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Mainzer Journal. Nr. 30. Mainz, 15. Juli 1848.

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Beilage zum Mainzer Journal.


ro 30. Samstag, den 15. Juli. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.
Reichstag.

f Frankfurt 14. Juli. Jn der heutigen Reichstagssitzung
ward die bekannte merkwürdige Eröffnung der Hannöverischen
Regierung bezüglich der Centralgewalt zur Sprache gebracht
und beschlossen: die Centralgewalt solle vom Hannöverischen
Staatsministerium eine unumwundene Anerkennung der Central-
gewalt und des Gesetzes darüber fordern. Jn Betreff des öster-
reichischen Geldausfuhrverbotes wurde der von mir früher schon
gemeldete, die Maßregel mißbilligende Antrag des Ausschusses
angenommen.

Berlin 12. Juli. ( D. Z. ) Die große parlamentarische Schlacht
wegen des Jakoby'schen Antrags, den Reichsverweser betreffend,
ist in diesem Augenblick noch nicht entschieden und dürfte über-
haupt noch mehrere Sitzungen in Anspruch nehmen. Nach
der gestern Abend erfolgten Einigung der Rechten mit den bei-
den Centren unterliegt es übrigens nicht dem geringsten Zwei-
fel, daß die Linke eine Niederlage erleiden wird, und zwar
eine Niederlage, von der eine Partei Mühe hat, sich zu erholen;
der innere Widerspruch des Antrags, der in einem Athem die
Versammlung in Frankfurt für souverän erklärt, und dennoch
ihr das Recht abspricht, einen "unverantwortlichen" Reichs-
verweser zu ernennen, bietet der Partei der Ordnung, die der
ewig wiederkehrenden Jncidenzfragen müde ist und endlich ein-
mal zum Aufbau des neuen Staates schreiten möchte, eine zu
günstige Gelegenheit, die parlamentarische Turbulenz zum Schwei-
gen zu bringen, als daß sie dieselbe ungenutzt sollte vorübergehen
lassen. Die Wahl des Erzherzogs Johann ist dem preußischen
Stolze allerdings eine schwer zu schluckende Pille, nichtsdestowe-
niger schluckt man sie, weil das höhere Jnteresse der deutschen
Einheit es erfordert; unklug und selbst unpatriotisch war es aber
von der Linken, dem so schwer zu verläugnenden preußischen Par-
ticularismus neuerdings Gelegenheit zu geben, sich zu äußern.
Gewiß bringt kein deutscher Stamm ein größeres Opfer, als der
preußische, indem er seine Nationalität in die große, eine,
deutsche aufgehen läßt; man sollte ihm dieses Opfer nicht ohne
Noth erschweren, und wie eine chirurgische Operation für den
Patienten um so schmerzlicher wird, je mehr er dieselbe be-
sprechen muß, so fällt auch den preußischen Patrioten, beson-
ders den Männern von 1813 und 1814, das Aufgehen in
Deutschland um so schwerer, je mehr sie darüber reden hören.

