir vollkommen Ernst,“ fuhr Leon fort, „ich wünsche
meiner künftigen Gemahlin ein Präsent mit ihr zu machen. Die
Privatkapelle ihres Vaters, des Fürsten, bedarf eines Sopran-
solos.“

„Jch werde sie Dir nicht geben,“ erwiderte Konstanze.

„Jch will sie nicht geschenkt, sondern gegen etwas Anderes
eintauschen. Jch will Dir dafür einen prächtigen, kohlschwarzen
jungen Neger geben. Die Damen in St. Petersburg und Paris
waren wie wüthend auf ihn, aber ich blieb unerbittlich; ich schlug
ihn selbst meiner Fürstin halb und halb ab.“

„Nein, nein,“ erwiderte Konstanze, „ich würde ohne dieses
Mädchen zu verlassen sein; ich bin so an sie gewöhnt.“

„Unsinn! Du kannst doch Bauernmädchen Dutzendweise haben;
wo aber bekommst Du einen schwarzen Pagen, mit Zähnen weißer
wie Elfenbein und reiner als Perlen; ein vollkommenes Original in
seiner Art? Du kannst unmöglich widerstehen. Die halbe Provinz
wird vor Neid sterben. Eben jetzt ist nichts so sehr in der Mode,
als einen Neger zum Diener zu haben, und der Deinige wird der
erste sein, den unsere Provinz zu Gesichte bekommt.“

Dieser Beweis war allerdings nicht umzustoßen. „Gut,“ ver-
setzte Konstanze, „wann willst Du sie haben?“

„Sogleich; heute Abend um fünf Uhr,“ sagte Leon, indem er
voll Freude das Zimmer verließ.

Das war also das Resultat seines Wiederkommens — das
Resultat der Hymne Anielka's an die Jungfrau! Konstanze befahl
ihr, sich zur Abreise vorzubereiten und gab dabei so wenig Empfin-
dung kund, wie wenn sie einen Schooßhund ausgetauscht oder einen
Papagei abgegeben hätte.

Anielka gehorchte schweigend. Jhr Herz war übervoll. Sie
ging nach dem Garten, um dort ungesehen weinen und sich erleichtern
zu können. Die eine Hand gegen den brennende Kopf, die andere
fest wider das Herz gepreßt, um ihr Schluchzen zu ersticken, wandelte
sie mechanisch fort, bis nach dem Ufer des Baches. Rasch griff sie
jetzt nach ihrer Börse, um den Rubel in das Wasser zu schleudern,
aber eben so schnell zog sie die Hand wieder zurück, denn sie konnte
es nicht über's Herz bringen, sich von ihrem Schatze zu trennen.
Es war ihr, als ob sie ohne ihn noch verwaister wäre. Bitterlich
weinend lehnte sie sich an einen Baum, der schon einmal Zeuge ih-
rer Thränen gewesen war. Allmählich machte die stürmische Leiden-
schaft in ihrem Jnnern einer ruhigen Ueberlegung Platz, Heute sollte
sie von hier fort, sie sollte unter einem andern Dache wohnen, einer
andern Gebieterin dienen. Demüthigung! überall Demüthigung!
Aber diese brachte wenigstens einigen Wechsel in ihr Leben. Als sie
dies bedachte, eilte sie rasch nach dem Schlosse zurück, um nicht am
letzten Tage ihrer hiesigen Knechtschaft den Zorn ihrer jungen Her-
rin auf sich zu laden.     ( Fortsetzung folgt. )



Vermischtes.

Geistesgegenwart. Jm Danziger Werder war bei
einem Mennoniten, der seiner Kaltblütigkeit wegen bekannt ist, ein
Dieb eingebrochen und mit einem Dolche bewaffnet an das Bett des
Besitzers, der allein schlief, getreten. Unter der Drohung, ihn zu er-
morden, wollte er wissen, wo jener sein Geld liegen habe. Der Men-
nonit bemerkte ihm hierauf, er werde es so doch nicht finden, er sel-
ber wolle es ihm aber zeigen, wenn ihm kein Leid angethan würde.
Darauf kleidete er sich ruhig an, geht mit dem Diebe durch mehrere
Zimmer, öffnet dann einen Schrank, nimmt aus demselben ein paar
Pistolen und hält sie dem Diebe mit den Worten auf die Brust:
„Ut welkem Büdel beleewt em?“

