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Mainzer Journal. Nr. 10. Mainz, 25. Juni 1848.

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[Beginn Spaltensatz] Ueberdies herrscht in Amerika das Associations= und Corpora-
tionswesen, dem die erste französische Republik so feindlich war,
im weitesten Umfang. Und diese Selbstständigkeit der Gemeinden
und Corporationen ist in Amerika jenes stetige und erhaltende
Element, das keinem Staate fehlen darf. So lange uns aber
diese Selbstständigkeit des Bürgers an seinem eigenen Heerde,
diese Freiheit und Selbstregierung der Gemeinden und diese Frei-
heit der Corporationen fehlt oder nur auf dem Papier geschrieben,
nicht aber im Leben verwirklicht ist, ist alle Freiheit und Demo-
kratie auf den Sand gebaut und wird, nachdem Volk und Land
eine zeitlang in Parteikämpfen hin= und hergeworfen und ver-
wüstet worden, zuletzt einem glücklichen Despoten als Beute zu-
fallen, wie es stets gewesen.

Wollen wir also einen festen Bau der Freiheit, der Sicher-
heit des Wohlstandes in Deutschland gründen, so müssen wir
von Unten beginnen und einer ganz anderen Staatsweisheit fol-
gen, als bisher in den Cabinetten gegolten, auf den Universitä-
ten gelehrt und vielfach in den Ständekammern verkündet wurde.
Nicht das Decretiren, Parlamentiren, Constitutioniren von Oben
hilft, sondern im Gegentheil, daß von Unten her die Gemeinden
und Corporationen sich organisiren und sich selbst regieren. Dazu
ist freilich vonnöthen, daß ein kräftiger und praktischer Geist und
eine ehrenfeste positive Sittlichkeit in den Gemeinden herrsche.
Alles dieses kann aber von keiner Nationalversammlung der Welt
beschlossen oder gemacht werden, sondern muß sich selber
machen
-- und wird sich auch machen, wenn auch erst, nach-
dem wir schweres Lehrgeld bezahlt und in der Noth schwimmen
gelernt haben, "denn Gott hat Deutschland oft gezüchtigt, aber
nie verworfen."



Der enthüllte Bonapartismus.

