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Mainzer Journal. Nr. 50. Mainz, 4. August 1848.

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Heidelberg 31. Juli. ( Karlsr. Z. ) Unsere sogenannte " Volks-
versammlung " hat sich gestern ein schlimmes Zeugniß ihrer Tüchtig-
keitausgestellt. Wenn man die großen Worte: "Volksversammlung,
Volkswille, Volkssouveränität" aus dem großoffenen Munde
der Agitatoren hört und im Straßengeschrei vernimmt, -- man
sollte da meinen, im kleinen Heidelberg sey Teut mit allen Stäm-
men, "so weit die deutsche Zunge klingt," überzählig repräsentirt
und hier sey der Focus von Millionen. Arge Täuschung, unter
welcher Flachsenfingen Kaiser und Reich vorstellen will! Wir
sahen nur die enge Distriktsversammlung einer compromittirten
Partei, zusammengetrommelt aus jungen Leuten, Handwerksge-
sellen ( "Gnoten" ) , Turnern ( Steifleinenen ) , Knaben und dem
Schweif der Linken aus Frankfurt, die ihre verfassungsmäßige
Verpflichtung der Unterwerfung unter die Majorität in eine
Minoritätsomnipotenz hinüberzuspielen suchte. Doch weiter.
Nachdem schon am Vorabend ein greulicher, alle Betten
revolutionirender Lärm bis lange nach Mitternacht Straßen und
Kneipen allarmirt hatte, und Morgens die Märtyrer des Katzen-
jammers unerquicklich die Straßen durchzogen, fand man sich be-
wogen, "freiwillig," d. h. bei Vermeidung des Ostrazismus und
Fenstereinwerfens zu flaggen, doch mit der Ostentation des Müssens,
denn an der Universität, am Museum, an der Post wehte Nichts.
Und nun am Morgen, nachdem die Geister des Jahrhunderts
aus den Umarmungen von Cerevis und Morpheus neugestärkt
zur "That" erwacht waren? Hören Sie nur -- der Zug, als
die sinnliche Erscheinung des mystisch involvirten Geistes von
Kandern, that sich auf in der Cultur, "die alle Welt beleckt,
und auch auf den Teufel sich erstreckt," in der rothen Hahnen-
feder des Mephistopheles; er bestand aus deutschen Jünglingen,
einschlüssig der Gnotencongregation und Bauernjungen, obenge-
nannten Steifleinenen und Lehrjungen, mit einigem Zusatz von
"Bürgern," geschmückt und gekrönt mit "Linken" und Linkischen.
Doch wir wollen die Personalitäten nicht weiter andeuten, und
fragen nach dem Geiste. Dieser Geist nun war aber nur ein
Bier= und Branntweingeist, der nach der "glorreichen Rückkehr
vom Schlosse" aus allen Bierhäusern, Kneipen und Tabernen
und auf den Straßen bis lange nach Mitternacht das Heckerlied
ertönen ließ, und also des Pudels Kern als Sympathie für einen
Landesverräther proclamirte! Wie es aber die Apostel der Mei-
nungsfreiheit meinen, zeigt der Umstand, daß Jene, die auf
dem Schlosse Matthy leben ließen, hinausgeworfen wurden, und
daß St. Schlöffel dieser "Volkspolizei" ( wir haben also doch
einen Polizeistaat? ) sich rühmte! Hättet ihr nur die Macht in
Händen, ihr Agitatoren, dann müßten wir von euch die Dressur
und die Ukasen erwarten.

Darmstadt 1. August. Jn der heutigen Sitzung ward der
schon vielfach begehrte Gesetzesentwurf über Aenderungen in der
Besteuerung des Weines vorgelegt. Die Regierung will,
daß 1 ) die seitherige Tranksteuer von 30 kr. für die Ohm
Wein im Allgemeinen beibehalten, dieselbe aber für alle Die-
jenigen, welche nicht Weinhandel oder Weinverzapf treiben, auf
2 fl. 40 kr. von der Ohm, oder 2 kr. von der Maß, erhöht wird,
und 2 ) , daß statt der seitherigen Zapfgebühr von sämmtlichen
Kleinverkäufern des Weins, mit Aufhebung der bisherigen lästi-
stigen Controle, eine runde Summe von 160,000 fl. erhoben
wird, während die Zapfgebühr im Budget zu 190,000 fl. veran-
schagt ist.

