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Mainzer Journal. Nr. 34. Mainz, 19. Juli 1848.

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[Beginn Spaltensatz] wenn z. B. Preußen die Hegemonie erhalten hätte, wie es seiner
Zeit angestrebt, von dorther eine große Gefahr für die Selbst-
ständigkeit Mitteldeutschlands drohte, während es eine wahre
Thorheit wäre, etwas für Baierns Selbstständigkeit von Oester-
reich zu fürchten. Daß es durch eine Hegemonie Preußen-
kommen könnte, daß Deutschland in Preußen aufginge, statt ums
gekehrt, wer kann das leugnen? Daß aber Oesterreich je Deutsch-
land verschlingen werde, wer könnte eine so alberne Gespenster-
furcht hegen? Ueberdieß hat die Weltgeschichte kein Regentenhaus
aufzuweisen, das so wenig mit despotischen Gelüsten wäre geplagt
worden, und in allen Wegen so solid, schlicht und rechtschaffen
sich erwiesen hätte, als das österreichische. Es läßt sich fast voll-
ständig nachweisen, daß wo immer von Oesterreich Unrecht oder
Despotismus ausging, es nie dem Kaiserhause als Schuld zur
Last fällt. Es steht diese Familie unter allen Dynastien in einer
einzigen Weise schuldlos und rein da, so daß -- wenn das mo-
narchische Prinzip eine Zukunft hat -- es gewiß dieses Haus ver-
dienen würde, Volksfreiheit und monarchische Autorität mit
einander zu versöhnen.



Deutschland.
Reichstag.

f Frankfurt 18. Juli. Die langgedehnten Verhandlungen
über die drei ersten Paragraphen der Grundrechte und die damit
verbundenen ungemein zahlreichen, aber oft nur in der Wahl der
Worte von einander abweichenden Anträge sind ganz geeignet,
das Wohlgefallen an derartigen Discussionen zu mindern und da
es jetzt, wo wir Reichsminister haben, auch Gelegenheit zu Jnter-
pellationen
geben wird, so war es sehr natürlich, daß man
in Bezug auf diese eine bestimmte, die zu große Lust zu Fragestel-
lungen an die Minister etwas dämpfende Ordnung wünschte. Es
ward daher vorgeschlagen, es solle keine Jnterpellation gemacht
werden, die sich nicht zum Voraus der Unterstützung von 20 Mit-
gliedern zu erfreuen hätte; doch ward dieser Vorschlag nicht an-
genommen, sondern die ganze Frage erst noch an den Geschäfts-
ausschuß verwiesen. Die Verhandlung über die Grundrechte ward
sodann festgesetzt und -- endlich auch geschlossen. Beda Weber
aus Tirol will, daß zur Erlangung des Staatsbürgerrechtes von dem
aufzunehmenden Nachweis seiner Unbescholtenheit und seiner Unter-
haltsfähigkeit verlangt werden dürfe; und hier hätte sich wegen der
"Unbescholtenheit" beinahe jener berühmte lange Streit [unleserliches Material - 8 Zeichen fehlen]erneuert, der
auf einem früheren Berliner Landtage so geistreich geführt worden
ist. Manche Redner meinten, der der Strafe entlassene Verbrecher
sey jedenfalls wieder ein "Unbescholtener," denn er habe ja dem
Staate genug gethan; und wenn irgendwo hierüber sich eine an-
dere Meinung finde, so sey Das ein nicht beachtenswerthes Vor-
urtheil! -- Zuletzt redeten noch Hildebrand und Beseler
ersterer als Berichterstatter des volkswirthschaftlichen, letzterer
als der des Verfassungsausschusses die Debatten kurz und
klar resumirend. Die Abstimmung darüber konnte nicht mehr
vorgenommen werden, und wird nun nächsten Donnerstag
stattfinden; wo also das Maaß der Rechte des Einzelnen, der
Gemeinde und des Staates in Bezug auf Ansessigmachung
und Bürgerrecht, und respective Verweigerung desselben be-
stimmt werden wird. Voraussichtlich wird die, freilich liberal
scheinende, aber in sich unrichtige Jdee von der absoluten Be-
rechtigung des Einzelnen, überall sich seßhaft zu machen und
Antheil am rechtlichen Gemeindebesitz Anderer zu nehmen, nicht
durchdringen, sondern der Gemeinde ihr Recht in solcher
Weise gewahrt werden, daß dabei doch die Einheit Deutschlands
nicht Noth leidet. Gestern sollten in Sachsenhausen zum ersten-
male nach dem Krawall, die Linientruppen wieder die Wachen
beziehen; es zeigte sich aber solche Gereiztheit und Aufregung,
und bildeten sich gegen 12 Uhr solch drohende Gruppirungen,
daß diese Maßregel vorläufig unterblieb.