Paris 16. Juni. Was ist der Kern und Gehalt der napo-
leonischen Jntrigue
im heutigen Frankreich? Es ist die
Meinung aller Unterrichteten, daß die Mitglieder der Familie
Napoleon ehrgeizige Zwecke erstreben; in der Nationalversamm-
lung herrscht der Glaube, daß Ludwig Napoleon oder sein An-
hang Summen bereit halten, um auf die Massen in gelegenen
Momenten zu wirken; es heißt sogar, daß der Herzog von Leuch-
tenberg unter russischen Patronat seinem Vetter bedeu-
tende Gelder vorgeschossen. Ludwig Napoleon, einmal Mitglied
der Kammer, meint man, würde unfehlbar durch die Volksmasse,
Bauern, Soldaten, Handwerker zum Präsidenten der Republik
ernannt werden, wenn er sich nur ruhig verhält, die Gescheidtern
seiner Verwandtschaft in den nöthigen Momenten handeln läßt,
denn man traut seiner Person nicht die allergeringste Fähigkeit
zu; hat er doch von seiner politischen Unfähigkeit traurige Be-
weise gegeben. Jn den letzten Aufläufen waren aber neben den
Bonapartisten und den durch sie angespornten Aufregungen ganz
insbesondere die Socialisten und Terroristen thätig; Louis Blanc
bewirkte die Pariser Wahl durch seinen Einfluß auf die National-
werkstätten; die Clubs, welche die Bewegung des 15. Mai orga-
nisirt hatten, der ganze Anhang Barbes schrie auf's tollste:
vive Louis Bonaparte! ohne im geringsten ihre Gesinnung ge-
ändert zu haben; daran waren die Bonapartisten unschuldig,
denn die Terroristen bezweckten etwas ganz anderes als die Er-
nennung des kleinen Bonaparte. Die Bonaparte, heißt es, durch
ehrgeizige Erinnerungen an die Sache Rußlands geknüpft und
auf den Herzog von Leuchtenberg fußend, möchten mit der Zeit
Frankreich in den Strudel russischer Politik auf Unkosten Deutsch-
lands hineinziehen. Alles gemeine Volk schrie in den letzten
Tagen auf den Straßen nach Krieg, und wurde von den haran-
guirenden Bonapartisten in diesem Sinne aufgestachelt. Während
Barbes, Blanqui und Genossen, während die wildesten unter
den Socialisten, trotz den Gegenreden ihrer Chefs, den Handwer-
ker und eine Masse in jeder großen Hauptstadt zusammengelau-
fenen Gesindels mehr oder minder direct auf Plünderung
anweisen, auf Ausbeutung der von ihnen als Reiche bezeichne-
ten Männer und Classen, spornen die Anhänger des Ludwig
Bonaparte Volk, Handwerker, die Mobilen, die Pariser Garni-
son ( denn alles das wird von ihnen zugleich bearbeitet ) auf
Krieg.
Was kann aber dieser Krieg anders bedeuten als Ein-
nahme Belgiens und Eroberung deutscher Rheinprovinzen? Das
ist der Antheil, welchen der Bonapartismus dem Volke verspricht
in einer durch Leuchtenberg vermittelten Allianz mit Rußland, der-
weil Rußland in Moldau, Walachei eindringt, den österreichischen
Kaiserstaat mit weitschichtigen Trümmern siegreichen Slaventhums
zu bedecken droht, und auf die kommenden Begebenheiten des Unter-
ganges des türkischen Staats präludirt. Auf Deutschlands
Unkosten
erfolgte diese ganze bonapartistische Machination, der
französischen Nation durch die Bonapartisten vorgespiegelt, als
[Spaltenumbruch] das einzige Mittel, sie den Gewaltgriffen des Communismus,
Socialismus, Terrorismus zu entreißen. Wenn die Deutschen
dabei so übergescheidt seyn sollten, den französischen Communis-
mus, Socialismus mit derbem Terrorismus ( Bravo! ) durch-
spickt, nachzuäffen, sich dadurch als große Männer von 1793
zu gebaren, das Ganze mit burschikoser Poesie und Prosa zu
durchwirken, ei nun, diesen Gefallen mögen sie dem Russenthum,
dem Panslavismus einerseits, dem französischen Bonapartismus
andererseits ja erweisen! Kennen doch diese vortrefflichen Nach-
äffer fremder Originalität das menschliche Herz aufs allerge-
naueste! Sie haben die tüchtigsten Männer an Gelehrsamkeit, hi-
storischem, juristischem Wissen, die strebendsten Köpfe jetzt in
Deutschland; ob sie thatkräftig sind, das ist leider terra incognita;
fast sollte man meinen, es seyen eben nur denkende, redende, schrei-
bende Gelehrte und Professoren, denn sie überlassen die Erhitzung
der Gemüther, die Aufstachelung zur That eben allen geistigen
und moralischen Unmündigkeiten neuester Schule.

Deutschlands Heil hängt von Deutschlands tüchtigen Männern
ab und nicht von seinen lumpigen Demagogen; Frankreichs Heil
hängt davon ab, daß eine echte Republik sich bilde, eine Republik
der freien Oeffentlichkeit, kein Staatsdruck der Socialisten, keine
politische Maschine, kein Versuch schwülstiger bombastischer Terro-
risten, kein ehrgeiziger Bonapartismus zum Fluch der Welt, und
zuletzt auch für Frankreich zum Fluche. ( A. Z. )



Deutschland.
Reichstag.

