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Mainzer Journal. Nr. 50. Mainz, 4. August 1848.

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[Beginn Spaltensatz] Rechtsstaat! Was ist denn aber dieser Rechtsstaat anders als
der Staat, der nur die Wahrung des Rechtes sich zur Aufgabe
gestellt, der gerade ganz scharf und rein auf dem rechtlichen und
politischen Gebiete sich hält, dagegen in allem Uebrigen die Frei-
heit schalten und Jeden nach seiner Ueberzeugung le-
ben läßt?
Daher muß im Rechtsstaat schlechthinig Freiheit
der Wissenschaft, des Unterrichtes, der Religion bestehen; die
Heiligkeit des Cölibates aber ist eine religiöse Ueber-
zeugung
der Katholiken.

Doch was Heiligkeit des Cölibats? fallet ihr wiederum ein:
der Cölibat ist "eine Beleidigung des Natur= und Sittengesetzes,
längst verurtheilt durch die öffentliche Meinung, von Gregor VII.
eingeführt, um den Klerus von der bürgerlichen Gesellschaft los-
zureißen, einen Staat im Staat und Priesterherrschaft und Prie-
sterreichthum auf die Zerstörung des Lebensglückes von Tausen-
den zu gründen, der Cölibat ist eine Mißhandlung heiliger Men-
schenrechte, ein schleichendes siittenverderbendes Gift!" -- Spare,
furchtbarer Doctor Gritzner, unerschrockener Oesterreicher --
spare deine Bannstrahlen, womit du den Vatikan und die ganze
katholische Christenheit zu zerschmettern drohst. Bange machen gilt
nicht mehr! -- Wir haben das Alles auch schon tausendmal gele-
sen und gehört -- und müssen nur einfach darauf bemerken, daß
es eine ungeheure Lüge ist, zu behaupten, Gregor VII. habe den
Cölibat eingeführt, während der Cölibat, wie schon hundert-
mal erwiesen worden ist, von Anfang an, als dem Priesterstande
ziemend, angesehen und schon von den ältesten Kirchenversamm-
lungen ( z. B. von Elvira [ 305 ] , von Neocäsarea [ 314 ] , Ancyra
[ 314 ] , als strenge Pflicht den Klerikern eingeschärft wurde.
Euren Lästerungen gegen den Cölibat aber stellt die ka-
tholische Kirche ihre durch achtzehn Jahrhunderte un-
wandelbar fest gehaltene
und wieder feierlich durch das
allgemeine Concil von Trient ausgesprochene Ueberzeugung
von der Heiligkeit und Erhabenheit eines Cölibates entgegen, der,
um sich ganz und ungetheilt dem Dienste Gottes und dem Heile
der Menschen zu weihen, auf etwas an sich Erlaubtes Verzicht
leistet. Eure eckelhaften Jnvectiven gegen den katholischen Klerus,
der durch die Jahrhunderte dahin von den Aposteln an Tausende
der ehrwürdigsten und edelsten Männer, die alle den Cölibat hei-
lig hielten, aufweisen kann, wollen wir keiner weiteren Kritik un-
terwerfen 1). Wer Schmutz berührt kann sich nur besudeln! --
So viel aber ist gewiß, wenn in der französischen Nationalver-
sammlung auch nur Ein Mitglied es gewagt hätte, ähnliche Jn-
famien gegen die Kirche der Mehrzahl aller Franzosen und gegen
einen ganzen Stand, der erst kürzlich dem Vaterland einen Mär-
tyrer gegeben, zu schleudern, dieses Einen Schrei des Unwillens
in der ganzen Versammlung, wie im ganzen Land hervorgerufen
hätte. Da ihr es gewagt habet, die ganze katholische Kirche und
ihren Klerus als eine Pflegerin des Lasters, des Unheils, der Un-
natur und der Knechtschaft, in offener Urkunde und mit Na-
mensunterschrift fälschlich anzufeinden, so könnt ihr uns auch nicht
verübeln, wenn wir ein wahres Wort derb und deutsch zu
euch geredet haben. Morgen noch eines!



Deutschland.

