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Mainzer Journal. Nr. 84. Mainz, 12. September 1848.

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[Beginn Spaltensatz] sten Augenblicken seiner Geschichte inneren Spaltungen anheimge-
fallen sey. Mittlerweile wird man in Frankfurt den Vertrag nä-
her geprüft und namentlich in dem Schreiben des Ministers von
Auerswald den Beweis gefunden haben, daß Preußen sich sehr
bestimmte Vorbehalte gemacht hatte, über die das Reichsmini-
sterium in der Sitzung am 5. schwieg, und welche das Benehmen
Preußens in einigen sehr wesentlichen Punkten in anderem Lichte
erscheinen lassen.

Kiel 9. September. ( B. H. ) Das Staatsgrundgesetz ist von
der Landesversammlung berathen und angenommen. Heute er-
wartet man die Genehmigung desselben durch die provisorische
Regierung. Die Hauptpunkte desselben sind: Suspensives Veto
in allen Fällen, der Herzog mag Regent eines anderen Landes
seyn oder nicht; Einkammersystem und ein eigenthümliches Wahl-
gesetz. Von 100 Abgeordneten werden 50 ohne Beschränkung di-
rect durch das gesammte Volk gewählt. Von den übrigen 50
wählen die Landbesitzer, welche einen Besitz von 600 Rthlr.
Steuerwerth oder 150 Rthlr. jährliche Einnahme haben, 20, in
derselben Weise die Städter 20, und endlich die Besitzer von
Grundstücken von mehr als 30,000 Rthlr. Steuerwerth 10. Auf
diese Weise hat eine große Anzahl Staatsbürger Gelegenheit zwei
Mal zu wählen.

Altona 9. September. ( B. H. ) Gestern in den ersten Nach-
mittagsstunden befand sich unsere Stadt in großer Aufregung. Es
sollten nämlich sechs preußische Soldaten aus nicht genau bekannt
gewordenen, jedenfalls nicht sehr erheblichen Gründen zur Unter-
suchung nach Berlin geschafft werden. Auf die Kunde davon dran-
gen große Volksmassen, mehrere bewaffnete Freischärler an ihrer
Spitze, gegen die Hauptwache auf dem Rathhausmarkte vor und
machten die Gefangenen frei. Die Bürgerwehr wurde zusammen-
gerufen, da aber die Offiziere erklärten, sich weder zur polizeili-
chen, noch zu militärischen Executionen hergeben und auf keine
Weise zum Blutvergießen Veranlassung bieten zu wollen, so wur-
den die Gefangenen wie im Triumphe fortgeführt; sie befinden
sich in diesem Augenblicke noch in Altona, wollen sich aber ihrer
Vorgesetzten stellen.

Frankreich.

*** Paris 10. September. Die gestrige Sitzung der Kam-
mer, eine der unbedeutendsten, die seit langer Zeit gehalten wor-
den ist, war ein verlorener Tag! Amendement drängte sich auf
Amendement -- das Gesetz über die Arbeitszeit in den Fahriken
war nämlich noch immer nicht ganz erledigt, -- ein Redner jagte
den andern und am Ende wurde die Discussion so confus, daß
die Kammer darauf los notirte ohne zu wissen was. Bemerkens-
werth ist nur das Eine, daß, als der Abgeordnete Sibour auch
ein Amendement stellte des Jnhaltes: daß die Staatswerkstätten
an Sonntagen geschlossen bleiben sollten, -- viele Kammer-
mitglieder sich auf das Unwürdigste und Ungebührlichste benah-
men, wonach sie die Gesinnung eines nicht geringen Theiles unse-
rer Gesetzgeber bemessen können. Bis Montag soll, vor der De-
batte über die Constitution, der Gesetzesvorschlag über die Lage
der Presse während des Belagerungszustandes zur Berathung
kommen und es gehört nicht viel Scharfsinn dazu, um ihm sein
Schicksal vorauszusagen.