sqrt Darmstadt 12. Juli. Der Abgeordnete der Stadt Mainz
Görz hat dieser Tage in der zweiten Kammer, einen sehr be-
achtungswerthen Antrag "über die Verhältnisse der Stadt Mainz
in Kriegszeiten " gestellt, in welchem es heißt: "Die Erhal-
tung des Friedens wird täglich ungewisser, und dieser Umstand
legt den Bewohnern von Mainz die Betrachtung nahe, wie ihre
Lage im Falle eines Kriegs sich gestalten werde. Das Regle-
ment von 1832 legt die unbedingte Gewalt während des Belage-
rungszustandes in die Hände des Gouvernements; seine Befehle,
gleichviel wie verkündet, bilden das Gesetz; seine Soldaten sind
Richter und Vollstrecker. Das Gesetz, welches die Bürger in
Friedenszeit beherrscht, ist aufgehoben; nach einem ihm ganz
fremden Kriegsgesetz, in einem militärischen Verfahren, das
Oeffentlichkeit und jede schützende Form ausschließt, soll der Bür-
ger gerichtet werden; er kann für ein Versehen, für eine Handlung,
die zu jeder andern Zeit völlig gleichgültig war, mit dem Tode be-
straft werden; er kann der nach seinen Begriffen so entwürdigen-
den Strafe der körperlichen Züchtigung verfallen. Die Gerechtig-
keit erfordert aber, daß soweit sich dieses mit dem Zweck der
Sicherheit und der Vertheidigung der Festung irgend vereinbaren
läßt, Leben, Ehre und Freiheit des Bürgers geschützt und nicht
ohne alle Garantie dem Willen eines Einzelnen preisgegeben
seyen. Ebenso ist sein Vermögen und seine bürgerliche Existenz
bedroht. Abgesehen davon, daß ohnedies die Erwerbsquellen der
meisten Bewohner einer Festung im Belagerungszustand versiegen,
kann das Festungsgouvernement jeden, der nicht sich und seine Fa-
milie auf 4 Monate mit Lebensmitteln zu versehen im Stande ist,
austreiben und somit dem Verderben preisgeben; es kann der
Einwohnerschaft Lieferungen an Geld, Lebensmittel auflegen.
Die Belagerung selbst aber führt außerdem durch Beschädigung
oder Zerstörung von Gebäuden Verluste herbei, für welche eine
[Spaltenumbruch] Entschädigung von Niemandem geleistet wird. Die Gerechtigkeit
erfordert, daß dem Gouvernement die Macht genommen werde,
ansäßige Bürger, blos weil sie arm sind, dem Elende preiszuge-
ben; sie erfordert ferner, daß die Opfer, welche die Bürgerschaft
von Mainz für das ganze Vaterland bringen muß, ihr auch von
diesem wieder vergütet werden. Dieses Verhältniß kam bereits
auf den Landtagen von 1833 und 1834 auf einen Antrag von
sechs rheinhessischen Abgeordneten zur Verhandlung in die Kam-
mer, ohne daß die Verwendung derselben bei großherzoglicher
Staatsregierung eine sichtbare Wirkung gehabt hätte. Jetzt aber,
wo die öffentlichen Zustände unseres Vaterlandes eine neue Gestalt
in volksthümlichem Sinne, auf dem Grundprincip der gleichen
Gerechtigkeit für Alle annehmen sollen, wird auch die Stimme
von Mainz nicht mehr ungehört verhallen. Der Unterzeichnete
stellt daher den Antrag dahin: die Kammer möge die hohe Staats-
regierung ersuchen, bei Gelegenheit der Revision des Festungs-
reglements weiter dahin zu wirken: 1 ) daß die Fälle, wo der
Belagerungsstand eintreten soll, bestimmt angegeben werden;
2 ) daß für den Belagerungsstand die Jurisdiction des Gouver-
nements und der Kriegsgerichte über die Bürger auf diejenigen
Vergehen und Verbrechen beschränkt werden soll, welche sich auf
die Sicherheit der Festung beziehen, daß diese letzteren namentlich
bezeichnet und die Strafen vorher bestimmt werden, daß aber
die körperliche Züchtigung gegen die Bürger nicht verhängt wer-
den könne; 3 ) daß zu den Kriegsgerichten für die Fälle, wo sie
über Civilpersonen zu urtheilen haben, Civilrichter in gleicher
Anzahl zugezogen werden; 4 ) daß die Verhandlungen des Kriegs-
gerichts mit den schützenden Formen bekleidet seyen, welche der
Zweck derselben, schleunige Gerechtigkeitspflege, nicht ausschließt,
namentlich Oeffentlichkeit und das Recht, sich einen Vertheidiger
zu wählen; 5 ) daß keine Todesstrafe während der Dauer des
Belagerungszustandes vollzogen werde; 6 ) daß das Gouverne-
ment für den Fall der Belagerung gehalten sey, Vorräthe anzu-
zuschaffen, aus welchen die ärmeren Bürger sich verproviantiren
können; 7 ) daß aus den Mitteln der Centralgewalt Deutschlands
diejenigen entschädigt werden, welche durch Lieferung von Natu-
ralien, Geld an die Besatzung, oder durch Beschädigung oder
Zerstörung von Gebäuden zu Schaden gekommen sind." Dieser
Antrag wurde sogleich an den betreffenden Ausschuß zur Begut-
achtung gewiesen.