Wien 28. Juli. ( A. Z. ) Nachdem das Officierscorps und
mehrere Generale der Garnison zugleich mit einer zahlreichen De-
putation dem Banus Feldmarschall=Lieutenant Jellachich ge-
stern ihre Aufwartung gemacht hatten, brachte man ihm Abends
eine glänzende Serenade mit Fackelzug, an welchem ein großer
Theil der Bevölkerung und besonders viel Militair theilnahmen.
Unzählige Vivats und Zivios erfüllten die Luft, als der Banus
vom Fenster herab eine Rede hielt. Eine von einer exaltirten
ungarischen Partei beabsichtigte Gegendemonstration scheiterte an
dem gesunden Sinne der Wiener Bevölkerung, die über ein sol-
ches das Gastrecht verletzendes Vorhaben empört mit der Natio-
[Spaltenumbruch] nalgarde die Ordnung aufrecht hielt. Bis spät nach Mitternacht
wogte die Menschenmasse vor dem Gasthofe, wo der Banus ab-
gestiegen war, ohne daß es zu irgendeiner Störung gekommen
wäre. Jn der Rede, welche der Banus früh an die Deputation
hielt, sagte er unter anderm: "Es ist für die gute Sache von Be-
deutung Jhrer Stütze gewiß zu seyn. Jch bin überzeugt, kein
Mann von Ehre, keiner von Jhnen wäre im Stande auch nur
eine Flinte auf uns loszuschießen. Was Sie mir heute beweisen,
wird ein starkes Gewicht in meine Wagschale legen. Meine Sache
ist die Sache der Ehre, darum scheue ich mich nicht Jhnen meine
Gesinnungen offen darzulegen. Jch bin kein Feind der edlen un-
garischen Nation, aber ich bin ein Feind derer, die durch Eigen-
nutz und separitistische Tendenzen getrieben, Ungarn von Oester-
reich losreißen, Oesterreich schwächen wollen. Jch, meine Brü-
der, ich will ein großes, kräftiges, freies Oesterreich! Jch werde
siegen, weil es für die gerechte Sache und für die Ehre ist, für
die ich kämpfe -- und weil es in Gesinnung auch die Jhrige ist."
Alle Anwesenden waren zu Thränen gerührt, und selbst der Ba-
nus konnte seine Rührung nicht verbergen.

sqrt Wien 30. Juli. Jn der heutigen Sitzung des Reichstags,
wo eine Adresse an den Kaiser, um ihn zur schleunigen Rückkehr
zu bestimmen, verlesen ward, verließ nach einigen Debatten die
ganze Linke, unzufrieden mit der Haltung des Adreßentwurfs, den
Saal. Die Stadt gerieth dadurch in beunruhigende Bewegung
und wir wollen sehen, was die nächsten Tagen uns bringen
werden.

Jnnsbruck 29. Juli. Se. Maj. der Kaiser hat vom Feld-
marschall Grafen Radetzky aus dem Hauptquartier Valleggio am
27. Juli über die Operationen der Armee folgenden Bericht er-
halten: "Das zweite Corps unter dem Befehl des Feldmarschall-
Lieutenants Baron D'Aspre hat am 26. Abends und am 27.
früh bei Volta zwei hartnäckige, aber glänzende und siegreiche
Gefechte bestanden, während welcher ich das erste Corps nebst
dem Reservecorps hinter selbem concentriren ließ, um sie zur
Unterstützung des zweiten Corps zu verwenden. Allein dieß
waren die letzten Gefechte welche, so blutig sie gewesen, von der
Arriergarde des Feindes bloß unternommen wurden, um sich der
Höhen von Volta zu bemächtigen und dadurch den Rückzug des
Gros der Armee zu decken. Feldmarschall=Lieutenant Baron
D'Aspre und die Generale des zweiten Armeecorps, sowie die
Offiziere und Mannschaft desselben, gleich jenen der Cavallerie-
division Fürst Taxis haben sich mit Ruhm bedeckt, und ich habe
mich Mittags persönlich überzeugt, daß der Feind nun im vollen
Rückzug nach Cremona begriffen ist. Radetzky, m. p. Feld-
marschall."

München 1. August. ( Fr. J. ) Nachdem man sich im Pub-
likum schon mit den verschiedenartigsten Zweifeln getragen hatte,
ist gestern Abend von Seite unseres Kriegsministeriums eine Or-
dre an sämmtliche Garnisonen abgegangen, wonach der Hul-
digungsakt am
6. d. M. genau nach der Vorschrift des
Reichskriegsministeriums zu vollziehen ist.

