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Mainzer Journal. Nr. 8. Mainz, 22. Juni 1848.

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Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 8. Freitag, den 23. Juni. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.
Reichstag.

# Frankfurt 21. Juni. Die heutige Sitzung der National-
versammlung begann mit einer durch Herrn von Beisler vor-
getragenen Berichterstattung über die böhmische Frage. Es wurde
zur Tagesordnung übergegangen und sofort die Errichtung einer
provisorischen Centralgewalt weiter discutirt. Degenkolb be-
kannte sich der Gesinnung nach als Republikaner, fürchtet aber
den Bürgerkrieg, weßhalb er vorschlägt, die Nationalversamm-
lung solle einen kräftigen Präsidenten ernennen, zu dessen Bestä-
tigung den Regierungen eine ( Galgen= ) Frist bewilliget wird.
Jordan beginnt wieder in seinem Lieblingsstyl: "und Brutus
ist ein braver Mann" -- zu schwatzen über Archimedes und Re-
publik, daß keine Wunder mehr geschehen und dennoch Gespenster
auftreten. Nennt den Commissionsvorschlag eine "ungeheuerliche
Mißgeburt von Absolutismus und Anarchie." Beleidigende Aus-
drücke verschaffen ihm eine Zurechtweisung. Sofort eröffnet er
eine Polemik gegen Bassermann und Beckerath und wird zum
Staunen Vieler ein Lobredner der ausgezeichneten Tüchtigkeit des
Talentes des Herrn von Radowitz, mit dem er aber keineswegs
einverstanden ist. Den Bundestag will er mit Stumpf und Stiel
ausgerottet wissen. Unser Beruf sey, den Geist der Revolution
zu klären und compact zu machen. Wir seyen nicht nur die Ver-
treter des Volkes, sondern auch der Regierungen. Er prophezeit
die Kosacken an den Rhein und einen Despoten des Schwertes,
lehnt jedoch den Beruf eines Propheten von sich ab. Das repu-
blikanische Salz liefert er in dem Spruch: quod medicamentum
non sanat, ferrum sanat
. Flottwell spricht für den Antrag,
nimmt den Bundestag in Schutz und will die Frage über Krieg
und Frieden der provisorischen Regierung überlassen wissen. Von
Lindenau hat einen eigenen vermittelnden Antrag und lobt
überhaupt die mittleren Resultate. Eisenstuck bekennt sich zum
Standpunct der "Wahrheit," stützt sich auf das Bestehende, um
aufzubauen auf dem Grund der Märztage und des Vorparlaments,
auf durchaus legitimem Boden. Jst für den Blum'schen Vorschlag
und gegen jenen der Commission. Von Möring zeigt, daß die
Bedingungen, unter welchen eine nordamerikanische Republik
möglich geworden, bei uns durchaus fehlen. Er verlangt, daß
drei Männer aus fürstlichen Häusern mit der Reichsstatthalterei
betraut werden. Schaffrath nimmt einen neuen Anlauf,
seine eigene Partei zu ruiniren. Er zeigt, wie man mittelst Jdeen,
die übrigens sehr handgreiflich sind, Revolutionen machen könne.
Wenn Gründe nicht helfen, werde er zur gesetzlichen Agitation
greifen und die Selbstständigkeit seines kleinen Vaterlandes ( Sach-
sen ) nicht hingeben. Schoder hat einen eigenen Antrag: nur
Einer soll herrschen, der aber über Ungesetzlichkeiten verant-
wortlich ist. Die Nationalversammlung ernennt, die Regie-
rungen bestätigen. Unterstützt wurde er später vou Claussen
in einer eintönigen, äußerst langweiligen Rede, worin die
Republik für zeitgemäß und auch der Commissionsantrag als
republikanisirend bezeichnet wird. Beisler stellt sich auf den
Standpunkt innerhalb der Schranken des Gesetzes, züchtiget die
aufbrausende Fortschrittspartei, stimmt im Wesentlichen mit Mö-
ring und behauptet, daß sein Mandat ihm nicht erlaube, sich als
den 600. Theil der deutschen Regierungsomnipotenz zu geriren.
v. Vinke liefert eine meisterhafte, freilich aphoristische Recen-
sion der seitherigen Kraftstellen der Linken; er selbst will Einen
Reichsstatthalter von fürstlichem Geschlecht ( Hindeutung auf den
Prinzen Johann von Oesterreich ) , zu ernennen von den Regier-
ungen. v. Auerswald erklärt sich für den Commissionsantrag.
