Mainzer Journal. Nr. 58. Mainz, 13. August 1848.Mainzer Journal. Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den "Rheinischen Unterhaltungs- Nro 58. Sonntag, den 13. August. 1848. [Beginn Spaltensatz]
Preußen oder Deutschland? II. Am Schlusse unseres vorgestrigen Artikels haben wir gesehen, Nun fragt es sich: wer sind denn diese lebendigen Kräfte Das nenne ich Kühnheit, nicht blos, daß dieser alte Preuße Bisher sind wir in der fraglichen Schrift nur einem verknö- 1) Es erinnert uns dieses daran, daß wir irgendwo gelesen haben,
wie ein begeisterter Preuße alles Ernstes beweist, daß die Preußen das römische Reich gestürzt haben: denn Odoaker hat ja den Romulus Augustulus vom Thron gestoßen und Westrom ein Ende gemacht. Odo- aker aber war ein Rugier, also von der Jnsel Rügen und Rügen ist preußisch. Also -- Mainzer Journal. Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den „Rheinischen Unterhaltungs- Nro 58. Sonntag, den 13. August. 1848. [Beginn Spaltensatz]
Preußen oder Deutschland? II. Am Schlusse unseres vorgestrigen Artikels haben wir gesehen, Nun fragt es sich: wer sind denn diese lebendigen Kräfte Das nenne ich Kühnheit, nicht blos, daß dieser alte Preuße Bisher sind wir in der fraglichen Schrift nur einem verknö- 1) Es erinnert uns dieses daran, daß wir irgendwo gelesen haben,
wie ein begeisterter Preuße alles Ernstes beweist, daß die Preußen das römische Reich gestürzt haben: denn Odoaker hat ja den Romulus Augustulus vom Thron gestoßen und Westrom ein Ende gemacht. Odo- aker aber war ein Rugier, also von der Jnsel Rügen und Rügen ist preußisch. Also — <TEI> <text> <front> <pb facs="#f0001"/> <titlePage xml:id="tb01" type="heading" next="#tb02"> <docTitle> <titlePart type="main"> <hi rendition="#fr">Mainzer Journal.</hi> </titlePart> </docTitle> </titlePage><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jExpedition"> <p>Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den „Rheinischen Unterhaltungs-<lb/> blättern “ schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;<lb/> für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von <hi rendition="#g">Kirchheim, Schott</hi> und <hi rendition="#g">Thielmann</hi> am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz<lb/> jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-<lb/> falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <titlePage xml:id="tb02" prev="#tb01" type="heading"> <docImprint>N<hi rendition="#sup">ro</hi> 58. <docDate><hi rendition="#c">Sonntag, den 13. August.</hi><hi rendition="#right">1848.</hi></docDate></docImprint> </titlePage><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </front> <body> <cb type="start"/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head>Preußen oder Deutschland?</head><lb/> <head> <hi rendition="#aq">II.</hi> </head><lb/> <p>Am Schlusse unseres vorgestrigen Artikels haben wir gesehen,<lb/> wie der Verfasser der Flugschrift „die deutsche Centralgewalt und<lb/> die preußische Armee“ die derzeitige Macht der Nationalver-<lb/> sammlung einem gewissen Zauberschlafe zuschreibt, in welchem ge-<lb/> wisse „lebendige Kräfte Deutschlands“ in Folge eines fatalen ihnen<lb/> von der Revolution beigebrachten Zaubertrankes gebunden liegen.