Wien 13. Juli. [ Kriegsschauplatz. ] Nach den heutigen
Nachrichten aus dem Hauptquartier des Feld=Marschalls Grafen
Radetzky vom 9. d. befand sich derselbe damals in Verona.
Feldmarschalllieutenant Baron Welden operirt nach Berichten
aus Treviso vom 11. unaufhaltsam vorwärts. Er hat eine
Brücke über die Etsch geschlagen, mit seinen Truppen diesen Fluß
passirt, und die Communication zwischen Verona und Mantua
gänzlich hergestellt. Seine Truppen sind bis in die Gegend von
Villafranca vorgerückt. Die Einwohner haben unsere Truppen
ohne Widerstand empfangen, und seine Operationen sind überall
mit dem glücklichsten Erfolg gekrönt. Karl Albert hielt sich noch
in seinen Verschanzungen von St. Lucia bis Castel Nuova. Al-
lein die Desertion nicht nur unter den Mailändern, sondern sei-
ner eigenen Truppen nimmt überhand. Jn dieser Krisis hat sich
[Spaltenumbruch] das durch seine Hilfsschaaren in der Stadt hart bedrängte Vene-
dig zu einem Anschluß an Sardinien entschlossen. Es ist klar,
daß das Militär jetzt in Venedig alle Parteien beherrscht.

Berlin 13. Juli. ( Br. Z. ) Die englische Regierung hat sich
bereit erklärt, in Bezug auf Handelstraktate mit dem deutschen
Reichsverweser in Verbindung zu treten, und dadurch die Aner-
kennung der deutschen Einheit ausgesprochen. Wie ich höre, wird
auch Rußland einen eigenen Gesandten bei dem Reichsverweser
beglaubigen; in Bezug auf Frankreich ist die Erledigung dieser
wichtigen Frage noch zweifelhaft. [ Wenn einmal erst die deutschen
"Großmächte" ihre Gesandten einziehen, dann werden die aus-
wärtigen Mächte schon von selbst kommen. ]

Berlin 14. Juli. ( B. H. ) Ein Gesetz, welches jetzt schon
in den ministeriellen Vorberathungen die größesten Schwierigkei-
ten macht, ist die neu einzuführende Communalordnung und zwar
unter vielen andern Punkten ist es besonders der des passiven und
activen Wahlrechtes, welcher bis jetzt noch nicht hat zum Abschluß
gebracht werden können. Für die Nationalversammlung haben
wir allgemeines Stimmrecht; dies glaubt man aus sehr bewegen-
den Gründen in der Commune nicht zulassen zu können, weil da-
durch, daß jeder großjährige Einwohner Wähler und wählbar
ist, es den Communen noch viel schlimmer ergehen würde, als
jetzt dem preußischen Staate mit seiner vielberufenen National-
versammlung, welche jetzt bei den Berathungen über das neue
Communalgesetz beständig als Argument dienen muß gegen das
allgemeine Zugeständniß der Wählbarkeit. Freilich ist es sehr
schwierig, in der Commune Beschränkungen einzuführen, welche
für den Staat nicht bestehen, aber das Ministerium wird wahr-
scheinlich das neu vorzulegende Gesetz nicht ohne solche Beschrän-
kungen der Nationalversammlung übergeben. Dies wird unter
der demokratischen Partei wiederum viel Anlaß zu reactionären
Beschuldigungen geben und doch ist nicht zu leugnen, daß eine
tüchtige Communalverfassung jetzt für Preußen das erste Bedürf-
niß und die wahrhafte Grundlage der ganzen Staatsverfassung
ist, weil ohne wohleingerichtete Communen diese vollkommen in
der Luft hängt. Zudem soll noch ein hochwichtiges Jnstitut, näm-
lich das der Geschwornen, auf die Communalverfassung gegrün-
det werden, und wer weiß nicht, daß ohne tüchtig ausgebildete
Geschworne der ganze Rechtszustand in einem Volke in Frage ge-
stellt ist. Nach allen Seiten hin also ist es nöthig, daß in die
Communalverwaltung nur zuverlässige und gewissenhafte Män-
ner kommen, welche wirklich zu den Functionen, die ihnen auch
als Geschwornen übertragen werden sollen, die nöthigen Fähig-
keiten besitzen, und man zweifelt sehr, daß dies im Wege der
directen Wahl mit allgemeinem activen und passiven Wahlrecht
möglich sey. Die Discussion hierüber würde, wenn wir eine
fähige Nationalversammlung hätten, zu einer der wichtigsten
gehören, wobei recht eigentliche Kenntniß der innersten Getriebe
des Staatslebens sich entfalten könnte; nach dem jetzigen Zu-
stande der Versammlung aber wird man sich auch über diesen
Punkt nur in den abgebrauchten demokratischen oder altpreußischen
Redensarten ergehen.

