Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mainzer Journal. Nr. 47. Mainz, 1. August 1848.

Bild:
<< vorherige Seite

[Beginn Spaltensatz] tenen Wege voranschreiten muß, um ein einiges, starkes
Deutschland im vollsten Gegensatze zu einem uneinigen, schwachen
Bundesstaate herzustellen. Es ist Pflicht und Ehrensache;
Jnteresse und Klugheit erheischen es. Der Rückschritt zum Staa-
tenbunde, oder die Gründung eines schwachen Bundesstaats
durch starke ausgeprägte Selbstständigkeit der Einzelstaaten würde
nur eine traurige Uebergangsperiode zu neuen Katastrophen und
neuen Revolutionen bilden. Große Jdeen, wie jetzt sich der
Deutschen bemächtigt haben, können wohl für einige Zeit wie-
der schlummern, kommen aber demohngeachtet wieder von neuem
und mit erneuter Kraft zum Durchbruch. Die Gefahr, revolu-
tionäre Zustände oder vielleicht den Bürgerkrieg in Deutschland
für eine Reihe von Jahren einheimisch zu machen, ist für dieses,
für ganz Europa, ja selbst für die Civilisation zu groß, als daß
nicht Alles aufgeboten werden müßte, um sie abzuwenden. Für
die Reichsgewalt, d. h. Reichsregierung und Nationalversamm-
lung, wird es, getragen von dem Willen der Nation, zur ern-
sten Pflicht, mit Muth und Entschiedenheit die große Aufgabe zu
lösen.

Die Reichsgewalt muß, so weit es hierzu nöthig ist, die Sou-
veränetät der einzelnen Staaten an sich ziehen; sie muß die hierzu
nöthige Organisation Deutschlands ungesäumt vornehmen; sie
muß, indem sie den Reichs=Regierungs=Organismus einrichtet,
jenen der einzelnen Staaten reduciren. Ein vollständig eingerich-
teter Centralstaat, in welchem wiederum ebenso vollständig einge-
richtete größere und kleinere Staaten eingeschachtelt werden, wäre
wirklich ein Unding, dabei so kostspielig, daß die Nation es nicht
ertragen würde. Auch dürfte die Erfahrung bald lehren, daß die
Souveränetät sich nicht theilen läßt. Die Reichsgewalt muß na-
mentlich den diplomatischen Verkehr der Einzelstaaten nach Außen
und im Jnnern alsbald aufheben und in ihren Händen concen-
triren. Es ist dies eine Lebensfrage! Sie wird und
muß die Jnteressen eines jeden Theils von Deutschland gleich
würdigen und vertreten. Sie muß sich die unbedingte Disposition
der Streitkräfte aneignen und nach Gutdünken darüber verfügen.
Sie muß die Zolllinie an Deutschlands Grenze rücken. Sie darf
nicht dulden, daß neben ihr Regierungen oder constituirende
Ständeversammlungen in einzelnen Staaten sich mit dem beschäf-
tigen, was der Nationalversammlung allein obliegt. Wird
aber der Reichsgewalt der Gehorsam versagt, dann müßte sie die
Strafe auf dem Fuße folgen lassen. Sie müßte ungehorsame
Minister, Generale, oder sonstige Beamte vor ihre Schranken
fordern und zur Rechenschaft ziehen. Sie müßte Ständever-
sammlungen und Truppencorps auflösen, so sich dieselben ihren
Befehlen widersetzten. Nur so allein wird die Reichsgewalt
den Willen der Nation, ein freies und einiges Deutschland
herzustellen, vollziehen, vorausgesetzt, daß dieses wirklich der
Wille der letzteren auch ist. Nur so wird sie die Kraft er-
langen, um im Jnnern Ordnung und Ruhe, und damit den
Wohlstand wieder einzuführen; nur so und hierdurch die
Möglichkeit finden, jene socialen Fragen befriedigend zu lösen,
welche weder Worte noch der Donner der Kanonen für immer
zu beseitigen mehr im Stande sind. So endlich würde Deutsch-
land dem Auslande gegenüber eine Achtung gebietende Haltung
einnehmen können, ohne, wie bis jetzt, nur mit leeren Drohun-
gen zu reizen. Jeder andere Weg, welchen die neue Rechtsge-
walt einschlagen würde, müßte entweder zu einem uneinigen
schwachen Deutschland führen ( weil man den Saamen der Zwie-
tracht von vornherein wieder in den Boden legte ) , oder sie wird
allmählig Deutschland zu dem alten Staatenbund zurückbringen.
Es wäre wirklich einer großen Nation und ihrer Vertreter nicht
würdig, wollte sie sich selbst täuschen, das eine aussprechen, das
Andere wollen. Also: Entweder, oder!.....



Deutschland.
Reichstag.