<lb/> Damit wird zugleich zu verstehen gegeben, daß an einem schönen<lb/> Morgen nächstens, wo diese verzauberten Kräfte ihres Bannes<lb/> ledig sich erheben, die ganze deutsche Einheit nebst Allem, was<lb/> seit den Märztagen sich ereignet, einem Traume gleich zerrinnen<lb/> werde.</p><lb/> <p>Nun fragt es sich: wer sind denn diese lebendigen Kräfte<lb/> Deutschlands? Anwort: <hi rendition="#g">das alte soldatisch=absolutisti-<lb/> sche Preußen ist es!</hi> Und schon sieht der Verfasser ( in seinem<lb/> Zauberschlafe ) dieses Preußen kriegsgerüstet ausziehen, Alles, was<lb/> seinem Sinne widerstrebt, vor sich niederwerfend: „Preußen bringt<lb/> mit sich den kriegerischen Sinn seines Volkes. Freudig ziehen die<lb/> Reserven aus der Heimath zu den Truppen... Eben so freudig<lb/> schnell folgt die Landwehr zum Kriege, und das <hi rendition="#g">alte</hi> Preußen<lb/> wird sich erheben <hi rendition="#g">wie ein Mann, wenn sein König ruft,<lb/> nicht aber wenn ein Reichsverweser ruft.</hi> “ Das ist doch<lb/> klar gesprochen! „Und wenn das <hi rendition="#g">neue</hi> Preußen ( also die Rhein-<lb/> provinz, Westphalen, Posen, Schlesien, Sachsen und Westpreu-<lb/> ßen ) , <hi rendition="#g">durch wühlt</hi> und <hi rendition="#g">entmannt,</hi> dem Beispiel nicht folgt,<lb/> so wird es das zu seinem Schaden thun; denn wahrlich <hi rendition="#g">das<lb/> alte Preußen kann auch zum zweiten und drittenmal<lb/> wieder erobern,</hi> was es schon ein und zweimal als <hi rendition="#g">Sieges-<lb/> beute</hi> erhalten.“ ( S. 10. ) </p><lb/> <p>Das nenne ich Kühnheit, nicht blos, daß dieser <hi rendition="#g">alte</hi> Preuße<lb/> ganz Deutschland den Handschuh hinwirft, — die offene Kriegs-<lb/> erklärung geht auch wider drei Fünftel des eigenen Reiches.<lb/> Wollet ihr „neuen“ Preußen nicht unserem altpreußischen Beispiel<lb/> folgen — nun wohlan, so wisset ihr Elenden, Unterwühlten,<lb/> Entmannten — auch bisher schon haben wir euch nicht als Eben-<lb/> bürtige angesehen. Ein und zweimal schon haben wir euch<lb/> als <hi rendition="#g">Siegesbeute</hi> erobert, und solltet ihr wagen, unser<lb/> Joch abzuschütteln, so würden wir auch zum drittenmal euch zu<lb/><hi rendition="#g">erobern</hi> wissen, und haben wir vorher euch mit Geißeln gezüchtigt,<lb/> so werden wir euch nun mit Skorpionen peitschen! Daß bei solchen<lb/> Leuten, die nicht einmal von einer Einheit <hi rendition="#g">Preußens</hi> etwas<lb/> wissen, denen die eine Hälfte des eigenen Staates — das neue<lb/> Preußen — als erobertes, unterworfenes Land gilt, von einer<lb/><hi rendition="#g">deutschen</hi> Einheit nicht die Rede seyn kann, bedarf des Be-<lb/> weises nicht. Solchen Männern ist Deutschland nichts — das<lb/> soldatische <hi rendition="#g">Altpreußen</hi> allein erkennen sie als Vaterland. So<lb/> heißt es ausdrücklich: „diese Krieger und das <hi rendition="#g">alte</hi> Preußen<lb/> denken bei <hi rendition="#g">Vaterland</hi> ( d. h. bei