Baden 30. Juli. ( Freib. Ztg. ) Wenn, wie allerwärts
die Geschäfte stocken, auch unser Badort unter dem allge-
meinen Mangel nothleiden muß, so zeigt sich eben in dieser
schlimmen Zeit der Vorzug hiesiger Gegend und hiesiger Anstal-
ten, daß wir verhältnißmäßig weitaus gegen andere Kurorte be-
günstigt sind. Jn politischer Beziehung leben wir hier sehr ruhig.
Unsere paar Wühler kamen ziemlich niedergeschlagen von Ett-
lingen zurück. Je mehr wir unserer "Republik" näher ins An-
gesicht schauen, desto mehr werden uns diese begehrlichen Züge
kenntlich, die man mit einer politisch=sozialen Maske verdeckt. Gebt
heute die Republik und machet Hecker zum Präsidenten; -- in vier
Wochen schon würde er verwiesen oder gemordet, denn die Wünsche
unserer Proletarier könnte er nicht erfüllen: Wohlleben ohne Arbeit!
Nein, es ist kein politischer Kampf, den die Massen zu führen sich
anschickten, es ist ein rein socialer und communistischer! Gottlob,
die gute Natur wird wieder Meister über die Krankheit; die Re-
publikaner aus besserm Stoffe, nämlich die rein politischen
Republikaner, erkennen den Abgrund, wohin sie geführt wurden.
Die nach Freiheit und Ordnung ringende Bürgerklasse fühlt sich
wieder freier vom Alpe, der so schwer sie drückte, und so kräftig
sie nach Freiheit und Einheit eines großen Vaterlandes ringt, so
kräftig wird sie einem lüderlichen Wühlerhaufen begegnen, der
gerne wagt, weil er Nichts verlieren kann, denn das Gut ist fort
und das Blut nicht viel nutz. Sehr rühmenswerth, doppelt rüh-
menswerth in solchen aufgeregten Zeiten sind die gewerblichen Be-
mühungen, die man sich hier gibt, um die Wurzel unserer Leiden
zu fassen, den Zustand unserer herabgekommenen Gewerbe. Hier
muß es besser werden; die Gewerbe brauchen den Schutz so nö-
thig, wie der Handel. Dafür soll beim Frankfurter Gewerbecon-
greß vorzüglich gesorgt werden.

[Ende Spaltensatz]
1) Es ist in der That unbegreiflich, wie vernünftig denkende Men-
schen einen von gebildeten Männern aus höheren religiösen Gründen
freiwillig erwählten Cölibat unsittlich und widernatürlich nennen können,
während statistisch erwiesenermaßen wenigstens die Hälfte aller erwach-
senen Menschen, und darunter sogar Mitunterzeichner der Anticölibats-
adresse im ehelosen Stande leben und lebenslänglich darin verbleiben.
Sehen sie denn nicht ein, daß ihre Declamationen gegen den Cölibat
der Priester ein moralisches Vernichtungsurtheil gegen alle Unverhei-
ratheten enthält? -- Ferner ist es nicht löblich, wenn ein Sohn, um
seine Eltern oder Geschwister zu ernähren, ledig bleibt; wenn eine Braut
ihrem verstorbenen Bräutigam über das Grab hinaus die Treue bewahrt?
Newton und Leibnitz haben aus Liebe zu der Wissenschaft auf die
Ehe verzichtet. Warum ist denn derselbe Verzicht, aus Liebe zur Re-
ligion und seinem Amte von einem katholischen Priester geleistet, ein
Greuel?

[Beginn Spaltensatz] Rechtsstaat! Was ist denn aber dieser Rechtsstaat anders als
der Staat, der nur die Wahrung des Rechtes sich zur Aufgabe
gestellt, der gerade ganz scharf und rein auf dem rechtlichen und
politischen Gebiete sich hält, dagegen in allem Uebrigen die Frei-
heit schalten und Jeden nach seiner Ueberzeugung le-
ben läßt?
Daher muß im Rechtsstaat schlechthinig Freiheit
der Wissenschaft, des Unterrichtes, der Religion bestehen; die
Heiligkeit des Cölibates aber ist eine religiöse Ueber-
zeugung
der Katholiken.

