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Mainzer Journal. Nr. 34. Mainz, 19. Juli 1848.

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Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den "Rheinischen Unterhaltungs-
blättern " schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 34. Mittwoch, den 19. Juli. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland und Oesterreich.
II.

*** Kein unpartheiischer Beurtheiler der Geschichte kann es
in Abrede stellen, daß das habsburgische Kaiserhaus durch Jahr-
hunderte der erste und fast einzige Hort der deutschen Einheit ge-
wesen und sich um das große Vaterland unsterbliche Verdienste er-
worben hat. Der Ahnherr des Hauses, Rudolph, hat Deutsch-
land aus einem Zustand der Anarchie, der Auflösung und Ernie-
drigung, der erst in viel späteren Zeiten ein Seitenstück gefunden
hat, gerettet. Durch die Stiftung des ewigen Landfriedens und
des höchsten Reichsgerichtes hat Maximilian I. dem Recht, wie
es scheint, auf allezeit den Sieg gesichert über die Gewalt. Fast
Oesterreich allein hat die Last der Türkenkriege getragen und da-
durch Deutschland vor der Barbarei geschützt. Gegen die stets
überhand nehmenden Anmaßungen der Territorialherren und die
daraus entspringende jammervolle Zerstückelung Deutschlands ha-
ben die habsburgischen Kaiser, wenn auch viel verkannt und ge-
schmäht, beharrlich des Reiches Recht und Einheit vertheidigt.
Jn allem diesem und im großen Ganzen war ihre Politik ächt
deutsch und ächt kaiserlich.

Als aber trotz dem die Landeshoheit sich immer mehr befestigte,
das Ansehen des Reiches stets tiefer sank, endlich gar durch den
siebenjährigen Krieg die Zerspaltung Deutschlands und die gänz-
liche Unabhängigkeit der mächtigeren deutschen Territorien als
eine vollendete Thatsache dastand, und endlich in der Napoleoni-
schen Zeit mit dem Kaiserthume auch die deutsche Einheit und Na-
tionalität gänzlich unterging, da unterlag auch das Kaiserhaus
vollständig dem falschen, eigensüchtigen, weltklugen und ideenlosen
Geiste der Zeit. Oestereich verzichtete gänzlich auf seine Stellung
an der Spitze Deutschlands und seine alte deutsche und kaiserliche
Politik. Wie ernstliche Anstrengung enauch gemacht wurden, durch
nichts war Kaiser Franz zur Wiederaufnahme des deutschen Kai-
serthumes zu bewegen. Oesterreich zog sich aus Deutschland zu-
rück, verzichtete auf all seine deutschen Besitzungen im Westen,
namentlich in Schwaben, wodurch es bis zur französischen Grenze
gereicht hatte, rundete sich ab zu einem großen österreichischen
Staate.

War dieses für Deutschland ein unermeßlicher Schaden,
so war es für Oesterreich selbst ein noch weit größeres
Verderben. Wenn wir heute dieses vor Kurzem scheinbar
so gewaltige Oesterreich in dem vollständigsten Zerfall be-
griffen sehen, so ist das nur eine nothwendige Folge davon,
daß das Kaiserhaus seine deutsche Stellung aufgegeben und vom
Reiche sich getrennt hat: denn damit hat jene Sammlung der
verschiedenartigsten Länder und Völker, welche das österreichische
Reich bilden, ihren zusammenhaltenden Schwerpunkt und das
deutsche Oesterreich sein Uebergewicht gegenüber den nicht deut-
schen Nationalitäten gänzlich eingebüßt. Wenn das deutsche
Oesterreich nicht eins ist mit dem übrigen Deutschland, gestützt
und getragen von ihm, was ist es dann im Vergleich mit Ueber-
zahl und Ueberwucht der Ungarn, Slaven und Jtaliener?
Woher nimmt es Ansehen und Kraft, um diese widerstrebenden
Kräfte zu bewältigen, wenn es die Majestät des deutschen Ge-
sammtreiches nicht in die Wagschale legen kann? Nein, das
Erzherzogthum Oesterreich für sich ist wahrlich nicht im Stande,
jenen Ungarn und Slaven gegenüber die Obmacht zu behaupten,
das vermag allein das deutsche Reich. So mußte -- bei der Ver-
fassung des modernen Oesterreich -- unter allen Umständen eines
von beiden eintreten: entweder daß eine mächtigere Nationalität,
die slavische, der Herrschaft sich bemächtigte und Oesterreich aus
einem deutschen in ein slavisches Reich verwandelte, oder daß
nach Zerreißung eines jeden einigenden Bandes all jene Völker-
[Spaltenumbruch] schaften -- ähnlich wie zur Zeit der Völkerwanderung -- eigene
Reiche bildeten. Beides wäre, wie kaum zu beweisen, ein namen-
loses Unglück für Deutschland und die Civilisation. Jm ersteren
Fall käme nicht blos ein Theil der Deutschen unter slavische Bot-
mäßigkeit, sondern nachdem das übrige Deutschland bereits von
drei Seiten her durch Rußland, England und Frankreich um-
drängt ist, würde es auch noch durch das neue südöstliche Slaven-
reich erdrückt. Jm anderen Falle aber, wo kleinere Reiche unab-
hängig, ja feindselig gegenüber Deutschland sich bildeten, wäre
die baldige Folge, daß dieselben bald in Abhängigkeit von Ruß-
land oder anderen Großmächten geriethen. Jn beiden Fällen
aber wäre es um das alte Oesterreich gethan. Jn dieser Krisis
befindet sich gegenwärtig Oesterreich und mit ihm Deutschland.
Jn dieser Noth aber hat sich diesem österreichischen Kaiserhause
-- vermöge jenes wunderbaren Glückssternes, der seit Uralt über
ihn waltet -- plötzlich der Weg der Rettung aufgethan, in dem
Augenblick, wo das Werk der Staatsklugheit in Trümmer geht,
sind die Strömungen der alten Natur frei geworden und Oester-
reich ist zu Deutschland zurückgekehrt, muß zu ihm zurückkehren,
wenn es nicht untergehen will.