Aus dem Limburgischen 31. Juli. ( Aach. Z. ) Die Holländer
haben ihre Drohungen wahr gemacht. Gestern rückte ein De-
taschement Truppen in Heerlen ein und verlangte,
daß alle deutsche Fahnen abgerissen würden.
Wo
es nicht geschah, thaten sie es selber. Die Kirche wurde gewalt-
sam eröffnet, um vom Thurme die Fahne herabzuholen. An ein-
zelnen Conflicten hat es nicht gefehlt. Wie in Heerlen, wird es
im ganzen Lande ergangen seyn.

sqrt Frankfurt 2. August. Hier dreht sich jetzt das Tagsge-
spräch um den Umstand, daß das hiesige Bataillon nach Schles-
wig=Holstein marschiren wird. Heute wird es wahrscheinlich die
Ordre dazu bekommen. Es mag dieser Verfügung zum Theile
auch die Absicht zu Grunde liegen, mit guter Manier eine stärkere
Garnison hierher zu legen, denn das Frankfurter Militair gehört
nicht zum 7., 8. oder 9. Armeecorps, sondern zur Reserve. Jn-
dessen scheinen Offiziere wie Soldaten sehr erfreut darüber zu
seyn. Nur wenige werden als Depot zurückbleiben. Unser Ba-
taillon bildet mit einem Bataillon Weimar ein Regiment und dies
Regiment mit einem Regiment Nassau eine Brigade. Zum Obri-
sten wird also ein Weimaraner, zum General ein Nassauer er-
wählt werden. Mit vier Compagnieen marschiren sie von hier
aus. Da wir sechs haben, so werden zwei vertheilt, die Kadres
von zwei Compagnien bleiben hier. Der Weg, der nach Schles-
wig=Holstein bestimmten wird seyn: Eisenbahn nach Mainz,
[Spaltenumbruch] Dampfboot nach Cöln, Eisenbahn bis Altona u. s. w. Wahr-
scheinlich werden sie zur Besetzung der Westküste von Schleswig-
Holstein verwendet werden, indeß von den bereits daselbst befind-
lichen Truppen Jütland besetzt wird.

Es circuliren hier eine Menge von Karrikaturen, zum Theil
sehr, zum Theil wenig witzig. Blum als Ochs duellirt sich mit
Lichnowsky. Ruge sieht sich durch die Beine die Welt an und
darunter steht: Auch eine Weltanschauung. Blum reicht Cavaignac
die Bruderhand, im Hintergrunde laufen die 300 Bataillone aus-
einander. Schlöffel, den man hier allgemein Schlüffel nennt, als
Reichskanarienvogel auf der Tribüne. Blum als Lampenputzer,
als Volkstribun, als Minister mit der Unterschrift Magnus, major,
maximus
. Auch ein Parlamentstheaterzettel ist hier in allen Händen:
Alte Helden, edle Väter v. Radowitz, polternde Alte Welker, erster
Liebhaber Lichnowsky, Komiker Vincke, Jntriguants, Bösewichter
Blum und Jtzstein, Hausknechte Schlöffel u. s. w. Die Linke ist
hier sehr wenig beliebt. Sie stellt die Forderungen aus dem Be-
reiche des zur Zeit Unerreichbaren und hat für hohe Dinge wenig,
sehr wenig Anstand. Die Karikaturen werden, so sagt man,
meistens im Parlamente gemacht. Man nennt einen Rittmeister
B. als Zeichner. Doch versuchen sich auch unsere Frankfurter
Künstler in dergleichen. Eine Vertheidigungsschrift der Sachsen-
häuser über die unglücklichen Vorfälle in Sachsenhausen ist ohne
alle Bedeutung. Sobald ich etwas Näheres über den Ausmarsch
unserer Truppen erfahre, werde ich es Jhnen mittheilen.

Frankfurt 30. Juli. ( N. C. ) Der auf Aufhebung
des Cölibats
in der Nationalversammlung gestellte Antrag
wird von der entschiedenen Mehrzahl des Parlaments für ganz
unpassend gehalten, indem die Entscheidung einer solchen Frage
einzig der Kirche zu überlassen sey. Viele der Antragsteller sind
auch bereits zurückgetreten und hoffentlich wird der ganze Antrag
zurückgenommen werden.

Frankreich.