Der Herr Polizeipräsident in Berlin ist so gut
und schnell bedient wie kein College in der Welt. Alle Eisenbahn-
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[0002] in einem Kaschemir nicht übel aus. Du weist, ich lege das Haupt- gewicht da auf, daß das Weib eine imponirende Haltung habe, und kümmere mich nichts um Liebe. Jch finde, daß es von keinem gu- ten Ton zeugt, wenn man sich liebt, daß die Liebe überhaupt nur in der aufgeregten Einbildungskraft der Dichter lebt.“ „Du irrst, es gibt in der That hie und da Leute, die sich lie- ben,“ erwiderte die Schwester. „Hie und da?“ wiederholte Anielka unhörbar. Dieses Gespräch hatte sie schmerzlich berührt, sie wußte nicht warum. Jhr Herz schlug heftig, ihr Antlitz glühte, sie sah lieblicher als je aus. „Vielleicht. Wir behaupten natürlich, jedes hübsche Weib an- zubeten,“ setzte Leon nachlässig hinzu. „Aber, meine liebe Schwester, was für ein reizendes Kammermädchen hast Du da?“ Er näherte sich dem Winkel, wo Anielka saß und beugte sich mit einem rohen familiärem Lächeln zu ihr herab. Anielka, obwohl Leibeigene, fand keinen Gefallen daran und begegnete ihm mit einem Blick voll Würde. Als aber ihre Augen das schöne Antlitz das schöne Antlitz des Jünglings trafen. erhob sich das Gefühl, welches still und all- mählig in ihrem jungen und unerfahrenen Herzen gewachsen war, mit siegender Gewalt über ihren hohen Stolz und ihren Zorn. Lebhaft wünschte sie, eine gewisse Erinnerung in Leon wieder zu er- wecken, und fast unwillkürlich griff sie nach der kleinen Börse, die noch immer um ihren Nacken hing. Sie nahm den Rubel heraus, den er ihr gegeben. „Schau!“ rief Leon lachend, „welch' ein drolliges Ding, wie stolz sie auf ihren Reichthum ist. Nun, mein Mädchen, Du bist eine Person von Vermögen, Eigenthümerin eines ganzen Rubels.“ „Jch hoffe, sie ist in Ehren dazugekommen,“ sagte die alte Gräfin, die eben in das Zimmer trat. Diese Anspielung erfüllte Anielka so sehr mit Scham und Zorn, daß sie eine Zeitlang schweigend dasaß. Sie steckte das Geld rasch wieder in die Börse. Mit bitterm Schmerz erkannte sie, daß jene wenigen glücklichen Momente, welche sich so unauslöslich in ihr Ge- dächtniß gegraben hatten, von Leon gänzlich vergessen worden waren. Da sie jedoch sah, wie Alle sie forschend anschauten, stammelte sie endlich, um sich zu rechtfertigen: „Erinnern Sie sich nicht mehr, Herr Leon, daß Sie mir selbst vor zwei Jahren im Garten dies Geldstück schenkten?“ „Das ist merkwürdig!“ rief Leon lachend, „glaubst Du, ich foll mich all der hübschen Mädchen erinnern, denen ich einmal Geld schenkte? Doch ich glaube, Du hast Recht, sonst würdest Du diesen unglücklichen Rubel nicht wie eine heilige Reliquie aufbewahrt haben. Du solltest aber nicht so filzig sein, mein Kind; das Geld ist dazu gemacht, daß man es ausgiebt.“ „Jch bitte Dich, mache Deine Spässe anderswo,“ sagte Kon- stanze ungeduldig. „Jch liebe dieses Mädchen, und will nicht, daß man es plage, Anielka versteht sich besser als irgend Eine auf meine Angelegenheiten und versetzt mich oft durch ihre schöne Stimme in gute Laune.“ „So singe mir etwas, mein hübsches Jungferchen,“ sagte Leon, „und ich will Dir wieder einen Rubel schenken, und zwar einen neuen, glänzenden.“ „Sing augenblicklich,“ befahl Konstanze. Bei diesem Befehl konnte Anielka ihren Schmerz nicht län- ger bezwingen; sie bedeckte ihr Antlitz mit beiden Händen und weinte heftig. „Warum weinst Du?“ fragte ihre Herrin ungeduldig. „Jch kann das nicht hören; thue, wie ich Dir befohlen.“ Mochte es nun die Gewohnheit eines slavischen Gehorsams, oder das Resultat eines starken Selbstgefühls sein, Anielka hörte augenblicklich zu weinen auf. Es gab eine kleine Pause, während welcher die alte Gräfin brummend das Zimmer verließ. Anielka wählte die Hymne an die Jungfrau, die sie damals im Garten ge- sungen, und betete inbrünstig, während sie sang; sie bat um Frieden, um Befreiung von den herben Gefühlen, die in ihr erweckt worden waren. Jhr Ernst gab der Melodie eine Kraft des Ausdrucks, die ihre Hörer ergriff. Als sie geendet, blieben jene eine Weile stumm. Leon ging, die Arme über die Brust gekreuzt, auf und nieder. War es Mitleid mit der jungen Leibeigenen? oder eine andere zärtlichere Empfindung, was ihn so ernst stimmte? Wir werden gleich sehen. „Meine liebe Konstanze,“ begann er, indem er plötzlich vor seiner Schwester stehen blieb und ihr die Hand küßte, „willst Du mir einen Gefallen thun?“ Konstanze schaute ihrem Bruder fragend in's Gesicht, ohne eine Antwort zu geben. „Schenke mir das Mädchen.“ „Unmöglich!“ „Es ist mir vollkommen Ernst,“ fuhr Leon fort, „ich wünsche meiner künftigen Gemahlin ein Präsent mit ihr zu machen. Die Privatkapelle ihres Vaters, des Fürsten, bedarf eines Sopran- solos.“ „Jch werde sie Dir nicht geben,“ erwiderte Konstanze. „Jch will sie nicht geschenkt, sondern gegen etwas Anderes eintauschen. Jch will Dir dafür einen prächtigen, kohlschwarzen jungen Neger geben. Die Damen in St. Petersburg und Paris waren wie wüthend auf ihn, aber ich blieb unerbittlich; ich schlug ihn selbst meiner Fürstin halb und halb ab.“ „Nein, nein,“ erwiderte Konstanze, „ich würde ohne dieses Mädchen zu verlassen sein; ich bin so an sie gewöhnt.“ „Unsinn! Du kannst doch Bauernmädchen Dutzendweise haben; wo aber bekommst Du einen schwarzen Pagen, mit Zähnen weißer wie Elfenbein und reiner als Perlen; ein vollkommenes Original in seiner Art? Du kannst unmöglich widerstehen. Die halbe Provinz wird vor Neid sterben. Eben jetzt ist nichts so sehr in der Mode, als einen Neger zum Diener zu haben, und der Deinige wird der erste sein, den unsere Provinz zu Gesichte bekommt.“ Dieser Beweis war allerdings nicht umzustoßen. „Gut,“ ver- setzte Konstanze, „wann willst Du sie haben?“ „Sogleich; heute Abend um fünf Uhr,“ sagte Leon, indem er voll Freude das Zimmer verließ. Das war also das Resultat seines Wiederkommens — das Resultat der Hymne Anielka's an die Jungfrau! Konstanze befahl ihr, sich zur Abreise vorzubereiten und gab dabei so wenig Empfin- dung kund, wie wenn sie einen Schooßhund ausgetauscht oder einen Papagei abgegeben hätte. Anielka gehorchte schweigend. Jhr Herz war übervoll. Sie ging nach dem Garten, um dort ungesehen weinen und sich erleichtern zu können. Die eine Hand gegen den brennende Kopf, die andere fest wider das Herz gepreßt, um ihr Schluchzen zu ersticken, wandelte sie mechanisch fort, bis nach dem Ufer des Baches. Rasch griff sie jetzt nach ihrer Börse, um den Rubel in das Wasser zu schleudern, aber eben so schnell zog sie die Hand wieder zurück, denn sie konnte es nicht über's Herz bringen, sich von ihrem Schatze zu trennen. Es war ihr, als ob sie ohne ihn noch verwaister wäre. Bitterlich weinend lehnte sie sich an einen Baum, der schon einmal Zeuge ih- rer Thränen gewesen war. Allmählich machte die stürmische Leiden- schaft in ihrem Jnnern einer ruhigen Ueberlegung Platz, Heute sollte sie von hier fort, sie sollte unter einem andern Dache wohnen, einer andern Gebieterin dienen. Demüthigung! überall Demüthigung! Aber diese brachte wenigstens einigen Wechsel in ihr Leben. Als sie dies bedachte, eilte sie rasch nach dem Schlosse zurück, um nicht am letzten Tage ihrer hiesigen Knechtschaft den Zorn ihrer jungen Her- rin auf sich zu laden. ( Fortsetzung folgt. ) Vermischtes. — Geistesgegenwart. Jm Danziger Werder war bei einem Mennoniten, der seiner Kaltblütigkeit wegen bekannt ist, ein Dieb eingebrochen und mit einem Dolche bewaffnet an das Bett des Besitzers, der allein schlief, getreten. Unter der Drohung, ihn zu er- morden, wollte er wissen, wo jener sein Geld liegen habe. Der Men- nonit bemerkte ihm hierauf, er werde es so doch nicht finden, er sel- ber wolle es ihm aber zeigen, wenn ihm kein Leid angethan würde. Darauf kleidete er sich ruhig an, geht mit dem Diebe durch mehrere Zimmer, öffnet dann einen Schrank, nimmt aus demselben ein paar Pistolen und hält sie dem Diebe mit den Worten auf die Brust: „Ut welkem Büdel beleewt em?“ — Der Herr Polizeipräsident in Berlin ist so gut und schnell bedient wie kein College in der Welt. Alle Eisenbahn-

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Zitationshilfe: Märkische Blätter. Jahrgang 4, Nr. 71. Hattingen, 4. September 1852, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maerkische071_1852/2>, abgerufen am 23.11.2024.