Berlin 14. Juli. ( Berl. Bl. ) Eine k. Botschaft vom 10.
bringt einen sehr wichtigen Gesetzentwurf an die Nationalver-
sammlung, den wegen Ausschreibung einer Zwangsanleihe. Der-
selbe enthält folgende Hauptbestimmungen. Die freiwillige fünf-
procentige Anleihe wird mit dem 10. August d. J. geschlossen.
Jnsoweit dieselbe den Betrag von 15 Millionen nicht erreicht,
wird eine3 1 / 2 procentige Zwangsanleihe eröffnet. Hierzu haben
alle Staatsangehörige beizutragen, welche ein Vermögen von
mindestens 4000 Rthlr. besitzen; doch werden ihnen die Beiträge
zur freiwilligen Anleihe auf ihren Antheil zur Zwangsanleihe in
Anrechnung gebracht. Der Beitrag bestimmt sich bei einem Ver-
mögen bis 8000 Rthlr. auf 5 / 10 pCt. als niedrigsten Satz, über
40,000 bis 60,000 Rthlr. geben 1 pC., 350,000 bis 400,000
Rthlr.1 9 / 10 pCt., über 400,000 Rthlr. 2 pCt., als höchsten Satz;
dazwischen liegen jedoch noch vielfache Abstufungen. Die Ab-
tragung der Zwangsanleihe erfolgt vom 1. Januar 1850 mit
jährlich[unleserliches Material] pCt. vom Gesammtbetrage durch Ankauf oder Ver-
loosung. Eine dem Entwurf anliegende Berechnung des wahr-
scheinlichen Ertrags der Zwangsanleihe, vertheilt 11. Millionen
auf die classensteuerpflichtigen Einwohner, 2 Millionen auf die
Einwohner der mahl= und schlachtsteuerpflichtigen Städte und
1,300,000 Rthlr. werden von den bisher von der Classensteuer
eximirt gewesenen Personen erwartet. Summa 15 Millionen. --
Ein anderer wichtiger Gesetzentwurf von demselben Datum ver-
ordnet Aufhebung der bisherigen Classensteuerbefreiungen. Die
beigefügten Motive berechnen, daß aus diesem Gesetz der Staats-
kasse eine Einnahme von 230,000 Rthlr. erwachsen dürfte. --
Endlich sind unter demselben Datum noch zwei Gesetzentwürfe
erfolgt wegen Erhöhung der Branntwein= und Rübenzuckersteuer
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] wenn z. B. Preußen die Hegemonie erhalten hätte, wie es seiner
Zeit angestrebt, von dorther eine große Gefahr für die Selbst-
ständigkeit Mitteldeutschlands drohte, während es eine wahre
Thorheit wäre, etwas für Baierns Selbstständigkeit von Oester-
reich zu fürchten. Daß es durch eine Hegemonie Preußen-
kommen könnte, daß Deutschland in Preußen aufginge, statt ums
gekehrt, wer kann das leugnen? Daß aber Oesterreich je Deutsch-
land verschlingen werde, wer könnte eine so alberne Gespenster-
furcht hegen? Ueberdieß hat die Weltgeschichte kein Regentenhaus
aufzuweisen, das so wenig mit despotischen Gelüsten wäre geplagt
worden, und in allen Wegen so solid, schlicht und rechtschaffen
sich erwiesen hätte, als das österreichische. Es läßt sich fast voll-
ständig nachweisen, daß wo immer von Oesterreich Unrecht oder
Despotismus ausging, es nie dem Kaiserhause als Schuld zur
Last fällt. Es steht diese Familie unter allen Dynastien in einer
einzigen Weise schuldlos und rein da, so daß — wenn das mo-
narchische Prinzip eine Zukunft hat — es gewiß dieses Haus ver-
dienen würde, Volksfreiheit und monarchische Autorität mit
einander zu versöhnen.