== Bingen 14. Juli. Heute Morgen wurde Generalmarsch
geschlagen, um fünf Uhr rückten zwei Compagnien des hier lie-
genden 1. Bataillons des 3. Regiments nach Oberingelheim, wo
gestern Abend und im Laufe der Nacht bedeutende Unordnungen
vorgefallen sind. Man soll das Rathhaus gestürmt, viele Papiere
und Urkunden weggenommen und auf offenem Markte verbrannt
haben. Schon seit einiger Zeit befinden sich dort mehrere Fami-
lien in solcher Unsicherheit, daß sie wenigstens ihre Angehörigen
zu entfernen für gut fanden. Von Oberingelheim aus hat sich die
Aufregung auch nach Sauerschwabenheim und Elsheim hin ver-
breitet, wo in Folge dieser Aufreizungen bisher das Trauerge-
läute für den verstorbenen Großherzog unterblieben, jetzt aber auf
Zureden und Belehrung begonnen worden ist. Ueberhaupt ist
Oberingelheim, Wohnort des Frankfurter Deputirten Mohr,
ein Hauptsitz der republikanischen Partei, welche sich alle Mühe
gibt, die Hoffnungen auf Feststellung unserer Zustände und Rück-
kehr zur Ordnung zu vereiteln. Gestern kamen auch Einige dieser
Partei hierher, um eine Versammlung in republikanischem Sinne
zu veranstalten. Allein sie fanden durchaus keine Theilnahme,
indem Niemand kam. -- Jn dem hiesigen Turnvereine ist eine
Spaltung und in Folge davon Auflösung desselben eingetreten,
indem einige Wenige auch ihn ganz in das republikanische Wesen
hineinziehen wollten, die große Mehrheit dies aber entschieden
ablehnte und erklärte, zwar turnen, aber nicht politisiren zu wol-
len, was ganz vernünftig war.

# Aus dem Jngelheimer Grunde 14. Juli. Seit diesen
Morgen wird in unserm Kantonshauptorte Oberingelheim
durch den Gr. Staatsprocurator und Untersuchungsrichter, ge-
folgt von zwei Compagnien Soldaten, eine Untersuchung geführt
wegen eines -- wie man sagt -- großartigen Gebrauchs der
öffentlichen Redefreiheit vor einer Volksversammlung, die am 9.
d. M. daselbst abgehalten worden ist. Bereits ist ein Jnculpat
in Gewahrsam nach Mainz abgeführt worden.

[Ende Spaltensatz]
Beilage zum Mainzer Journal.


ro 30. Samstag, den 15. Juli. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.
Reichstag.

f Frankfurt 14. Juli. Jn der heutigen Reichstagssitzung
ward die bekannte merkwürdige Eröffnung der Hannöverischen
Regierung bezüglich der Centralgewalt zur Sprache gebracht
und beschlossen: die Centralgewalt solle vom Hannöverischen
Staatsministerium eine unumwundene Anerkennung der Central-
gewalt und des Gesetzes darüber fordern. Jn Betreff des öster-
reichischen Geldausfuhrverbotes wurde der von mir früher schon
gemeldete, die Maßregel mißbilligende Antrag des Ausschusses
angenommen.

Berlin 12. Juli. ( D. Z. ) Die große parlamentarische Schlacht
wegen des Jakoby'schen Antrags, den Reichsverweser betreffend,
ist in diesem Augenblick noch nicht entschieden und dürfte über-
haupt noch mehrere Sitzungen in Anspruch nehmen. Nach
der gestern Abend erfolgten Einigung der Rechten mit den bei-
den Centren unterliegt es übrigens nicht dem geringsten Zwei-
fel, daß die Linke eine Niederlage erleiden wird, und zwar
eine Niederlage, von der eine Partei Mühe hat, sich zu erholen;
der innere Widerspruch des Antrags, der in einem Athem die
Versammlung in Frankfurt für souverän erklärt, und dennoch
ihr das Recht abspricht, einen „unverantwortlichen“ Reichs-
verweser zu ernennen, bietet der Partei der Ordnung, die der
ewig wiederkehrenden Jncidenzfragen müde ist und endlich ein-
mal zum Aufbau des neuen Staates schreiten möchte, eine zu
günstige Gelegenheit, die parlamentarische Turbulenz zum Schwei-
gen zu bringen, als daß sie dieselbe ungenutzt sollte vorübergehen
lassen. Die Wahl des Erzherzogs Johann ist dem preußischen
Stolze allerdings eine schwer zu schluckende Pille, nichtsdestowe-
niger schluckt man sie, weil das höhere Jnteresse der deutschen
Einheit es erfordert; unklug und selbst unpatriotisch war es aber
von der Linken, dem so schwer zu verläugnenden preußischen Par-
ticularismus neuerdings Gelegenheit zu geben, sich zu äußern.
Gewiß bringt kein deutscher Stamm ein größeres Opfer, als der
preußische, indem er seine Nationalität in die große, eine,
deutsche aufgehen läßt; man sollte ihm dieses Opfer nicht ohne
Noth erschweren, und wie eine chirurgische Operation für den
Patienten um so schmerzlicher wird, je mehr er dieselbe be-
sprechen muß, so fällt auch den preußischen Patrioten, beson-
ders den Männern von 1813 und 1814, das Aufgehen in
Deutschland um so schwerer, je mehr sie darüber reden hören.

√ Darmstadt 12. Juli. Der Abgeordnete der Stadt Mainz
Görz hat dieser Tage in der zweiten Kammer, einen sehr be-
achtungswerthen Antrag „über die Verhältnisse der Stadt Mainz
in Kriegszeiten “ gestellt, in welchem es heißt: „Die Erhal-
tung des Friedens wird täglich ungewisser, und dieser Umstand
legt den Bewohnern von Mainz die Betrachtung nahe, wie ihre
Lage im Falle eines Kriegs sich gestalten werde. Das Regle-
ment von 1832 legt die unbedingte Gewalt während des Belage-
rungszustandes in die Hände des Gouvernements; seine Befehle,
gleichviel wie verkündet, bilden das Gesetz; seine Soldaten sind
Richter und Vollstrecker. Das Gesetz, welches die Bürger in
Friedenszeit beherrscht, ist aufgehoben; nach einem ihm ganz
fremden Kriegsgesetz, in einem militärischen Verfahren, das
Oeffentlichkeit und jede schützende Form ausschließt, soll der Bür-
ger gerichtet werden; er kann für ein Versehen, für eine Handlung,
die zu jeder andern Zeit völlig gleichgültig war, mit dem Tode be-
straft werden; er kann der nach seinen Begriffen so entwürdigen-
den Strafe der körperlichen Züchtigung verfallen. Die Gerechtig-
keit erfordert aber, daß soweit sich dieses mit dem Zweck der
Sicherheit und der Vertheidigung der Festung irgend vereinbaren
läßt, Leben, Ehre und Freiheit des Bürgers geschützt und nicht
ohne alle Garantie dem Willen eines Einzelnen preisgegeben
seyen. Ebenso ist sein Vermögen und seine bürgerliche Existenz
bedroht. Abgesehen davon, daß ohnedies die Erwerbsquellen der
meisten Bewohner einer Festung im Belagerungszustand versiegen,
kann das Festungsgouvernement jeden, der nicht sich und seine Fa-
milie auf 4 Monate mit Lebensmitteln zu versehen im Stande ist,
austreiben und somit dem Verderben preisgeben; es kann der
Einwohnerschaft Lieferungen an Geld, Lebensmittel auflegen.
Die Belagerung selbst aber führt außerdem durch Beschädigung
oder Zerstörung von Gebäuden Verluste herbei, für welche eine
[Spaltenumbruch] Entschädigung von Niemandem geleistet wird. Die Gerechtigkeit
erfordert, daß dem Gouvernement die Macht genommen werde,
ansäßige Bürger, blos weil sie arm sind, dem Elende preiszuge-
ben; sie erfordert ferner, daß die Opfer, welche die Bürgerschaft
von Mainz für das ganze Vaterland bringen muß, ihr auch von
diesem wieder vergütet werden. Dieses Verhältniß kam bereits
auf den Landtagen von 1833 und 1834 auf einen Antrag von
sechs rheinhessischen Abgeordneten zur Verhandlung in die Kam-
mer, ohne daß die Verwendung derselben bei großherzoglicher
Staatsregierung eine sichtbare Wirkung gehabt hätte. Jetzt aber,
wo die öffentlichen Zustände unseres Vaterlandes eine neue Gestalt
in volksthümlichem Sinne, auf dem Grundprincip der gleichen
Gerechtigkeit für Alle annehmen sollen, wird auch die Stimme
von Mainz nicht mehr ungehört verhallen. Der Unterzeichnete
stellt daher den Antrag dahin: die Kammer möge die hohe Staats-
regierung ersuchen, bei Gelegenheit der Revision des Festungs-
reglements weiter dahin zu wirken: 1 ) daß die Fälle, wo der
Belagerungsstand eintreten soll, bestimmt angegeben werden;
2 ) daß für den Belagerungsstand die Jurisdiction des Gouver-
nements und der Kriegsgerichte über die Bürger auf diejenigen
Vergehen und Verbrechen beschränkt werden soll, welche sich auf
die Sicherheit der Festung beziehen, daß diese letzteren namentlich
bezeichnet und die Strafen vorher bestimmt werden, daß aber
die körperliche Züchtigung gegen die Bürger nicht verhängt wer-
den könne; 3 ) daß zu den Kriegsgerichten für die Fälle, wo sie
über Civilpersonen zu urtheilen haben, Civilrichter in gleicher
Anzahl zugezogen werden; 4 ) daß die Verhandlungen des Kriegs-
gerichts mit den schützenden Formen bekleidet seyen, welche der
Zweck derselben, schleunige Gerechtigkeitspflege, nicht ausschließt,
namentlich Oeffentlichkeit und das Recht, sich einen Vertheidiger
zu wählen; 5 ) daß keine Todesstrafe während der Dauer des
Belagerungszustandes vollzogen werde; 6 ) daß das Gouverne-
ment für den Fall der Belagerung gehalten sey, Vorräthe anzu-
zuschaffen, aus welchen die ärmeren Bürger sich verproviantiren
können; 7 ) daß aus den Mitteln der Centralgewalt Deutschlands
diejenigen entschädigt werden, welche durch Lieferung von Natu-
ralien, Geld an die Besatzung, oder durch Beschädigung oder
Zerstörung von Gebäuden zu Schaden gekommen sind.“ Dieser
Antrag wurde sogleich an den betreffenden Ausschuß zur Begut-
achtung gewiesen.