dem Worte „Vaterland“ ) noch<lb/> an Preußen, und <hi rendition="#g">nur an Preußen,</hi> das Frankfurter Deutsch-<lb/> land, d. h. die <hi rendition="#aq">tabula rasa</hi>, schwebt ihnen nicht vor; eben so<lb/> wenig wie die preußischen Offiziere, die für den Orden <hi rendition="#aq">pour le<lb/> merite</hi>... jeden Augenblick bereit sind, ihr Leben in die Schanze<lb/> zu schlagen, in solchen Augenblicken an ihr <hi rendition="#g">einiges</hi> — <hi rendition="#g">deut-<lb/> sches Vaterland</hi> — denken werden.“ ( S. 23. 24. ) Rast<lb/> der Mann? fragen Sie. Gewiß die Begeisterung für das alt-<lb/> preußische Soldatenthum hat ihn der Sinne beraubt, und in<lb/> diesem Rausche spricht er: „Preußen hat von allen Deutschen<lb/> allein den Ruhm, Napoleon besiegt und den Todesstoß gegeben zu<lb/> haben... Hinter Paris ( ein frappanter Zug! ) fiel aus einer<lb/><cb n="2"/> preußischen Kanone der letzte Schuß.“ ( S. 11. ) „ Hingegen, fährt<lb/> er mit Bitterkeit fort, „kennen die Preußen die Reichsarmee nur<lb/> als Reißausarmee.“ ( S. 12. ) „Jedes preußische Soldatenherz<lb/> empört sich gegen eine Gleichstellung mit Hohenzollern=Sig-<lb/> maringen, Reuß=Schleiz=Lobenstein.“ ( S. 11. ) „Das erste preußi-<lb/> sche Jnfanterieregiment, welches jetzt 230 Jahre besteht, <hi rendition="#g">gibt<lb/> lieber die deutsche Einheit auf,</hi> als daß es die deutsche<lb/> Reichsnummer 32. oder 40. annähme.“ „Die pommerschen Re-<lb/> gimenter danken sicher beharrlich für die Ehre, welche ihnen<lb/> schon die deutsche Kokarde wider ihren Willen aufgedrungen hat.“<lb/> ( S. 14. ) Wahrhaftig, das ist die Gesinnung des preußischen<lb/> Heeres <hi rendition="#g">nicht;</hi> muß ja die wahre Ehre und das wahre Verdienst<lb/> im Anblick solch nichtigen Stolzes erröthen! eines Stolzes, der<lb/> sich nicht blos zu vornehm dünkt, die Mitbürger eines kleineren<lb/> Staates als ebenbürtig anzuerkennen, sondern sogar als ein<lb/> Glied des großen deutschen Reiches zu erscheinen. Nur auf<lb/> Eines müssen wir ein Wort bemerken, auf die Prahlerei,<lb/> daß <hi rendition="#g">allein</hi> Preußen Deutschland von der französischen<lb/> Herrschaft befreit habe <note place="foot" n="1)">Es erinnert uns dieses daran, daß wir irgendwo gelesen haben,<lb/> wie ein begeisterter Preuße alles Ernstes beweist, daß die Preußen das<lb/> römische Reich gestürzt haben: denn Odoaker hat ja den Romulus<lb/> Augustulus vom Thron gestoßen und Westrom ein Ende gemacht. Odo-<lb/> aker aber war ein Rugier, also von der Jnsel Rügen und Rügen ist<lb/> preußisch. Also —</note>. Nicht jedoch wollen wir etwa<lb/> hier die Ehre der anderen deutschen Stämme vertheidigen,<lb/> dessen bedürfen sie nicht, sondern darauf wollen wir diese Bo-<lb/> russomanen aufmerksam machen, daß jener Geist, der im Jahre<lb/> 1813 Preußen an die Spitze der deutschen Bewegung stellte,<lb/> nichts weniger als der alt= und stockpreußische, sondern der durch<lb/> und durch <hi rendition="#g">deutsche</hi> Geist in Preußen war, <hi rendition="#g">ganz derselbe<lb/> deutsche Geist</hi> der heute neu erwacht ist, der auch im <hi rendition="#g">ächten</hi><lb/> Preußen lebt und webt, den aber unser Kamaschenheld noch zur<lb/> Zeit als einen Spukgeist der Revolution ansieht, während die-<lb/> ser Geist doch der allerlegitimste ist, und bis zu Karl dem Großen,<lb/> ja sogar bis zum Cherusker Hermann hinauf seine Ahnentafel<lb/> aufweisen kann.