Doch was Heiligkeit des Cölibats? fallet ihr wiederum ein:
der Cölibat ist „eine Beleidigung des Natur= und Sittengesetzes,
längst verurtheilt durch die öffentliche Meinung, von Gregor VII.
eingeführt, um den Klerus von der bürgerlichen Gesellschaft los-
zureißen, einen Staat im Staat und Priesterherrschaft und Prie-
sterreichthum auf die Zerstörung des Lebensglückes von Tausen-
den zu gründen, der Cölibat ist eine Mißhandlung heiliger Men-
schenrechte, ein schleichendes siittenverderbendes Gift!“ — Spare,
furchtbarer Doctor Gritzner, unerschrockener Oesterreicher —
spare deine Bannstrahlen, womit du den Vatikan und die ganze
katholische Christenheit zu zerschmettern drohst. Bange machen gilt
nicht mehr! — Wir haben das Alles auch schon tausendmal gele-
sen und gehört — und müssen nur einfach darauf bemerken, daß
es eine ungeheure Lüge ist, zu behaupten, Gregor VII. habe den
Cölibat eingeführt, während der Cölibat, wie schon hundert-
mal erwiesen worden ist, von Anfang an, als dem Priesterstande
ziemend, angesehen und schon von den ältesten Kirchenversamm-
lungen ( z. B. von Elvira [ 305 ] , von Neocäsarea [ 314 ] , Ancyra
[ 314 ] , als strenge Pflicht den Klerikern eingeschärft wurde.
Euren Lästerungen gegen den Cölibat aber stellt die ka-
tholische Kirche ihre durch achtzehn Jahrhunderte un-
wandelbar fest gehaltene
und wieder feierlich durch das
allgemeine Concil von Trient ausgesprochene Ueberzeugung
von der Heiligkeit und Erhabenheit eines Cölibates entgegen, der,
um sich ganz und ungetheilt dem Dienste Gottes und dem Heile
der Menschen zu weihen, auf etwas an sich Erlaubtes Verzicht
leistet. Eure eckelhaften Jnvectiven gegen den katholischen Klerus,
der durch die Jahrhunderte dahin von den Aposteln an Tausende
der ehrwürdigsten und edelsten Männer, die alle den Cölibat hei-
lig hielten, aufweisen kann, wollen wir keiner weiteren Kritik un-
terwerfen 1). Wer Schmutz berührt kann sich nur besudeln! —
So viel aber ist gewiß, wenn in der französischen Nationalver-
sammlung auch nur Ein Mitglied es gewagt hätte, ähnliche Jn-
famien gegen die Kirche der Mehrzahl aller Franzosen und gegen
einen ganzen Stand, der erst kürzlich dem Vaterland einen Mär-
tyrer gegeben, zu schleudern, dieses Einen Schrei des Unwillens
in der ganzen Versammlung, wie im ganzen Land hervorgerufen
hätte. Da ihr es gewagt habet, die ganze katholische Kirche und
ihren Klerus als eine Pflegerin des Lasters, des Unheils, der Un-
natur und der Knechtschaft, in offener Urkunde und mit Na-
mensunterschrift fälschlich anzufeinden, so könnt ihr uns auch nicht
verübeln, wenn wir ein wahres Wort derb und deutsch zu
euch geredet haben. Morgen noch eines!



Deutschland.

Wien 28. Juli. ( A. Z. ) Nachdem das Officierscorps und
mehrere Generale der Garnison zugleich mit einer zahlreichen De-
putation dem Banus Feldmarschall=Lieutenant Jellachich ge-
stern ihre Aufwartung gemacht hatten, brachte man ihm Abends
eine glänzende Serenade mit Fackelzug, an welchem ein großer
Theil der Bevölkerung und besonders viel Militair theilnahmen.
Unzählige Vivats und Zivios erfüllten die Luft, als der Banus
vom Fenster herab eine Rede hielt. Eine von einer exaltirten
ungarischen Partei beabsichtigte Gegendemonstration scheiterte an
dem gesunden Sinne der Wiener Bevölkerung, die über ein sol-
ches das Gastrecht verletzendes Vorhaben empört mit der Natio-
[Spaltenumbruch] nalgarde die Ordnung aufrecht hielt. Bis spät nach Mitternacht
wogte die Menschenmasse vor dem Gasthofe, wo der Banus ab-
gestiegen war, ohne daß es zu irgendeiner Störung gekommen
wäre. Jn der Rede, welche der Banus früh an die Deputation
hielt, sagte er unter anderm: „Es ist für die gute Sache von Be-
deutung Jhrer Stütze gewiß zu seyn. Jch bin überzeugt, kein
Mann von Ehre, keiner von Jhnen wäre im Stande auch nur
eine Flinte auf uns loszuschießen. Was Sie mir heute beweisen,
wird ein starkes Gewicht in meine Wagschale legen. Meine Sache
ist die Sache der Ehre, darum scheue ich mich nicht Jhnen meine
Gesinnungen offen darzulegen. Jch bin kein Feind der edlen un-
garischen Nation, aber ich bin ein Feind derer, die durch Eigen-
nutz und separitistische Tendenzen getrieben, Ungarn von Oester-
reich losreißen, Oesterreich schwächen wollen. Jch, meine Brü-
der, ich will ein großes, kräftiges, freies Oesterreich! Jch werde
siegen, weil es für die gerechte Sache und für die Ehre ist, für
die ich kämpfe — und weil es in Gesinnung auch die Jhrige ist.“
Alle Anwesenden waren zu Thränen gerührt, und selbst der Ba-
nus konnte seine Rührung nicht verbergen.