== Bingen 14. Juli. Heute Morgen wurde Generalmarsch
geschlagen, um fünf Uhr rückten zwei Compagnien des hier lie-
genden 1. Bataillons des 3. Regiments nach Oberingelheim, wo
gestern Abend und im Laufe der Nacht bedeutende Unordnungen
vorgefallen sind. Man soll das Rathhaus gestürmt, viele Papiere
und Urkunden weggenommen und auf offenem Markte verbrannt
haben. Schon seit einiger Zeit befinden sich dort mehrere Fami-
lien in solcher Unsicherheit, daß sie wenigstens ihre Angehörigen
zu entfernen für gut fanden. Von Oberingelheim aus hat sich die
Aufregung auch nach Sauerschwabenheim und Elsheim hin ver-
breitet, wo in Folge dieser Aufreizungen bisher das Trauerge-
läute für den verstorbenen Großherzog unterblieben, jetzt aber auf
Zureden und Belehrung begonnen worden ist. Ueberhaupt ist
Oberingelheim, Wohnort des Frankfurter Deputirten Mohr,
ein Hauptsitz der republikanischen Partei, welche sich alle Mühe
gibt, die Hoffnungen auf Feststellung unserer Zustände und Rück-
kehr zur Ordnung zu vereiteln. Gestern kamen auch Einige dieser
Partei hierher, um eine Versammlung in republikanischem Sinne
zu veranstalten. Allein sie fanden durchaus keine Theilnahme,
indem Niemand kam. — Jn dem hiesigen Turnvereine ist eine
Spaltung und in Folge davon Auflösung desselben eingetreten,
indem einige Wenige auch ihn ganz in das republikanische Wesen
hineinziehen wollten, die große Mehrheit dies aber entschieden
ablehnte und erklärte, zwar turnen, aber nicht politisiren zu wol-
len, was ganz vernünftig war.

# Aus dem Jngelheimer Grunde 14. Juli. Seit diesen
Morgen wird in unserm Kantonshauptorte Oberingelheim
durch den Gr. Staatsprocurator und Untersuchungsrichter, ge-
folgt von zwei Compagnien Soldaten, eine Untersuchung geführt
wegen eines — wie man sagt — großartigen Gebrauchs der
öffentlichen Redefreiheit vor einer Volksversammlung, die am 9.
d. M. daselbst abgehalten worden ist. Bereits ist ein Jnculpat
in Gewahrsam nach Mainz abgeführt worden.