Deutschland.
Reichstag.

f Frankfurt 18. Juli. Die langgedehnten Verhandlungen
über die drei ersten Paragraphen der Grundrechte und die damit
verbundenen ungemein zahlreichen, aber oft nur in der Wahl der
Worte von einander abweichenden Anträge sind ganz geeignet,
das Wohlgefallen an derartigen Discussionen zu mindern und da
es jetzt, wo wir Reichsminister haben, auch Gelegenheit zu Jnter-
pellationen
geben wird, so war es sehr natürlich, daß man
in Bezug auf diese eine bestimmte, die zu große Lust zu Fragestel-
lungen an die Minister etwas dämpfende Ordnung wünschte. Es
ward daher vorgeschlagen, es solle keine Jnterpellation gemacht
werden, die sich nicht zum Voraus der Unterstützung von 20 Mit-
gliedern zu erfreuen hätte; doch ward dieser Vorschlag nicht an-
genommen, sondern die ganze Frage erst noch an den Geschäfts-
ausschuß verwiesen. Die Verhandlung über die Grundrechte ward
sodann festgesetzt und — endlich auch geschlossen. Beda Weber
aus Tirol will, daß zur Erlangung des Staatsbürgerrechtes von dem
aufzunehmenden Nachweis seiner Unbescholtenheit und seiner Unter-
haltsfähigkeit verlangt werden dürfe; und hier hätte sich wegen der
„Unbescholtenheit“ beinahe jener berühmte lange Streit [unleserliches Material – 8 Zeichen fehlen]erneuert, der
auf einem früheren Berliner Landtage so geistreich geführt worden
ist. Manche Redner meinten, der der Strafe entlassene Verbrecher
sey jedenfalls wieder ein „Unbescholtener,“ denn er habe ja dem
Staate genug gethan; und wenn irgendwo hierüber sich eine an-
dere Meinung finde, so sey Das ein nicht beachtenswerthes Vor-
urtheil! — Zuletzt redeten noch Hildebrand und Beseler
ersterer als Berichterstatter des volkswirthschaftlichen, letzterer
als der des Verfassungsausschusses die Debatten kurz und
klar resumirend. Die Abstimmung darüber konnte nicht mehr
vorgenommen werden, und wird nun nächsten Donnerstag
stattfinden; wo also das Maaß der Rechte des Einzelnen, der
Gemeinde und des Staates in Bezug auf Ansessigmachung
und Bürgerrecht, und respective Verweigerung desselben be-
stimmt werden wird. Voraussichtlich wird die, freilich liberal
scheinende, aber in sich unrichtige Jdee von der absoluten Be-
rechtigung des Einzelnen, überall sich seßhaft zu machen und
Antheil am rechtlichen Gemeindebesitz Anderer zu nehmen, nicht
durchdringen, sondern der Gemeinde ihr Recht in solcher
Weise gewahrt werden, daß dabei doch die Einheit Deutschlands
nicht Noth leidet. Gestern sollten in Sachsenhausen zum ersten-
male nach dem Krawall, die Linientruppen wieder die Wachen
beziehen; es zeigte sich aber solche Gereiztheit und Aufregung,
und bildeten sich gegen 12 Uhr solch drohende Gruppirungen,
daß diese Maßregel vorläufig unterblieb.

Wien 13. Juli. [ Kriegsschauplatz. ] Nach den heutigen
Nachrichten aus dem Hauptquartier des Feld=Marschalls Grafen
Radetzky vom 9. d. befand sich derselbe damals in Verona.
Feldmarschalllieutenant Baron Welden operirt nach Berichten
aus Treviso vom 11. unaufhaltsam vorwärts. Er hat eine
Brücke über die Etsch geschlagen, mit seinen Truppen diesen Fluß
passirt, und die Communication zwischen Verona und Mantua
gänzlich hergestellt. Seine Truppen sind bis in die Gegend von
Villafranca vorgerückt. Die Einwohner haben unsere Truppen
ohne Widerstand empfangen, und seine Operationen sind überall
mit dem glücklichsten Erfolg gekrönt. Karl Albert hielt sich noch
in seinen Verschanzungen von St. Lucia bis Castel Nuova. Al-
lein die Desertion nicht nur unter den Mailändern, sondern sei-
ner eigenen Truppen nimmt überhand. Jn dieser Krisis hat sich
[Spaltenumbruch] das durch seine Hilfsschaaren in der Stadt hart bedrängte Vene-
dig zu einem Anschluß an Sardinien entschlossen. Es ist klar,
daß das Militär jetzt in Venedig alle Parteien beherrscht.