-- Die meisten Redner haben wieder zu viele Worte gemacht;
doch ist anzuerkennen, daß kaum Einer sich ermüdet zeigte. Das
Schlimmste ist, daß zu viel recensirt wird. Bei Alledem aber
wird die Sache gehörig aufgeklärt und ein befriedigendes Resul-
tat vorbereitet. Die nächste Sitzung wird morgen Nachmittag um
4 Uhr statt haben, indem auf den Vorschlag des Präsidenten den
Katholiken vergönnt wurde, des Vormittags ihren kirchlichen
Pflichten nachzukommen.

Prag 18. Juni. ( 11 Uhr. ) Prag hat sich ergeben!
Gestern um 9 Uhr endlich wurde eine Vereinigung bekannt, wo-
nach Fürst Windisch=Grätz und Graf Thun abdanken, an ihrer
Stelle aber Mensdorff und Klecansky treten, ferner die
[Spaltenumbruch] Grenadiere und die Artillerie Prag gänzlich verlassen, dagegen
aber das Regiment Latour und Khevenhüller Cavallerie1) als Be-
satzung einrücken und zu gleicher Zeit die Barricaden in solcher
Breite auseinander genommen werden sollen, daß ein Wagen
dazwischen fahren kann. Damit waren beide Parteien einver-
standen und schon war Alles heute in der zufriedensten Laune.
Jch selbst ging nach der Färberinsel; kaum dort, fiel schon ein
Schuß, man sagt zufällig; der Quai aber war ganz bedeckt mit
Zuschauern, welche die schrecklichen Zerstörungen an den Häusern
ansahen. Alsdann aß ich auf der Jnsel mit einigen Freunden zu
Abend, als wieder ein Schuß aus den Mühlen oberhalb der stei-
nernen Brücke ( Klein=Venedig ) fällt, und wie man sagt, der an
der Spitze des in die Altstadt einrückenden Militärs gehende Offi-
zier von einer Kugel getroffen, zusammenstürzt. Jm Moment be-
gann ein furchtbares Feuern. Die Menschen waren vom Quai
wie weggeblasen und wir durch eine schmale, den Schüssen der
Jäger ausgesetzte Brücke vom Festland getrennt. Eine volle Stunde
brachten wir hier unter dem Regen der rechts und links pfeifenden
Kugeln zu, nur geschützt durch das hohe Gebäude des Tanzsaales,
welches uns vor jedem Schuß sicher stellte. Die Anwesenden,
etwa 24 Personen, waren allerdings in nicht geringer Sorge, da
wir nicht wußten, wie davon zu kommen, bis endlich ein Kahn
vom jenseitigen Ufer ganz aus aller Schußweite der Jäger her-
beigebracht, und nachdem uns auf dem Wasser die Müller gedroht
hatten, uns zu erschießen, falls wir nicht ganz still wären, auf
das Festland herüber gebracht wurden. Währenddeß hatte die
bereits angekündigte Kanonade vollständig begonnen. Bomben
wurden in die Mühlen von Klein=Venedig geworfen und halb 9
Uhr stand schon die ganze Masse der Gebäude in hellen Flammen.