Frankfurt 30. Juli. ( O. P. A. Z. ) Aus zuverlässigen Mit-
theilungen erhalten wir nähere Kunde von dem sehr interessanten
Gang der Berathungen im Verfassungsausschuß, und wir glau-
ben annehmen zu dürfen, daß der Ausschuß bei Durcharbeitung
dieses Entwurfes ganz besonders auf Preußen diejenige Rücksicht
nimmt, welche dieser mächtigste Staat Deutschlands zu erwarten
berechtigt ist, und namentlich den Kreis von Minderungen der
Sondergewalt einzuhalten sucht, zu welchen sich sowohl die Krone
wie die Stände Preußens in officiellen Erklärungen bereit erklärt
haben. Jn der Antwort auf den eingesandten Verfassungsent-
wurf der XVII., der die "Bedeutung des Reichs" sehr entschieden
und umfassend ausprägte, namentlich der Reichsgewalt ausschließ-
[Spaltenumbruch] lich beilegte: die völkerrechtliche Vertretung Deutschlands und der
einzelnen deutschen Staaten, das Recht über Krieg und Frieden,
das Heerwesen, das Festungswesen u. s. w., ja sogar die Ernen-
nung aller Offiziere des stehenden Heeres und der Stabsoffiziere
bei der Landwehr, die Dispositionsbefugniß über das stehende
Heer ( Art. III. §. 2. ) -- in Antwort auf diesen Entwurf erklärte
das Staatsministerium in einer leider nicht veröffentlichten Zu-
schrift an den Bundestag: "daß Preußen in diesem Entwurf
diejenigen Bestimmungen wieder erkenne, die es zum Heile
Deutschlands gefordert, und zu denen es sich in jenen Punkta-
tionen ausdrücklich verpflichtet habe; es werde bei denselben un-
weigerlich beharren." Nun hat um allen Bedenklichkeiten zu
begegnen, die von vielen Seiten in der preußischen Armee ge-
äußert werden, der Ausschuß den Reichsminister des Krieges
eingeladen, seinen Sitzungen beizuwohnen, und einen Entwurf
in Betreff des Kriegswesens vorzulegen, welcher das Jnteresse
der Einheit mit dem des Bestehenden angemessen vereinigte. Man
hat uns von diesem Entwurf mit großer Befriedigung gespro-
chen; namentlich preußische Militärs versichern uns, daß mit
demselben alles das gehoben sey, was der Armee Anstoß geben
könnte. Und in der That das endlich geeinte Deutschland hat
kein Jnteresse daran, das Hochgefühl des preußischen Heeres,
das eben jetzt für die deutsche Sache glorreich gekämpft hat und
wieder kämpfen wird, zu verletzen. Sey Preußen eingedenk,
wie eben jetzt in Wien das deutsche Oesterreich dem slavischen zu
erliegen in Gefahr ist, und daß Deutschland in den Gefahren,
die ihm drohen von Osten und Westen, sich auf die Kraft Preu-
ßens stützen muß; sey es gewiß, daß das dankbare Vaterland
wissen wird, welche Stelle dem Staate der 16 Millionen, der
unsere Marken im Osten und Westen zu hüten hat, in dem künf-
tigen Reiche gebührt.

Berlin 24. Juli. ( Karlr. Z. ) Der von der Commission
ausgearbeitete Entwurf der preußischen Verfassung liegt uns jetzt
vor, und fällt der öffentlichen Besprechung anheim. Er ist ein
treues Bild unserer Nationalvertretung selbst. Nirgends etwas
Ganzes, überall ein Schwanken, ein Accommodiren, ein Transi-
giren zwischen entgegengesetzten Endpunkten, das Niemanden be-
friedigt und Jeden Etwas vermissen läßt. Die hervorragendsten
Bestimmungen sind ohne Zweifel die Annahme des Zweikammer-
Systems und des suspensiven Veto's: lassen Sie uns dieselben
etwas näher betrachten. Zwei Kammern haben wir, aber aus der
Ersten Kammer ist Alles fast geflissentlich verbannt, was man im
constitutionellen System als das Wesen derselben betrachtet; nir-
gends eine Spur, in ihr das hemmende, conservative Element zur
Geltung zu bringen, das einem nur zu oft den Eingebungen des
Augenblicks folgenden Vorwärtsdrängen besonnenen Wider-
stand leiste. Wenn die Erste Kammer solche Elemente zählt,
so ist es Zufall; eine Garantie dafür haben wir nicht. Ein
solches Zweikammer=System verwickelt blos den Mechanis-
mus, ohne seine Sicherheit zu erhöhen; ein solches Zwei-
kammer=System vereinigt alle Nachtheile einer einzigen Kam-
mer, ohne einen einzigen ihrer Vortheile zu gewähren.
Was sollen wir vollends zu dem suspensiven Veto sagen? Das
suspensive Veto ist die völlige Aufhebung des monarchischen Prin-
zips, es ist der erste Schritt zur Republik. Der Monarch, sobald
er gezwungen ist, zu vollziehen, was er verworfen, ist noch ein
Verwaltungsbeamter, aber kein Monarch mehr; hebt seine freie
Zustimmung auf, und ihr habt dem Wesen, wenn auch nicht dem
Namen nach, die Republik. Wollt ihr einen König, so gebt ihm
die Macht, ein freier König zu seyn; dem Willen seines ganzen
Volkes, wiederholt von den Vertretern desselben ausgesprochen,
wird er ohnehin seinen Beitritt nicht versagen; die Geschichte des
constitutionellen Systems bietet kein Beispiel, daß er es gethan.
Noch einmal, hier stehen wir am Scheidewege, der Monarchie
und Republik trennt. Ob der König König der Preußen heißt
oder König von Preußen, das ist kindische Spielerei ohne tiefere
Bedeutung, aber mit dem suspensiven Veto ist der König nicht
König mehr.

Berlin 26. Juli. ( Br. Z. ) Der politische Wankelmuth der
Berliner zeigt sich jetzt in hellem Lichte, viele Leute legen die
deutschen Kokarden
mit Ostentation bei Seite und stecken
sich preußische Kokarden in kolossalen Formen an. Geht das hier
so fort, so können wir auch bald eine Emeute haben, worin die
Berliner rufen: " Nieder mit Deutschland! " [ Wir haben
das schon vor ein paar Tagen prophezeit! ]

Ulm 27. Juli. ( U. Chr. ) Bei einer Hitze von 25° Reaumur
ist die Ernte in vollem Gang. Alles reift so schnell zusammen,
daß nachgerade jetzt schon ein Mangel an Arbeitern eintritt, um
den reichen Segen einzuheimsen. Winter= und Sommerfelder
sind so ergiebig, daß sich hier die ältesten Oekonomen keiner so
reichen Ernte erinnern, und mancher Landwirth kann die Räum-
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] tenen Wege voranschreiten muß, um ein einiges, starkes
Deutschland im vollsten Gegensatze zu einem uneinigen, schwachen
Bundesstaate herzustellen. Es ist Pflicht und Ehrensache;
Jnteresse und Klugheit erheischen es. Der Rückschritt zum Staa-
tenbunde, oder die Gründung eines schwachen Bundesstaats
durch starke ausgeprägte Selbstständigkeit der Einzelstaaten würde
nur eine traurige Uebergangsperiode zu neuen Katastrophen und
neuen Revolutionen bilden. Große Jdeen, wie jetzt sich der
Deutschen bemächtigt haben, können wohl für einige Zeit wie-
der schlummern, kommen aber demohngeachtet wieder von neuem
und mit erneuter Kraft zum Durchbruch. Die Gefahr, revolu-
tionäre Zustände oder vielleicht den Bürgerkrieg in Deutschland
für eine Reihe von Jahren einheimisch zu machen, ist für dieses,
für ganz Europa, ja selbst für die Civilisation zu groß, als daß
nicht Alles aufgeboten werden müßte, um sie abzuwenden. Für
die Reichsgewalt, d. h. Reichsregierung und Nationalversamm-
lung, wird es, getragen von dem Willen der Nation, zur ern-
sten Pflicht, mit Muth und Entschiedenheit die große Aufgabe zu
lösen.