</p><lb/> <p>Bisher sind wir in der fraglichen Schrift nur einem verknö-<lb/> cherten altpreußischen Soldatengeist begegnet, und wie traurig es<lb/> auch sein mag, daß das preußische Militär noch solche Elemente<lb/> in sich hat — so scheint uns doch von daher der Deutschen Ein-<lb/> heit keine so große Gefahr zu drohen, denn das preußische Heer<lb/> steht allzuhoch an Gesinnung und ächter Bildung, als daß wir<lb/> ernstlich besorgten, daß jene abgestandenen Elemente irgendwie<lb/> Uebergewicht in demselben gewinnen könnten. Allein jene Schrift<lb/> schlägt auch noch eine andere, weit schlimmere Saite an. Auf<lb/> Seite 29. sagt sie: „Einheit deutscher Völkerstämme — man lese<lb/> die Worte, um sich über ihren ganzen Jnhalt klar zu machen,<lb/> dreimal — Einheit deutscher Völkerstämme kann nur vorhanden<lb/> seyn, wo <hi rendition="#g">gleiche Jnteressen, gleiche geistige Bildung<lb/> der Masse, gleiche Religion vorhanden ist.</hi> Dieß<lb/> ist nur zwischen <hi rendition="#g">Preußen</hi> und den <hi rendition="#g">norddeutschen</hi> Brüdern<lb/> der Fall, die auch deßhalb... mit uns Preußen Arm in Arm<lb/> gestanden haben, gleichviel, ob der <hi rendition="#g">gemeinschaftliche Feind</hi><lb/> jenseits oder <hi rendition="#g">diesseits des Rheins</hi> zu Hause war, <hi rendition="#g">denn<lb/> wir glauben und halten fest an einem einigen Nord-<lb/> deutschland.</hi> “ Und kurz vorher heißt es: „Es liegt zu Tage,<lb/> die ganze executive Gewalt soll in die Macht eines Mannes ( des<lb/> Reichsverwesers ) gelegt werden, der in Frankfurt residirt, nahe<lb/> dem südlichen Radicalismus und dessen Einflüssen, oder denen<lb/><hi rendition="#g">einer ultramontanen Partei</hi> folgend, die in ihm Den<lb/> ausersehen hat, der die Festsetzungen wieder aufheben soll, die<lb/><cb type="end"/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [0001]
Mainzer Journal.
Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den „Rheinischen Unterhaltungs-
blättern “ schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.
Nro 58. Sonntag, den 13. August. 1848.
Preußen oder Deutschland?
II.
Am Schlusse unseres vorgestrigen Artikels haben wir gesehen,
wie der Verfasser der Flugschrift „die deutsche Centralgewalt und
die preußische Armee“ die derzeitige Macht der Nationalver-
sammlung einem gewissen Zauberschlafe zuschreibt, in welchem ge-
wisse „lebendige Kräfte Deutschlands“ in Folge eines fatalen ihnen
von der Revolution beigebrachten Zaubertrankes gebunden liegen.
Damit wird zugleich zu verstehen gegeben, daß an einem schönen
Morgen nächstens, wo diese verzauberten Kräfte ihres Bannes
ledig sich erheben, die ganze deutsche Einheit nebst Allem, was
seit den Märztagen sich ereignet, einem Traume gleich zerrinnen
werde.