# Frankfurt 23. Juni. Nach einigen unerheblichen Recla-
mationen, Berichten und Vorerörterungen wurde heute sogleich
zur Tagesordnung geschritten und dieselbe bis 3 Uhr Nachmit-
tags fortgesetzt. Die einzelnen Ansichten traten in ihrer ganzen
Schärfe hervor und wurden größtentheils mit vielem Geschicke
durchgeführt. Zitz vertritt seinen Antrag auf Abschaffung der
Bundesversammlung und auf Gründung einer provisorischen,
verantwortlichen, aus fünf Mitgliedern bestehenden, von und
aus der Nationalversammlung zu wählenden und mit der Aus-
führung der Beschlüsse derselben zu beauftragenden Centralgewalt.
Leider zu viele Behauptungen und zu wenig Gründe. Allein ge-
lungen ist der Beweis, daß, wenn die Nationalversammlung
zu wählen hat, sie aus ihrer Mitte ( republikanisch ) wählen solle.
v. Radowitz vertritt den Vinke'schen Antrag in besonnener Rede,
zeigt die Unmöglichkeit der Reaction, exponirt die Sachlage des Wi-
derstreits und beweist, daß eigentlich nicht Monarchie und Republik,
sondern Völker und Nation die Angelpunkte bilden ( auch die äußerste
Linke zollt diesem Manne wiederholt den Beifall der Redlichkeit und
Geistesschärfe ) . Ruge hält eine seiner verunglückten Reden, spricht
von Hochverrath am Nationalgefühl, von Landjunkern, von der
Macht des Begriffs, von Hercules in der Wiege der Paulskirche er-
zeugt, von der Unmöglichkeit der Rückkehr zum Katholicismus, von
der unsaubern Aufgabe constitutioneller Monarchen, von der Jden-
tität des Mediatisirens und Constitutionalisirens u. dergl. Jst für
Blum. Wird zurechtgewiesen. v. Sauken spricht für den Com-
missionsantrag, erklärt sich aber damit einverstanden, daß nicht
drei, sondern Ein Reichsstatthalter gewählt werde und daß die
Entscheidung über Krieg und Frieden der Centralgewalt zustehen
solle. Philipps hat Möring's Amendement zu vertreten, daß
drei fürstliche Personen mit dem Directorium betraut werden sollen,
stellt die Gründe klar zusammen und findet Gelegenheit auf eine
ihn ehrende Weise des "Fußes der Tänzerin" zu erwähnen.
M. Mohl ist für die Monarchie, aber nicht für die 34 Monar-
chen, will den Einen namentlich auch aus militärischen Rücksichten,
die Nationalversammlung soll ihn wählen, sich aber auch das
Recht über Krieg und Frieden vorbehalten. Wippermann
vertritt das Wesentliche des Welker'schen Antrags, will die Re-
publik nicht, weil die Nation sie nicht will, ist für Einen Reichs-
statthalter aus dem Kaiserhaus, der zugleich die Beschlüsse
der Nationalversammlung, so weit diese Competenz hat, voll-
ziehen und sich mit den Bevollmächtigten der einzelnen
Landesregierungen ins Einvernehmen setzen soll. Wiede-
mann
vertheidigt den Schoder'schen Antrag, bestreitet der
Centralgewalt das Veto, sucht das Ungenügende der ministeriel-
len Verantwortlichkeit darzuthun, und wendet sich an die Linke
um Beitritt zu seinem Vermittelungsproject. Waitz verzichtet auf
eine Versöhnung der Principien, ist unter keiner Bedingung für
die Republik, ist für das Veto der Centralgewalt, und weist nach,
wie die Sympathien für die Monarchie etwas ganz anders seyen als
die Sympathien für die Person der Monarchen. Zimmermann
( aus Stuttgart ) unterstützt als guter Declamator den Antrag von
Zitz, indem er die Thatsache läugnet, daß die Völker die Mo-
narchie lieben. Er bestreitet das Commissionsgutachten, verspricht
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] Ueberdies herrscht in Amerika das Associations= und Corpora-
tionswesen, dem die erste französische Republik so feindlich war,
im weitesten Umfang. Und diese Selbstständigkeit der Gemeinden
und Corporationen ist in Amerika jenes stetige und erhaltende
Element, das keinem Staate fehlen darf. So lange uns aber
diese Selbstständigkeit des Bürgers an seinem eigenen Heerde,
diese Freiheit und Selbstregierung der Gemeinden und diese Frei-
heit der Corporationen fehlt oder nur auf dem Papier geschrieben,
nicht aber im Leben verwirklicht ist, ist alle Freiheit und Demo-
kratie auf den Sand gebaut und wird, nachdem Volk und Land
eine zeitlang in Parteikämpfen hin= und hergeworfen und ver-
wüstet worden, zuletzt einem glücklichen Despoten als Beute zu-
fallen, wie es stets gewesen.

Wollen wir also einen festen Bau der Freiheit, der Sicher-
heit des Wohlstandes in Deutschland gründen, so müssen wir
von Unten beginnen und einer ganz anderen Staatsweisheit fol-
gen, als bisher in den Cabinetten gegolten, auf den Universitä-
ten gelehrt und vielfach in den Ständekammern verkündet wurde.
Nicht das Decretiren, Parlamentiren, Constitutioniren von Oben
hilft, sondern im Gegentheil, daß von Unten her die Gemeinden
und Corporationen sich organisiren und sich selbst regieren. Dazu
ist freilich vonnöthen, daß ein kräftiger und praktischer Geist und
eine ehrenfeste positive Sittlichkeit in den Gemeinden herrsche.
Alles dieses kann aber von keiner Nationalversammlung der Welt
beschlossen oder gemacht werden, sondern muß sich selber
machen
— und wird sich auch machen, wenn auch erst, nach-
dem wir schweres Lehrgeld bezahlt und in der Noth schwimmen
gelernt haben, „denn Gott hat Deutschland oft gezüchtigt, aber
nie verworfen.“



Der enthüllte Bonapartismus.

Paris 16. Juni. Was ist der Kern und Gehalt der napo-
leonischen Jntrigue
im heutigen Frankreich? Es ist die
Meinung aller Unterrichteten, daß die Mitglieder der Familie
Napoleon ehrgeizige Zwecke erstreben; in der Nationalversamm-
lung herrscht der Glaube, daß Ludwig Napoleon oder sein An-
hang Summen bereit halten, um auf die Massen in gelegenen
Momenten zu wirken; es heißt sogar, daß der Herzog von Leuch-
tenberg unter russischen Patronat seinem Vetter bedeu-
tende Gelder vorgeschossen. Ludwig Napoleon, einmal Mitglied
der Kammer, meint man, würde unfehlbar durch die Volksmasse,
Bauern, Soldaten, Handwerker zum Präsidenten der Republik
ernannt werden, wenn er sich nur ruhig verhält, die Gescheidtern
seiner Verwandtschaft in den nöthigen Momenten handeln läßt,
denn man traut seiner Person nicht die allergeringste Fähigkeit
zu; hat er doch von seiner politischen Unfähigkeit traurige Be-
weise gegeben. Jn den letzten Aufläufen waren aber neben den
Bonapartisten und den durch sie angespornten Aufregungen ganz
insbesondere die Socialisten und Terroristen thätig; Louis Blanc
bewirkte die Pariser Wahl durch seinen Einfluß auf die National-
werkstätten; die Clubs, welche die Bewegung des 15. Mai orga-
nisirt hatten, der ganze Anhang Barbès schrie auf's tollste:
vive Louis Bonaparte! ohne im geringsten ihre Gesinnung ge-
ändert zu haben; daran waren die Bonapartisten unschuldig,
denn die Terroristen bezweckten etwas ganz anderes als die Er-
nennung des kleinen Bonaparte. Die Bonaparte, heißt es, durch
ehrgeizige Erinnerungen an die Sache Rußlands geknüpft und
auf den Herzog von Leuchtenberg fußend, möchten mit der Zeit
Frankreich in den Strudel russischer Politik auf Unkosten Deutsch-
lands hineinziehen. Alles gemeine Volk schrie in den letzten
Tagen auf den Straßen nach Krieg, und wurde von den haran-
guirenden Bonapartisten in diesem Sinne aufgestachelt. Während
Barbès, Blanqui und Genossen, während die wildesten unter
den Socialisten, trotz den Gegenreden ihrer Chefs, den Handwer-
ker und eine Masse in jeder großen Hauptstadt zusammengelau-
fenen Gesindels mehr oder minder direct auf Plünderung
anweisen, auf Ausbeutung der von ihnen als Reiche bezeichne-
ten Männer und Classen, spornen die Anhänger des Ludwig
Bonaparte Volk, Handwerker, die Mobilen, die Pariser Garni-
son ( denn alles das wird von ihnen zugleich bearbeitet ) auf
Krieg.
Was kann aber dieser Krieg anders bedeuten als Ein-
nahme Belgiens und Eroberung deutscher Rheinprovinzen? Das
ist der Antheil, welchen der Bonapartismus dem Volke verspricht
in einer durch Leuchtenberg vermittelten Allianz mit Rußland, der-
weil Rußland in Moldau, Walachei eindringt, den österreichischen
Kaiserstaat mit weitschichtigen Trümmern siegreichen Slaventhums
zu bedecken droht, und auf die kommenden Begebenheiten des Unter-
ganges des türkischen Staats präludirt. Auf Deutschlands
Unkosten
erfolgte diese ganze bonapartistische Machination, der
französischen Nation durch die Bonapartisten vorgespiegelt, als
[Spaltenumbruch] das einzige Mittel, sie den Gewaltgriffen des Communismus,
Socialismus, Terrorismus zu entreißen. Wenn die Deutschen
dabei so übergescheidt seyn sollten, den französischen Communis-
mus, Socialismus mit derbem Terrorismus ( Bravo! ) durch-
spickt, nachzuäffen, sich dadurch als große Männer von 1793
zu gebaren, das Ganze mit burschikoser Poesie und Prosa zu
durchwirken, ei nun, diesen Gefallen mögen sie dem Russenthum,
dem Panslavismus einerseits, dem französischen Bonapartismus
andererseits ja erweisen! Kennen doch diese vortrefflichen Nach-
äffer fremder Originalität das menschliche Herz aufs allerge-
naueste! Sie haben die tüchtigsten Männer an Gelehrsamkeit, hi-
storischem, juristischem Wissen, die strebendsten Köpfe jetzt in
Deutschland; ob sie thatkräftig sind, das ist leider terra incognita;
fast sollte man meinen, es seyen eben nur denkende, redende, schrei-
bende Gelehrte und Professoren, denn sie überlassen die Erhitzung
der Gemüther, die Aufstachelung zur That eben allen geistigen
und moralischen Unmündigkeiten neuester Schule.