√ Wien 30. Juli. Jn der heutigen Sitzung des Reichstags,
wo eine Adresse an den Kaiser, um ihn zur schleunigen Rückkehr
zu bestimmen, verlesen ward, verließ nach einigen Debatten die
ganze Linke, unzufrieden mit der Haltung des Adreßentwurfs, den
Saal. Die Stadt gerieth dadurch in beunruhigende Bewegung
und wir wollen sehen, was die nächsten Tagen uns bringen
werden.

Jnnsbruck 29. Juli. Se. Maj. der Kaiser hat vom Feld-
marschall Grafen Radetzky aus dem Hauptquartier Valleggio am
27. Juli über die Operationen der Armee folgenden Bericht er-
halten: „Das zweite Corps unter dem Befehl des Feldmarschall-
Lieutenants Baron D'Aspre hat am 26. Abends und am 27.
früh bei Volta zwei hartnäckige, aber glänzende und siegreiche
Gefechte bestanden, während welcher ich das erste Corps nebst
dem Reservecorps hinter selbem concentriren ließ, um sie zur
Unterstützung des zweiten Corps zu verwenden. Allein dieß
waren die letzten Gefechte welche, so blutig sie gewesen, von der
Arriergarde des Feindes bloß unternommen wurden, um sich der
Höhen von Volta zu bemächtigen und dadurch den Rückzug des
Gros der Armee zu decken. Feldmarschall=Lieutenant Baron
D'Aspre und die Generale des zweiten Armeecorps, sowie die
Offiziere und Mannschaft desselben, gleich jenen der Cavallerie-
division Fürst Taxis haben sich mit Ruhm bedeckt, und ich habe
mich Mittags persönlich überzeugt, daß der Feind nun im vollen
Rückzug nach Cremona begriffen ist. Radetzky, m. p. Feld-
marschall.“

München 1. August. ( Fr. J. ) Nachdem man sich im Pub-
likum schon mit den verschiedenartigsten Zweifeln getragen hatte,
ist gestern Abend von Seite unseres Kriegsministeriums eine Or-
dre an sämmtliche Garnisonen abgegangen, wonach der Hul-
digungsakt am
6. d. M. genau nach der Vorschrift des
Reichskriegsministeriums zu vollziehen ist.

Baden 30. Juli. ( Freib. Ztg. ) Wenn, wie allerwärts
die Geschäfte stocken, auch unser Badort unter dem allge-
meinen Mangel nothleiden muß, so zeigt sich eben in dieser
schlimmen Zeit der Vorzug hiesiger Gegend und hiesiger Anstal-
ten, daß wir verhältnißmäßig weitaus gegen andere Kurorte be-
günstigt sind. Jn politischer Beziehung leben wir hier sehr ruhig.
Unsere paar Wühler kamen ziemlich niedergeschlagen von Ett-
lingen zurück. Je mehr wir unserer „Republik“ näher ins An-
gesicht schauen, desto mehr werden uns diese begehrlichen Züge
kenntlich, die man mit einer politisch=sozialen Maske verdeckt. Gebt
heute die Republik und machet Hecker zum Präsidenten; — in vier
Wochen schon würde er verwiesen oder gemordet, denn die Wünsche
unserer Proletarier könnte er nicht erfüllen: Wohlleben ohne Arbeit!
Nein, es ist kein politischer Kampf, den die Massen zu führen sich
anschickten, es ist ein rein socialer und communistischer! Gottlob,
die gute Natur wird wieder Meister über die Krankheit; die Re-
publikaner aus besserm Stoffe, nämlich die rein politischen
Republikaner, erkennen den Abgrund, wohin sie geführt wurden.
Die nach Freiheit und Ordnung ringende Bürgerklasse fühlt sich
wieder freier vom Alpe, der so schwer sie drückte, und so kräftig
sie nach Freiheit und Einheit eines großen Vaterlandes ringt, so
kräftig wird sie einem lüderlichen Wühlerhaufen begegnen, der
gerne wagt, weil er Nichts verlieren kann, denn das Gut ist fort
und das Blut nicht viel nutz. Sehr rühmenswerth, doppelt rüh-
menswerth in solchen aufgeregten Zeiten sind die gewerblichen Be-
mühungen, die man sich hier gibt, um die Wurzel unserer Leiden
zu fassen, den Zustand unserer herabgekommenen Gewerbe. Hier
muß es besser werden; die Gewerbe brauchen den Schutz so nö-
thig, wie der Handel. Dafür soll beim Frankfurter Gewerbecon-
greß vorzüglich gesorgt werden.