Nun fragt es sich: wer sind denn diese lebendigen Kräfte
Deutschlands? Anwort: das alte soldatisch=absolutisti-
sche Preußen ist es! Und schon sieht der Verfasser ( in seinem
Zauberschlafe ) dieses Preußen kriegsgerüstet ausziehen, Alles, was
seinem Sinne widerstrebt, vor sich niederwerfend: „Preußen bringt
mit sich den kriegerischen Sinn seines Volkes. Freudig ziehen die
Reserven aus der Heimath zu den Truppen... Eben so freudig
schnell folgt die Landwehr zum Kriege, und das alte Preußen
wird sich erheben wie ein Mann, wenn sein König ruft,
nicht aber wenn ein Reichsverweser ruft. “ Das ist doch
klar gesprochen! „Und wenn das neue Preußen ( also die Rhein-
provinz, Westphalen, Posen, Schlesien, Sachsen und Westpreu-
ßen ) , durch wühlt und entmannt, dem Beispiel nicht folgt,
so wird es das zu seinem Schaden thun; denn wahrlich das
alte Preußen kann auch zum zweiten und drittenmal
wieder erobern, was es schon ein und zweimal als Sieges-
beute erhalten.“ ( S. 10. )
Das nenne ich Kühnheit, nicht blos, daß dieser alte Preuße
ganz Deutschland den Handschuh hinwirft, — die offene Kriegs-
erklärung geht auch wider drei Fünftel des eigenen Reiches.
Wollet ihr „neuen“ Preußen nicht unserem altpreußischen Beispiel
folgen — nun wohlan, so wisset ihr Elenden, Unterwühlten,
Entmannten — auch bisher schon haben wir euch nicht als Eben-
bürtige angesehen. Ein und zweimal schon haben wir euch
als Siegesbeute erobert, und solltet ihr wagen, unser
Joch abzuschütteln, so würden wir auch zum drittenmal euch zu
erobern wissen, und haben wir vorher euch mit Geißeln gezüchtigt,
so werden wir euch nun mit Skorpionen peitschen! Daß bei solchen
Leuten, die nicht einmal von einer Einheit Preußens etwas
wissen, denen die eine Hälfte des eigenen Staates — das neue
Preußen — als erobertes, unterworfenes Land gilt, von einer
deutschen Einheit nicht die Rede seyn kann, bedarf des Be-
weises nicht. Solchen Männern ist Deutschland nichts — das
soldatische Altpreußen allein erkennen sie als Vaterland. So
heißt es ausdrücklich: „diese Krieger und das alte Preußen
denken bei Vaterland ( d. h. bei dem Worte „Vaterland“ ) noch
an Preußen, und nur an Preußen, das Frankfurter Deutsch-
land, d. h. die tabula rasa, schwebt ihnen nicht vor; eben so
wenig wie die preußischen Offiziere, die für den Orden pour le
merite... jeden Augenblick bereit sind, ihr Leben in die Schanze
zu schlagen, in solchen Augenblicken an ihr einiges — deut-
sches Vaterland — denken werden.“ ( S. 23. 24. ) Rast
der Mann? fragen Sie. Gewiß die Begeisterung für das alt-
preußische Soldatenthum hat ihn der Sinne beraubt, und in
diesem Rausche spricht er: „Preußen hat von allen Deutschen
allein den Ruhm, Napoleon besiegt und den Todesstoß gegeben zu
haben... Hinter Paris ( ein frappanter Zug! ) fiel aus einer
preußischen Kanone der letzte Schuß.“ ( S. 11. ) „ Hingegen, fährt
er mit Bitterkeit fort, „kennen die Preußen die Reichsarmee nur
als Reißausarmee.“ ( S. 12. ) „Jedes preußische Soldatenherz
empört sich gegen eine Gleichstellung mit Hohenzollern=Sig-
maringen, Reuß=Schleiz=Lobenstein.“ ( S. 11. ) „Das erste preußi-
sche Jnfanterieregiment, welches jetzt 230 Jahre besteht, gibt
lieber die deutsche Einheit auf, als daß es die deutsche
Reichsnummer 32. oder 40. annähme.“ „Die pommerschen Re-