[Ende Spaltensatz]
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[0005] Beilage zum Mainzer Journal. ro 30. Samstag, den 15. Juli. 1848. Deutschland. Reichstag. f Frankfurt 14. Juli. Jn der heutigen Reichstagssitzung ward die bekannte merkwürdige Eröffnung der Hannöverischen Regierung bezüglich der Centralgewalt zur Sprache gebracht und beschlossen: die Centralgewalt solle vom Hannöverischen Staatsministerium eine unumwundene Anerkennung der Central- gewalt und des Gesetzes darüber fordern. Jn Betreff des öster- reichischen Geldausfuhrverbotes wurde der von mir früher schon gemeldete, die Maßregel mißbilligende Antrag des Ausschusses angenommen. Berlin 12. Juli. ( D. Z. ) Die große parlamentarische Schlacht wegen des Jakoby'schen Antrags, den Reichsverweser betreffend, ist in diesem Augenblick noch nicht entschieden und dürfte über- haupt noch mehrere Sitzungen in Anspruch nehmen. Nach der gestern Abend erfolgten Einigung der Rechten mit den bei- den Centren unterliegt es übrigens nicht dem geringsten Zwei- fel, daß die Linke eine Niederlage erleiden wird, und zwar eine Niederlage, von der eine Partei Mühe hat, sich zu erholen; der innere Widerspruch des Antrags, der in einem Athem die Versammlung in Frankfurt für souverän erklärt, und dennoch ihr das Recht abspricht, einen „unverantwortlichen“ Reichs- verweser zu ernennen, bietet der Partei der Ordnung, die der ewig wiederkehrenden Jncidenzfragen müde ist und endlich ein- mal zum Aufbau des neuen Staates schreiten möchte, eine zu günstige Gelegenheit, die parlamentarische Turbulenz zum Schwei- gen zu bringen, als daß sie dieselbe ungenutzt sollte vorübergehen lassen. Die Wahl des Erzherzogs Johann ist dem preußischen Stolze allerdings eine schwer zu schluckende Pille, nichtsdestowe- niger schluckt man sie, weil das höhere Jnteresse der deutschen Einheit es erfordert; unklug und selbst unpatriotisch war es aber von der Linken, dem so schwer zu verläugnenden preußischen Par- ticularismus neuerdings Gelegenheit zu geben, sich zu äußern. Gewiß bringt kein deutscher Stamm ein größeres Opfer, als der preußische, indem er seine Nationalität in die große, eine, deutsche aufgehen läßt; man sollte ihm dieses Opfer nicht ohne Noth erschweren, und wie eine chirurgische Operation für den Patienten um so schmerzlicher wird, je mehr er dieselbe be- sprechen muß, so fällt auch den preußischen Patrioten, beson- ders den Männern von 1813 und 1814, das Aufgehen in Deutschland um so schwerer, je mehr sie darüber reden hören. √ Darmstadt 12. Juli. Der Abgeordnete der Stadt Mainz Görz hat dieser Tage in der zweiten Kammer, einen sehr be- achtungswerthen Antrag „über die Verhältnisse der Stadt Mainz in Kriegszeiten “ gestellt, in welchem es heißt: „Die Erhal- tung des Friedens wird täglich ungewisser, und dieser Umstand legt den Bewohnern von Mainz die Betrachtung nahe, wie ihre Lage im Falle eines Kriegs sich gestalten werde. Das Regle- ment von 1832 legt die unbedingte Gewalt während des Belage- rungszustandes in die Hände des Gouvernements; seine Befehle, gleichviel wie verkündet, bilden das Gesetz; seine Soldaten sind Richter und Vollstrecker. Das Gesetz, welches die Bürger in Friedenszeit beherrscht, ist aufgehoben; nach einem ihm ganz fremden Kriegsgesetz, in einem militärischen Verfahren, das Oeffentlichkeit und jede schützende Form ausschließt, soll der Bür- ger gerichtet werden; er kann für ein Versehen, für eine Handlung, die zu jeder andern Zeit völlig gleichgültig war, mit dem Tode be- straft werden; er kann der nach seinen Begriffen so entwürdigen- den Strafe der körperlichen Züchtigung verfallen. Die Gerechtig- keit erfordert aber, daß soweit sich dieses mit dem Zweck der Sicherheit und der Vertheidigung der Festung irgend vereinbaren läßt, Leben, Ehre und Freiheit des Bürgers geschützt und nicht ohne alle Garantie dem Willen eines Einzelnen preisgegeben seyen. Ebenso ist sein Vermögen und seine bürgerliche Existenz bedroht. Abgesehen davon, daß ohnedies die Erwerbsquellen der meisten Bewohner einer Festung im Belagerungszustand versiegen, kann das Festungsgouvernement jeden, der nicht sich und seine Fa- milie auf 4 Monate mit Lebensmitteln zu versehen im Stande ist, austreiben und somit dem Verderben preisgeben; es kann der Einwohnerschaft Lieferungen an Geld, Lebensmittel auflegen. Die Belagerung selbst aber führt außerdem durch Beschädigung oder Zerstörung von Gebäuden Verluste herbei, für welche eine Entschädigung von Niemandem geleistet wird. Die Gerechtigkeit erfordert, daß