Berlin 13. Juli. ( Br. Z. ) Die englische Regierung hat sich
bereit erklärt, in Bezug auf Handelstraktate mit dem deutschen
Reichsverweser in Verbindung zu treten, und dadurch die Aner-
kennung der deutschen Einheit ausgesprochen. Wie ich höre, wird
auch Rußland einen eigenen Gesandten bei dem Reichsverweser
beglaubigen; in Bezug auf Frankreich ist die Erledigung dieser
wichtigen Frage noch zweifelhaft. [ Wenn einmal erst die deutschen
„Großmächte“ ihre Gesandten einziehen, dann werden die aus-
wärtigen Mächte schon von selbst kommen. ]

Berlin 14. Juli. ( B. H. ) Ein Gesetz, welches jetzt schon
in den ministeriellen Vorberathungen die größesten Schwierigkei-
ten macht, ist die neu einzuführende Communalordnung und zwar
unter vielen andern Punkten ist es besonders der des passiven und
activen Wahlrechtes, welcher bis jetzt noch nicht hat zum Abschluß
gebracht werden können. Für die Nationalversammlung haben
wir allgemeines Stimmrecht; dies glaubt man aus sehr bewegen-
den Gründen in der Commune nicht zulassen zu können, weil da-
durch, daß jeder großjährige Einwohner Wähler und wählbar
ist, es den Communen noch viel schlimmer ergehen würde, als
jetzt dem preußischen Staate mit seiner vielberufenen National-
versammlung, welche jetzt bei den Berathungen über das neue
Communalgesetz beständig als Argument dienen muß gegen das
allgemeine Zugeständniß der Wählbarkeit. Freilich ist es sehr
schwierig, in der Commune Beschränkungen einzuführen, welche
für den Staat nicht bestehen, aber das Ministerium wird wahr-
scheinlich das neu vorzulegende Gesetz nicht ohne solche Beschrän-
kungen der Nationalversammlung übergeben. Dies wird unter
der demokratischen Partei wiederum viel Anlaß zu reactionären
Beschuldigungen geben und doch ist nicht zu leugnen, daß eine
tüchtige Communalverfassung jetzt für Preußen das erste Bedürf-
niß und die wahrhafte Grundlage der ganzen Staatsverfassung
ist, weil ohne wohleingerichtete Communen diese vollkommen in
der Luft hängt. Zudem soll noch ein hochwichtiges Jnstitut, näm-
lich das der Geschwornen, auf die Communalverfassung gegrün-
det werden, und wer weiß nicht, daß ohne tüchtig ausgebildete
Geschworne der ganze Rechtszustand in einem Volke in Frage ge-
stellt ist. Nach allen Seiten hin also ist es nöthig, daß in die
Communalverwaltung nur zuverlässige und gewissenhafte Män-
ner kommen, welche wirklich zu den Functionen, die ihnen auch
als Geschwornen übertragen werden sollen, die nöthigen Fähig-
keiten besitzen, und man zweifelt sehr, daß dies im Wege der
directen Wahl mit allgemeinem activen und passiven Wahlrecht
möglich sey. Die Discussion hierüber würde, wenn wir eine
fähige Nationalversammlung hätten, zu einer der wichtigsten
gehören, wobei recht eigentliche Kenntniß der innersten Getriebe
des Staatslebens sich entfalten könnte; nach dem jetzigen Zu-
stande der Versammlung aber wird man sich auch über diesen
Punkt nur in den abgebrauchten demokratischen oder altpreußischen
Redensarten ergehen.