Die Reichsgewalt muß, so weit es hierzu nöthig ist, die Sou-
veränetät der einzelnen Staaten an sich ziehen; sie muß die hierzu
nöthige Organisation Deutschlands ungesäumt vornehmen; sie
muß, indem sie den Reichs=Regierungs=Organismus einrichtet,
jenen der einzelnen Staaten reduciren. Ein vollständig eingerich-
teter Centralstaat, in welchem wiederum ebenso vollständig einge-
richtete größere und kleinere Staaten eingeschachtelt werden, wäre
wirklich ein Unding, dabei so kostspielig, daß die Nation es nicht
ertragen würde. Auch dürfte die Erfahrung bald lehren, daß die
Souveränetät sich nicht theilen läßt. Die Reichsgewalt muß na-
mentlich den diplomatischen Verkehr der Einzelstaaten nach Außen
und im Jnnern alsbald aufheben und in ihren Händen concen-
triren. Es ist dies eine Lebensfrage! Sie wird und
muß die Jnteressen eines jeden Theils von Deutschland gleich
würdigen und vertreten. Sie muß sich die unbedingte Disposition
der Streitkräfte aneignen und nach Gutdünken darüber verfügen.
Sie muß die Zolllinie an Deutschlands Grenze rücken. Sie darf
nicht dulden, daß neben ihr Regierungen oder constituirende
Ständeversammlungen in einzelnen Staaten sich mit dem beschäf-
tigen, was der Nationalversammlung allein obliegt. Wird
aber der Reichsgewalt der Gehorsam versagt, dann müßte sie die
Strafe auf dem Fuße folgen lassen. Sie müßte ungehorsame
Minister, Generale, oder sonstige Beamte vor ihre Schranken
fordern und zur Rechenschaft ziehen. Sie müßte Ständever-
sammlungen und Truppencorps auflösen, so sich dieselben ihren
Befehlen widersetzten. Nur so allein wird die Reichsgewalt
den Willen der Nation, ein freies und einiges Deutschland
herzustellen, vollziehen, vorausgesetzt, daß dieses wirklich der
Wille der letzteren auch ist. Nur so wird sie die Kraft er-
langen, um im Jnnern Ordnung und Ruhe, und damit den
Wohlstand wieder einzuführen; nur so und hierdurch die
Möglichkeit finden, jene socialen Fragen befriedigend zu lösen,
welche weder Worte noch der Donner der Kanonen für immer
zu beseitigen mehr im Stande sind. So endlich würde Deutsch-
land dem Auslande gegenüber eine Achtung gebietende Haltung
einnehmen können, ohne, wie bis jetzt, nur mit leeren Drohun-
gen zu reizen. Jeder andere Weg, welchen die neue Rechtsge-
walt einschlagen würde, müßte entweder zu einem uneinigen
schwachen Deutschland führen ( weil man den Saamen der Zwie-
tracht von vornherein wieder in den Boden legte ) , oder sie wird
allmählig Deutschland zu dem alten Staatenbund zurückbringen.
Es wäre wirklich einer großen Nation und ihrer Vertreter nicht
würdig, wollte sie sich selbst täuschen, das eine aussprechen, das
Andere wollen. Also: Entweder, oder!.....



Deutschland.
Reichstag.

Frankfurt 30. Juli. ( O. P. A. Z. ) Aus zuverlässigen Mit-
theilungen erhalten wir nähere Kunde von dem sehr interessanten
Gang der Berathungen im Verfassungsausschuß, und wir glau-
ben annehmen zu dürfen, daß der Ausschuß bei Durcharbeitung
dieses Entwurfes ganz besonders auf Preußen diejenige Rücksicht
nimmt, welche dieser mächtigste Staat Deutschlands zu erwarten
berechtigt ist, und namentlich den Kreis von Minderungen der
Sondergewalt einzuhalten sucht, zu welchen sich sowohl die Krone
wie die Stände Preußens in officiellen Erklärungen bereit erklärt
haben. Jn der Antwort auf den eingesandten Verfassungsent-
wurf der XVII., der die „Bedeutung des Reichs“ sehr entschieden
und umfassend ausprägte, namentlich der Reichsgewalt ausschließ-
[Spaltenumbruch] lich beilegte: die völkerrechtliche Vertretung Deutschlands und der
einzelnen deutschen Staaten, das Recht über Krieg und Frieden,
das Heerwesen, das Festungswesen u. s. w., ja sogar die Ernen-
nung aller Offiziere des stehenden Heeres und der Stabsoffiziere
bei der Landwehr, die Dispositionsbefugniß über das stehende
Heer ( Art. III. §. 2. ) — in Antwort auf diesen Entwurf erklärte
das Staatsministerium in einer leider nicht veröffentlichten Zu-
schrift an den Bundestag: „daß Preußen in diesem Entwurf
diejenigen Bestimmungen wieder erkenne, die es zum Heile
Deutschlands gefordert, und zu denen es sich in jenen Punkta-
tionen ausdrücklich verpflichtet habe; es werde bei denselben un-
weigerlich beharren.“ Nun hat um allen Bedenklichkeiten zu
begegnen, die von vielen Seiten in der preußischen Armee ge-
äußert werden, der Ausschuß den Reichsminister des Krieges
eingeladen, seinen Sitzungen beizuwohnen, und einen Entwurf
in Betreff des Kriegswesens vorzulegen, welcher das Jnteresse
der Einheit mit dem des Bestehenden angemessen vereinigte. Man
hat uns von diesem Entwurf mit großer Befriedigung gespro-
chen; namentlich preußische Militärs versichern uns, daß mit
demselben alles das gehoben sey, was der Armee Anstoß geben
könnte. Und in der That das endlich geeinte Deutschland hat
kein Jnteresse daran, das Hochgefühl des preußischen Heeres,
das eben jetzt für die deutsche Sache glorreich gekämpft hat und
wieder kämpfen wird, zu verletzen. Sey Preußen eingedenk,
wie eben jetzt in Wien das deutsche Oesterreich dem slavischen zu
erliegen in Gefahr ist, und daß Deutschland in den Gefahren,
die ihm drohen von Osten und Westen, sich auf die Kraft Preu-
ßens stützen muß; sey es gewiß, daß das dankbare Vaterland
wissen wird, welche Stelle dem Staate der 16 Millionen, der
unsere Marken im Osten und Westen zu hüten hat, in dem künf-
tigen Reiche gebührt.