Die ganze Nacht dauerte der Brand, während überall neue Bar-
ricaden aufgeworfen und von Viertelstunde zu Viertelstunde neue
Bomben und Granaten in die Stadt geworfen wurden. Am Mor-
gen des heutigen Tages brannten die Mühlen noch fort, der
Thurm der Wasserkunst ist bis auf den letzten Holzspahn ausge-
brannt. Dieses Ereigniß hat aber den Muth der Czechen gebro-
chen, die Studenten haben die Waffen weggeworfen und verließen
sämmtlich heute Morgen die Stadt. Eine Proklamation des
Landespräsidenten Thun und des Commandeurs Windisch=Grätz
kündigt an, wie alle bisherigen Verhandlungen fruchtlos geblieben,
die Hofeommission abgedankt habe, und man die Unter-
werfung der rebelllschen Stadt mit Gewalt erzwingen werde,
falls nicht bis 12 Uhr Mittags alle Waffen abgeliefert und
vierzehn benannte Geißeln den Behörden gestellt werden. Mit
Zittern und Beben erfüllte die Bürgerschaft das Verlangte, Schlag
12 Uhr erschien das Militär und nahm mit aller Ordnung und
in größter Ruhe die Altstadt in Besitz, eine Proclamation wird
noch gefaßt und heute erscheinen. ( D. A. Z. )

Pesth 14. Juni. [ Der illyrische Aufstand. ] Der Feld-
marschalllieutenant Baron von Hrabowsky, Commandant von
Peterwardein, hat sich am 12. Juni genöthigt gesehen, Karlo-
witz,
den Sitz des griechisch=nichtunirten Erzbischofs und Haupt-
heerd der aufständischen Bewegung, zu beschießen. Die ganze
Stadt ist ein Schutthaufen, von der prachtvollen Kirche und dem
erzbischöflichen Palast liegt kein Stein mehr auf dem andern.
Die Aufständischen waren etwa 7000 Mann stark, sie hatten sich
eines ungarischen Dampfschiffs bemächtigt, welches sie armirten.
Aber der wilde Fanatismus nützte nichts gegen die Kanonen und
das wohlgeführte Schwert des nicht minder enthusiasmirten un-
garischen Militärs.
Nach schrecklichem Verlust ergriffen die
Aufständischen die Flucht. Die Executionstruppe war blos ein
Bataillon des ungarischen Regiments Este und eine Escadron
ungarischer Palatinalhusaren, im Ganzen gegen 1000 Mann
stark. Auch der Stadt Neusatz drohte Hrabrowsky mit einem
gleichen Schicksal, wenn sie sich nicht nach zwei Stunden ergäbe.
Von dem Militär sollen nur 10, von den Aufständischen mehre
hundert Mann gefallen seyn. Gegen 200 Gefangene werden nach
der Festung Komorn transportirt. Der illyrische Aufstand
ist aber
durch diesen erschütternden Schlag noch lange nicht
erdrückt,
sondern es ist erst der Anfang zum Krieg gemacht.
[Ende Spaltensatz]

1) Unseres Wissens gibt es kein Regiment Khevenhüller Cavalle-
rie,
wohl aber Jnfanterie. Es ist dasselbe, welches bis vor Kurzem
hier in Mainz seine Garnison hatte.     D. Red.
Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 8. Freitag, den 23. Juni. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.
Reichstag.

# Frankfurt 21. Juni. Die heutige Sitzung der National-
versammlung begann mit einer durch Herrn von Beisler vor-
getragenen Berichterstattung über die böhmische Frage. Es wurde
zur Tagesordnung übergegangen und sofort die Errichtung einer
provisorischen Centralgewalt weiter discutirt. Degenkolb be-
kannte sich der Gesinnung nach als Republikaner, fürchtet aber
den Bürgerkrieg, weßhalb er vorschlägt, die Nationalversamm-
lung solle einen kräftigen Präsidenten ernennen, zu dessen Bestä-
tigung den Regierungen eine ( Galgen= ) Frist bewilliget wird.