Deutschlands Heil hängt von Deutschlands tüchtigen Männern
ab und nicht von seinen lumpigen Demagogen; Frankreichs Heil
hängt davon ab, daß eine echte Republik sich bilde, eine Republik
der freien Oeffentlichkeit, kein Staatsdruck der Socialisten, keine
politische Maschine, kein Versuch schwülstiger bombastischer Terro-
risten, kein ehrgeiziger Bonapartismus zum Fluch der Welt, und
zuletzt auch für Frankreich zum Fluche. ( A. Z. )



Deutschland.
Reichstag.

# Frankfurt 23. Juni. Nach einigen unerheblichen Recla-
mationen, Berichten und Vorerörterungen wurde heute sogleich
zur Tagesordnung geschritten und dieselbe bis 3 Uhr Nachmit-
tags fortgesetzt. Die einzelnen Ansichten traten in ihrer ganzen
Schärfe hervor und wurden größtentheils mit vielem Geschicke
durchgeführt. Zitz vertritt seinen Antrag auf Abschaffung der
Bundesversammlung und auf Gründung einer provisorischen,
verantwortlichen, aus fünf Mitgliedern bestehenden, von und
aus der Nationalversammlung zu wählenden und mit der Aus-
führung der Beschlüsse derselben zu beauftragenden Centralgewalt.
Leider zu viele Behauptungen und zu wenig Gründe. Allein ge-
lungen ist der Beweis, daß, wenn die Nationalversammlung
zu wählen hat, sie aus ihrer Mitte ( republikanisch ) wählen solle.
v. Radowitz vertritt den Vinke'schen Antrag in besonnener Rede,
zeigt die Unmöglichkeit der Reaction, exponirt die Sachlage des Wi-
derstreits und beweist, daß eigentlich nicht Monarchie und Republik,
sondern Völker und Nation die Angelpunkte bilden ( auch die äußerste
Linke zollt diesem Manne wiederholt den Beifall der Redlichkeit und
Geistesschärfe ) . Ruge hält eine seiner verunglückten Reden, spricht
von Hochverrath am Nationalgefühl, von Landjunkern, von der
Macht des Begriffs, von Hercules in der Wiege der Paulskirche er-
zeugt, von der Unmöglichkeit der Rückkehr zum Katholicismus, von
der unsaubern Aufgabe constitutioneller Monarchen, von der Jden-
tität des Mediatisirens und Constitutionalisirens u. dergl. Jst für
Blum. Wird zurechtgewiesen. v. Sauken spricht für den Com-
missionsantrag, erklärt sich aber damit einverstanden, daß nicht
drei, sondern Ein Reichsstatthalter gewählt werde und daß die
Entscheidung über Krieg und Frieden der Centralgewalt zustehen
solle. Philipps hat Möring's Amendement zu vertreten, daß
drei fürstliche Personen mit dem Directorium betraut werden sollen,
stellt die Gründe klar zusammen und findet Gelegenheit auf eine
ihn ehrende Weise des „Fußes der Tänzerin“ zu erwähnen.
M. Mohl ist für die Monarchie, aber nicht für die 34 Monar-
chen, will den Einen namentlich auch aus militärischen Rücksichten,
die Nationalversammlung soll ihn wählen, sich aber auch das
Recht über Krieg und Frieden vorbehalten. Wippermann
vertritt das Wesentliche des Welker'schen Antrags, will die Re-
publik nicht, weil die Nation sie nicht will, ist für Einen Reichs-
statthalter aus dem Kaiserhaus, der zugleich die Beschlüsse
der Nationalversammlung, so weit diese Competenz hat, voll-
ziehen und sich mit den Bevollmächtigten der einzelnen
Landesregierungen ins Einvernehmen setzen soll. Wiede-
mann
vertheidigt den Schoder'schen Antrag, bestreitet der
Centralgewalt das Veto, sucht das Ungenügende der ministeriel-
len Verantwortlichkeit darzuthun, und wendet sich an die Linke
um Beitritt zu seinem Vermittelungsproject. Waitz verzichtet auf
eine Versöhnung der Principien, ist unter keiner Bedingung für
die Republik, ist für das Veto der Centralgewalt, und weist nach,
wie die Sympathien für die Monarchie etwas ganz anders seyen als
die Sympathien für die Person der Monarchen. Zimmermann
( aus Stuttgart ) unterstützt als guter Declamator den Antrag von
Zitz, indem er die Thatsache läugnet, daß die Völker die Mo-
narchie lieben. Er bestreitet das Commissionsgutachten, verspricht
[Ende Spaltensatz]