Das "Journal des Debats" bringt heute einen langen Artikel
über das Verhalten der deutschen Nationalversamm-
lung
dem preußisch=dänischen Waffenstillstande gegenüber, in
welchem Unwissenheit und Jmpertinenz sich die Hand bieten. Wir
lassen die Unwissenheit vorläufig bei Seite -- denn was kann un-
seren Lesern daran liegen, was ein in Geographie und deutschem
Staatsrecht unbewanderter Franzos über die schleswig=holsteinischen
Verhältnisse schwatzt -- und geben blos eine Probe von der Jm-
pertinenz französischer Brüderlichkeit. "Es thut uns sehr leid es
sagen zu müssen, meint das Journal des Debats, allein die Prä-
tentsionen der Nationalversammlung in Frankfurt scheinen uns
keiner Rechtfertigung fähig zu seyn. Es hat sich in Deutschland
eine Partei gebildet, welcher der Begriff der Nationaleinheit zur
firen Jdee geworden ist und die darüber einen guten Theil ihres
gesunden Menschenverstandes verloren hat. Jeder Doctor oder
Professor des deutschen Rechtes sucht auf der Landkarte alle mög-
lichen Brocken der deutschen Rationalität auf und hat dann gute
Lust die Hand darauf zu legen. Handelt es sich von Anderen,
von Jtalien z. B., so geben sie freilich ihr Princip der Stammes-
und Spracheneinheit wohlfeilen Kaufes hin; wenn man aber nur
Miene macht Triest zu berühren, so werden die ärgsten Demokra-
ten gemeinschaftliche Sache mit dem Kaiser von Oesterreich
machen. Jn diesem Augenblicke noch stehen sie auf dem Puncte
Holland den Krieg zu erklären, um Limburg ihm zu nehmen,
und es ist dieses eine Frage, die wahrscheinlich nach der
[Spaltenumbruch] schleswig=holsteinischen wieder auftauchen wird. Bei den Fana-
tikern der deutschen Einheit scheinen in der That, wie das Sprüch-
wort sagt, die Augen größer zu seyn als der Bauch und sie soll-
ten bedenken, wie das Frankfurter Journal geistreich ihnen
bemerkt hat, daß sich unter solchen Umständen der gordische Kno-
ten mit dem Schwerte Alexanders nicht zerhauen läßt, besonders
wenn kein Alexander da ist. Wir glauben zwar nicht, daß die
unvernünftigen Anmaßungen der Frankfurter Versammlung den
europäischen Frieden stören werden, allein es ist leicht möglich,
daß sie den Frieden von Deutschland selbst stören. Es ist
jetzt schon zum zweitenmale, daß die preußische Regierung, die
fast allein die Kriegslasten getragen, durch eine Gewalt desavouirt
wird, die noch gar nicht geordnet und nur unvollkommen aner-
kannt ist; es wird der preußischen Regierung nicht zusagen, daß
sie stets nur als ein Werkzeug gebraucht und außerdem noch durch
eine ihr feindliche Partei dem ersten Stoße der Verbündeten
Danemarks preisgegeben seyn soll. Gewiß werden Schweden
und Rußland ihre Hülfe dem König von Dänemark nicht vorent-
halten und was die gegenwärtige Frage und die Jntegrität des
dänischen Territoriums betrifft, so sind Frankreich und England
durch förmliche Verträge, namentlich durch den von 1720 gebun-
den. Alle diese Betrachtungen sind der Art, daß sie auf die Be-
schlüsse der deutschen Nationalversammlung einen gewissen Ein-
fluß ausüben müssen. Die Doctoren der Einheit haben einem an
und für sich ganz respectablen Gefühle den ganzen Absolutismus
eines deutschen philosophischen Systems aufgedrückt; sie haben
indessen dieses Gefühl dadurch um nichts praktischer gemacht und
wenn sie fortfahren die Federn der Centralisation aufs Aeußerste
zu spannen, so könnte das Ende der ganzen Geschichte Das seyn,
daß sie krachen und zerbrechen." Der "National" hat seine Galle
bis jetzt noch nicht ausgelassen.

Auch Sachsen hat jetzt einen Gesandten, den Baron Kön-
neritz, bei dem General Cavaignac beglaubigt! Hessen=Homburg
und Liechtenstein werden wahrscheinlich auch bald einen hin-
schicken!