Berlin 24. Juli. ( Karlr. Z. ) Der von der Commission
ausgearbeitete Entwurf der preußischen Verfassung liegt uns jetzt
vor, und fällt der öffentlichen Besprechung anheim. Er ist ein
treues Bild unserer Nationalvertretung selbst. Nirgends etwas
Ganzes, überall ein Schwanken, ein Accommodiren, ein Transi-
giren zwischen entgegengesetzten Endpunkten, das Niemanden be-
friedigt und Jeden Etwas vermissen läßt. Die hervorragendsten
Bestimmungen sind ohne Zweifel die Annahme des Zweikammer-
Systems und des suspensiven Veto's: lassen Sie uns dieselben
etwas näher betrachten. Zwei Kammern haben wir, aber aus der
Ersten Kammer ist Alles fast geflissentlich verbannt, was man im
constitutionellen System als das Wesen derselben betrachtet; nir-
gends eine Spur, in ihr das hemmende, conservative Element zur
Geltung zu bringen, das einem nur zu oft den Eingebungen des
Augenblicks folgenden Vorwärtsdrängen besonnenen Wider-
stand leiste. Wenn die Erste Kammer solche Elemente zählt,
so ist es Zufall; eine Garantie dafür haben wir nicht. Ein
solches Zweikammer=System verwickelt blos den Mechanis-
mus, ohne seine Sicherheit zu erhöhen; ein solches Zwei-
kammer=System vereinigt alle Nachtheile einer einzigen Kam-
mer, ohne einen einzigen ihrer Vortheile zu gewähren.
Was sollen wir vollends zu dem suspensiven Veto sagen? Das
suspensive Veto ist die völlige Aufhebung des monarchischen Prin-
zips, es ist der erste Schritt zur Republik. Der Monarch, sobald
er gezwungen ist, zu vollziehen, was er verworfen, ist noch ein
Verwaltungsbeamter, aber kein Monarch mehr; hebt seine freie
Zustimmung auf, und ihr habt dem Wesen, wenn auch nicht dem
Namen nach, die Republik. Wollt ihr einen König, so gebt ihm
die Macht, ein freier König zu seyn; dem Willen seines ganzen
Volkes, wiederholt von den Vertretern desselben ausgesprochen,
wird er ohnehin seinen Beitritt nicht versagen; die Geschichte des
constitutionellen Systems bietet kein Beispiel, daß er es gethan.
Noch einmal, hier stehen wir am Scheidewege, der Monarchie
und Republik trennt. Ob der König König der Preußen heißt
oder König von Preußen, das ist kindische Spielerei ohne tiefere
Bedeutung, aber mit dem suspensiven Veto ist der König nicht
König mehr.

Berlin 26. Juli. ( Br. Z. ) Der politische Wankelmuth der
Berliner zeigt sich jetzt in hellem Lichte, viele Leute legen die
deutschen Kokarden
mit Ostentation bei Seite und stecken
sich preußische Kokarden in kolossalen Formen an. Geht das hier
so fort, so können wir auch bald eine Emeute haben, worin die
Berliner rufen: „ Nieder mit Deutschland! “ [ Wir haben
das schon vor ein paar Tagen prophezeit! ]

Ulm 27. Juli. ( U. Chr. ) Bei einer Hitze von 25° Reaumur
ist die Ernte in vollem Gang. Alles reift so schnell zusammen,
daß nachgerade jetzt schon ein Mangel an Arbeitern eintritt, um
den reichen Segen einzuheimsen. Winter= und Sommerfelder
sind so ergiebig, daß sich hier die ältesten Oekonomen keiner so
reichen Ernte erinnern, und mancher Landwirth kann die Räum-
[Ende Spaltensatz]

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jPoliticalNews" n="1">
        <p><pb facs="#f0002"/><cb type="start"/>
tenen Wege <hi rendition="#g">voranschreiten muß,</hi> um ein einiges, starkes<lb/>
Deutschland im vollsten Gegensatze zu einem uneinigen, schwachen<lb/>
Bundesstaate herzustellen. Es ist Pflicht und Ehrensache;<lb/>
Jnteresse und Klugheit erheischen es. Der Rückschritt zum Staa-<lb/>
tenbunde, oder die Gründung eines schwachen Bundesstaats<lb/>
durch starke ausgeprägte Selbstständigkeit der Einzelstaaten würde<lb/>
nur eine traurige Uebergangsperiode zu neuen Katastrophen und<lb/>
neuen Revolutionen bilden. Große Jdeen, wie jetzt sich der<lb/>
Deutschen bemächtigt haben, können wohl für einige Zeit wie-<lb/>
der schlummern, kommen aber demohngeachtet wieder von neuem<lb/>
und mit erneuter Kraft zum Durchbruch. Die Gefahr, revolu-<lb/>
tionäre Zustände oder vielleicht den Bürgerkrieg in Deutschland<lb/>
für eine Reihe von Jahren einheimisch zu machen, ist für dieses,<lb/>
für ganz Europa, ja selbst für die Civilisation zu groß, als daß<lb/>
nicht Alles aufgeboten werden müßte, um sie abzuwenden. Für<lb/>
die Reichsgewalt, d. h. Reichsregierung und Nationalversamm-<lb/>
lung, wird es, getragen von dem Willen der Nation, zur ern-<lb/>
sten Pflicht, mit Muth und Entschiedenheit die große Aufgabe zu<lb/>
lösen.</p><lb/>
        <p>Die Reichsgewalt muß, so weit es hierzu nöthig ist, die Sou-<lb/>
veränetät der einzelnen Staaten an sich ziehen; sie muß die hierzu<lb/>
nöthige Organisation Deutschlands ungesäumt vornehmen; sie<lb/>
muß, indem sie den Reichs=Regierungs=Organismus einrichtet,<lb/>
jenen der einzelnen Staaten reduciren. Ein vollständig eingerich-<lb/>
teter Centralstaat, in welchem wiederum ebenso vollständig einge-<lb/>
richtete größere und kleinere Staaten eingeschachtelt werden, wäre<lb/>
wirklich ein Unding, dabei so kostspielig, daß die Nation es nicht<lb/>
ertragen würde. Auch dürfte die Erfahrung bald lehren, daß die<lb/>
Souveränetät sich nicht theilen läßt. Die Reichsgewalt muß na-<lb/>
mentlich den diplomatischen Verkehr der Einzelstaaten nach Außen<lb/>
und im Jnnern alsbald aufheben und in ihren Händen concen-<lb/>
triren. <hi rendition="#g">Es ist dies eine Lebensfrage!</hi> Sie wird und<lb/>
muß die Jnteressen eines jeden Theils von Deutschland gleich<lb/>
würdigen und vertreten. Sie muß sich die unbedingte Disposition<lb/>
der Streitkräfte aneignen und nach Gutdünken darüber verfügen.<lb/>
Sie muß die Zolllinie an Deutschlands Grenze rücken. Sie darf<lb/>
nicht dulden, daß neben ihr Regierungen oder constituirende<lb/>
Ständeversammlungen in einzelnen Staaten sich mit dem beschäf-<lb/>
tigen, was der Nationalversammlung <hi rendition="#g">allein</hi> obliegt. Wird<lb/>
aber der Reichsgewalt der Gehorsam versagt, dann müßte sie die<lb/>
Strafe auf dem Fuße folgen lassen. Sie müßte ungehorsame<lb/>
Minister, Generale, oder sonstige Beamte vor ihre Schranken<lb/>
fordern und zur Rechenschaft ziehen. Sie müßte Ständever-<lb/>
sammlungen und Truppencorps auflösen, so sich dieselben ihren<lb/>
Befehlen widersetzten. Nur so allein wird die Reichsgewalt<lb/>
den Willen der Nation, ein freies und einiges Deutschland<lb/>
herzustellen, vollziehen, vorausgesetzt, daß dieses wirklich der<lb/>
Wille der letzteren auch ist. Nur so wird sie die Kraft er-<lb/>
langen, um im Jnnern Ordnung und Ruhe, und damit den<lb/>
Wohlstand wieder einzuführen; nur so und hierdurch die<lb/>
Möglichkeit finden, jene socialen Fragen befriedigend zu lösen,<lb/>
welche weder Worte noch der Donner der Kanonen für immer<lb/>
zu beseitigen mehr im Stande sind. So endlich würde Deutsch-<lb/>
land dem Auslande gegenüber eine Achtung gebietende Haltung<lb/>
einnehmen können, ohne, wie bis jetzt, nur mit leeren Drohun-<lb/>
gen zu reizen. Jeder andere Weg, welchen die neue Rechtsge-<lb/>
walt einschlagen würde, müßte entweder zu einem uneinigen<lb/>
schwachen Deutschland führen ( weil man den Saamen der Zwie-<lb/>
tracht von vornherein wieder in den Boden legte ) , oder sie wird<lb/>
allmählig Deutschland zu dem alten Staatenbund zurückbringen.<lb/>
Es wäre wirklich einer großen Nation und ihrer Vertreter nicht<lb/>
würdig, wollte sie sich selbst täuschen, das eine aussprechen, das<lb/>
Andere wollen. Also: Entweder, oder!.....</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jPoliticalNews" n="1">
        <head> <hi rendition="#g">Deutschland.<lb/>
Reichstag.</hi> </head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <p>Frankfurt 30. Juli. ( O. P. A. Z. ) Aus zuverlässigen Mit-<lb/>
theilungen erhalten wir nähere Kunde von dem sehr interessanten<lb/>
Gang der Berathungen im Verfassungsausschuß, und wir glau-<lb/>
ben annehmen zu dürfen, daß der Ausschuß bei Durcharbeitung<lb/>
dieses Entwurfes ganz besonders auf Preußen diejenige Rücksicht<lb/>
nimmt, welche dieser mächtigste Staat Deutschlands zu erwarten<lb/>
berechtigt ist, und namentlich den Kreis von Minderungen der<lb/>
Sondergewalt einzuhalten sucht, zu welchen sich sowohl die Krone<lb/>
wie die Stände Preußens in officiellen Erklärungen bereit erklärt<lb/>
haben. Jn der Antwort auf den eingesandten Verfassungsent-<lb/>
wurf der <hi rendition="#aq">XVII</hi>., der die &#x201E;Bedeutung des Reichs&#x201C; sehr entschieden<lb/>
und umfassend ausprägte, namentlich der Reichsgewalt ausschließ-<lb/><cb n="2"/>
lich beilegte: die völkerrechtliche Vertretung Deutschlands und der<lb/>
einzelnen deutschen Staaten, das Recht über Krieg und Frieden,<lb/>
das Heerwesen, das Festungswesen u. s. w., ja sogar die Ernen-<lb/>
nung aller Offiziere des stehenden Heeres und der Stabsoffiziere<lb/>
bei der Landwehr, die Dispositionsbefugniß über das stehende<lb/>
Heer ( Art. <hi rendition="#aq">III</hi>. §. 2. ) &#x2014; in Antwort auf diesen Entwurf erklärte<lb/>
das Staatsministerium in einer leider nicht veröffentlichten Zu-<lb/>
schrift an den Bundestag: &#x201E;daß Preußen in diesem Entwurf<lb/>
diejenigen Bestimmungen wieder erkenne, die es zum Heile<lb/>
Deutschlands gefordert, und zu denen es sich in jenen Punkta-<lb/>
tionen ausdrücklich verpflichtet habe; es werde bei denselben un-<lb/>
weigerlich beharren.&#x201C; Nun hat um allen Bedenklichkeiten zu<lb/>
begegnen, die von vielen Seiten in der preußischen Armee ge-<lb/>
äußert werden, der Ausschuß den Reichsminister des Krieges<lb/>
eingeladen, seinen Sitzungen beizuwohnen, und einen Entwurf<lb/>
in Betreff des Kriegswesens vorzulegen, welcher das Jnteresse<lb/>
der Einheit mit dem des Bestehenden angemessen vereinigte. Man<lb/>
hat uns von diesem Entwurf mit großer Befriedigung gespro-<lb/>
chen; namentlich preußische Militärs versichern uns, daß mit<lb/>
demselben alles das gehoben sey, was der Armee Anstoß geben<lb/>
könnte. Und in der That das endlich geeinte Deutschland hat<lb/>
kein Jnteresse daran, das Hochgefühl des preußischen Heeres,<lb/>
das eben jetzt für die deutsche Sache glorreich gekämpft hat und<lb/>
wieder kämpfen wird, zu verletzen. Sey Preußen eingedenk,<lb/>
wie eben jetzt in Wien das deutsche Oesterreich dem slavischen zu<lb/>
erliegen in Gefahr ist, und daß Deutschland in den Gefahren,<lb/>
die ihm drohen von Osten und Westen, sich auf die Kraft Preu-<lb/>
ßens stützen muß; sey es gewiß, daß das dankbare Vaterland<lb/>
wissen wird, welche Stelle dem Staate der 16 Millionen, der<lb/>
unsere Marken im Osten und Westen zu hüten hat, in dem künf-<lb/>
tigen Reiche gebührt.</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <p>Berlin 24. Juli. ( Karlr. Z. ) Der von der Commission<lb/>
ausgearbeitete Entwurf der preußischen Verfassung liegt uns jetzt<lb/>
vor, und fällt der öffentlichen Besprechung anheim. Er ist ein<lb/>
treues Bild unserer Nationalvertretung selbst. Nirgends etwas<lb/>
Ganzes, überall ein Schwanken, ein Accommodiren, ein Transi-<lb/>
giren zwischen entgegengesetzten Endpunkten, das Niemanden be-<lb/>
friedigt und Jeden Etwas vermissen läßt. Die hervorragendsten<lb/>
Bestimmungen sind ohne Zweifel die Annahme des Zweikammer-<lb/>
Systems und des suspensiven Veto's: lassen Sie uns dieselben<lb/>
etwas näher betrachten. Zwei Kammern haben wir, aber aus der<lb/>
Ersten Kammer ist Alles fast geflissentlich verbannt, was man im<lb/>
constitutionellen System als das Wesen derselben betrachtet; nir-<lb/>
gends eine Spur, in ihr das hemmende, conservative Element zur<lb/>
Geltung zu bringen, das einem nur zu oft den Eingebungen des<lb/>
Augenblicks folgenden Vorwärtsdrängen besonnenen Wider-<lb/>
stand leiste. Wenn die Erste Kammer solche Elemente zählt,<lb/>
so ist es Zufall; eine Garantie dafür haben wir nicht. Ein<lb/>
solches Zweikammer=System verwickelt blos den Mechanis-<lb/>
mus, ohne seine Sicherheit zu erhöhen; ein solches Zwei-<lb/>
kammer=System vereinigt alle Nachtheile einer einzigen Kam-<lb/>
mer, ohne einen einzigen ihrer Vortheile zu gewähren.<lb/>
Was sollen wir vollends zu dem suspensiven Veto sagen? Das<lb/>
suspensive Veto ist die völlige Aufhebung des monarchischen Prin-<lb/>
zips, es ist der erste Schritt zur Republik. Der Monarch, sobald<lb/>
er gezwungen ist, zu vollziehen, was er verworfen, ist noch ein<lb/>
Verwaltungsbeamter, aber kein Monarch mehr; hebt seine freie<lb/>
Zustimmung auf, und ihr habt dem Wesen, wenn auch nicht dem<lb/>
Namen nach, die Republik. Wollt ihr einen König, so gebt ihm<lb/>
die Macht, ein freier König zu seyn; dem Willen seines ganzen<lb/>
Volkes, wiederholt von den Vertretern desselben ausgesprochen,<lb/>
wird er ohnehin seinen Beitritt nicht versagen; die Geschichte des<lb/>
constitutionellen Systems bietet kein Beispiel, daß er es gethan.<lb/>
Noch einmal, hier stehen wir am Scheidewege, der Monarchie<lb/>
und Republik trennt. Ob der König König <hi rendition="#g">der</hi> Preußen heißt<lb/>
oder König <hi rendition="#g">von</hi> Preußen, das ist kindische Spielerei ohne tiefere<lb/>
Bedeutung, aber mit dem suspensiven Veto ist der König nicht<lb/>
König mehr.</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <p>Berlin 26. Juli. ( Br. Z. ) Der politische Wankelmuth der<lb/>
Berliner zeigt sich jetzt in hellem Lichte, viele Leute legen <hi rendition="#g">die<lb/>
deutschen Kokarden</hi> mit Ostentation bei Seite und stecken<lb/>
sich preußische Kokarden in kolossalen Formen an. Geht das hier<lb/>
so fort, so können wir auch bald eine Emeute haben, worin die<lb/>
Berliner rufen: &#x201E; <hi rendition="#g">Nieder mit Deutschland!</hi> &#x201C; [ Wir haben<lb/>
das schon vor ein paar Tagen prophezeit! ] </p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <p>Ulm 27. Juli. ( U. Chr. ) Bei einer Hitze von 25° Reaumur<lb/>
ist die <hi rendition="#g">Ernte</hi> in vollem Gang. Alles reift so schnell zusammen,<lb/>
daß nachgerade jetzt schon ein Mangel an Arbeitern eintritt, um<lb/>
den reichen Segen einzuheimsen. Winter= und Sommerfelder<lb/>
sind so ergiebig, daß sich hier die ältesten Oekonomen keiner so<lb/>
reichen Ernte erinnern, und mancher Landwirth kann die Räum-<lb/><cb type="end"/>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0002] tenen Wege voranschreiten muß, um ein einiges, starkes Deutschland im vollsten Gegensatze zu einem uneinigen, schwachen Bundesstaate herzustellen. Es ist Pflicht und Ehrensache; Jnteresse und Klugheit erheischen es. Der Rückschritt zum Staa- tenbunde, oder die Gründung eines schwachen Bundesstaats durch starke ausgeprägte Selbstständigkeit der Einzelstaaten würde nur eine traurige Uebergangsperiode zu neuen Katastrophen und neuen Revolutionen bilden. Große Jdeen, wie jetzt sich der Deutschen bemächtigt haben, können wohl für einige Zeit wie- der schlummern, kommen aber demohngeachtet wieder von neuem und mit erneuter Kraft zum Durchbruch. Die Gefahr, revolu- tionäre Zustände oder vielleicht den Bürgerkrieg in Deutschland für eine Reihe von Jahren einheimisch zu machen, ist für dieses, für ganz Europa, ja selbst für die Civilisation zu groß, als daß nicht Alles aufgeboten werden müßte, um sie abzuwenden. Für die Reichsgewalt, d. h. Reichsregierung und Nationalversamm- lung, wird es, getragen von dem Willen der Nation, zur ern- sten Pflicht, mit Muth und Entschiedenheit die große Aufgabe zu lösen. Die Reichsgewalt muß, so weit es hierzu nöthig ist, die Sou- veränetät der einzelnen Staaten an sich ziehen; sie muß die hierzu nöthige Organisation Deutschlands ungesäumt vornehmen; sie muß, indem sie den Reichs=Regierungs=Organismus einrichtet, jenen der einzelnen Staaten reduciren. Ein vollständig eingerich- teter Centralstaat, in welchem wiederum ebenso vollständig einge- richtete größere und kleinere Staaten eingeschachtelt werden, wäre wirklich ein Unding, dabei so kostspielig, daß die Nation es nicht ertragen würde. Auch dürfte die Erfahrung bald lehren, daß die Souveränetät sich nicht theilen läßt. Die Reichsgewalt muß na- mentlich den diplomatischen Verkehr der Einzelstaaten nach Außen und im Jnnern alsbald aufheben und in ihren Händen concen- triren. Es ist dies eine Lebensfrage! Sie wird und muß die Jnteressen eines jeden Theils von Deutschland gleich würdigen und vertreten. Sie muß sich die unbedingte Disposition der Streitkräfte aneignen und nach Gutdünken darüber verfügen. Sie muß die Zolllinie an Deutschlands Grenze rücken. Sie darf nicht dulden, daß neben ihr Regierungen oder constituirende Ständeversammlungen in einzelnen Staaten sich mit dem beschäf- tigen, was der Nationalversammlung allein obliegt. Wird aber der Reichsgewalt der Gehorsam versagt, dann müßte sie die Strafe auf dem Fuße folgen lassen. Sie müßte ungehorsame Minister, Generale, oder sonstige Beamte vor ihre Schranken fordern und zur Rechenschaft ziehen. Sie müßte Ständever- sammlungen und Truppencorps auflösen, so sich dieselben ihren Befehlen widersetzten. Nur so allein wird die Reichsgewalt den Willen der Nation, ein freies und einiges Deutschland herzustellen, vollziehen, vorausgesetzt, daß dieses wirklich der Wille der letzteren auch ist. Nur so wird sie die Kraft er- langen, um im Jnnern Ordnung und Ruhe, und damit den Wohlstand wieder einzuführen; nur so und hierdurch die Möglichkeit finden, jene socialen Fragen befriedigend zu lösen, welche weder Worte noch der Donner der Kanonen für immer zu beseitigen mehr im Stande sind. So endlich würde Deutsch- land dem Auslande gegenüber eine Achtung gebietende Haltung einnehmen können, ohne, wie bis jetzt, nur mit leeren Drohun- gen zu reizen. Jeder andere Weg, welchen die neue Rechtsge- walt einschlagen würde, müßte entweder zu einem uneinigen schwachen Deutschland führen ( weil man den Saamen der Zwie- tracht von vornherein wieder in den Boden legte ) , oder sie wird allmählig Deutschland zu dem alten Staatenbund zurückbringen. Es wäre wirklich einer großen Nation und ihrer Vertreter nicht würdig, wollte sie sich selbst täuschen, das eine aussprechen, das Andere wollen. Also: Entweder, oder!..... Deutschland. Reichstag. Frankfurt 30. Juli. ( O. P. A. Z. ) Aus zuverlässigen Mit- theilungen erhalten wir nähere Kunde von dem sehr interessanten Gang der Berathungen im Verfassungsausschuß, und wir glau- ben annehmen zu dürfen, daß der Ausschuß bei Durcharbeitung dieses Entwurfes ganz besonders auf Preußen diejenige Rücksicht nimmt, welche dieser mächtigste Staat Deutschlands zu erwarten berechtigt ist, und namentlich den Kreis von Minderungen der Sondergewalt einzuhalten sucht, zu welchen sich sowohl die Krone wie die Stände Preußens in officiellen Erklärungen bereit erklärt haben. Jn der Antwort auf den eingesandten Verfassungsent- wurf der XVII., der die „Bedeutung des Reichs“ sehr entschieden und umfassend ausprägte, namentlich der Reichsgewalt ausschließ- lich beilegte: die völkerrechtliche Vertretung Deutschlands und der einzelnen deutschen Staaten, das Recht über Krieg und Frieden, das Heerwesen, das Festungswesen u. s. w., ja sogar die Ernen- nung aller Offiziere des stehenden Heeres und der Stabsoffiziere bei der Landwehr, die Dispositionsbefugniß über das stehende Heer ( Art. III. §. 2. ) — in Antwort auf diesen Entwurf erklärte das Staatsministerium in einer leider nicht veröffentlichten Zu- schrift an den Bundestag: „daß Preußen in diesem Entwurf diejenigen Bestimmungen wieder erkenne, die es zum Heile Deutschlands gefordert, und zu denen es sich in jenen Punkta- tionen ausdrücklich verpflichtet habe; es werde bei denselben un- weigerlich beharren.“ Nun hat um allen Bedenklichkeiten zu begegnen, die von vielen Seiten in der preußischen Armee ge- äußert werden, der Ausschuß den Reichsminister des Krieges eingeladen, seinen Sitzungen beizuwohnen, und einen Entwurf in Betreff des Kriegswesens vorzulegen, welcher das Jnteresse der Einheit mit dem des Bestehenden angemessen vereinigte. Man hat uns von diesem Entwurf mit großer Befriedigung gespro- chen; namentlich preußische Militärs versichern uns, daß mit demselben alles das gehoben sey, was der Armee Anstoß geben könnte. Und in der That das endlich geeinte Deutschland hat kein Jnteresse daran, das Hochgefühl des preußischen Heeres, das eben jetzt für die deutsche Sache glorreich gekämpft hat und wieder kämpfen wird, zu verletzen. Sey Preußen eingedenk, wie eben jetzt in Wien das deutsche Oesterreich dem slavischen zu erliegen in Gefahr ist, und daß Deutschland in den Gefahren, die ihm drohen von Osten und Westen, sich auf die Kraft Preu- ßens stützen muß; sey es gewiß, daß das dankbare Vaterland wissen wird, welche Stelle dem Staate der 16 Millionen, der unsere Marken im Osten und Westen zu hüten hat, in dem künf- tigen Reiche gebührt. Berlin 24. Juli. ( Karlr. Z. ) Der von der Commission ausgearbeitete Entwurf der preußischen Verfassung liegt uns jetzt vor, und fällt der öffentlichen Besprechung anheim. Er ist ein treues Bild unserer Nationalvertretung selbst. Nirgends etwas Ganzes, überall ein Schwanken, ein Accommodiren, ein Transi- giren zwischen entgegengesetzten Endpunkten, das Niemanden be- friedigt und Jeden Etwas vermissen läßt. Die hervorragendsten Bestimmungen sind ohne Zweifel die Annahme des Zweikammer- Systems und des suspensiven Veto's: lassen Sie uns dieselben etwas näher betrachten. Zwei Kammern haben wir, aber aus der Ersten Kammer ist Alles fast geflissentlich verbannt, was man im constitutionellen System als das Wesen derselben betrachtet; nir- gends eine Spur, in ihr das hemmende, conservative Element zur Geltung zu bringen, das einem nur zu oft den Eingebungen des Augenblicks folgenden Vorwärtsdrängen besonnenen Wider- stand leiste. Wenn die Erste Kammer solche Elemente zählt, so ist es Zufall; eine Garantie dafür haben wir nicht. Ein solches Zweikammer=System verwickelt blos den Mechanis- mus, ohne seine Sicherheit zu erhöhen; ein solches Zwei- kammer=System vereinigt alle Nachtheile einer einzigen Kam- mer, ohne einen einzigen ihrer Vortheile zu gewähren. Was sollen wir vollends zu dem suspensiven Veto sagen? Das suspensive Veto ist die völlige Aufhebung des monarchischen Prin- zips, es ist der erste Schritt zur Republik. Der Monarch, sobald er gezwungen ist, zu vollziehen, was er verworfen, ist noch ein Verwaltungsbeamter, aber kein Monarch mehr; hebt seine freie Zustimmung auf, und ihr habt dem Wesen, wenn auch nicht dem Namen nach, die Republik. Wollt ihr einen König, so gebt ihm die Macht, ein freier König zu seyn; dem Willen seines ganzen Volkes, wiederholt von den Vertretern desselben ausgesprochen, wird er ohnehin seinen Beitritt nicht versagen; die Geschichte des constitutionellen Systems bietet kein Beispiel, daß er es gethan. Noch einmal, hier stehen wir am Scheidewege, der Monarchie und Republik trennt. Ob der König König der Preußen heißt oder König von Preußen, das ist kindische Spielerei ohne tiefere Bedeutung, aber mit dem suspensiven Veto ist der König nicht König mehr. Berlin 26. Juli. ( Br. Z. ) Der politische Wankelmuth der Berliner zeigt sich jetzt in hellem Lichte, viele Leute legen die deutschen Kokarden mit Ostentation bei Seite und stecken sich preußische Kokarden in kolossalen Formen an. Geht das hier so fort, so können wir auch bald eine Emeute haben, worin die Berliner rufen: „ Nieder mit Deutschland! “ [ Wir haben das schon vor ein paar Tagen prophezeit! ] Ulm 27. Juli. ( U. Chr. ) Bei einer Hitze von 25° Reaumur ist die Ernte in vollem Gang. Alles reift so schnell zusammen, daß nachgerade jetzt schon ein Mangel an Arbeitern eintritt, um den reichen Segen einzuheimsen. Winter= und Sommerfelder sind so ergiebig, daß sich hier die ältesten Oekonomen keiner so reichen Ernte erinnern, und mancher Landwirth kann die Räum-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal047_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal047_1848/2
Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 47. Mainz, 1. August 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal047_1848/2>, abgerufen am 01.06.2024.