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[0002] Ueberdies herrscht in Amerika das Associations= und Corpora- tionswesen, dem die erste französische Republik so feindlich war, im weitesten Umfang. Und diese Selbstständigkeit der Gemeinden und Corporationen ist in Amerika jenes stetige und erhaltende Element, das keinem Staate fehlen darf. So lange uns aber diese Selbstständigkeit des Bürgers an seinem eigenen Heerde, diese Freiheit und Selbstregierung der Gemeinden und diese Frei- heit der Corporationen fehlt oder nur auf dem Papier geschrieben, nicht aber im Leben verwirklicht ist, ist alle Freiheit und Demo- kratie auf den Sand gebaut und wird, nachdem Volk und Land eine zeitlang in Parteikämpfen hin= und hergeworfen und ver- wüstet worden, zuletzt einem glücklichen Despoten als Beute zu- fallen, wie es stets gewesen. Wollen wir also einen festen Bau der Freiheit, der Sicher- heit des Wohlstandes in Deutschland gründen, so müssen wir von Unten beginnen und einer ganz anderen Staatsweisheit fol- gen, als bisher in den Cabinetten gegolten, auf den Universitä- ten gelehrt und vielfach in den Ständekammern verkündet wurde. Nicht das Decretiren, Parlamentiren, Constitutioniren von Oben hilft, sondern im Gegentheil, daß von Unten her die Gemeinden und Corporationen sich organisiren und sich selbst regieren. Dazu ist freilich vonnöthen, daß ein kräftiger und praktischer Geist und eine ehrenfeste positive Sittlichkeit in den Gemeinden herrsche. Alles dieses kann aber von keiner Nationalversammlung der Welt beschlossen oder gemacht werden, sondern muß sich selber machen — und wird sich auch machen, wenn auch erst, nach- dem wir schweres Lehrgeld bezahlt und in der Noth schwimmen gelernt haben, „denn Gott hat Deutschland oft gezüchtigt, aber nie verworfen.“ Der enthüllte Bonapartismus. Paris 16. Juni. Was ist der Kern und Gehalt der napo- leonischen Jntrigue im heutigen Frankreich? Es ist die Meinung aller Unterrichteten, daß die Mitglieder der Familie Napoleon ehrgeizige Zwecke erstreben; in der Nationalversamm- lung herrscht der Glaube, daß Ludwig Napoleon oder sein An- hang Summen bereit halten, um auf die Massen in gelegenen Momenten zu wirken; es heißt sogar, daß der Herzog von Leuch- tenberg unter russischen Patronat seinem Vetter bedeu- tende Gelder vorgeschossen. Ludwig Napoleon, einmal Mitglied der Kammer, meint man, würde unfehlbar durch die Volksmasse, Bauern, Soldaten, Handwerker zum Präsidenten der Republik ernannt werden, wenn er sich nur ruhig verhält, die Gescheidtern seiner Verwandtschaft in den nöthigen Momenten handeln läßt, denn man traut seiner Person nicht die allergeringste Fähigkeit zu; hat er doch von seiner politischen Unfähigkeit traurige Be- weise gegeben. Jn den letzten Aufläufen waren aber neben den Bonapartisten und den durch sie angespornten Aufregungen ganz insbesondere die Socialisten und Terroristen thätig; Louis Blanc bewirkte die Pariser Wahl durch seinen Einfluß auf die National- werkstätten; die Clubs, welche die Bewegung des 15. Mai orga- nisirt hatten, der ganze Anhang Barbès schrie auf's tollste: vive Louis Bonaparte! ohne im geringsten ihre Gesinnung ge- ändert zu haben; daran waren die Bonapartisten unschuldig, denn die Terroristen bezweckten etwas ganz anderes als