* * * Paris 1. August. Herr Mauguin hat denn wirklich,
wie der National schon zum Voraus es angedeutet, mit seinen
Jnterpellationen Unglück gehabt, kein Minister wollte sich dazu
verstehen ihm von der Tribüne herab Aufklärungen über die aus-
wärtige Politik der Republik zu geben und am Ende erklärte Ca-
vaignac selbst ziemlich kategorisch, daß die diplomatischen Geheim-
nisse sich unter der Republik ebensowenig zur öffentlichen Ver-
handlung eigneten wie unter der Monarchie. Wir sind also
so klug wie vorher und es wird von den Umständen, na-
mentlich von der vernünftigen oder unvernünftigen Haltung
Deutschlands abhängen, ob Frankreich auch künftig die fried-
liche Toga tragen oder in den Waffenrock hineinschlüpfen wird.
Der Grund, weßhalb die ganze Sache etwas leichtfertig behan-
delt wurde, mag auch darin liegen, daß nach den Mauguin' -
schen Jnterpellationen eine andere, Frankreich selbst viel näher
berührende Sache, die Erplicationen Proudhons über den
bekannten Bericht von Thiers auf der Tagesordnung standen.
Und in der That der Mann, der das Eigenthum für einen Dieb-
stahl und ganz consequent damit Gott für gleichbedeutend mit dem
Bösen erklärt hat, hatte gestern in der Nationalversammlung
Explicationen gegeben, die in ganz Europa widerhallen, alle
bessergesinnten Republikaner zur Besinnung bringen werden und
"die rothe Republik" in Frankreich für immer unmöglich gemacht
haben.

Herr Proudhon sprach -- um sich gegen die Anklagen von
Thiers zu vertheidigen, wie er sagte! -- drei Stunden zur Na-
tionalversammlung und entwickelte ihr seine Theorie des
Diebstahles
vom nationalökonomischen Gesichtspuncte aus, die
ganze Kammer war wüthend wie Löwen, die ihre Jungen ver-
theidigen und wollte ihn von der Tribüne herunterreißen, Herr
Proudhon aber blieb kalt und unerschütterlich gleich jenen indischen
Fanatikern, die dem Zuge einer höheren Macht folgen und ihr
Testament schon gemacht haben. Es lohnt sich wirklich der Mühe
einige Sätze aus seiner Rede hervorzuheben, denn Herr Proudhon
ist der Messias der rothen Republik, er wäre Präsident dersel-
ben geworden, wenn die Jnsurrection im Juni den Sieg davon
getragen hätte und insofern er das Geheimniß der socialen Repu-
blik mit dürren Worten ausgesprochen hat, sollten ihm die
Wohldenkenden, die nun um so eher die Polizei zur Bann-
ung dieses bösen Geistes aufbieten können, wirklich eine Dank-
adresse votiren. Nach Herrn Proudhon also sind allein die Reichen
und Finanzleute am Ruine des Landes Schuld. Diesem Unwesen
habe zwar die Revolution von 1793 ein Ende machen wollen,
allein seit der Zeit sey der alte Unfug wieder eingerissen und die
Abgaben würden nicht vom Nettoertrage des Eigenthumes, son-
dern von der Arbeit ( resp. den Arbeitern ) bezahlt. Erst die Fe-
bruarrevolution habe das Recht zur Arbeit wieder proclamirt,
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Heidelberg 31. Juli. ( Karlsr. Z. ) Unsere sogenannte „ Volks-
versammlung “ hat sich gestern ein schlimmes Zeugniß ihrer Tüchtig-
keitausgestellt. Wenn man die großen Worte: „Volksversammlung,
Volkswille, Volkssouveränität“ aus dem großoffenen Munde
der Agitatoren hört und im Straßengeschrei vernimmt, — man
sollte da meinen, im kleinen Heidelberg sey Teut mit allen Stäm-
men, „so weit die deutsche Zunge klingt,“ überzählig repräsentirt
und hier sey der Focus von Millionen. Arge Täuschung, unter
welcher Flachsenfingen Kaiser und Reich vorstellen will! Wir
sahen nur die enge Distriktsversammlung einer compromittirten
Partei, zusammengetrommelt aus jungen Leuten, Handwerksge-
sellen ( „Gnoten“ ) , Turnern ( Steifleinenen ) , Knaben und dem
Schweif der Linken aus Frankfurt, die ihre verfassungsmäßige
Verpflichtung der Unterwerfung unter die Majorität in eine
Minoritätsomnipotenz hinüberzuspielen suchte. Doch weiter.
Nachdem schon am Vorabend ein greulicher, alle Betten
revolutionirender Lärm bis lange nach Mitternacht Straßen und
Kneipen allarmirt hatte, und Morgens die Märtyrer des Katzen-
jammers unerquicklich die Straßen durchzogen, fand man sich be-
wogen, „freiwillig,“ d. h. bei Vermeidung des Ostrazismus und
Fenstereinwerfens zu flaggen, doch mit der Ostentation des Müssens,
denn an der Universität, am Museum, an der Post wehte Nichts.
Und nun am Morgen, nachdem die Geister des Jahrhunderts
aus den Umarmungen von Cerevis und Morpheus neugestärkt
zur „That“ erwacht waren? Hören Sie nur — der Zug, als
die sinnliche Erscheinung des mystisch involvirten Geistes von
Kandern, that sich auf in der Cultur, „die alle Welt beleckt,
und auch auf den Teufel sich erstreckt,“ in der rothen Hahnen-
feder des Mephistopheles; er bestand aus deutschen Jünglingen,
einschlüssig der Gnotencongregation und Bauernjungen, obenge-
nannten Steifleinenen und Lehrjungen, mit einigem Zusatz von
„Bürgern,“ geschmückt und gekrönt mit „Linken“ und Linkischen.
Doch wir wollen die Personalitäten nicht weiter andeuten, und
fragen nach dem Geiste. Dieser Geist nun war aber nur ein
Bier= und Branntweingeist, der nach der „glorreichen Rückkehr
vom Schlosse“ aus allen Bierhäusern, Kneipen und Tabernen
und auf den Straßen bis lange nach Mitternacht das Heckerlied
ertönen ließ, und also des Pudels Kern als Sympathie für einen
Landesverräther proclamirte! Wie es aber die Apostel der Mei-
nungsfreiheit meinen, zeigt der Umstand, daß Jene, die auf
dem Schlosse Matthy leben ließen, hinausgeworfen wurden, und
daß St. Schlöffel dieser „Volkspolizei“ ( wir haben also doch
einen Polizeistaat? ) sich rühmte! Hättet ihr nur die Macht in
Händen, ihr Agitatoren, dann müßten wir von euch die Dressur
und die Ukasen erwarten.