Berlin 14. Juli. ( Berl. Bl. ) Eine k. Botschaft vom 10.
bringt einen sehr wichtigen Gesetzentwurf an die Nationalver-
sammlung, den wegen Ausschreibung einer Zwangsanleihe. Der-
selbe enthält folgende Hauptbestimmungen. Die freiwillige fünf-
procentige Anleihe wird mit dem 10. August d. J. geschlossen.
Jnsoweit dieselbe den Betrag von 15 Millionen nicht erreicht,
wird eine3 1 / 2 procentige Zwangsanleihe eröffnet. Hierzu haben
alle Staatsangehörige beizutragen, welche ein Vermögen von
mindestens 4000 Rthlr. besitzen; doch werden ihnen die Beiträge
zur freiwilligen Anleihe auf ihren Antheil zur Zwangsanleihe in
Anrechnung gebracht. Der Beitrag bestimmt sich bei einem Ver-
mögen bis 8000 Rthlr. auf 5 / 10 pCt. als niedrigsten Satz, über
40,000 bis 60,000 Rthlr. geben 1 pC., 350,000 bis 400,000
Rthlr.1 9 / 10 pCt., über 400,000 Rthlr. 2 pCt., als höchsten Satz;
dazwischen liegen jedoch noch vielfache Abstufungen. Die Ab-
tragung der Zwangsanleihe erfolgt vom 1. Januar 1850 mit
jährlich[unleserliches Material] pCt. vom Gesammtbetrage durch Ankauf oder Ver-
loosung. Eine dem Entwurf anliegende Berechnung des wahr-
scheinlichen Ertrags der Zwangsanleihe, vertheilt 11. Millionen
auf die classensteuerpflichtigen Einwohner, 2 Millionen auf die
Einwohner der mahl= und schlachtsteuerpflichtigen Städte und
1,300,000 Rthlr. werden von den bisher von der Classensteuer
eximirt gewesenen Personen erwartet. Summa 15 Millionen. —
Ein anderer wichtiger Gesetzentwurf von demselben Datum ver-
ordnet Aufhebung der bisherigen Classensteuerbefreiungen. Die
beigefügten Motive berechnen, daß aus diesem Gesetz der Staats-
kasse eine Einnahme von 230,000 Rthlr. erwachsen dürfte. —
Endlich sind unter demselben Datum noch zwei Gesetzentwürfe
erfolgt wegen Erhöhung der Branntwein= und Rübenzuckersteuer
[Ende Spaltensatz]