die Er- nennung des kleinen Bonaparte. Die Bonaparte, heißt es, durch ehrgeizige Erinnerungen an die Sache Rußlands geknüpft und auf den Herzog von Leuchtenberg fußend, möchten mit der Zeit Frankreich in den Strudel russischer Politik auf Unkosten Deutsch- lands hineinziehen. Alles gemeine Volk schrie in den letzten Tagen auf den Straßen nach Krieg, und wurde von den haran- guirenden Bonapartisten in diesem Sinne aufgestachelt. Während Barbès, Blanqui und Genossen, während die wildesten unter den Socialisten, trotz den Gegenreden ihrer Chefs, den Handwer- ker und eine Masse in jeder großen Hauptstadt zusammengelau- fenen Gesindels mehr oder minder direct auf Plünderung anweisen, auf Ausbeutung der von ihnen als Reiche bezeichne- ten Männer und Classen, spornen die Anhänger des Ludwig Bonaparte Volk, Handwerker, die Mobilen, die Pariser Garni- son ( denn alles das wird von ihnen zugleich bearbeitet ) auf Krieg. Was kann aber dieser Krieg anders bedeuten als Ein- nahme Belgiens und Eroberung deutscher Rheinprovinzen? Das ist der Antheil, welchen der Bonapartismus dem Volke verspricht in einer durch Leuchtenberg vermittelten Allianz mit Rußland, der- weil Rußland in Moldau, Walachei eindringt, den österreichischen Kaiserstaat mit weitschichtigen Trümmern siegreichen Slaventhums zu bedecken droht, und auf die kommenden Begebenheiten des Unter- ganges des türkischen Staats präludirt. Auf Deutschlands Unkosten erfolgte diese ganze bonapartistische Machination, der französischen Nation durch die Bonapartisten vorgespiegelt, als das einzige Mittel, sie den Gewaltgriffen des Communismus, Socialismus, Terrorismus zu entreißen. Wenn die Deutschen dabei so übergescheidt seyn sollten, den französischen Communis- mus, Socialismus mit derbem Terrorismus ( Bravo! ) durch- spickt, nachzuäffen, sich dadurch als große Männer von 1793 zu gebaren, das Ganze mit burschikoser Poesie und Prosa zu durchwirken, ei nun, diesen Gefallen mögen sie dem Russenthum, dem Panslavismus einerseits, dem französischen Bonapartismus andererseits ja erweisen! Kennen doch diese vortrefflichen Nach- äffer fremder Originalität das menschliche Herz aufs allerge- naueste! Sie haben die tüchtigsten Männer an Gelehrsamkeit, hi- storischem, juristischem Wissen, die strebendsten Köpfe jetzt in Deutschland; ob sie thatkräftig sind, das ist leider terra incognita; fast sollte man meinen, es seyen eben nur denkende, redende, schrei- bende Gelehrte und Professoren, denn sie überlassen die Erhitzung der Gemüther, die Aufstachelung zur That eben allen geistigen und moralischen Unmündigkeiten neuester Schule. Deutschlands Heil hängt von Deutschlands tüchtigen Männern ab und nicht von seinen lumpigen Demagogen; Frankreichs Heil hängt davon ab, daß eine echte Republik sich bilde, eine Republik der freien Oeffentlichkeit, kein Staatsdruck der Socialisten, keine politische Maschine, kein Versuch schwülstiger bombastischer Terro- risten, kein ehrgeiziger Bonapartismus zum Fluch der Welt, und zuletzt auch für Frankreich zum Fluche. ( A. Z. ) Deutschland. Reichstag. # Frankfurt 23. Juni. Nach einigen unerheblichen Recla- mationen, Berichten und Vorerörterungen wurde heute sogleich zur Tagesordnung geschritten und dieselbe bis 3 Uhr Nachmit- tags fortgesetzt. Die einzelnen