Darmstadt 1. August. Jn der heutigen Sitzung ward der
schon vielfach begehrte Gesetzesentwurf über Aenderungen in der
Besteuerung des Weines vorgelegt. Die Regierung will,
daß 1 ) die seitherige Tranksteuer von 30 kr. für die Ohm
Wein im Allgemeinen beibehalten, dieselbe aber für alle Die-
jenigen, welche nicht Weinhandel oder Weinverzapf treiben, auf
2 fl. 40 kr. von der Ohm, oder 2 kr. von der Maß, erhöht wird,
und 2 ) , daß statt der seitherigen Zapfgebühr von sämmtlichen
Kleinverkäufern des Weins, mit Aufhebung der bisherigen lästi-
stigen Controle, eine runde Summe von 160,000 fl. erhoben
wird, während die Zapfgebühr im Budget zu 190,000 fl. veran-
schagt ist.

Aus dem Limburgischen 31. Juli. ( Aach. Z. ) Die Holländer
haben ihre Drohungen wahr gemacht. Gestern rückte ein De-
taschement Truppen in Heerlen ein und verlangte,
daß alle deutsche Fahnen abgerissen würden.
Wo
es nicht geschah, thaten sie es selber. Die Kirche wurde gewalt-
sam eröffnet, um vom Thurme die Fahne herabzuholen. An ein-
zelnen Conflicten hat es nicht gefehlt. Wie in Heerlen, wird es
im ganzen Lande ergangen seyn.

√ Frankfurt 2. August. Hier dreht sich jetzt das Tagsge-
spräch um den Umstand, daß das hiesige Bataillon nach Schles-
wig=Holstein marschiren wird. Heute wird es wahrscheinlich die
Ordre dazu bekommen. Es mag dieser Verfügung zum Theile
auch die Absicht zu Grunde liegen, mit guter Manier eine stärkere
Garnison hierher zu legen, denn das Frankfurter Militair gehört
nicht zum 7., 8. oder 9. Armeecorps, sondern zur Reserve. Jn-
dessen scheinen Offiziere wie Soldaten sehr erfreut darüber zu
seyn. Nur wenige werden als Depot zurückbleiben. Unser Ba-
taillon bildet mit einem Bataillon Weimar ein Regiment und dies
Regiment mit einem Regiment Nassau eine Brigade. Zum Obri-
sten wird also ein Weimaraner, zum General ein Nassauer er-
wählt werden. Mit vier Compagnieen marschiren sie von hier
aus. Da wir sechs haben, so werden zwei vertheilt, die Kadres
von zwei Compagnien bleiben hier. Der Weg, der nach Schles-
wig=Holstein bestimmten wird seyn: Eisenbahn nach Mainz,
[Spaltenumbruch] Dampfboot nach Cöln, Eisenbahn bis Altona u. s. w. Wahr-
scheinlich werden sie zur Besetzung der Westküste von Schleswig-
Holstein verwendet werden, indeß von den bereits daselbst befind-
lichen Truppen Jütland besetzt wird.