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[0002] wenn z. B. Preußen die Hegemonie erhalten hätte, wie es seiner Zeit angestrebt, von dorther eine große Gefahr für die Selbst- ständigkeit Mitteldeutschlands drohte, während es eine wahre Thorheit wäre, etwas für Baierns Selbstständigkeit von Oester- reich zu fürchten. Daß es durch eine Hegemonie Preußen- kommen könnte, daß Deutschland in Preußen aufginge, statt ums gekehrt, wer kann das leugnen? Daß aber Oesterreich je Deutsch- land verschlingen werde, wer könnte eine so alberne Gespenster- furcht hegen? Ueberdieß hat die Weltgeschichte kein Regentenhaus aufzuweisen, das so wenig mit despotischen Gelüsten wäre geplagt worden, und in allen Wegen so solid, schlicht und rechtschaffen sich erwiesen hätte, als das österreichische. Es läßt sich fast voll- ständig nachweisen, daß wo immer von Oesterreich Unrecht oder Despotismus ausging, es nie dem Kaiserhause als Schuld zur Last fällt. Es steht diese Familie unter allen Dynastien in einer einzigen Weise schuldlos und rein da, so daß — wenn das mo- narchische Prinzip eine Zukunft hat — es gewiß dieses Haus ver- dienen würde, Volksfreiheit und monarchische Autorität mit einander zu versöhnen. Deutschland. Reichstag. f Frankfurt 18. Juli. Die langgedehnten Verhandlungen über die drei ersten Paragraphen der Grundrechte und die damit verbundenen ungemein zahlreichen, aber oft nur in der Wahl der Worte von einander abweichenden Anträge sind ganz geeignet, das Wohlgefallen an derartigen Discussionen zu mindern und da es jetzt, wo wir Reichsminister haben, auch Gelegenheit zu Jnter- pellationen geben wird, so war es sehr natürlich, daß man in Bezug auf diese eine bestimmte, die zu große Lust zu Fragestel- lungen an die Minister etwas dämpfende Ordnung wünschte. Es ward daher vorgeschlagen, es solle keine Jnterpellation gemacht werden, die sich nicht zum Voraus der Unterstützung von 20 Mit- gliedern zu erfreuen hätte; doch ward dieser Vorschlag nicht an- genommen, sondern die ganze Frage erst noch an den Geschäfts- ausschuß verwiesen. Die Verhandlung über die Grundrechte ward sodann festgesetzt und — endlich auch geschlossen. Beda Weber aus Tirol will, daß zur Erlangung des Staatsbürgerrechtes von dem aufzunehmenden Nachweis seiner Unbescholtenheit und seiner Unter- haltsfähigkeit verlangt werden dürfe; und hier hätte sich wegen der „Unbescholtenheit“ beinahe jener berühmte lange Streit ________erneuert, der auf einem früheren Berliner Landtage so geistreich geführt worden ist. Manche Redner meinten, der der Strafe entlassene Verbrecher sey jedenfalls wieder ein „Unbescholtener,“ denn er habe ja dem Staate genug gethan; und wenn irgendwo hierüber sich eine an- dere Meinung finde, so sey Das ein nicht beachtenswerthes Vor- urtheil! — Zuletzt redeten noch Hildebrand und Beseler ersterer als Berichterstatter des volkswirthschaftlichen, letzterer als der des Verfassungsausschusses die Debatten kurz und klar resumirend. Die Abstimmung darüber konnte nicht mehr vorgenommen werden, und wird nun nächsten Donnerstag stattfinden; wo also das Maaß der Rechte des Einzelnen, der Gemeinde und des Staates in Bezug auf Ansessigmachung und Bürgerrecht, und respective Verweigerung desselben be- stimmt werden wird. Voraussichtlich wird die, freilich liberal scheinende, aber in sich unrichtige Jdee von der absoluten Be- rechtigung des Einzelnen, überall sich seßhaft zu machen und Antheil am rechtlichen Gemeindebesitz Anderer zu nehmen, nicht durchdringen, sondern der Gemeinde ihr Recht in solcher Weise gewahrt werden, daß dabei doch die Einheit Deutschlands nicht Noth leidet. Gestern sollten in Sachsenhausen zum ersten- male nach dem Krawall, die Linientruppen wieder die Wachen beziehen; es zeigte sich aber solche Gereiztheit und Aufregung, und bildeten sich gegen 12 Uhr solch drohende Gruppirungen, daß diese Maßregel vorläufig unterblieb. Wien 13. Juli. [ Kriegsschauplatz. ] Nach den heutigen Nachrichten aus dem Hauptquartier des Feld=Marschalls Grafen Radetzky vom 9. d. befand sich derselbe damals in Verona. Feldmarschalllieutenant Baron Welden operirt nach Berichten aus Treviso vom 11. unaufhaltsam vorwärts. Er hat eine Brücke über die Etsch geschlagen, mit seinen Truppen diesen Fluß passirt, und die Communication zwischen Verona und Mantua gänzlich hergestellt. Seine Truppen sind bis in die Gegend von Villafranca vorgerückt. Die Einwohner haben unsere Truppen ohne Widerstand empfangen, und seine Operationen sind überall mit dem glücklichsten Erfolg gekrönt. Karl Albert hielt sich noch in seinen Verschanzungen von St. Lucia bis Castel Nuova. Al- lein die Desertion nicht nur unter den Mailändern, sondern sei- ner eigenen Truppen nimmt überhand. Jn dieser Krisis hat sich das durch seine Hilfsschaaren in der Stadt hart bedrängte Vene- dig zu einem Anschluß an Sardinien entschlossen. Es ist klar, daß das Militär jetzt in Venedig alle Parteien beherrscht. Berlin 