Ansichten traten in ihrer ganzen Schärfe hervor und wurden größtentheils mit vielem Geschicke durchgeführt. Zitz vertritt seinen Antrag auf Abschaffung der Bundesversammlung und auf Gründung einer provisorischen, verantwortlichen, aus fünf Mitgliedern bestehenden, von und aus der Nationalversammlung zu wählenden und mit der Aus- führung der Beschlüsse derselben zu beauftragenden Centralgewalt. Leider zu viele Behauptungen und zu wenig Gründe. Allein ge- lungen ist der Beweis, daß, wenn die Nationalversammlung zu wählen hat, sie aus ihrer Mitte ( republikanisch ) wählen solle. v. Radowitz vertritt den Vinke'schen Antrag in besonnener Rede, zeigt die Unmöglichkeit der Reaction, exponirt die Sachlage des Wi- derstreits und beweist, daß eigentlich nicht Monarchie und Republik, sondern Völker und Nation die Angelpunkte bilden ( auch die äußerste Linke zollt diesem Manne wiederholt den Beifall der Redlichkeit und Geistesschärfe ) . Ruge hält eine seiner verunglückten Reden, spricht von Hochverrath am Nationalgefühl, von Landjunkern, von der Macht des Begriffs, von Hercules in der Wiege der Paulskirche er- zeugt, von der Unmöglichkeit der Rückkehr zum Katholicismus, von der unsaubern Aufgabe constitutioneller Monarchen, von der Jden- tität des Mediatisirens und Constitutionalisirens u. dergl. Jst für Blum. Wird zurechtgewiesen. v. Sauken spricht für den Com- missionsantrag, erklärt sich aber damit einverstanden, daß nicht drei, sondern Ein Reichsstatthalter gewählt werde und daß die Entscheidung über Krieg und Frieden der Centralgewalt zustehen solle. Philipps hat Möring's Amendement zu vertreten, daß drei fürstliche Personen mit dem Directorium betraut werden sollen, stellt die Gründe klar zusammen und findet Gelegenheit auf eine ihn ehrende Weise des „Fußes der Tänzerin“ zu erwähnen. M. Mohl ist für die Monarchie, aber nicht für die 34 Monar- chen, will den Einen namentlich auch aus militärischen Rücksichten, die Nationalversammlung soll ihn wählen, sich aber auch das Recht über Krieg und Frieden vorbehalten. Wippermann vertritt das Wesentliche des Welker'schen Antrags, will die Re- publik nicht, weil die Nation sie nicht will, ist für Einen Reichs- statthalter aus dem Kaiserhaus, der zugleich die Beschlüsse der Nationalversammlung, so weit diese Competenz hat, voll- ziehen und sich mit den Bevollmächtigten der einzelnen Landesregierungen ins Einvernehmen setzen soll. Wiede- mann vertheidigt den Schoder'schen Antrag, bestreitet der Centralgewalt das Veto, sucht das Ungenügende der ministeriel- len Verantwortlichkeit darzuthun, und wendet sich an die Linke um Beitritt zu seinem Vermittelungsproject. Waitz verzichtet auf eine Versöhnung der Principien, ist unter keiner Bedingung für die Republik, ist für das Veto der Centralgewalt, und weist nach, wie die Sympathien für die Monarchie etwas ganz anders seyen als die Sympathien für die Person der Monarchen. Zimmermann ( aus Stuttgart ) unterstützt als guter Declamator den Antrag von Zitz, indem er die Thatsache läugnet, daß die Völker die Mo- narchie lieben. Er bestreitet das Commissionsgutachten, verspricht

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 10. Mainz, 25. Juni 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal010_1848/2>, abgerufen am 23.11.2024.