Es circuliren hier eine Menge von Karrikaturen, zum Theil
sehr, zum Theil wenig witzig. Blum als Ochs duellirt sich mit
Lichnowsky. Ruge sieht sich durch die Beine die Welt an und
darunter steht: Auch eine Weltanschauung. Blum reicht Cavaignac
die Bruderhand, im Hintergrunde laufen die 300 Bataillone aus-
einander. Schlöffel, den man hier allgemein Schlüffel nennt, als
Reichskanarienvogel auf der Tribüne. Blum als Lampenputzer,
als Volkstribun, als Minister mit der Unterschrift Magnus, major,
maximus
. Auch ein Parlamentstheaterzettel ist hier in allen Händen:
Alte Helden, edle Väter v. Radowitz, polternde Alte Welker, erster
Liebhaber Lichnowsky, Komiker Vincke, Jntriguants, Bösewichter
Blum und Jtzstein, Hausknechte Schlöffel u. s. w. Die Linke ist
hier sehr wenig beliebt. Sie stellt die Forderungen aus dem Be-
reiche des zur Zeit Unerreichbaren und hat für hohe Dinge wenig,
sehr wenig Anstand. Die Karikaturen werden, so sagt man,
meistens im Parlamente gemacht. Man nennt einen Rittmeister
B. als Zeichner. Doch versuchen sich auch unsere Frankfurter
Künstler in dergleichen. Eine Vertheidigungsschrift der Sachsen-
häuser über die unglücklichen Vorfälle in Sachsenhausen ist ohne
alle Bedeutung. Sobald ich etwas Näheres über den Ausmarsch
unserer Truppen erfahre, werde ich es Jhnen mittheilen.

Frankfurt 30. Juli. ( N. C. ) Der auf Aufhebung
des Cölibats
in der Nationalversammlung gestellte Antrag
wird von der entschiedenen Mehrzahl des Parlaments für ganz
unpassend gehalten, indem die Entscheidung einer solchen Frage
einzig der Kirche zu überlassen sey. Viele der Antragsteller sind
auch bereits zurückgetreten und hoffentlich wird der ganze Antrag
zurückgenommen werden.

Frankreich.

* * * Paris 1. August. Herr Mauguin hat denn wirklich,
wie der National schon zum Voraus es angedeutet, mit seinen
Jnterpellationen Unglück gehabt, kein Minister wollte sich dazu
verstehen ihm von der Tribüne herab Aufklärungen über die aus-
wärtige Politik der Republik zu geben und am Ende erklärte Ca-
vaignac selbst ziemlich kategorisch, daß die diplomatischen Geheim-
nisse sich unter der Republik ebensowenig zur öffentlichen Ver-
handlung eigneten wie unter der Monarchie. Wir sind also
so klug wie vorher und es wird von den Umständen, na-
mentlich von der vernünftigen oder unvernünftigen Haltung
Deutschlands abhängen, ob Frankreich auch künftig die fried-
liche Toga tragen oder in den Waffenrock hineinschlüpfen wird.
Der Grund, weßhalb die ganze Sache etwas leichtfertig behan-
delt wurde, mag auch darin liegen, daß nach den Mauguin' -
schen Jnterpellationen eine andere, Frankreich selbst viel näher
berührende Sache, die Erplicationen Proudhons über den
bekannten Bericht von Thiers auf der Tagesordnung standen.
Und in der That der Mann, der das Eigenthum für einen Dieb-
stahl und ganz consequent damit Gott für gleichbedeutend mit dem
Bösen erklärt hat, hatte gestern in der Nationalversammlung
Explicationen gegeben, die in ganz Europa widerhallen, alle
bessergesinnten Republikaner zur Besinnung bringen werden und
„die rothe Republik“ in Frankreich für immer unmöglich gemacht
haben.

Herr Proudhon sprach — um sich gegen die Anklagen von
Thiers zu vertheidigen, wie er sagte! — drei Stunden zur Na-
tionalversammlung und entwickelte ihr seine Theorie des
Diebstahles
vom nationalökonomischen Gesichtspuncte aus, die
ganze Kammer war wüthend wie Löwen, die ihre Jungen ver-
theidigen und wollte ihn von der Tribüne herunterreißen, Herr
Proudhon aber blieb kalt und unerschütterlich gleich jenen indischen
Fanatikern, die dem Zuge einer höheren Macht folgen und ihr
Testament schon gemacht haben. Es lohnt sich wirklich der Mühe
einige Sätze aus seiner Rede hervorzuheben, denn Herr Proudhon
ist der Messias der rothen Republik, er wäre Präsident dersel-
ben geworden, wenn die Jnsurrection im Juni den Sieg davon
getragen hätte und insofern er das Geheimniß der socialen Repu-
blik mit dürren Worten ausgesprochen hat, sollten ihm die
Wohldenkenden, die nun um so eher die Polizei zur Bann-
ung dieses bösen Geistes aufbieten können, wirklich eine Dank-
adresse votiren. Nach Herrn Proudhon also sind allein die Reichen
und Finanzleute am Ruine des Landes Schuld. Diesem Unwesen
habe zwar die Revolution von 1793 ein Ende machen wollen,
allein seit der Zeit sey der alte Unfug wieder eingerissen und die
Abgaben würden nicht vom Nettoertrage des Eigenthumes, son-
dern von der Arbeit ( resp. den Arbeitern ) bezahlt. Erst die Fe-
bruarrevolution habe das Recht zur Arbeit wieder proclamirt,
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[0003] Heidelberg 31. Juli. ( Karlsr. Z. ) Unsere sogenannte „ Volks- versammlung “ hat sich gestern ein schlimmes Zeugniß ihrer Tüchtig- keitausgestellt. Wenn man die großen Worte: „Volksversammlung, Volkswille, Volkssouveränität“ aus dem großoffenen Munde der Agitatoren hört und im Straßengeschrei vernimmt, — man sollte da meinen, im kleinen Heidelberg sey Teut mit allen Stäm- men, „so weit die deutsche Zunge klingt,“ überzählig repräsentirt und hier sey der Focus von Millionen. Arge Täuschung, unter welcher Flachsenfingen Kaiser und Reich vorstellen will! Wir sahen nur die enge Distriktsversammlung einer compromittirten Partei, zusammengetrommelt aus jungen Leuten, Handwerksge- sellen ( „Gnoten“ ) , Turnern ( Steifleinenen ) , Knaben und dem Schweif der Linken aus Frankfurt, die ihre verfassungsmäßige Verpflichtung der Unterwerfung unter die Majorität in eine Minoritätsomnipotenz hinüberzuspielen suchte. Doch weiter. Nachdem schon am Vorabend ein greulicher, alle Betten revolutionirender Lärm bis lange nach Mitternacht Straßen und Kneipen allarmirt hatte, und Morgens die Märtyrer des Katzen- jammers unerquicklich die Straßen durchzogen, fand man sich be- wogen, „freiwillig,“ d. h. bei Vermeidung des Ostrazismus und Fenstereinwerfens zu flaggen, doch mit der Ostentation des Müssens, denn an der Universität, am Museum, an der Post wehte Nichts. Und nun am Morgen, nachdem die Geister des Jahrhunderts aus den Umarmungen von Cerevis und Morpheus neugestärkt zur „That“ erwacht waren? Hören Sie nur — der Zug, als die sinnliche Erscheinung des mystisch involvirten Geistes von Kandern, that sich auf in der Cultur, „die alle Welt beleckt, und auch auf den Teufel sich erstreckt,“ in der rothen Hahnen- feder des Mephistopheles; er bestand aus deutschen Jünglingen, einschlüssig der Gnotencongregation und Bauernjungen, obenge- nannten Steifleinenen und Lehrjungen, mit einigem Zusatz von „Bürgern,“ geschmückt und gekrönt mit „Linken“ und Linkischen. Doch wir wollen die Personalitäten nicht weiter andeuten, und fragen nach dem Geiste. Dieser Geist nun war aber nur ein Bier= und Branntweingeist, der nach der „glorreichen Rückkehr vom Schlosse“ aus allen Bierhäusern, Kneipen und Tabernen und auf den Straßen bis lange nach Mitternacht das Heckerlied ertönen ließ, und also des Pudels Kern als Sympathie für einen Landesverräther proclamirte! Wie es aber die Apostel der Mei- nungsfreiheit meinen, zeigt der Umstand, daß Jene, die auf dem Schlosse Matthy leben ließen, hinausgeworfen wurden, und daß St. Schlöffel dieser „Volkspolizei“ ( wir haben also doch einen Polizeistaat? ) sich rühmte! Hättet ihr nur die Macht in Händen, ihr Agitatoren, dann müßten wir von euch die Dressur und die Ukasen erwarten. Darmstadt 1. August. Jn der heutigen Sitzung ward der schon vielfach begehrte Gesetzesentwurf über Aenderungen in der Besteuerung des Weines vorgelegt. Die Regierung will, daß 1 ) die seitherige Tranksteuer von 30 kr. für die Ohm Wein im Allgemeinen beibehalten, dieselbe aber für alle Die- jenigen, welche nicht Weinhandel oder Weinverzapf treiben, auf 2 fl. 40 kr. von der Ohm, oder 2 kr. von der Maß, erhöht wird, und 2 ) , daß statt der seitherigen Zapfgebühr von sämmtlichen Kleinverkäufern des Weins, mit Aufhebung der bisherigen lästi- stigen Controle, eine runde Summe von 160,000 fl. erhoben wird, während die Zapfgebühr im Budget zu 190,000 fl. veran- schagt ist. Aus dem Limburgischen 31. Juli. ( Aach. Z. ) Die Holländer haben ihre Drohungen wahr gemacht. Gestern rückte ein De- taschement Truppen in Heerlen ein und verlangte, daß alle deutsche Fahnen abgerissen würden. Wo es nicht geschah, thaten sie es selber. Die Kirche wurde gewalt- sam eröffnet, um vom Thurme die Fahne herabzuholen. An ein- zelnen Conflicten hat es nicht gefehlt. Wie in Heerlen, wird es im ganzen Lande ergangen seyn. √ Frankfurt 2. August. Hier dreht sich jetzt das Tagsge- spräch um den Umstand, daß das hiesige Bataillon nach Schles- wig=Holstein marschiren wird. Heute wird es wahrscheinlich die Ordre dazu bekommen. Es mag dieser Verfügung zum Theile auch die Absicht zu Grunde liegen, mit guter Manier eine stärkere Garnison hierher zu legen, denn das Frankfurter Militair gehört nicht zum 7., 8. oder 9. Armeecorps, sondern zur Reserve. Jn- dessen scheinen Offiziere wie Soldaten sehr erfreut darüber zu seyn. Nur wenige werden als Depot zurückbleiben. Unser Ba- taillon bildet mit einem Bataillon Weimar ein Regiment und dies Regiment mit einem Regiment Nassau eine Brigade. Zum Obri- sten wird also ein Weimaraner, zum General ein Nassauer er- wählt werden. Mit vier Compagnieen marschiren sie von hier aus. Da wir sechs haben, so werden zwei vertheilt, die Kadres von zwei Compagnien bleiben hier. Der Weg, der nach Schles- wig=Holstein bestimmten wird seyn: Eisenbahn nach Mainz, Dampfboot nach Cöln, Eisenbahn bis Altona u. s. w. Wahr- scheinlich werden sie zur Besetzung der Westküste von Schleswig- Holstein verwendet werden, indeß von den bereits daselbst befind- lichen Truppen Jütland besetzt wird. Es circuliren hier eine Menge von Karrikaturen, zum Theil sehr, zum Theil wenig witzig. Blum als Ochs duellirt sich mit Lichnowsky. Ruge sieht sich durch die Beine die Welt an und darunter steht: Auch eine Weltanschauung. Blum reicht Cavaignac die Bruderhand, im Hintergrunde laufen die 300 Bataillone aus- einander. Schlöffel, den man hier allgemein Schlüffel nennt, als Reichskanarienvogel auf der Tribüne. Blum als Lampenputzer, als Volkstribun, als Minister mit der Unterschrift Magnus, major, maximus. Auch ein Parlamentstheaterzettel ist hier in allen Händen: Alte Helden, edle Väter v. Radowitz, polternde Alte Welker, erster Liebhaber Lichnowsky, Komiker Vincke, Jntriguants, Bösewichter Blum und Jtzstein, Hausknechte Schlöffel u. s. w. Die Linke ist hier sehr wenig beliebt. Sie stellt die Forderungen aus dem Be- reiche des zur Zeit Unerreichbaren und hat für hohe Dinge wenig, sehr wenig Anstand. Die Karikaturen werden, so sagt man, meistens im Parlamente gemacht. Man nennt einen Rittmeister B. als Zeichner. Doch versuchen sich auch unsere Frankfurter Künstler in dergleichen. Eine Vertheidigungsschrift der Sachsen- häuser über die unglücklichen Vorfälle in Sachsenhausen ist ohne alle Bedeutung. Sobald ich etwas Näheres über den Ausmarsch unserer Truppen erfahre, werde ich es Jhnen mittheilen. Frankfurt 30. Juli. ( N. C. ) Der auf Aufhebung des Cölibats in der Nationalversammlung gestellte Antrag wird von der entschiedenen Mehrzahl des Parlaments für ganz unpassend gehalten, indem die Entscheidung einer solchen Frage einzig der Kirche zu überlassen sey. Viele der Antragsteller sind auch bereits zurückgetreten und hoffentlich wird der ganze Antrag zurückgenommen werden. Frankreich. * * * Paris 1. August. Herr Mauguin hat denn wirklich, wie der National schon zum Voraus es angedeutet, mit seinen Jnterpellationen Unglück gehabt, kein Minister wollte sich dazu verstehen ihm von der Tribüne herab Aufklärungen über die aus- wärtige Politik der Republik zu geben und am Ende erklärte Ca- vaignac selbst ziemlich kategorisch, daß die diplomatischen Geheim- nisse sich unter der Republik ebensowenig zur öffentlichen Ver- handlung eigneten wie unter der Monarchie. Wir sind also so klug wie vorher und es wird von den Umständen, na- mentlich von der vernünftigen oder unvernünftigen Haltung Deutschlands abhängen, ob Frankreich auch künftig die fried- liche Toga tragen oder in den Waffenrock hineinschlüpfen wird. Der Grund, weßhalb die ganze Sache etwas leichtfertig behan- delt wurde, mag auch darin liegen, daß nach den Mauguin' - schen Jnterpellationen eine andere, Frankreich selbst viel näher berührende Sache, die Erplicationen Proudhons über den bekannten Bericht von Thiers auf der Tagesordnung standen. Und in der That der Mann, der das Eigenthum für einen Dieb- stahl und ganz consequent damit Gott für gleichbedeutend mit dem Bösen erklärt hat, hatte gestern in der Nationalversammlung Explicationen gegeben, die in ganz Europa widerhallen, alle bessergesinnten Republikaner zur Besinnung bringen werden und „die rothe Republik“ in Frankreich für immer unmöglich gemacht haben. Herr Proudhon sprach — um sich gegen die Anklagen von Thiers zu vertheidigen, wie er sagte! — drei Stunden zur Na- tionalversammlung und entwickelte ihr seine Theorie des Diebstahles vom nationalökonomischen Gesichtspuncte aus, die ganze Kammer war wüthend wie Löwen, die ihre Jungen ver- theidigen und wollte ihn von der Tribüne herunterreißen, Herr Proudhon aber blieb kalt und unerschütterlich gleich jenen indischen Fanatikern, die dem Zuge einer höheren Macht folgen und ihr Testament schon gemacht haben. Es lohnt sich wirklich der Mühe einige Sätze aus seiner Rede hervorzuheben, denn Herr Proudhon ist der Messias der rothen Republik, er wäre Präsident dersel- ben geworden, wenn die Jnsurrection im Juni den Sieg davon getragen hätte und insofern er das Geheimniß der socialen Repu- blik mit dürren Worten ausgesprochen hat, sollten ihm die Wohldenkenden, die nun um so eher die Polizei zur Bann- ung dieses bösen Geistes aufbieten können, wirklich eine Dank- adresse votiren. Nach Herrn Proudhon also sind allein die Reichen und Finanzleute am Ruine des Landes Schuld. Diesem Unwesen habe zwar die Revolution von 1793 ein Ende machen wollen, allein seit der Zeit sey der alte Unfug wieder eingerissen und die Abgaben würden nicht vom Nettoertrage des Eigenthumes, son- dern von der Arbeit ( resp. den Arbeitern ) bezahlt. Erst die Fe- bruarrevolution habe das Recht zur Arbeit wieder proclamirt,

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Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
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Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 50. Mainz, 4. August 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal050_1848/3>, abgerufen am 24.11.2024.