Wie der "Moniteur du Soir" berichtet, soll Oesterreich den
vermittelnden Mächten den folgenden Vorschlag zur künftigen Or-
ganisation Jtaliens gemacht haben. Die Lombardei und Venedig
bilden einen besonderen Staat für sich, sie erhalten abgesonderte
Verwaltung und constitutionelle Jnstitutionen, stehen aber, etwa
in demselben Verhältnisse wie Ungarn, unter der Oberherrlichkeit
des Kaisers von Oesterreich. Es stimmt dieses im Allgemeinen
mit der Mittheilung der "Wiener Zeitung" über die künftige Ge-
staltung dieser Länder überein. Auch die die Börsenmänner
wollen wissen, Oesterreich habe vor allen Dingen von Frank-
reich die Anerkennung seiner Rechte auf das lombardisch=venetia-
nische Gebiet verlangt. Die ganze Unterhandlung, zu welcher
auch Rußland und die deutsche Centralgewalt beigezogen wer-
den sollen, würde sich also auf die dem Lande zu gebende Ver-
fassung beschränken.

Der Polizei=Präfect hat gestern wieder eine seiner bekannten
rosenfarbenen Adressen an die Bürger von Paris veröffentlicht.
Er sagt darin: "Die letzten zehn Tage waren fruchtbar an glück-
lichen Ergebnissen. Der Aufregung ist die vollkommenste Ruhe
gefolgt. Ueberall ist das Vertrauen wieder aufgelebt und in
allen Zweigen des Gewerbfleißes zeigt sich ein langsamer, aber
unbestreitbarer Fortschritt. Bot Paris je mehr Sicherheit für
Person und Eigenthum? Die Nationalversammlung hat ein-
müthig verfügt, daß an der Spitze der Verfassung die Worte
stehen sollen: Die französische Republik ist eine demokratische,
eine und untheilbare. Diese Einmüthigkeit der Volksvertreter
ist ein unumstößlicher Beweis ihres energischen und freien Ent-
schlusses, bei dem Werke der Februarrevolution zu beharren
und dasselbe zu befruchten. Fortan kann keine Ungewißheit
mehr bestehen. Jedermann würde bereit seyn, einen heuch-
lerischen und unloyalen Angriff zurückzuschlagen. Die Ein-
lagen in die Sparcassen haben zugenommen. Aus den Provinzen
gehen wieder Bestellungen ein, sogar auf Luxusartikel. Neubau-
ten, seit längerer Zeit ruhend, haben wieder begonnen. Die Zahl
der brodlosen Arbeiter hat bedeutend abgenommen."

Das Budget des Ministeriums der auswärtigen Angelegen-
heiten soll um 477,000 Francs vermindert werden. Dem des
Krieges steht wahrscheinlich dasselbe Schicksal bevor, denn es soll
bereits ein Courier mit der Weisung an die Alpenarmee abge-
gangen seyn, alle Vorbereitungen zur Eröffnung des Feldzuges
einzustellen.

Börse vom 9. September. Die heutige Börse war
ziemlich belebt und die Haltung fest. 3% Fr. 45. 50. -- 5%
Fr. 71. 25.

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. -- Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. -- Druck von Florian Kupferberg.


[Beginn Spaltensatz] sten Augenblicken seiner Geschichte inneren Spaltungen anheimge-
fallen sey. Mittlerweile wird man in Frankfurt den Vertrag nä-
her geprüft und namentlich in dem Schreiben des Ministers von
Auerswald den Beweis gefunden haben, daß Preußen sich sehr
bestimmte Vorbehalte gemacht hatte, über die das Reichsmini-
sterium in der Sitzung am 5. schwieg, und welche das Benehmen
Preußens in einigen sehr wesentlichen Punkten in anderem Lichte
erscheinen lassen.

Kiel 9. September. ( B. H. ) Das Staatsgrundgesetz ist von
der Landesversammlung berathen und angenommen. Heute er-
wartet man die Genehmigung desselben durch die provisorische
Regierung. Die Hauptpunkte desselben sind: Suspensives Veto
in allen Fällen, der Herzog mag Regent eines anderen Landes
seyn oder nicht; Einkammersystem und ein eigenthümliches Wahl-
gesetz. Von 100 Abgeordneten werden 50 ohne Beschränkung di-
rect durch das gesammte Volk gewählt. Von den übrigen 50
wählen die Landbesitzer, welche einen Besitz von 600 Rthlr.
Steuerwerth oder 150 Rthlr. jährliche Einnahme haben, 20, in
derselben Weise die Städter 20, und endlich die Besitzer von
Grundstücken von mehr als 30,000 Rthlr. Steuerwerth 10. Auf
diese Weise hat eine große Anzahl Staatsbürger Gelegenheit zwei
Mal zu wählen.