Möge Habsburg, mögen alle patriotischen Männer Oester-
reichs und Deutschlands diesen großen Moment der Geschichte
wohl begreifen, die ganze Zukunft hängt davon ab. Was der
alte Erzherzog Johann gesprochen: da habt ihr mich, ich ge-
höre ganz euch an!
muß seines Hauses, muß Oesterreichs
Losungswort fortan seyn. Da hast du mich wieder einiges deut-
sches Reich, und Alles, was mein ist, sey dein; will ich groß und
stark seyn, so will ich es nur für dich, wie ich es auch nur ver-
mag durch dich.

Sobald aber das deutsche Oestereich eins geworden ist mit
Deutschland, hat es auch wieder Kraft und Majestät und ein
ungeheures moralisches und physisches Uebergewicht gegenüber
den Slaven, Ungarn und Jtalienern und kann sich derselben be-
dienen, nicht zur Unterdrückung, sondern zum Heile dieser Na-
tionen. Denn in der durch Oesterreich vermittelten Einigung mit
Deutschland können diese Völker Glück, Ehre und Freiheit, wie
in keiner anderen Weise finden. Unter des Reiches ehrenvoller
Oberherrlichkeit mag und muß ihnen dann die freieste Entwickel-
ung ihrer nationalen Selbstständigkeit gestattet werden; sie wer-
den frei, dem deutschen Reich auf Ewig einverleibte Bundesge-
nossen sein. Wie ganz anders, wie großartig und befriedigend
sich dann jene so trostlos verwickelten Verhältnisse der seitherigen
österreichischen Monarchie gestalten können, mag der geniale Vor-
schlag Ghörres bezüglich Venedigs beweisen.

Wie man sieht haben uns diese Betrachtungen unserer ur-
sprünglichen Absicht etwas abgeführt, wir beabsichtigten nämlich
zu zeigen, wie Deutschland, während es durch Oesterreich an
äußerer Macht und Herrlichkeit so unendlich Vieles gewinnt, es
auch keine Gefahr läuft für seine innere Freiheit, wenn es Oester-
reich und sein Kaiserhaus an die Spitze stellt. Heute gestattet uns
der Raum nur noch ein paar Worte darüber. Oesterreich, so
stark, wenn es auf Deutschland sich stützt, ist ganz ohnmächtig
gegen Deutschland. Von Oesterreich, wenn es an der Spitze
Deutschlands steht, ist eine Unterdrückung der deutschen Selbst-
ständigkeit in politischer und geistiger Beziehung so wenig zu be-
fürchten, daß vielmehr umgekehrt nur Deutschland auf Oesterreich
den herrschenden Einfluß üben wird. So wird Oesterreich, von
Deutschland getragen, mächtig seyn, die deutsche Einheit im Jn-
nern und die deutsche Größe nach Außen hin aufrecht zu erhalten,
hingegen schwach und ohnmächtig gegen die deutsche Freiheit und
gegen die Selbstständigkeit der einzelnen deutschen Länder irgend
Unrecht und Unterdrückung zu üben. Wem leuchtet nicht ein, daß
[Ende Spaltensatz]

Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den „Rheinischen Unterhaltungs-
blättern “ schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 34. Mittwoch, den 19. Juli. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland und Oesterreich.
II.

⁂ Kein unpartheiischer Beurtheiler der Geschichte kann es
in Abrede stellen, daß das habsburgische Kaiserhaus durch Jahr-
hunderte der erste und fast einzige Hort der deutschen Einheit ge-
wesen und sich um das große Vaterland unsterbliche Verdienste er-
worben hat. Der Ahnherr des Hauses, Rudolph, hat Deutsch-
land aus einem Zustand der Anarchie, der Auflösung und Ernie-
drigung, der erst in viel späteren Zeiten ein Seitenstück gefunden
hat, gerettet. Durch die Stiftung des ewigen Landfriedens und
des höchsten Reichsgerichtes hat Maximilian I. dem Recht, wie
es scheint, auf allezeit den Sieg gesichert über die Gewalt. Fast
Oesterreich allein hat die Last der Türkenkriege getragen und da-
durch Deutschland vor der Barbarei geschützt. Gegen die stets
überhand nehmenden Anmaßungen der Territorialherren und die
daraus entspringende jammervolle Zerstückelung Deutschlands ha-
ben die habsburgischen Kaiser, wenn auch viel verkannt und ge-
schmäht, beharrlich des Reiches Recht und Einheit vertheidigt.
Jn allem diesem und im großen Ganzen war ihre Politik ächt
deutsch und ächt kaiserlich.

Als aber trotz dem die Landeshoheit sich immer mehr befestigte,
das Ansehen des Reiches stets tiefer sank, endlich gar durch den
siebenjährigen Krieg die Zerspaltung Deutschlands und die gänz-
liche Unabhängigkeit der mächtigeren deutschen Territorien als
eine vollendete Thatsache dastand, und endlich in der Napoleoni-
schen Zeit mit dem Kaiserthume auch die deutsche Einheit und Na-
tionalität gänzlich unterging, da unterlag auch das Kaiserhaus
vollständig dem falschen, eigensüchtigen, weltklugen und ideenlosen
Geiste der Zeit. Oestereich verzichtete gänzlich auf seine Stellung
an der Spitze Deutschlands und seine alte deutsche und kaiserliche
Politik. Wie ernstliche Anstrengung enauch gemacht wurden, durch
nichts war Kaiser Franz zur Wiederaufnahme des deutschen Kai-
serthumes zu bewegen. Oesterreich zog sich aus Deutschland zu-
rück, verzichtete auf all seine deutschen Besitzungen im Westen,
namentlich in Schwaben, wodurch es bis zur französischen Grenze
gereicht hatte, rundete sich ab zu einem großen österreichischen
Staate.

War dieses für Deutschland ein unermeßlicher Schaden,
so war es für Oesterreich selbst ein noch weit größeres
Verderben. Wenn wir heute dieses vor Kurzem scheinbar
so gewaltige Oesterreich in dem vollständigsten Zerfall be-
griffen sehen, so ist das nur eine nothwendige Folge davon,
daß das Kaiserhaus seine deutsche Stellung aufgegeben und vom
Reiche sich getrennt hat: denn damit hat jene Sammlung der
verschiedenartigsten Länder und Völker, welche das österreichische
Reich bilden, ihren zusammenhaltenden Schwerpunkt und das
deutsche Oesterreich sein Uebergewicht gegenüber den nicht deut-
schen Nationalitäten gänzlich eingebüßt. Wenn das deutsche
Oesterreich nicht eins ist mit dem übrigen Deutschland, gestützt
und getragen von ihm, was ist es dann im Vergleich mit Ueber-
zahl und Ueberwucht der Ungarn, Slaven und Jtaliener?
Woher nimmt es Ansehen und Kraft, um diese widerstrebenden
Kräfte zu bewältigen, wenn es die Majestät des deutschen Ge-
sammtreiches nicht in die Wagschale legen kann? Nein, das
Erzherzogthum Oesterreich für sich ist wahrlich nicht im Stande,
jenen Ungarn und Slaven gegenüber die Obmacht zu behaupten,
das vermag allein das deutsche Reich. So mußte — bei der Ver-
fassung des modernen Oesterreich — unter allen Umständen eines
von beiden eintreten: entweder daß eine mächtigere Nationalität,
die slavische, der Herrschaft sich bemächtigte und Oesterreich aus
einem deutschen in ein slavisches Reich verwandelte, oder daß
nach Zerreißung eines jeden einigenden Bandes all jene Völker-
[Spaltenumbruch] schaften — ähnlich wie zur Zeit der Völkerwanderung — eigene
Reiche bildeten. Beides wäre, wie kaum zu beweisen, ein namen-
loses Unglück für Deutschland und die Civilisation. Jm ersteren
Fall käme nicht blos ein Theil der Deutschen unter slavische Bot-
mäßigkeit, sondern nachdem das übrige Deutschland bereits von
drei Seiten her durch Rußland, England und Frankreich um-
drängt ist, würde es auch noch durch das neue südöstliche Slaven-
reich erdrückt. Jm anderen Falle aber, wo kleinere Reiche unab-
hängig, ja feindselig gegenüber Deutschland sich bildeten, wäre
die baldige Folge, daß dieselben bald in Abhängigkeit von Ruß-
land oder anderen Großmächten geriethen. Jn beiden Fällen
aber wäre es um das alte Oesterreich gethan. Jn dieser Krisis
befindet sich gegenwärtig Oesterreich und mit ihm Deutschland.
Jn dieser Noth aber hat sich diesem österreichischen Kaiserhause
— vermöge jenes wunderbaren Glückssternes, der seit Uralt über
ihn waltet — plötzlich der Weg der Rettung aufgethan, in dem
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sind die Strömungen der alten Natur frei geworden und Oester-
reich ist zu Deutschland zurückgekehrt, muß zu ihm zurückkehren,
wenn es nicht untergehen will.

Möge Habsburg, mögen alle patriotischen Männer Oester-
reichs und Deutschlands diesen großen Moment der Geschichte
wohl begreifen, die ganze Zukunft hängt davon ab. Was der
alte Erzherzog Johann gesprochen: da habt ihr mich, ich ge-
höre ganz euch an!
muß seines Hauses, muß Oesterreichs
Losungswort fortan seyn. Da hast du mich wieder einiges deut-
sches Reich, und Alles, was mein ist, sey dein; will ich groß und
stark seyn, so will ich es nur für dich, wie ich es auch nur ver-
mag durch dich.

Sobald aber das deutsche Oestereich eins geworden ist mit
Deutschland, hat es auch wieder Kraft und Majestät und ein
ungeheures moralisches und physisches Uebergewicht gegenüber
den Slaven, Ungarn und Jtalienern und kann sich derselben be-
dienen, nicht zur Unterdrückung, sondern zum Heile dieser Na-
tionen. Denn in der durch Oesterreich vermittelten Einigung mit
Deutschland können diese Völker Glück, Ehre und Freiheit, wie
in keiner anderen Weise finden. Unter des Reiches ehrenvoller
Oberherrlichkeit mag und muß ihnen dann die freieste Entwickel-
ung ihrer nationalen Selbstständigkeit gestattet werden; sie wer-
den frei, dem deutschen Reich auf Ewig einverleibte Bundesge-
nossen sein. Wie ganz anders, wie großartig und befriedigend
sich dann jene so trostlos verwickelten Verhältnisse der seitherigen
österreichischen Monarchie gestalten können, mag der geniale Vor-
schlag Ghörres bezüglich Venedigs beweisen.