dem Gouvernement die Macht genommen werde, ansäßige Bürger, blos weil sie arm sind, dem Elende preiszuge- ben; sie erfordert ferner, daß die Opfer, welche die Bürgerschaft von Mainz für das ganze Vaterland bringen muß, ihr auch von diesem wieder vergütet werden. Dieses Verhältniß kam bereits auf den Landtagen von 1833 und 1834 auf einen Antrag von sechs rheinhessischen Abgeordneten zur Verhandlung in die Kam- mer, ohne daß die Verwendung derselben bei großherzoglicher Staatsregierung eine sichtbare Wirkung gehabt hätte. Jetzt aber, wo die öffentlichen Zustände unseres Vaterlandes eine neue Gestalt in volksthümlichem Sinne, auf dem Grundprincip der gleichen Gerechtigkeit für Alle annehmen sollen, wird auch die Stimme von Mainz nicht mehr ungehört verhallen. Der Unterzeichnete stellt daher den Antrag dahin: die Kammer möge die hohe Staats- regierung ersuchen, bei Gelegenheit der Revision des Festungs- reglements weiter dahin zu wirken: 1 ) daß die Fälle, wo der Belagerungsstand eintreten soll, bestimmt angegeben werden; 2 ) daß für den Belagerungsstand die Jurisdiction des Gouver- nements und der Kriegsgerichte über die Bürger auf diejenigen Vergehen und Verbrechen beschränkt werden soll, welche sich auf die Sicherheit der Festung beziehen, daß diese letzteren namentlich bezeichnet und die Strafen vorher bestimmt werden, daß aber die körperliche Züchtigung gegen die Bürger nicht verhängt wer- den könne; 3 ) daß zu den Kriegsgerichten für die Fälle, wo sie über Civilpersonen zu urtheilen haben, Civilrichter in gleicher Anzahl zugezogen werden; 4 ) daß die Verhandlungen des Kriegs- gerichts mit den schützenden Formen bekleidet seyen, welche der Zweck derselben, schleunige Gerechtigkeitspflege, nicht ausschließt, namentlich Oeffentlichkeit und das Recht, sich einen Vertheidiger zu wählen; 5 ) daß keine Todesstrafe während der Dauer des Belagerungszustandes vollzogen werde; 6 ) daß das Gouverne- ment für den Fall der Belagerung gehalten sey, Vorräthe anzu- zuschaffen, aus welchen die ärmeren Bürger sich verproviantiren können; 7 ) daß aus den Mitteln der Centralgewalt Deutschlands diejenigen entschädigt werden, welche durch Lieferung von Natu- ralien, Geld an die Besatzung, oder durch Beschädigung oder Zerstörung von Gebäuden zu Schaden gekommen sind.“ Dieser Antrag wurde sogleich an den betreffenden Ausschuß zur Begut- achtung gewiesen. == Bingen 14. Juli. Heute Morgen wurde Generalmarsch geschlagen, um fünf Uhr rückten zwei Compagnien des hier lie- genden 1. Bataillons des 3. Regiments nach Oberingelheim, wo gestern Abend und im Laufe der Nacht bedeutende Unordnungen vorgefallen sind. Man soll das Rathhaus gestürmt, viele Papiere und Urkunden weggenommen und auf offenem Markte verbrannt haben. Schon seit einiger Zeit befinden sich dort mehrere Fami- lien in solcher Unsicherheit, daß sie wenigstens ihre Angehörigen zu entfernen für gut fanden. Von Oberingelheim aus hat sich die Aufregung auch nach Sauerschwabenheim und Elsheim hin ver- breitet, wo in Folge dieser Aufreizungen bisher das Trauerge- läute für den verstorbenen Großherzog unterblieben, jetzt aber auf Zureden und Belehrung begonnen worden ist. Ueberhaupt ist Oberingelheim, Wohnort des Frankfurter Deputirten Mohr, ein Hauptsitz der republikanischen Partei, welche sich alle Mühe gibt, die Hoffnungen auf Feststellung unserer Zustände und Rück- kehr zur Ordnung zu vereiteln. Gestern kamen auch Einige dieser Partei hierher, um eine Versammlung in republikanischem Sinne zu veranstalten. Allein sie fanden durchaus keine Theilnahme, indem Niemand kam. — Jn dem hiesigen Turnvereine ist eine Spaltung und in Folge davon Auflösung desselben eingetreten, indem einige Wenige auch ihn ganz in das republikanische Wesen hineinziehen wollten, die große Mehrheit dies aber entschieden ablehnte und erklärte, zwar turnen, aber nicht politisiren zu wol- len, was ganz vernünftig war. # Aus dem Jngelheimer Grunde 14. Juli. Seit diesen Morgen wird in unserm Kantonshauptorte Oberingelheim durch den Gr. Staatsprocurator und Untersuchungsrichter, ge- folgt von zwei Compagnien Soldaten, eine Untersuchung geführt wegen eines — wie man sagt — großartigen Gebrauchs der öffentlichen Redefreiheit vor einer Volksversammlung, die am 9. d. M. daselbst abgehalten worden ist. Bereits ist ein Jnculpat in Gewahrsam nach Mainz abgeführt worden.

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 30. Mainz, 15. Juli 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal030_1848/5>, abgerufen am 21.11.2024.