13. Juli. ( Br. Z. ) Die englische Regierung hat sich bereit erklärt, in Bezug auf Handelstraktate mit dem deutschen Reichsverweser in Verbindung zu treten, und dadurch die Aner- kennung der deutschen Einheit ausgesprochen. Wie ich höre, wird auch Rußland einen eigenen Gesandten bei dem Reichsverweser beglaubigen; in Bezug auf Frankreich ist die Erledigung dieser wichtigen Frage noch zweifelhaft. [ Wenn einmal erst die deutschen „Großmächte“ ihre Gesandten einziehen, dann werden die aus- wärtigen Mächte schon von selbst kommen. ] Berlin 14. Juli. ( B. H. ) Ein Gesetz, welches jetzt schon in den ministeriellen Vorberathungen die größesten Schwierigkei- ten macht, ist die neu einzuführende Communalordnung und zwar unter vielen andern Punkten ist es besonders der des passiven und activen Wahlrechtes, welcher bis jetzt noch nicht hat zum Abschluß gebracht werden können. Für die Nationalversammlung haben wir allgemeines Stimmrecht; dies glaubt man aus sehr bewegen- den Gründen in der Commune nicht zulassen zu können, weil da- durch, daß jeder großjährige Einwohner Wähler und wählbar ist, es den Communen noch viel schlimmer ergehen würde, als jetzt dem preußischen Staate mit seiner vielberufenen National- versammlung, welche jetzt bei den Berathungen über das neue Communalgesetz beständig als Argument dienen muß gegen das allgemeine Zugeständniß der Wählbarkeit. Freilich ist es sehr schwierig, in der Commune Beschränkungen einzuführen, welche für den Staat nicht bestehen, aber das Ministerium wird wahr- scheinlich das neu vorzulegende Gesetz nicht ohne solche Beschrän- kungen der Nationalversammlung übergeben. Dies wird unter der demokratischen Partei wiederum viel Anlaß zu reactionären Beschuldigungen geben und doch ist nicht zu leugnen, daß eine tüchtige Communalverfassung jetzt für Preußen das erste Bedürf- niß und die wahrhafte Grundlage der ganzen Staatsverfassung ist, weil ohne wohleingerichtete Communen diese vollkommen in der Luft hängt. Zudem soll noch ein hochwichtiges Jnstitut, näm- lich das der Geschwornen, auf die Communalverfassung gegrün- det werden, und wer weiß nicht, daß ohne tüchtig ausgebildete Geschworne der ganze Rechtszustand in einem Volke in Frage ge- stellt ist. Nach allen Seiten hin also ist es nöthig, daß in die Communalverwaltung nur zuverlässige und gewissenhafte Män- ner kommen, welche wirklich zu den Functionen, die ihnen auch als Geschwornen übertragen werden sollen, die nöthigen Fähig- keiten besitzen, und man zweifelt sehr, daß dies im Wege der directen Wahl mit allgemeinem activen und passiven Wahlrecht möglich sey. Die Discussion hierüber würde, wenn wir eine fähige Nationalversammlung hätten, zu einer der wichtigsten gehören, wobei recht eigentliche Kenntniß der innersten Getriebe des Staatslebens sich entfalten könnte; nach dem jetzigen Zu- stande der Versammlung aber wird man sich auch über diesen Punkt nur in den abgebrauchten demokratischen oder altpreußischen Redensarten ergehen. Berlin 14. Juli. ( Berl. Bl. ) Eine k. Botschaft vom 10. bringt einen sehr wichtigen Gesetzentwurf an die Nationalver- sammlung, den wegen Ausschreibung einer Zwangsanleihe. Der- selbe enthält folgende Hauptbestimmungen. Die freiwillige fünf- procentige Anleihe wird mit dem 10. August d. J. geschlossen. Jnsoweit dieselbe den Betrag von 15 Millionen nicht erreicht, wird eine3 1 / 2 procentige Zwangsanleihe eröffnet. Hierzu haben alle Staatsangehörige beizutragen, welche ein Vermögen von mindestens 4000 Rthlr. besitzen; doch werden ihnen die Beiträge zur freiwilligen Anleihe auf ihren Antheil zur Zwangsanleihe in Anrechnung gebracht. Der Beitrag bestimmt sich bei einem Ver- mögen bis 8000 Rthlr. auf 5 / 10 pCt. als niedrigsten Satz, über 40,000 bis 60,000 Rthlr. geben 1 pC., 350,000 bis 400,000 Rthlr.1 9 / 10 pCt., über 400,000 Rthlr. 2 pCt., als höchsten Satz; dazwischen liegen jedoch noch vielfache Abstufungen. Die Ab- tragung der Zwangsanleihe erfolgt vom 1. Januar 1850 mit jährlich_ pCt. vom Gesammtbetrage durch Ankauf oder Ver- loosung. Eine dem Entwurf anliegende Berechnung des wahr- scheinlichen Ertrags der Zwangsanleihe, vertheilt 11. Millionen auf die classensteuerpflichtigen Einwohner, 2 Millionen auf die Einwohner der mahl= und schlachtsteuerpflichtigen Städte und 1,300,000 Rthlr. werden von den bisher von der Classensteuer eximirt gewesenen Personen erwartet. Summa 15 Millionen. — Ein anderer wichtiger Gesetzentwurf von demselben Datum ver- ordnet Aufhebung der bisherigen Classensteuerbefreiungen. Die beigefügten Motive berechnen, daß aus diesem Gesetz der Staats- kasse eine Einnahme von 230,000 Rthlr. erwachsen dürfte. — Endlich sind unter demselben Datum noch zwei Gesetzentwürfe erfolgt wegen Erhöhung der Branntwein= und Rübenzuckersteuer

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 34. Mainz, 19. Juli 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal034_1848/2>, abgerufen am 23.11.2024.