Wie man sieht haben uns diese Betrachtungen unserer ur-
sprünglichen Absicht etwas abgeführt, wir beabsichtigten nämlich
zu zeigen, wie Deutschland, während es durch Oesterreich an
äußerer Macht und Herrlichkeit so unendlich Vieles gewinnt, es
auch keine Gefahr läuft für seine innere Freiheit, wenn es Oester-
reich und sein Kaiserhaus an die Spitze stellt. Heute gestattet uns
der Raum nur noch ein paar Worte darüber. Oesterreich, so
stark, wenn es auf Deutschland sich stützt, ist ganz ohnmächtig
gegen Deutschland. Von Oesterreich, wenn es an der Spitze
Deutschlands steht, ist eine Unterdrückung der deutschen Selbst-
ständigkeit in politischer und geistiger Beziehung so wenig zu be-
fürchten, daß vielmehr umgekehrt nur Deutschland auf Oesterreich
den herrschenden Einfluß üben wird. So wird Oesterreich, von
Deutschland getragen, mächtig seyn, die deutsche Einheit im Jn-
nern und die deutsche Größe nach Außen hin aufrecht zu erhalten,
hingegen schwach und ohnmächtig gegen die deutsche Freiheit und
gegen die Selbstständigkeit der einzelnen deutschen Länder irgend
Unrecht und Unterdrückung zu üben. Wem leuchtet nicht ein, daß
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II. ⁂ Kein unpartheiischer Beurtheiler der Geschichte kann es in Abrede stellen, daß das habsburgische Kaiserhaus durch Jahr- hunderte der erste und fast einzige Hort der deutschen Einheit ge- wesen und sich um das große Vaterland unsterbliche Verdienste er- worben hat. Der Ahnherr des Hauses, Rudolph, hat Deutsch- land aus einem Zustand der Anarchie, der Auflösung und Ernie- drigung, der erst in viel späteren Zeiten ein Seitenstück gefunden hat, gerettet. Durch die Stiftung des ewigen Landfriedens und des höchsten Reichsgerichtes hat Maximilian I. dem Recht, wie es scheint, auf allezeit den Sieg gesichert über die Gewalt. Fast Oesterreich allein hat die Last der Türkenkriege getragen und da- durch Deutschland vor der Barbarei geschützt. Gegen die stets überhand nehmenden Anmaßungen der Territorialherren und die daraus entspringende jammervolle Zerstückelung Deutschlands ha- ben die habsburgischen Kaiser, wenn auch viel verkannt und ge- schmäht, beharrlich des Reiches Recht und Einheit vertheidigt. Jn allem diesem und im großen Ganzen war ihre Politik ächt deutsch und ächt kaiserlich. Als aber trotz dem die Landeshoheit sich immer mehr befestigte, das Ansehen des Reiches stets tiefer sank, endlich gar durch den siebenjährigen Krieg die Zerspaltung Deutschlands und die gänz- liche Unabhängigkeit der mächtigeren deutschen Territorien als eine vollendete Thatsache dastand, und endlich in der Napoleoni- schen Zeit mit dem Kaiserthume auch die deutsche Einheit und Na- tionalität gänzlich unterging, da unterlag auch das Kaiserhaus vollständig dem falschen, eigensüchtigen, weltklugen und ideenlosen Geiste der Zeit. Oestereich verzichtete gänzlich auf seine Stellung an der Spitze Deutschlands und seine alte deutsche und kaiserliche Politik. Wie ernstliche Anstrengung enauch gemacht wurden, durch nichts war Kaiser Franz zur Wiederaufnahme des deutschen Kai- serthumes zu bewegen. Oesterreich zog sich aus Deutschland zu- rück, verzichtete auf all seine deutschen Besitzungen im Westen, namentlich in Schwaben, wodurch es bis zur französischen Grenze gereicht hatte, rundete sich ab zu einem großen österreichischen Staate. War dieses für Deutschland ein unermeßlicher Schaden, so war es für Oesterreich selbst ein noch weit größeres Verderben. Wenn wir heute dieses vor Kurzem scheinbar so gewaltige Oesterreich in dem vollständigsten Zerfall be- griffen sehen, so ist das nur eine nothwendige Folge davon, daß das Kaiserhaus seine deutsche Stellung aufgegeben und vom Reiche sich getrennt hat: denn damit hat jene Sammlung der verschiedenartigsten Länder und Völker, welche das österreichische Reich bilden, ihren zusammenhaltenden Schwerpunkt und das deutsche Oesterreich sein Uebergewicht gegenüber den nicht deut- schen Nationalitäten gänzlich eingebüßt. Wenn das deutsche Oesterreich nicht eins ist mit dem übrigen Deutschland, gestützt und getragen von ihm, was ist es dann im Vergleich mit Ueber- zahl und Ueberwucht der Ungarn, Slaven und Jtaliener? Woher nimmt es Ansehen und Kraft, um diese widerstrebenden Kräfte zu bewältigen, wenn es die Majestät des deutschen Ge- sammtreiches nicht in die Wagschale legen kann? Nein, das Erzherzogthum Oesterreich für sich ist wahrlich nicht im Stande, jenen Ungarn und Slaven gegenüber die Obmacht zu behaupten, das vermag allein das deutsche Reich. So mußte — bei der Ver- fassung des modernen Oesterreich — unter allen Umständen eines von beiden eintreten: entweder daß eine mächtigere Nationalität, die slavische, der Herrschaft sich bemächtigte und Oesterreich aus einem deutschen in ein slavisches Reich verwandelte, oder daß nach Zerreißung eines jeden einigenden Bandes all jene Völker- schaften — ähnlich wie zur Zeit der Völkerwanderung — eigene Reiche bildeten. Beides wäre, wie kaum zu beweisen, ein namen- loses Unglück für Deutschland und die Civilisation. Jm ersteren Fall käme nicht blos ein Theil der Deutschen unter slavische Bot- mäßigkeit, sondern nachdem das übrige Deutschland bereits von drei Seiten her durch Rußland, England und Frankreich um- drängt ist, würde es auch noch durch das neue südöstliche Slaven- reich erdrückt. Jm anderen Falle aber, wo kleinere Reiche unab- hängig, ja feindselig gegenüber Deutschland sich bildeten, wäre die baldige Folge, daß dieselben bald in Abhängigkeit von Ruß- land oder anderen Großmächten geriethen. Jn beiden Fällen aber wäre es um das alte Oesterreich gethan. Jn dieser Krisis befindet sich gegenwärtig Oesterreich und mit ihm Deutschland. Jn dieser Noth aber hat sich diesem österreichischen Kaiserhause — vermöge jenes wunderbaren Glückssternes, der seit Uralt über ihn waltet — plötzlich der Weg der Rettung aufgethan, in dem Augenblick, wo das Werk der Staatsklugheit in Trümmer geht, sind die Strömungen der alten Natur frei geworden und Oester- reich ist zu Deutschland zurückgekehrt, muß zu ihm zurückkehren, wenn es nicht untergehen will. Möge Habsburg, mögen alle patriotischen Männer Oester- reichs und Deutschlands diesen großen Moment der Geschichte wohl begreifen, die ganze Zukunft hängt davon ab. Was der alte Erzherzog Johann gesprochen: da habt ihr mich, ich ge- höre ganz euch an! muß seines Hauses, muß Oesterreichs Losungswort fortan seyn. Da hast du mich wieder einiges deut- sches Reich, und Alles, was mein ist, sey dein; will ich groß und stark seyn, so will ich es nur für dich, wie ich es auch nur ver- mag durch dich. Sobald aber das deutsche Oestereich eins geworden ist mit Deutschland, hat es auch wieder Kraft und Majestät und ein ungeheures moralisches und physisches Uebergewicht gegenüber den Slaven, Ungarn und Jtalienern und kann sich derselben be- dienen, nicht zur Unterdrückung, sondern zum Heile dieser Na- tionen. Denn in der durch Oesterreich vermittelten Einigung mit Deutschland können diese Völker Glück, Ehre und Freiheit, wie in keiner anderen Weise finden. Unter des Reiches ehrenvoller Oberherrlichkeit mag und muß ihnen dann die freieste Entwickel- ung ihrer nationalen Selbstständigkeit gestattet werden; sie wer- den frei, dem deutschen Reich auf Ewig einverleibte Bundesge- nossen sein. Wie ganz anders, wie großartig und befriedigend sich dann jene so trostlos verwickelten Verhältnisse der seitherigen österreichischen Monarchie gestalten können, mag der geniale Vor- schlag Ghörres bezüglich Venedigs beweisen. Wie man sieht haben uns diese Betrachtungen unserer ur- sprünglichen Absicht etwas abgeführt, wir beabsichtigten nämlich zu zeigen, wie Deutschland, während es durch Oesterreich an äußerer Macht und Herrlichkeit so unendlich Vieles gewinnt, es auch keine Gefahr läuft für seine innere Freiheit, wenn es Oester- reich und sein Kaiserhaus an die Spitze stellt. Heute gestattet uns der Raum nur noch ein paar Worte darüber. Oesterreich, so stark, wenn es auf Deutschland sich stützt, ist ganz ohnmächtig gegen Deutschland. Von Oesterreich, wenn es an der Spitze Deutschlands steht, ist eine Unterdrückung der deutschen Selbst- ständigkeit in politischer und geistiger Beziehung so wenig zu be- fürchten, daß vielmehr umgekehrt nur Deutschland auf Oesterreich den herrschenden Einfluß üben wird. So wird Oesterreich, von Deutschland getragen, mächtig seyn, die deutsche Einheit im Jn- nern und die deutsche Größe nach Außen hin aufrecht zu erhalten, hingegen schwach und ohnmächtig gegen die deutsche Freiheit und gegen die Selbstständigkeit der einzelnen deutschen Länder irgend Unrecht und Unterdrückung zu üben. Wem leuchtet nicht ein, daß

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 34. Mainz, 19. Juli 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal034_1848/1>, abgerufen am 21.11.2024.