Altona 9. September. ( B. H. ) Gestern in den ersten Nach-
mittagsstunden befand sich unsere Stadt in großer Aufregung. Es
sollten nämlich sechs preußische Soldaten aus nicht genau bekannt
gewordenen, jedenfalls nicht sehr erheblichen Gründen zur Unter-
suchung nach Berlin geschafft werden. Auf die Kunde davon dran-
gen große Volksmassen, mehrere bewaffnete Freischärler an ihrer
Spitze, gegen die Hauptwache auf dem Rathhausmarkte vor und
machten die Gefangenen frei. Die Bürgerwehr wurde zusammen-
gerufen, da aber die Offiziere erklärten, sich weder zur polizeili-
chen, noch zu militärischen Executionen hergeben und auf keine
Weise zum Blutvergießen Veranlassung bieten zu wollen, so wur-
den die Gefangenen wie im Triumphe fortgeführt; sie befinden
sich in diesem Augenblicke noch in Altona, wollen sich aber ihrer
Vorgesetzten stellen.

Frankreich.

*** Paris 10. September. Die gestrige Sitzung der Kam-
mer, eine der unbedeutendsten, die seit langer Zeit gehalten wor-
den ist, war ein verlorener Tag! Amendement drängte sich auf
Amendement — das Gesetz über die Arbeitszeit in den Fahriken
war nämlich noch immer nicht ganz erledigt, — ein Redner jagte
den andern und am Ende wurde die Discussion so confus, daß
die Kammer darauf los notirte ohne zu wissen was. Bemerkens-
werth ist nur das Eine, daß, als der Abgeordnete Sibour auch
ein Amendement stellte des Jnhaltes: daß die Staatswerkstätten
an Sonntagen geschlossen bleiben sollten, — viele Kammer-
mitglieder sich auf das Unwürdigste und Ungebührlichste benah-
men, wonach sie die Gesinnung eines nicht geringen Theiles unse-
rer Gesetzgeber bemessen können. Bis Montag soll, vor der De-
batte über die Constitution, der Gesetzesvorschlag über die Lage
der Presse während des Belagerungszustandes zur Berathung
kommen und es gehört nicht viel Scharfsinn dazu, um ihm sein
Schicksal vorauszusagen.

Das „Journal des Debats“ bringt heute einen langen Artikel
über das Verhalten der deutschen Nationalversamm-
lung
dem preußisch=dänischen Waffenstillstande gegenüber, in
welchem Unwissenheit und Jmpertinenz sich die Hand bieten. Wir
lassen die Unwissenheit vorläufig bei Seite — denn was kann un-
seren Lesern daran liegen, was ein in Geographie und deutschem
Staatsrecht unbewanderter Franzos über die schleswig=holsteinischen
Verhältnisse schwatzt — und geben blos eine Probe von der Jm-
pertinenz französischer Brüderlichkeit. „Es thut uns sehr leid es
sagen zu müssen, meint das Journal des Debats, allein die Prä-
tentsionen der Nationalversammlung in Frankfurt scheinen uns
keiner Rechtfertigung fähig zu seyn. Es hat sich in Deutschland
eine Partei gebildet, welcher der Begriff der Nationaleinheit zur
firen Jdee geworden ist und die darüber einen guten Theil ihres
gesunden Menschenverstandes verloren hat. Jeder Doctor oder
Professor des deutschen Rechtes sucht auf der Landkarte alle mög-
lichen Brocken der deutschen Rationalität auf und hat dann gute
Lust die Hand darauf zu legen. Handelt es sich von Anderen,
von Jtalien z. B., so geben sie freilich ihr Princip der Stammes-
und Spracheneinheit wohlfeilen Kaufes hin; wenn man aber nur
Miene macht Triest zu berühren, so werden die ärgsten Demokra-
ten gemeinschaftliche Sache mit dem Kaiser von Oesterreich
machen. Jn diesem Augenblicke noch stehen sie auf dem Puncte
Holland den Krieg zu erklären, um Limburg ihm zu nehmen,
und es ist dieses eine Frage, die wahrscheinlich nach der
[Spaltenumbruch] schleswig=holsteinischen wieder auftauchen wird. Bei den Fana-
tikern der deutschen Einheit scheinen in der That, wie das Sprüch-
wort sagt, die Augen größer zu seyn als der Bauch und sie soll-
ten bedenken, wie das Frankfurter Journal geistreich ihnen
bemerkt hat, daß sich unter solchen Umständen der gordische Kno-
ten mit dem Schwerte Alexanders nicht zerhauen läßt, besonders
wenn kein Alexander da ist. Wir glauben zwar nicht, daß die
unvernünftigen Anmaßungen der Frankfurter Versammlung den
europäischen Frieden stören werden, allein es ist leicht möglich,
daß sie den Frieden von Deutschland selbst stören. Es ist
jetzt schon zum zweitenmale, daß die preußische Regierung, die
fast allein die Kriegslasten getragen, durch eine Gewalt desavouirt
wird, die noch gar nicht geordnet und nur unvollkommen aner-
kannt ist; es wird der preußischen Regierung nicht zusagen, daß
sie stets nur als ein Werkzeug gebraucht und außerdem noch durch
eine ihr feindliche Partei dem ersten Stoße der Verbündeten
Danemarks preisgegeben seyn soll. Gewiß werden Schweden
und Rußland ihre Hülfe dem König von Dänemark nicht vorent-
halten und was die gegenwärtige Frage und die Jntegrität des
dänischen Territoriums betrifft, so sind Frankreich und England
durch förmliche Verträge, namentlich durch den von 1720 gebun-
den. Alle diese Betrachtungen sind der Art, daß sie auf die Be-
schlüsse der deutschen Nationalversammlung einen gewissen Ein-
fluß ausüben müssen. Die Doctoren der Einheit haben einem an
und für sich ganz respectablen Gefühle den ganzen Absolutismus
eines deutschen philosophischen Systems aufgedrückt; sie haben
indessen dieses Gefühl dadurch um nichts praktischer gemacht und
wenn sie fortfahren die Federn der Centralisation aufs Aeußerste
zu spannen, so könnte das Ende der ganzen Geschichte Das seyn,
daß sie krachen und zerbrechen.“ Der „National“ hat seine Galle
bis jetzt noch nicht ausgelassen.

Auch Sachsen hat jetzt einen Gesandten, den Baron Kön-
neritz, bei dem General Cavaignac beglaubigt! Hessen=Homburg
und Liechtenstein werden wahrscheinlich auch bald einen hin-
schicken!

Wie der „Moniteur du Soir“ berichtet, soll Oesterreich den
vermittelnden Mächten den folgenden Vorschlag zur künftigen Or-
ganisation Jtaliens gemacht haben. Die Lombardei und Venedig
bilden einen besonderen Staat für sich, sie erhalten abgesonderte
Verwaltung und constitutionelle Jnstitutionen, stehen aber, etwa
in demselben Verhältnisse wie Ungarn, unter der Oberherrlichkeit
des Kaisers von Oesterreich. Es stimmt dieses im Allgemeinen
mit der Mittheilung der „Wiener Zeitung“ über die künftige Ge-
staltung dieser Länder überein. Auch die die Börsenmänner
wollen wissen, Oesterreich habe vor allen Dingen von Frank-
reich die Anerkennung seiner Rechte auf das lombardisch=venetia-
nische Gebiet verlangt. Die ganze Unterhandlung, zu welcher
auch Rußland und die deutsche Centralgewalt beigezogen wer-
den sollen, würde sich also auf die dem Lande zu gebende Ver-
fassung beschränken.

Der Polizei=Präfect hat gestern wieder eine seiner bekannten
rosenfarbenen Adressen an die Bürger von Paris veröffentlicht.
Er sagt darin: „Die letzten zehn Tage waren fruchtbar an glück-
lichen Ergebnissen. Der Aufregung ist die vollkommenste Ruhe
gefolgt. Ueberall ist das Vertrauen wieder aufgelebt und in
allen Zweigen des Gewerbfleißes zeigt sich ein langsamer, aber
unbestreitbarer Fortschritt. Bot Paris je mehr Sicherheit für
Person und Eigenthum? Die Nationalversammlung hat ein-
müthig verfügt, daß an der Spitze der Verfassung die Worte
stehen sollen: Die französische Republik ist eine demokratische,
eine und untheilbare. Diese Einmüthigkeit der Volksvertreter
ist ein unumstößlicher Beweis ihres energischen und freien Ent-
schlusses, bei dem Werke der Februarrevolution zu beharren
und dasselbe zu befruchten. Fortan kann keine Ungewißheit
mehr bestehen. Jedermann würde bereit seyn, einen heuch-
lerischen und unloyalen Angriff zurückzuschlagen. Die Ein-
lagen in die Sparcassen haben zugenommen. Aus den Provinzen
gehen wieder Bestellungen ein, sogar auf Luxusartikel. Neubau-
ten, seit längerer Zeit ruhend, haben wieder begonnen. Die Zahl
der brodlosen Arbeiter hat bedeutend abgenommen.“

Das Budget des Ministeriums der auswärtigen Angelegen-
heiten soll um 477,000 Francs vermindert werden. Dem des
Krieges steht wahrscheinlich dasselbe Schicksal bevor, denn es soll
bereits ein Courier mit der Weisung an die Alpenarmee abge-
gangen seyn, alle Vorbereitungen zur Eröffnung des Feldzuges
einzustellen.

Börse vom 9. September. Die heutige Börse war
ziemlich belebt und die Haltung fest. 3% Fr. 45. 50. — 5%
Fr. 71. 25.

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.


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[0004] sten Augenblicken seiner Geschichte inneren Spaltungen anheimge- fallen sey. Mittlerweile wird man in Frankfurt den Vertrag nä- her geprüft und namentlich in dem Schreiben des Ministers von Auerswald den Beweis gefunden haben, daß Preußen sich sehr bestimmte Vorbehalte gemacht hatte, über die das Reichsmini- sterium in der Sitzung am 5. schwieg, und welche das Benehmen Preußens in einigen sehr wesentlichen Punkten in anderem Lichte erscheinen lassen. Kiel 9. September. ( B. H. ) Das Staatsgrundgesetz ist von der Landesversammlung berathen und angenommen. Heute er- wartet man die Genehmigung desselben durch die provisorische Regierung. Die Hauptpunkte desselben sind: Suspensives Veto in allen Fällen, der Herzog mag Regent eines anderen Landes seyn oder nicht; Einkammersystem und ein eigenthümliches Wahl- gesetz. Von 100 Abgeordneten werden 50 ohne Beschränkung di- rect durch das gesammte Volk gewählt. Von den übrigen 50 wählen die Landbesitzer, welche einen Besitz von 600 Rthlr. Steuerwerth oder 150 Rthlr. jährliche Einnahme haben, 20, in derselben Weise die Städter 20, und endlich die Besitzer von Grundstücken von mehr als 30,000 Rthlr. Steuerwerth 10. Auf diese Weise hat eine große Anzahl Staatsbürger Gelegenheit zwei Mal zu wählen. Altona 9. September. ( B. H. ) Gestern in den ersten Nach- mittagsstunden befand sich unsere Stadt in großer Aufregung. Es sollten nämlich sechs preußische Soldaten aus nicht genau bekannt gewordenen, jedenfalls nicht sehr erheblichen Gründen zur Unter- suchung nach Berlin geschafft werden. Auf die Kunde davon dran- gen große Volksmassen, mehrere bewaffnete Freischärler an ihrer Spitze, gegen die Hauptwache auf dem Rathhausmarkte vor und machten die Gefangenen frei. Die Bürgerwehr wurde zusammen- gerufen, da aber die Offiziere erklärten, sich weder zur polizeili- chen, noch zu militärischen Executionen hergeben und auf keine Weise zum Blutvergießen Veranlassung bieten zu wollen, so wur- den die Gefangenen wie im Triumphe fortgeführt; sie befinden sich in diesem Augenblicke noch in Altona, wollen sich aber ihrer Vorgesetzten stellen. Frankreich. *** Paris 10. September. Die gestrige Sitzung der Kam- mer, eine der unbedeutendsten, die seit langer Zeit gehalten wor- den ist, war ein verlorener Tag! Amendement drängte sich auf Amendement — das Gesetz über die Arbeitszeit in den Fahriken war nämlich noch immer nicht ganz erledigt, — ein Redner jagte den andern und am Ende wurde die Discussion so confus, daß die Kammer darauf los notirte ohne zu wissen was. Bemerkens- werth ist nur das Eine, daß, als der Abgeordnete Sibour auch ein Amendement stellte des Jnhaltes: daß die Staatswerkstätten an Sonntagen geschlossen bleiben sollten, — viele Kammer- mitglieder sich auf das Unwürdigste und Ungebührlichste benah- men, wonach sie die Gesinnung eines nicht geringen Theiles unse- rer Gesetzgeber bemessen können. Bis Montag soll, vor der De- batte über die Constitution, der Gesetzesvorschlag über die Lage der Presse während des Belagerungszustandes zur Berathung kommen und es gehört nicht viel Scharfsinn dazu, um ihm sein Schicksal vorauszusagen. Das „Journal des Debats“ bringt heute einen langen Artikel über das Verhalten der deutschen Nationalversamm- lung dem preußisch=dänischen Waffenstillstande gegenüber, in welchem Unwissenheit und Jmpertinenz sich die Hand bieten. Wir lassen die Unwissenheit vorläufig bei Seite — denn was kann un- seren Lesern daran liegen, was ein in Geographie und deutschem Staatsrecht unbewanderter Franzos über die schleswig=holsteinischen Verhältnisse schwatzt — und geben blos eine Probe von der Jm- pertinenz französischer Brüderlichkeit. „Es thut uns sehr leid es sagen zu müssen, meint das Journal des Debats, allein die Prä- tentsionen der Nationalversammlung in Frankfurt scheinen uns keiner Rechtfertigung fähig zu seyn. Es hat sich in Deutschland eine Partei gebildet, welcher der Begriff der Nationaleinheit zur firen Jdee geworden ist und die darüber einen guten Theil ihres gesunden Menschenverstandes verloren hat. Jeder Doctor oder Professor des deutschen Rechtes sucht auf der Landkarte alle mög- lichen Brocken der deutschen Rationalität auf und hat dann gute Lust die Hand darauf zu legen. Handelt es sich von Anderen, von Jtalien z. B., so geben sie freilich ihr Princip der Stammes- und Spracheneinheit wohlfeilen Kaufes hin; wenn man aber nur Miene macht Triest zu berühren, so werden die ärgsten Demokra- ten gemeinschaftliche Sache mit dem Kaiser von Oesterreich machen. Jn diesem Augenblicke noch stehen sie auf dem Puncte Holland den Krieg zu erklären, um Limburg ihm zu nehmen, und es ist dieses eine Frage, die wahrscheinlich nach der schleswig=holsteinischen wieder auftauchen wird. Bei den Fana- tikern der deutschen Einheit scheinen in der That, wie das Sprüch- wort sagt, die Augen größer zu seyn als der Bauch und sie soll- ten bedenken, wie das Frankfurter Journal geistreich ihnen bemerkt hat, daß sich unter solchen Umständen der gordische Kno- ten mit dem Schwerte Alexanders nicht zerhauen läßt, besonders wenn kein Alexander da ist. Wir glauben zwar nicht, daß die unvernünftigen Anmaßungen der Frankfurter Versammlung den europäischen Frieden stören werden, allein es ist leicht möglich, daß sie den Frieden von Deutschland selbst stören. Es ist jetzt schon zum zweitenmale, daß die preußische Regierung, die fast allein die Kriegslasten getragen, durch eine Gewalt desavouirt wird, die noch gar nicht geordnet und nur unvollkommen aner- kannt ist; es wird der preußischen Regierung nicht zusagen, daß sie stets nur als ein Werkzeug gebraucht und außerdem noch durch eine ihr feindliche Partei dem ersten Stoße der Verbündeten Danemarks preisgegeben seyn soll. Gewiß werden Schweden und Rußland ihre Hülfe dem König von Dänemark nicht vorent- halten und was die gegenwärtige Frage und die Jntegrität des dänischen Territoriums betrifft, so sind Frankreich und England durch förmliche Verträge, namentlich durch den von 1720 gebun- den. Alle diese Betrachtungen sind der Art, daß sie auf die Be- schlüsse der deutschen Nationalversammlung einen gewissen Ein- fluß ausüben müssen. Die Doctoren der Einheit haben einem an und für sich ganz respectablen Gefühle den ganzen Absolutismus eines deutschen philosophischen Systems aufgedrückt; sie haben indessen dieses Gefühl dadurch um nichts praktischer gemacht und wenn sie fortfahren die Federn der Centralisation aufs Aeußerste zu spannen, so könnte das Ende der ganzen Geschichte Das seyn, daß sie krachen und zerbrechen.“ Der „National“ hat seine Galle bis jetzt noch nicht ausgelassen. Auch Sachsen hat jetzt einen Gesandten, den Baron Kön- neritz, bei dem General Cavaignac beglaubigt! Hessen=Homburg und Liechtenstein werden wahrscheinlich auch bald einen hin- schicken! Wie der „Moniteur du Soir“ berichtet, soll Oesterreich den vermittelnden Mächten den folgenden Vorschlag zur künftigen Or- ganisation Jtaliens gemacht haben. Die Lombardei und Venedig bilden einen besonderen Staat für sich, sie erhalten abgesonderte Verwaltung und constitutionelle Jnstitutionen, stehen aber, etwa in demselben Verhältnisse wie Ungarn, unter der Oberherrlichkeit des Kaisers von Oesterreich. Es stimmt dieses im Allgemeinen mit der Mittheilung der „Wiener Zeitung“ über die künftige Ge- staltung dieser Länder überein. Auch die die Börsenmänner wollen wissen, Oesterreich habe vor allen Dingen von Frank- reich die Anerkennung seiner Rechte auf das lombardisch=venetia- nische Gebiet verlangt. Die ganze Unterhandlung, zu welcher auch Rußland und die deutsche Centralgewalt beigezogen wer- den sollen, würde sich also auf die dem Lande zu gebende Ver- fassung beschränken. Der Polizei=Präfect hat gestern wieder eine seiner bekannten rosenfarbenen Adressen an die Bürger von Paris veröffentlicht. Er sagt darin: „Die letzten zehn Tage waren fruchtbar an glück- lichen Ergebnissen. Der Aufregung ist die vollkommenste Ruhe gefolgt. Ueberall ist das Vertrauen wieder aufgelebt und in allen Zweigen des Gewerbfleißes zeigt sich ein langsamer, aber unbestreitbarer Fortschritt. Bot Paris je mehr Sicherheit für Person und Eigenthum? Die Nationalversammlung hat ein- müthig verfügt, daß an der Spitze der Verfassung die Worte stehen sollen: Die französische Republik ist eine demokratische, eine und untheilbare. Diese Einmüthigkeit der Volksvertreter ist ein unumstößlicher Beweis ihres energischen und freien Ent- schlusses, bei dem Werke der Februarrevolution zu beharren und dasselbe zu befruchten. Fortan kann keine Ungewißheit mehr bestehen. Jedermann würde bereit seyn, einen heuch- lerischen und unloyalen Angriff zurückzuschlagen. Die Ein- lagen in die Sparcassen haben zugenommen. Aus den Provinzen gehen wieder Bestellungen ein, sogar auf Luxusartikel. Neubau- ten, seit längerer Zeit ruhend, haben wieder begonnen. Die Zahl der brodlosen Arbeiter hat bedeutend abgenommen.“ Das Budget des Ministeriums der auswärtigen Angelegen- heiten soll um 477,000 Francs vermindert werden. Dem des Krieges steht wahrscheinlich dasselbe Schicksal bevor, denn es soll bereits ein Courier mit der Weisung an die Alpenarmee abge- gangen seyn, alle Vorbereitungen zur Eröffnung des Feldzuges einzustellen. Börse vom 9. September. Die heutige Börse war ziemlich belebt und die Haltung fest. 3% Fr. 45. 50. — 5% Fr. 71. 25. Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 84. Mainz, 12. September 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal084_1848/4>, abgerufen am 23.11.2024.