[Ende Spaltensatz]
1) Es ist in der That unbegreiflich, wie vernünftig denkende Men-
schen einen von gebildeten Männern aus höheren religiösen Gründen
freiwillig erwählten Cölibat unsittlich und widernatürlich nennen können,
während statistisch erwiesenermaßen wenigstens die Hälfte aller erwach-
senen Menschen, und darunter sogar Mitunterzeichner der Anticölibats-
adresse im ehelosen Stande leben und lebenslänglich darin verbleiben.
Sehen sie denn nicht ein, daß ihre Declamationen gegen den Cölibat
der Priester ein moralisches Vernichtungsurtheil gegen alle Unverhei-
ratheten enthält? — Ferner ist es nicht löblich, wenn ein Sohn, um
seine Eltern oder Geschwister zu ernähren, ledig bleibt; wenn eine Braut
ihrem verstorbenen Bräutigam über das Grab hinaus die Treue bewahrt?
Newton und Leibnitz haben aus Liebe zu der Wissenschaft auf die
Ehe verzichtet. Warum ist denn derselbe Verzicht, aus Liebe zur Re-
ligion und seinem Amte von einem katholischen Priester geleistet, ein
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[0002] Rechtsstaat! Was ist denn aber dieser Rechtsstaat anders als der Staat, der nur die Wahrung des Rechtes sich zur Aufgabe gestellt, der gerade ganz scharf und rein auf dem rechtlichen und politischen Gebiete sich hält, dagegen in allem Uebrigen die Frei- heit schalten und Jeden nach seiner Ueberzeugung le- ben läßt? Daher muß im Rechtsstaat schlechthinig Freiheit der Wissenschaft, des Unterrichtes, der Religion bestehen; die Heiligkeit des Cölibates aber ist eine religiöse Ueber- zeugung der Katholiken. Doch was Heiligkeit des Cölibats? fallet ihr wiederum ein: der Cölibat ist „eine Beleidigung des Natur= und Sittengesetzes, längst verurtheilt durch die öffentliche Meinung, von Gregor VII. eingeführt, um den Klerus von der bürgerlichen Gesellschaft los- zureißen, einen Staat im Staat und Priesterherrschaft und Prie- sterreichthum auf die Zerstörung des Lebensglückes von Tausen- den zu gründen, der Cölibat ist eine Mißhandlung heiliger Men- schenrechte, ein schleichendes siittenverderbendes Gift!“ — Spare, furchtbarer Doctor Gritzner, unerschrockener Oesterreicher — spare deine Bannstrahlen, womit du den Vatikan und die ganze katholische Christenheit zu zerschmettern drohst. Bange machen gilt nicht mehr! — Wir haben das Alles auch schon tausendmal gele- sen und gehört — und müssen nur einfach darauf bemerken, daß es eine ungeheure Lüge ist, zu behaupten, Gregor VII. habe den Cölibat eingeführt, während der Cölibat, wie schon hundert- mal erwiesen worden ist, von Anfang an, als dem Priesterstande ziemend, angesehen und schon von den ältesten Kirchenversamm- lungen ( z. B. von Elvira [ 305 ] , von Neocäsarea [ 314 ] , Ancyra [ 314 ] , als strenge Pflicht den Klerikern eingeschärft wurde. Euren Lästerungen gegen den Cölibat aber stellt die ka- tholische Kirche ihre durch achtzehn Jahrhunderte un- wandelbar fest gehaltene und wieder feierlich durch das allgemeine Concil von Trient ausgesprochene Ueberzeugung von der Heiligkeit und Erhabenheit eines Cölibates entgegen, der, um sich ganz und ungetheilt dem Dienste Gottes und dem Heile der Menschen zu weihen, auf etwas an sich Erlaubtes Verzicht leistet. Eure eckelhaften Jnvectiven gegen den katholischen Klerus, der durch die Jahrhunderte dahin von den Aposteln an Tausende der ehrwürdigsten und edelsten Männer, die alle den Cölibat hei- lig hielten, aufweisen kann, wollen wir keiner weiteren Kritik un- terwerfen 1). Wer Schmutz berührt kann sich nur besudeln! — So viel aber ist gewiß, wenn in der französischen Nationalver- sammlung auch nur Ein Mitglied es gewagt hätte, ähnliche Jn- famien gegen die Kirche der Mehrzahl aller Franzosen und gegen einen ganzen Stand, der erst kürzlich dem Vaterland einen Mär- tyrer gegeben, zu schleudern, dieses Einen Schrei des Unwillens in der ganzen Versammlung, wie im ganzen Land hervorgerufen hätte. Da ihr es gewagt habet, die ganze katholische Kirche und ihren Klerus als eine Pflegerin des Lasters, des Unheils, der Un- natur und der Knechtschaft, in offener Urkunde und mit Na- mensunterschrift fälschlich anzufeinden, so könnt ihr uns auch nicht verübeln, wenn wir ein wahres Wort derb und deutsch zu euch geredet haben. Morgen noch eines! Deutschland. Wien 28. Juli. ( A. Z. ) Nachdem das Officierscorps und mehrere Generale der Garnison zugleich mit einer zahlreichen De- putation dem Banus Feldmarschall=Lieutenant Jellachich ge- stern ihre Aufwartung gemacht hatten, brachte man ihm Abends eine glänzende Serenade mit Fackelzug, an welchem ein großer Theil der Bevölkerung und besonders viel Militair theilnahmen. Unzählige Vivats und Zivios erfüllten die Luft, als der Banus vom Fenster herab eine Rede hielt. Eine von einer exaltirten ungarischen Partei beabsichtigte Gegendemonstration scheiterte an dem gesunden Sinne der Wiener Bevölkerung, die über ein sol- ches das Gastrecht verletzendes Vorhaben empört mit der Natio- nalgarde die Ordnung aufrecht hielt. Bis spät nach Mitternacht wogte die Menschenmasse vor dem Gasthofe, wo der Banus ab- gestiegen war, ohne daß es zu irgendeiner Störung gekommen wäre. Jn der Rede, welche der Banus früh an die Deputation hielt, sagte er unter anderm: „Es ist für die gute Sache von Be- deutung Jhrer Stütze gewiß zu seyn. Jch bin überzeugt, kein Mann von Ehre, keiner von Jhnen wäre im Stande auch nur eine Flinte auf uns loszuschießen. Was Sie mir heute beweisen, wird ein starkes Gewicht in meine Wagschale legen. Meine Sache ist die Sache der Ehre, darum scheue ich mich nicht Jhnen meine Gesinnungen offen darzulegen. Jch bin kein Feind der edlen un- garischen Nation, aber ich bin ein Feind derer, die durch Eigen- nutz und separitistische Tendenzen getrieben, Ungarn von Oester- reich losreißen, Oesterreich schwächen wollen. Jch, meine Brü- der, ich will ein großes, kräftiges, freies Oesterreich! Jch werde siegen, weil es für die gerechte Sache und für die Ehre ist, für die ich kämpfe — und weil es in Gesinnung auch die Jhrige ist.“ Alle Anwesenden waren zu Thränen gerührt, und selbst der Ba- nus konnte seine Rührung nicht verbergen. √ Wien 30. Juli. Jn der heutigen Sitzung des Reichstags, wo eine Adresse an den Kaiser, um ihn zur schleunigen Rückkehr zu bestimmen, verlesen ward, verließ nach einigen Debatten die ganze Linke, unzufrieden mit der Haltung des Adreßentwurfs, den Saal. Die Stadt gerieth dadurch in beunruhigende Bewegung und wir wollen sehen, was die nächsten Tagen uns bringen werden. Jnnsbruck 29. Juli. Se. Maj. der Kaiser hat vom Feld- marschall Grafen Radetzky aus dem Hauptquartier Valleggio am 27. Juli über die Operationen der Armee folgenden Bericht er- halten: „Das zweite Corps unter dem Befehl des Feldmarschall- Lieutenants Baron D'Aspre hat am 26. Abends und am 27. früh bei Volta zwei hartnäckige, aber glänzende und siegreiche Gefechte bestanden, während welcher ich das erste Corps nebst dem Reservecorps hinter selbem concentriren ließ, um sie zur Unterstützung des zweiten Corps zu verwenden. Allein dieß waren die letzten Gefechte welche, so blutig sie gewesen, von der Arriergarde des Feindes bloß unternommen wurden, um sich der Höhen von Volta zu bemächtigen und dadurch den Rückzug des Gros der Armee zu decken. Feldmarschall=Lieutenant Baron D'Aspre und die Generale des zweiten Armeecorps, sowie die Offiziere und Mannschaft desselben, gleich jenen der Cavallerie- division Fürst Taxis haben sich mit Ruhm bedeckt, und ich habe mich Mittags persönlich überzeugt, daß der Feind nun im vollen Rückzug nach Cremona begriffen ist. Radetzky, m. p. Feld- marschall.“ München 1. August. ( Fr. J. ) Nachdem man sich im Pub- likum schon mit den verschiedenartigsten Zweifeln getragen hatte, ist gestern Abend von Seite unseres Kriegsministeriums eine Or- dre an sämmtliche Garnisonen abgegangen, wonach der Hul- digungsakt am 6. d. M. genau nach der Vorschrift des Reichskriegsministeriums zu vollziehen ist. Baden 30. Juli. ( Freib. Ztg. ) Wenn, wie allerwärts die Geschäfte stocken, auch unser Badort unter dem allge- meinen Mangel nothleiden muß, so zeigt sich eben in dieser schlimmen Zeit der Vorzug hiesiger Gegend und hiesiger Anstal- ten, daß wir verhältnißmäßig weitaus gegen andere Kurorte be- günstigt sind. Jn politischer Beziehung leben wir hier sehr ruhig. Unsere paar Wühler kamen ziemlich niedergeschlagen von Ett- lingen zurück. Je mehr wir unserer „Republik“ näher ins An- gesicht schauen, desto mehr werden uns diese begehrlichen Züge kenntlich, die man mit einer politisch=sozialen Maske verdeckt. Gebt heute die Republik und machet Hecker zum Präsidenten; — in vier Wochen schon würde er verwiesen oder gemordet, denn die Wünsche unserer Proletarier könnte er nicht erfüllen: Wohlleben ohne Arbeit! Nein, es ist kein politischer Kampf, den die Massen zu führen sich anschickten, es ist ein rein socialer und communistischer! Gottlob, die gute Natur wird wieder Meister über die Krankheit; die Re- publikaner aus besserm Stoffe, nämlich die rein politischen Republikaner, erkennen den Abgrund, wohin sie geführt wurden. Die nach Freiheit und Ordnung ringende Bürgerklasse fühlt sich wieder freier vom Alpe, der so schwer sie drückte, und so kräftig sie nach Freiheit und Einheit eines großen Vaterlandes ringt, so kräftig wird sie einem lüderlichen Wühlerhaufen begegnen, der gerne wagt, weil er Nichts verlieren kann, denn das Gut ist fort und das Blut nicht viel nutz. Sehr rühmenswerth, doppelt rüh- menswerth in solchen aufgeregten Zeiten sind die gewerblichen Be- mühungen, die man sich hier gibt, um die Wurzel unserer Leiden zu fassen, den Zustand unserer herabgekommenen Gewerbe. Hier muß es besser werden; die Gewerbe brauchen den Schutz so nö- thig, wie der Handel. Dafür soll beim Frankfurter Gewerbecon- greß vorzüglich gesorgt werden. 1) Es ist in der That unbegreiflich, wie vernünftig denkende Men- schen einen von gebildeten Männern aus höheren religiösen Gründen freiwillig erwählten Cölibat unsittlich und widernatürlich nennen können, während statistisch erwiesenermaßen wenigstens die Hälfte aller erwach- senen Menschen, und darunter sogar Mitunterzeichner der Anticölibats- adresse im ehelosen Stande leben und lebenslänglich darin verbleiben. Sehen sie denn nicht ein, daß ihre Declamationen gegen den Cölibat der Priester ein moralisches Vernichtungsurtheil gegen alle Unverhei- ratheten enthält? — Ferner ist es nicht löblich, wenn ein Sohn, um seine Eltern oder Geschwister zu ernähren, ledig bleibt; wenn eine Braut ihrem verstorbenen Bräutigam über das Grab hinaus die Treue bewahrt? Newton und Leibnitz haben aus Liebe zu der Wissenschaft auf die Ehe verzichtet. Warum ist denn derselbe Verzicht, aus Liebe zur Re- ligion und seinem Amte von einem katholischen Priester geleistet, ein Greuel?

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 50. Mainz, 4. August 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal050_1848/2>, abgerufen am 01.06.2024.