Jordan beginnt wieder in seinem Lieblingsstyl: „und Brutus
ist ein braver Mann“ — zu schwatzen über Archimedes und Re-
publik, daß keine Wunder mehr geschehen und dennoch Gespenster
auftreten. Nennt den Commissionsvorschlag eine „ungeheuerliche
Mißgeburt von Absolutismus und Anarchie.“ Beleidigende Aus-
drücke verschaffen ihm eine Zurechtweisung. Sofort eröffnet er
eine Polemik gegen Bassermann und Beckerath und wird zum
Staunen Vieler ein Lobredner der ausgezeichneten Tüchtigkeit des
Talentes des Herrn von Radowitz, mit dem er aber keineswegs
einverstanden ist. Den Bundestag will er mit Stumpf und Stiel
ausgerottet wissen. Unser Beruf sey, den Geist der Revolution
zu klären und compact zu machen. Wir seyen nicht nur die Ver-
treter des Volkes, sondern auch der Regierungen. Er prophezeit
die Kosacken an den Rhein und einen Despoten des Schwertes,
lehnt jedoch den Beruf eines Propheten von sich ab. Das repu-
blikanische Salz liefert er in dem Spruch: quod medicamentum
non sanat, ferrum sanat
. Flottwell spricht für den Antrag,
nimmt den Bundestag in Schutz und will die Frage über Krieg
und Frieden der provisorischen Regierung überlassen wissen. Von
Lindenau hat einen eigenen vermittelnden Antrag und lobt
überhaupt die mittleren Resultate. Eisenstuck bekennt sich zum
Standpunct der „Wahrheit,“ stützt sich auf das Bestehende, um
aufzubauen auf dem Grund der Märztage und des Vorparlaments,
auf durchaus legitimem Boden. Jst für den Blum'schen Vorschlag
und gegen jenen der Commission. Von Möring zeigt, daß die
Bedingungen, unter welchen eine nordamerikanische Republik
möglich geworden, bei uns durchaus fehlen. Er verlangt, daß
drei Männer aus fürstlichen Häusern mit der Reichsstatthalterei
betraut werden. Schaffrath nimmt einen neuen Anlauf,
seine eigene Partei zu ruiniren. Er zeigt, wie man mittelst Jdeen,
die übrigens sehr handgreiflich sind, Revolutionen machen könne.
Wenn Gründe nicht helfen, werde er zur gesetzlichen Agitation
greifen und die Selbstständigkeit seines kleinen Vaterlandes ( Sach-
sen ) nicht hingeben. Schoder hat einen eigenen Antrag: nur
Einer soll herrschen, der aber über Ungesetzlichkeiten verant-
wortlich ist. Die Nationalversammlung ernennt, die Regie-
rungen bestätigen. Unterstützt wurde er später vou Claussen
in einer eintönigen, äußerst langweiligen Rede, worin die
Republik für zeitgemäß und auch der Commissionsantrag als
republikanisirend bezeichnet wird. Beisler stellt sich auf den
Standpunkt innerhalb der Schranken des Gesetzes, züchtiget die
aufbrausende Fortschrittspartei, stimmt im Wesentlichen mit Mö-
ring und behauptet, daß sein Mandat ihm nicht erlaube, sich als
den 600. Theil der deutschen Regierungsomnipotenz zu geriren.
v. Vinke liefert eine meisterhafte, freilich aphoristische Recen-
sion der seitherigen Kraftstellen der Linken; er selbst will Einen
Reichsstatthalter von fürstlichem Geschlecht ( Hindeutung auf den
Prinzen Johann von Oesterreich ) , zu ernennen von den Regier-
ungen. v. Auerswald erklärt sich für den Commissionsantrag.
— Die meisten Redner haben wieder zu viele Worte gemacht;
doch ist anzuerkennen, daß kaum Einer sich ermüdet zeigte. Das
Schlimmste ist, daß zu viel recensirt wird. Bei Alledem aber
wird die Sache gehörig aufgeklärt und ein befriedigendes Resul-
tat vorbereitet. Die nächste Sitzung wird morgen Nachmittag um
4 Uhr statt haben, indem auf den Vorschlag des Präsidenten den
Katholiken vergönnt wurde, des Vormittags ihren kirchlichen
Pflichten nachzukommen.

Prag 18. Juni. ( 11 Uhr. ) Prag hat sich ergeben!
Gestern um 9 Uhr endlich wurde eine Vereinigung bekannt, wo-
nach Fürst Windisch=Grätz und Graf Thun abdanken, an ihrer
Stelle aber Mensdorff und Klecansky treten, ferner die
[Spaltenumbruch] Grenadiere und die Artillerie Prag gänzlich verlassen, dagegen
aber das Regiment Latour und Khevenhüller Cavallerie1) als Be-
satzung einrücken und zu gleicher Zeit die Barricaden in solcher
Breite auseinander genommen werden sollen, daß ein Wagen
dazwischen fahren kann. Damit waren beide Parteien einver-
standen und schon war Alles heute in der zufriedensten Laune.
Jch selbst ging nach der Färberinsel; kaum dort, fiel schon ein
Schuß, man sagt zufällig; der Quai aber war ganz bedeckt mit
Zuschauern, welche die schrecklichen Zerstörungen an den Häusern
ansahen. Alsdann aß ich auf der Jnsel mit einigen Freunden zu
Abend, als wieder ein Schuß aus den Mühlen oberhalb der stei-
nernen Brücke ( Klein=Venedig ) fällt, und wie man sagt, der an
der Spitze des in die Altstadt einrückenden Militärs gehende Offi-
zier von einer Kugel getroffen, zusammenstürzt. Jm Moment be-
gann ein furchtbares Feuern. Die Menschen waren vom Quai
wie weggeblasen und wir durch eine schmale, den Schüssen der
Jäger ausgesetzte Brücke vom Festland getrennt. Eine volle Stunde
brachten wir hier unter dem Regen der rechts und links pfeifenden
Kugeln zu, nur geschützt durch das hohe Gebäude des Tanzsaales,
welches uns vor jedem Schuß sicher stellte. Die Anwesenden,
etwa 24 Personen, waren allerdings in nicht geringer Sorge, da
wir nicht wußten, wie davon zu kommen, bis endlich ein Kahn
vom jenseitigen Ufer ganz aus aller Schußweite der Jäger her-
beigebracht, und nachdem uns auf dem Wasser die Müller gedroht
hatten, uns zu erschießen, falls wir nicht ganz still wären, auf
das Festland herüber gebracht wurden. Währenddeß hatte die
bereits angekündigte Kanonade vollständig begonnen. Bomben
wurden in die Mühlen von Klein=Venedig geworfen und halb 9
Uhr stand schon die ganze Masse der Gebäude in hellen Flammen.
Die ganze Nacht dauerte der Brand, während überall neue Bar-
ricaden aufgeworfen und von Viertelstunde zu Viertelstunde neue
Bomben und Granaten in die Stadt geworfen wurden. Am Mor-
gen des heutigen Tages brannten die Mühlen noch fort, der
Thurm der Wasserkunst ist bis auf den letzten Holzspahn ausge-
brannt. Dieses Ereigniß hat aber den Muth der Czechen gebro-
chen, die Studenten haben die Waffen weggeworfen und verließen
sämmtlich heute Morgen die Stadt. Eine Proklamation des
Landespräsidenten Thun und des Commandeurs Windisch=Grätz
kündigt an, wie alle bisherigen Verhandlungen fruchtlos geblieben,
die Hofeommission abgedankt habe, und man die Unter-
werfung der rebelllschen Stadt mit Gewalt erzwingen werde,
falls nicht bis 12 Uhr Mittags alle Waffen abgeliefert und
vierzehn benannte Geißeln den Behörden gestellt werden. Mit
Zittern und Beben erfüllte die Bürgerschaft das Verlangte, Schlag
12 Uhr erschien das Militär und nahm mit aller Ordnung und
in größter Ruhe die Altstadt in Besitz, eine Proclamation wird
noch gefaßt und heute erscheinen. ( D. A. Z. )

Pesth 14. Juni. [ Der illyrische Aufstand. ] Der Feld-
marschalllieutenant Baron von Hrabowsky, Commandant von
Peterwardein, hat sich am 12. Juni genöthigt gesehen, Karlo-
witz,
den Sitz des griechisch=nichtunirten Erzbischofs und Haupt-
heerd der aufständischen Bewegung, zu beschießen. Die ganze
Stadt ist ein Schutthaufen, von der prachtvollen Kirche und dem
erzbischöflichen Palast liegt kein Stein mehr auf dem andern.
Die Aufständischen waren etwa 7000 Mann stark, sie hatten sich
eines ungarischen Dampfschiffs bemächtigt, welches sie armirten.
Aber der wilde Fanatismus nützte nichts gegen die Kanonen und
das wohlgeführte Schwert des nicht minder enthusiasmirten un-
garischen Militärs.
Nach schrecklichem Verlust ergriffen die
Aufständischen die Flucht. Die Executionstruppe war blos ein
Bataillon des ungarischen Regiments Este und eine Escadron
ungarischer Palatinalhusaren, im Ganzen gegen 1000 Mann
stark. Auch der Stadt Neusatz drohte Hrabrowsky mit einem
gleichen Schicksal, wenn sie sich nicht nach zwei Stunden ergäbe.
Von dem Militär sollen nur 10, von den Aufständischen mehre
hundert Mann gefallen seyn. Gegen 200 Gefangene werden nach
der Festung Komorn transportirt. Der illyrische Aufstand
ist aber
durch diesen erschütternden Schlag noch lange nicht
erdrückt,
sondern es ist erst der Anfang zum Krieg gemacht.
[Ende Spaltensatz]

1) Unseres Wissens gibt es kein Regiment Khevenhüller Cavalle-
rie,
wohl aber Jnfanterie. Es ist dasselbe, welches bis vor Kurzem
hier in Mainz seine Garnison hatte.     D. Red.
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[0005] Beilage zum Mainzer Journal. Nro 8. Freitag, den 23. Juni. 1848. Deutschland. Reichstag. # Frankfurt 21. Juni. Die heutige Sitzung der National- versammlung begann mit einer durch Herrn von Beisler vor- getragenen Berichterstattung über die böhmische Frage. Es wurde zur Tagesordnung übergegangen und sofort die Errichtung einer provisorischen Centralgewalt weiter discutirt. Degenkolb be- kannte sich der Gesinnung nach als Republikaner, fürchtet aber den Bürgerkrieg, weßhalb er vorschlägt, die Nationalversamm- lung solle einen kräftigen Präsidenten ernennen, zu dessen Bestä- tigung den Regierungen eine ( Galgen= ) Frist bewilliget wird. Jordan beginnt wieder in seinem Lieblingsstyl: „und Brutus ist ein braver Mann“ — zu schwatzen über Archimedes und Re- publik, daß keine Wunder mehr geschehen und dennoch Gespenster auftreten. Nennt den Commissionsvorschlag eine „ungeheuerliche Mißgeburt von Absolutismus und Anarchie.“ Beleidigende Aus- drücke verschaffen ihm eine Zurechtweisung. Sofort eröffnet er eine Polemik gegen Bassermann und Beckerath und wird zum Staunen Vieler ein Lobredner der ausgezeichneten Tüchtigkeit des Talentes des Herrn von Radowitz, mit dem er aber keineswegs einverstanden ist. Den Bundestag will er mit Stumpf und Stiel ausgerottet wissen. Unser Beruf sey, den Geist der Revolution zu klären und compact zu machen. Wir seyen nicht nur die Ver- treter des Volkes, sondern auch der Regierungen. Er prophezeit die Kosacken an den Rhein und einen Despoten des Schwertes, lehnt jedoch den Beruf eines Propheten von sich ab. Das repu- blikanische Salz liefert er in dem Spruch: quod medicamentum non sanat, ferrum sanat. Flottwell spricht für den Antrag, nimmt den Bundestag in Schutz und will die Frage über Krieg und Frieden der provisorischen Regierung überlassen wissen. Von Lindenau hat einen eigenen vermittelnden Antrag und lobt überhaupt die mittleren Resultate. Eisenstuck bekennt sich zum Standpunct der „Wahrheit,“ stützt sich auf das Bestehende, um aufzubauen auf dem Grund der Märztage und des Vorparlaments, auf durchaus legitimem Boden. Jst für den Blum'schen Vorschlag und gegen jenen der Commission. Von Möring zeigt, daß die Bedingungen, unter welchen eine nordamerikanische Republik möglich geworden, bei uns durchaus fehlen. Er verlangt, daß drei Männer aus fürstlichen Häusern mit der Reichsstatthalterei betraut werden. Schaffrath nimmt einen neuen Anlauf, seine eigene Partei zu ruiniren. Er zeigt, wie man mittelst Jdeen, die übrigens sehr handgreiflich sind, Revolutionen machen könne. Wenn Gründe nicht helfen, werde er zur gesetzlichen Agitation greifen und die Selbstständigkeit seines kleinen Vaterlandes ( Sach- sen ) nicht hingeben. Schoder hat einen eigenen Antrag: nur Einer soll herrschen, der aber über Ungesetzlichkeiten verant- wortlich ist. Die Nationalversammlung ernennt, die Regie- rungen bestätigen. Unterstützt wurde er später vou Claussen in einer eintönigen, äußerst langweiligen Rede, worin die Republik für zeitgemäß und auch der Commissionsantrag als republikanisirend bezeichnet wird. Beisler stellt sich auf den Standpunkt innerhalb der Schranken des Gesetzes, züchtiget die aufbrausende Fortschrittspartei, stimmt im Wesentlichen mit Mö- ring und behauptet, daß sein Mandat ihm nicht erlaube, sich als den 600. Theil der deutschen Regierungsomnipotenz zu geriren. v. Vinke liefert eine meisterhafte, freilich aphoristische Recen- sion der seitherigen Kraftstellen der Linken; er selbst will Einen Reichsstatthalter von fürstlichem Geschlecht ( Hindeutung auf den Prinzen Johann von Oesterreich ) , zu ernennen von den Regier- ungen. v. Auerswald erklärt sich für den Commissionsantrag. — Die meisten Redner haben wieder zu viele Worte gemacht; doch ist anzuerkennen, daß kaum Einer sich ermüdet zeigte. Das Schlimmste ist, daß zu viel recensirt wird. Bei Alledem aber wird die Sache gehörig aufgeklärt und ein befriedigendes Resul- tat vorbereitet. Die nächste Sitzung wird morgen Nachmittag um 4 Uhr statt haben, indem auf den Vorschlag des Präsidenten den Katholiken vergönnt wurde, des Vormittags ihren kirchlichen Pflichten nachzukommen. Prag 18. Juni. ( 11 Uhr. ) Prag hat sich ergeben! Gestern um 9 Uhr endlich wurde eine Vereinigung bekannt, wo- nach Fürst Windisch=Grätz und Graf Thun abdanken, an ihrer Stelle aber Mensdorff und Klecansky treten, ferner die Grenadiere und die Artillerie Prag gänzlich verlassen, dagegen aber das Regiment Latour und Khevenhüller Cavallerie 1) als Be- satzung einrücken und zu gleicher Zeit die Barricaden in solcher Breite auseinander genommen werden sollen, daß ein Wagen dazwischen fahren kann. Damit waren beide Parteien einver- standen und schon war Alles heute in der zufriedensten Laune. Jch selbst ging nach der Färberinsel; kaum dort, fiel schon ein Schuß, man sagt zufällig; der Quai aber war ganz bedeckt mit Zuschauern, welche die schrecklichen Zerstörungen an den Häusern ansahen. Alsdann aß ich auf der Jnsel mit einigen Freunden zu Abend, als wieder ein Schuß aus den Mühlen oberhalb der stei- nernen Brücke ( Klein=Venedig ) fällt, und wie man sagt, der an der Spitze des in die Altstadt einrückenden Militärs gehende Offi- zier von einer Kugel getroffen, zusammenstürzt. Jm Moment be- gann ein furchtbares Feuern. Die Menschen waren vom Quai wie weggeblasen und wir durch eine schmale, den Schüssen der Jäger ausgesetzte Brücke vom Festland getrennt. Eine volle Stunde brachten wir hier unter dem Regen der rechts und links pfeifenden Kugeln zu, nur geschützt durch das hohe Gebäude des Tanzsaales, welches uns vor jedem Schuß sicher stellte. Die Anwesenden, etwa 24 Personen, waren allerdings in nicht geringer Sorge, da wir nicht wußten, wie davon zu kommen, bis endlich ein Kahn vom jenseitigen Ufer ganz aus aller Schußweite der Jäger her- beigebracht, und nachdem uns auf dem Wasser die Müller gedroht hatten, uns zu erschießen, falls wir nicht ganz still wären, auf das Festland herüber gebracht wurden. Währenddeß hatte die bereits angekündigte Kanonade vollständig begonnen. Bomben wurden in die Mühlen von Klein=Venedig geworfen und halb 9 Uhr stand schon die ganze Masse der Gebäude in hellen Flammen. Die ganze Nacht dauerte der Brand, während überall neue Bar- ricaden aufgeworfen und von Viertelstunde zu Viertelstunde neue Bomben und Granaten in die Stadt geworfen wurden. Am Mor- gen des heutigen Tages brannten die Mühlen noch fort, der Thurm der Wasserkunst ist bis auf den letzten Holzspahn ausge- brannt. Dieses Ereigniß hat aber den Muth der Czechen gebro- chen, die Studenten haben die Waffen weggeworfen und verließen sämmtlich heute Morgen die Stadt. Eine Proklamation des Landespräsidenten Thun und des Commandeurs Windisch=Grätz kündigt an, wie alle bisherigen Verhandlungen fruchtlos geblieben, die Hofeommission abgedankt habe, und man die Unter- werfung der rebelllschen Stadt mit Gewalt erzwingen werde, falls nicht bis 12 Uhr Mittags alle Waffen abgeliefert und vierzehn benannte Geißeln den Behörden gestellt werden. Mit Zittern und Beben erfüllte die Bürgerschaft das Verlangte, Schlag 12 Uhr erschien das Militär und nahm mit aller Ordnung und in größter Ruhe die Altstadt in Besitz, eine Proclamation wird noch gefaßt und heute erscheinen. ( D. A. Z. ) Pesth 14. Juni. [ Der illyrische Aufstand. ] Der Feld- marschalllieutenant Baron von Hrabowsky, Commandant von Peterwardein, hat sich am 12. Juni genöthigt gesehen, Karlo- witz, den Sitz des griechisch=nichtunirten Erzbischofs und Haupt- heerd der aufständischen Bewegung, zu beschießen. Die ganze Stadt ist ein Schutthaufen, von der prachtvollen Kirche und dem erzbischöflichen Palast liegt kein Stein mehr auf dem andern. Die Aufständischen waren etwa 7000 Mann stark, sie hatten sich eines ungarischen Dampfschiffs bemächtigt, welches sie armirten. Aber der wilde Fanatismus nützte nichts gegen die Kanonen und das wohlgeführte Schwert des nicht minder enthusiasmirten un- garischen Militärs. Nach schrecklichem Verlust ergriffen die Aufständischen die Flucht. Die Executionstruppe war blos ein Bataillon des ungarischen Regiments Este und eine Escadron ungarischer Palatinalhusaren, im Ganzen gegen 1000 Mann stark. Auch der Stadt Neusatz drohte Hrabrowsky mit einem gleichen Schicksal, wenn sie sich nicht nach zwei Stunden ergäbe. Von dem Militär sollen nur 10, von den Aufständischen mehre hundert Mann gefallen seyn. Gegen 200 Gefangene werden nach der Festung Komorn transportirt. Der illyrische Aufstand ist aber durch diesen erschütternden Schlag noch lange nicht erdrückt, sondern es ist erst der Anfang zum Krieg gemacht. 1) Unseres Wissens gibt es kein Regiment Khevenhüller Cavalle- rie, wohl aber Jnfanterie. Es ist dasselbe, welches bis vor Kurzem hier in Mainz seine Garnison hatte. D. Red.

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 8. Mainz, 22. Juni 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal008_1848/5>, abgerufen am 24.11.2024.