gimenter danken sicher beharrlich für die Ehre, welche ihnen
schon die deutsche Kokarde wider ihren Willen aufgedrungen hat.“
( S. 14. ) Wahrhaftig, das ist die Gesinnung des preußischen
Heeres nicht; muß ja die wahre Ehre und das wahre Verdienst
im Anblick solch nichtigen Stolzes erröthen! eines Stolzes, der
sich nicht blos zu vornehm dünkt, die Mitbürger eines kleineren
Staates als ebenbürtig anzuerkennen, sondern sogar als ein
Glied des großen deutschen Reiches zu erscheinen. Nur auf
Eines müssen wir ein Wort bemerken, auf die Prahlerei,
daß allein Preußen Deutschland von der französischen
Herrschaft befreit habe 1). Nicht jedoch wollen wir etwa
hier die Ehre der anderen deutschen Stämme vertheidigen,
dessen bedürfen sie nicht, sondern darauf wollen wir diese Bo-
russomanen aufmerksam machen, daß jener Geist, der im Jahre
1813 Preußen an die Spitze der deutschen Bewegung stellte,
nichts weniger als der alt= und stockpreußische, sondern der durch
und durch deutsche Geist in Preußen war, ganz derselbe
deutsche Geist der heute neu erwacht ist, der auch im ächten
Preußen lebt und webt, den aber unser Kamaschenheld noch zur
Zeit als einen Spukgeist der Revolution ansieht, während die-
ser Geist doch der allerlegitimste ist, und bis zu Karl dem Großen,
ja sogar bis zum Cherusker Hermann hinauf seine Ahnentafel
aufweisen kann.
Bisher sind wir in der fraglichen Schrift nur einem verknö-
cherten altpreußischen Soldatengeist begegnet, und wie traurig es
auch sein mag, daß das preußische Militär noch solche Elemente
in sich hat — so scheint uns doch von daher der Deutschen Ein-
heit keine so große Gefahr zu drohen, denn das preußische Heer
steht allzuhoch an Gesinnung und ächter Bildung, als daß wir
ernstlich besorgten, daß jene abgestandenen Elemente irgendwie
Uebergewicht in demselben gewinnen könnten. Allein jene Schrift
schlägt auch noch eine andere, weit schlimmere Saite an. Auf
Seite 29. sagt sie: „Einheit deutscher Völkerstämme — man lese
die Worte, um sich über ihren ganzen Jnhalt klar zu machen,
dreimal — Einheit deutscher Völkerstämme kann nur vorhanden
seyn, wo gleiche Jnteressen, gleiche geistige Bildung
der Masse, gleiche Religion vorhanden ist. Dieß
ist nur zwischen Preußen und den norddeutschen Brüdern
der Fall, die auch deßhalb... mit uns Preußen Arm in Arm
gestanden haben, gleichviel, ob der gemeinschaftliche Feind
jenseits oder diesseits des Rheins zu Hause war, denn
wir glauben und halten fest an einem einigen Nord-
deutschland. “ Und kurz vorher heißt es: „Es liegt zu Tage,
die ganze executive Gewalt soll in die Macht eines Mannes ( des
Reichsverwesers ) gelegt werden, der in Frankfurt residirt, nahe
dem südlichen Radicalismus und dessen Einflüssen, oder denen
einer ultramontanen Partei folgend, die in ihm Den
ausersehen hat, der die Festsetzungen wieder aufheben soll, die
1) Es erinnert uns dieses daran, daß wir irgendwo gelesen haben,
wie ein begeisterter Preuße alles Ernstes beweist, daß die Preußen das
römische Reich gestürzt haben: denn Odoaker hat ja den Romulus
Augustulus vom Thron gestoßen und Westrom ein Ende gemacht. Odo-
aker aber war ein Rugier, also von der Jnsel Rügen und Rügen ist
preußisch. Also —
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung
Weitere Informationen:Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |