Mainzer Journal. Nr. 84. Mainz, 12. September 1848.[Beginn Spaltensatz]
widerwillig aufnehme, eben weil ihr innerer Gehalt, ihre ver- Jn Wien ( von wo die Post vom 7. vor uns liegt ) war die Wien 7. September. ( Br. Z. ) Jn der heutigen Reichs- Prag 6. September. ( A. Z. ) Das wichtigste Ereigniß der Berlin 8. September. ( K. Z. ) Mit dem gestrigen Tage sind ( A. Z. ) Nach sicheren Mittheilungen aus München hat die [Beginn Spaltensatz]
widerwillig aufnehme, eben weil ihr innerer Gehalt, ihre ver- Jn Wien ( von wo die Post vom 7. vor uns liegt ) war die Wien 7. September. ( Br. Z. ) Jn der heutigen Reichs- Prag 6. September. ( A. Z. ) Das wichtigste Ereigniß der Berlin 8. September. ( K. Z. ) Mit dem gestrigen Tage sind ( A. Z. ) Nach sicheren Mittheilungen aus München hat die <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <p><pb facs="#f0003"/><cb type="start"/> widerwillig aufnehme, eben weil ihr innerer Gehalt, ihre ver-<lb/> nünftigen Motive nicht durch die Discussion in ein helleres Licht<lb/> gestellt würden. Somit hätte diese Gefahr die Mehrheit mit<lb/> der Minderheit zu theilen und von einer Uebervortheilung könne<lb/> keine Rede seyn. Jn der Abstimmung ist der Schoderische Antrag<lb/> nach Verwerfung des Bassermannschen mit 243 gegen 209<lb/> Stimmen angenommen worden, nachdem vielfaches Bedenken ge-<lb/> gen die Zählung erhoben, aber als unbegründet abgewiesen wor-<lb/> den war. Der Antrag lautet dahin: daß sogleich die Bestim-<lb/> mungen des Entwurfs der Grundrechte über Versammlungs-<lb/> und Vereinsrecht, Oeffentlichkeit und Mündlichkeit, die Rechts-<lb/> pflege mit Geschwornengerichten und über die Befreiung von<lb/> Grund und Boden berathen und die Beschlüsse hierüber, sowie<lb/> über die Gleichheit vor dem Gesetze, Glaubens= und Gewissens-<lb/> freiheit, Preßfreiheit, Unverletzlichkeit der Personen in der Woh-<lb/> nung, Briefgeheimniß, durch den Verfassungsausschuß zusammenge-<lb/> stellt u. sofort für alle Länder mit Gesetzeskraft verfehen werden sol-<lb/> len. Der Rest der Sitzung ward ausgefüllt mit der Abstimmung über<lb/> die Ordnung, in welcher die Amendements zu §. 14. der Grund-<lb/> rechte sollten votirt werden, was zu lebhaften Discussionen Anlaß<lb/> gab. Ueber den Erfolg der Abstimmung selbst, deren Resultat<lb/> Jhnen bereits bekannt seyn wird ( siehe unsere Beilage von heute<lb/> morgen ) , verdient das als bemerkenswerth hervorgehoben zu<lb/> werden, daß der Antrag Derer, die volle Freiheit begehrten, in<lb/> einer Minorität von 99 blieb, dagegen der Antrag von <hi rendition="#g">Kuen-<lb/> zer</hi> den Beifall der Mehrheit gefunden hat!</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>Jn Wien ( von wo die Post vom 7. vor uns liegt ) war die<lb/> ungarische Massendeputation — über 100 Mitglieder des Reichs-<lb/> tags — angekommen. Am folgenden Tage sollten fünf derselben<lb/> in einer Audienz dem Kaiser ihre kategorisch gestellten Forderungen<lb/> vorlegen. Der Minister <hi rendition="#g">Esterhazy,</hi> an einer Ausgleichung<lb/> verzweifelnd, hatte seine Entlassung eingegeben. — Frankreich und<lb/> England verlangen in eben eingereichten Noten, <hi rendition="#g">daß während<lb/> der Vermittelung Venedig nicht angegriffen werde.</hi> </p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>Wien 7. September. ( Br. Z. ) Jn der <hi rendition="#g">heutigen Reichs-<lb/> tagssitzung</hi> herrschte sehr starke Erregtheit. Schon gestern<lb/> hatte der galizische Abgeordnete <hi rendition="#g">Gubicki</hi> sich gegen das Verhal-<lb/> ten des Grafen <hi rendition="#g">Stadion</hi> beschwert, der mehrere bäuerliche<lb/> Abgeordnete Galiziens mit seiner Partei zu stimmen beredet habe,<lb/> indem es sich um die Existenz des Thrones selbst handle. Darüber<lb/> ward denn heute eine äußerst lebhafte Debatte geführt, die damit<lb/> endete, daß auf den Antrag des Grafen v. <hi rendition="#g">Stadion</hi> selbst eine<lb/> Commission zur Untersuchung des betreffenden Falles zu bilden<lb/> beschlossen wurde. Um 3 / 4 auf 1 Uhr erfolgte die Antwort<lb/> des Ministeriums auf die <hi rendition="#g">Borrosch</hi> 'sche Jnterpellation. <hi rendition="#g">Dobl-<lb/> hoff</hi> verlas sie. Wir entnehmen daraus das Wichtigste: <hi rendition="#g">zu-<lb/> nächst definitive Ablehnung aller Jmputationen<lb/> aufreactionäre Tendenzen, eben so aber auch festes<lb/> Ankämpfen gegen anarchische und republikanische<lb/> Bestrebungen,</hi> — Feststellung der constitutionellen Monarchie<lb/> im Grundsatze der Gleichberechtigung Aller, — im vorliegenden<lb/> Falle habe das auf monarchischem Boden stehende Ministerium,<lb/><hi rendition="#g">Bach's</hi> Ansichten zu den seinigen machen müssen, — <hi rendition="#g">Beschlüsse<lb/> des Reichstages, die Gesetzeskraft erlangen sollen,<lb/> müssen die Sanction des Monarchen erhalten,</hi> —<lb/> Hinweisung auf die kaiserliche Erklärung vom 3. Juni, wodurch<lb/> der Aufbau des Constitutionswerkes <hi rendition="#g">unter Mitwirkung</hi> der<lb/> Abgeordneten zugesagt, und der überwiegenden Meinung der<lb/> österreichischen Völker keine Schranken setzen zu wollen erklärt<lb/> wird, — in der Vollziehung jenes Versprechens liege der Act der<lb/><hi rendition="#g">Vereinbarung,</hi> — der Verantwortlichkeitspflicht unterziehe<lb/> sich das Ministerium in jedem Betrachte. Man kann den Sieg<lb/> des Ministeriums, aber zugleich seinen vollendeten Rücktritt von<lb/> der demokratischen Partei als entschieden betrachten. [ Die Erklä-<lb/> rung <hi rendition="#g">Doblhoffs</hi> wurde vom Reichstage mit Acclamation auf-<lb/> genommen. ] </p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>Prag 6. September. ( A. Z. ) Das wichtigste Ereigniß der<lb/> jüngsten Tage in Böhmen waren unstreitig die Beschlüsse <hi rendition="#g">der Ab-<lb/> geordneten der deutsch=böhmischen constitutio-<lb/> nellen Vereine</hi> in Teplitz in den letzten Tagen des August.<lb/> Sie verlangen, nach dem Vorschlag Löhners in der Wiener Reichs-<lb/> versammlung, Eintheilung der österreichischen Provinzen in Reichs-<lb/> kreise nach den Sprachgränzen mit Kreishauptleuten an der Spitze,<lb/> die unmittelbar unter dem Ministerium stehen, und von den Ge-<lb/> meinden gewählte Kreisräthe zur Seite haben ( ich erinnere hier,<lb/> daß während der Pfingstereignisse mehrere Kreishauptleute unmit-<lb/> telbar mit Pillersdorff correspondirten ) — ferner Aufhebung der<lb/> Provinziallandtage, eine auf Selbstverwaltung gegründete Ge-<lb/> meindeverfassung mit Gemeinderäthen nach directen Wahlen, end-<lb/> lich eine von den Tschechen gänzlich abgesonderte Verwaltung.<lb/> Mit Voraussetzung des politischen Anschlusses an Deutschland ( zu<lb/><cb n="2"/> welchem Behufe die noch nicht vollzogenen Wahlen nach Frank-<lb/> furt sogleich eingeleitet werden sollen ) wurde der Zollanschluß be-<lb/> schlossen, unter der Bedingung, <hi rendition="#g">daß alle deutschen Staa-<lb/> ten eintreten,</hi> daß Schutzzölle eingeführt, alle Flußzölle auf-<lb/> gehoben, die Rohstoffe einer unbedeutenden Controleabgabe unter-<lb/> worfen, Rückzölle eingeführt werden, und eine Uebergangsperiode<lb/> von 12 bis 18 Monaten stattfinde. Man beschloß eine Petition<lb/> in diesem Sinne an die Wiener Reichsversammlung und zwei<lb/> Antwortsadressen an die Wiener und Frankfurter Versammlung zu<lb/> richten. Als Centralverein wurde der Reichenberger Verein er-<lb/> klärt, Organ wird die vom 1. October an in Prag erscheinende,<lb/> vom Prager constitutionellen Verein herausgegebene Deutsche<lb/> Zeitung aus Böhmen seyn. Gegen die schon beschlossene Ein-<lb/> theilung in Reichskreise nach Sprachgränzen protestirten später<lb/> die vier Abgeordneten aus Prag, weil dadurch unsere Hauptstadt<lb/> und andere Orte mit gemischter Bevölkerung der Tschechisirung<lb/> ganz preisgegeben würden. Jn Folge heftiger Debatten wurde der<lb/> Zusatz in die Adresse aufgenommen, daß die Deutschen in Prag<lb/> gleiche Rechte mit den Tschechen erhalten möchten. Sie können<lb/> sich vorstellen, welche Sensation diese Beschlüsse unter den hiesigen<lb/> Tschechen erregten. Sie werden bald zur Erkenntniß kommen<lb/> müssen von welcher Wichtigkeit es ist, wenn sich der fruchtbarste<lb/> und industriereichste Theil Böhmens in Gesinnung und That von<lb/> ihnen absondert. Ueberhaupt werden sie bald mit ihren Sonder-<lb/> bestrebungen in Oesterreich allein dastehen, denn selbst die Croaten<lb/> desavouiren ihre Richtung. Was aber das wichtigste ist, Mäh-<lb/> ren und Schlesien, die sie immer als <hi rendition="#g">Kronländer</hi> ( Kronländer<lb/> in unserer Zeit! ) verlangten, hat sich ganz von ihnen getrennt und<lb/> will durchaus keine Gemeinschaft mit ihnen haben!</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>Berlin 8. September. ( K. Z. ) Mit dem gestrigen Tage sind<lb/> wir wieder mitten in die Revolution zurückgeschleudert, mit ihm<lb/> ist uns der Beweis geliefert, daß der Boden, auf dem unsere<lb/> neuen Zustände wurzeln sollen, noch ein sehr vulcanischer ist, und<lb/> erst die Zukunft wird lehren, ob von dessen gestrigem Erbeben<lb/> das Staatsgebäude nicht unheilbare Risse bekommen hat. Die<lb/> Sing Akademie war den ganzen Tag von Tausenden umlagert,<lb/> die beliebten Volksredner der Zelte, der Präsident des Linden-<lb/> Clubs und andere Träger des „entschiedensten Fortschrittes“ fehl-<lb/> ten natürlich nicht, und auch Herr Held durchzog die harrenden<lb/> Massen, gefolgt von einer starken Proletarier=Leibwache damit der<lb/> Eifer des Volkes nicht erkalte. Die souverainen Urwähler<lb/> Berlins hielten während der ganzen Sitzung den Eingang der<lb/> Versammlung, das Vorhaus und selbst einen Theil der inne-<lb/> ren Treppe besetzt, erfrischten sich am Büffet und rauchten „ <hi rendition="#g">Mi-<lb/> nister=Cigarren mit Barricadenfeuer,</hi> “ welche Kna-<lb/> ben mit lauter Stimme, das Stück für einen Dreier, feilboten.<lb/> Selbst das den Abgeordneten ausschließlich reservirte Erfrischungs-<lb/> zimmer war vom souverainen Volke buchstäblich gefüllt, und<lb/> nur mit Mühe gelang es einigen Deputirten der Linken ( Jacobi<lb/> u. A. ) diesen letzten Zufluchtsort einiger Maßen zu entsetzen.<lb/> Ueber den Einfluß dieser Demonstration auf die Verhandlung<lb/> herrscht hier nur Eine Stimme. Jch erlaube mir, Sie daran<lb/> zu erinnern, daß ich Jhnen schon im Juni schrieb, die Ver-<lb/> sammlung berathe nicht frei unter dem Einflusse einer umla-<lb/> gernden, von Zeit zu Zeit in Hurrahs oder Drohrufe aus-<lb/> brechenden Menge: heute bin ich überzeugt, das, wenn die<lb/> Provinzen nicht unverzüglich und auf das energischste auf die<lb/> Verlegung der National=Versammlung antragen, ihnen nicht<lb/> die Verfassung und die Gesetze ihrer gewählten Vertreter wer-<lb/> den wird, sondern nur diejenigen Jnstitutionen, welche jenen<lb/> von unseren hiesigen Clubmännern, mit rothen Federn am<lb/> Hut, dictirt werden. Auch auf unsere Presse übt der Terrorismus<lb/> bereits denselben Einfluß wie im Juni, wie Sie aus dem plötzlich<lb/> veränderten Tone derselben ( namentlich der „Spener'schen Zeit-<lb/> ung ) bemerken werden. Sprechen sich die Provinzen nicht unver-<lb/> züglich kräftig aus und entziehen ihre Abgeordneten den hiesigen<lb/> Einflüssen, so wiederholt sich bei uns der Entwickelungsgang der<lb/> ersten französischen Revolution, eine kleine, aber unermüdliche und<lb/> kühne Fraction wird die Schreckensherrschaft erringen über die<lb/> große, aber indolente oder — <hi rendition="#g">feige</hi> Masse.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>( A. Z. ) Nach sicheren Mittheilungen aus München hat die<lb/> k. bayerische Staatsregierung dem Minister des Auswärtigen,<lb/> Grafen Bray, einstimmig die Mission gegeben, persönlich in Frank-<lb/> furt nicht allein rückhaltlose Anerkennung und Unterstützung der<lb/> Centralgewalt auszusprechen, sondern auch die aufrichtigste und<lb/> kräftigste Mitwirkung zu Vermittelung und Ausgleichung der aus<lb/> Anlaß des Waffenstillstandes mit Dänemark drohenden Zerwürf-<lb/> nisse zu versuchen, jedem Separatismus mit Entschiedenheit entge-<lb/> genzutreten, aber auch alles zu thun um das eingetretene unselige<lb/> Mißverhältniß zu Preußen auszugleichen, damit das Ausland<lb/> nicht darüber triumphiren könne, daß Deutschland in den feierlich-<lb/><cb type="end"/> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0003]
widerwillig aufnehme, eben weil ihr innerer Gehalt, ihre ver-
nünftigen Motive nicht durch die Discussion in ein helleres Licht
gestellt würden. Somit hätte diese Gefahr die Mehrheit mit
der Minderheit zu theilen und von einer Uebervortheilung könne
keine Rede seyn. Jn der Abstimmung ist der Schoderische Antrag
nach Verwerfung des Bassermannschen mit 243 gegen 209
Stimmen angenommen worden, nachdem vielfaches Bedenken ge-
gen die Zählung erhoben, aber als unbegründet abgewiesen wor-
den war. Der Antrag lautet dahin: daß sogleich die Bestim-
mungen des Entwurfs der Grundrechte über Versammlungs-
und Vereinsrecht, Oeffentlichkeit und Mündlichkeit, die Rechts-
pflege mit Geschwornengerichten und über die Befreiung von
Grund und Boden berathen und die Beschlüsse hierüber, sowie
über die Gleichheit vor dem Gesetze, Glaubens= und Gewissens-
freiheit, Preßfreiheit, Unverletzlichkeit der Personen in der Woh-
nung, Briefgeheimniß, durch den Verfassungsausschuß zusammenge-
stellt u. sofort für alle Länder mit Gesetzeskraft verfehen werden sol-
len. Der Rest der Sitzung ward ausgefüllt mit der Abstimmung über
die Ordnung, in welcher die Amendements zu §. 14. der Grund-
rechte sollten votirt werden, was zu lebhaften Discussionen Anlaß
gab. Ueber den Erfolg der Abstimmung selbst, deren Resultat
Jhnen bereits bekannt seyn wird ( siehe unsere Beilage von heute
morgen ) , verdient das als bemerkenswerth hervorgehoben zu
werden, daß der Antrag Derer, die volle Freiheit begehrten, in
einer Minorität von 99 blieb, dagegen der Antrag von Kuen-
zer den Beifall der Mehrheit gefunden hat!
Jn Wien ( von wo die Post vom 7. vor uns liegt ) war die
ungarische Massendeputation — über 100 Mitglieder des Reichs-
tags — angekommen. Am folgenden Tage sollten fünf derselben
in einer Audienz dem Kaiser ihre kategorisch gestellten Forderungen
vorlegen. Der Minister Esterhazy, an einer Ausgleichung
verzweifelnd, hatte seine Entlassung eingegeben. — Frankreich und
England verlangen in eben eingereichten Noten, daß während
der Vermittelung Venedig nicht angegriffen werde.
Wien 7. September. ( Br. Z. ) Jn der heutigen Reichs-
tagssitzung herrschte sehr starke Erregtheit. Schon gestern
hatte der galizische Abgeordnete Gubicki sich gegen das Verhal-
ten des Grafen Stadion beschwert, der mehrere bäuerliche
Abgeordnete Galiziens mit seiner Partei zu stimmen beredet habe,
indem es sich um die Existenz des Thrones selbst handle. Darüber
ward denn heute eine äußerst lebhafte Debatte geführt, die damit
endete, daß auf den Antrag des Grafen v. Stadion selbst eine
Commission zur Untersuchung des betreffenden Falles zu bilden
beschlossen wurde. Um 3 / 4 auf 1 Uhr erfolgte die Antwort
des Ministeriums auf die Borrosch 'sche Jnterpellation. Dobl-
hoff verlas sie. Wir entnehmen daraus das Wichtigste: zu-
nächst definitive Ablehnung aller Jmputationen
aufreactionäre Tendenzen, eben so aber auch festes
Ankämpfen gegen anarchische und republikanische
Bestrebungen, — Feststellung der constitutionellen Monarchie
im Grundsatze der Gleichberechtigung Aller, — im vorliegenden
Falle habe das auf monarchischem Boden stehende Ministerium,
Bach's Ansichten zu den seinigen machen müssen, — Beschlüsse
des Reichstages, die Gesetzeskraft erlangen sollen,
müssen die Sanction des Monarchen erhalten, —
Hinweisung auf die kaiserliche Erklärung vom 3. Juni, wodurch
der Aufbau des Constitutionswerkes unter Mitwirkung der
Abgeordneten zugesagt, und der überwiegenden Meinung der
österreichischen Völker keine Schranken setzen zu wollen erklärt
wird, — in der Vollziehung jenes Versprechens liege der Act der
Vereinbarung, — der Verantwortlichkeitspflicht unterziehe
sich das Ministerium in jedem Betrachte. Man kann den Sieg
des Ministeriums, aber zugleich seinen vollendeten Rücktritt von
der demokratischen Partei als entschieden betrachten. [ Die Erklä-
rung Doblhoffs wurde vom Reichstage mit Acclamation auf-
genommen. ]
Prag 6. September. ( A. Z. ) Das wichtigste Ereigniß der
jüngsten Tage in Böhmen waren unstreitig die Beschlüsse der Ab-
geordneten der deutsch=böhmischen constitutio-
nellen Vereine in Teplitz in den letzten Tagen des August.
Sie verlangen, nach dem Vorschlag Löhners in der Wiener Reichs-
versammlung, Eintheilung der österreichischen Provinzen in Reichs-
kreise nach den Sprachgränzen mit Kreishauptleuten an der Spitze,
die unmittelbar unter dem Ministerium stehen, und von den Ge-
meinden gewählte Kreisräthe zur Seite haben ( ich erinnere hier,
daß während der Pfingstereignisse mehrere Kreishauptleute unmit-
telbar mit Pillersdorff correspondirten ) — ferner Aufhebung der
Provinziallandtage, eine auf Selbstverwaltung gegründete Ge-
meindeverfassung mit Gemeinderäthen nach directen Wahlen, end-
lich eine von den Tschechen gänzlich abgesonderte Verwaltung.
Mit Voraussetzung des politischen Anschlusses an Deutschland ( zu
welchem Behufe die noch nicht vollzogenen Wahlen nach Frank-
furt sogleich eingeleitet werden sollen ) wurde der Zollanschluß be-
schlossen, unter der Bedingung, daß alle deutschen Staa-
ten eintreten, daß Schutzzölle eingeführt, alle Flußzölle auf-
gehoben, die Rohstoffe einer unbedeutenden Controleabgabe unter-
worfen, Rückzölle eingeführt werden, und eine Uebergangsperiode
von 12 bis 18 Monaten stattfinde. Man beschloß eine Petition
in diesem Sinne an die Wiener Reichsversammlung und zwei
Antwortsadressen an die Wiener und Frankfurter Versammlung zu
richten. Als Centralverein wurde der Reichenberger Verein er-
klärt, Organ wird die vom 1. October an in Prag erscheinende,
vom Prager constitutionellen Verein herausgegebene Deutsche
Zeitung aus Böhmen seyn. Gegen die schon beschlossene Ein-
theilung in Reichskreise nach Sprachgränzen protestirten später
die vier Abgeordneten aus Prag, weil dadurch unsere Hauptstadt
und andere Orte mit gemischter Bevölkerung der Tschechisirung
ganz preisgegeben würden. Jn Folge heftiger Debatten wurde der
Zusatz in die Adresse aufgenommen, daß die Deutschen in Prag
gleiche Rechte mit den Tschechen erhalten möchten. Sie können
sich vorstellen, welche Sensation diese Beschlüsse unter den hiesigen
Tschechen erregten. Sie werden bald zur Erkenntniß kommen
müssen von welcher Wichtigkeit es ist, wenn sich der fruchtbarste
und industriereichste Theil Böhmens in Gesinnung und That von
ihnen absondert. Ueberhaupt werden sie bald mit ihren Sonder-
bestrebungen in Oesterreich allein dastehen, denn selbst die Croaten
desavouiren ihre Richtung. Was aber das wichtigste ist, Mäh-
ren und Schlesien, die sie immer als Kronländer ( Kronländer
in unserer Zeit! ) verlangten, hat sich ganz von ihnen getrennt und
will durchaus keine Gemeinschaft mit ihnen haben!
Berlin 8. September. ( K. Z. ) Mit dem gestrigen Tage sind
wir wieder mitten in die Revolution zurückgeschleudert, mit ihm
ist uns der Beweis geliefert, daß der Boden, auf dem unsere
neuen Zustände wurzeln sollen, noch ein sehr vulcanischer ist, und
erst die Zukunft wird lehren, ob von dessen gestrigem Erbeben
das Staatsgebäude nicht unheilbare Risse bekommen hat. Die
Sing Akademie war den ganzen Tag von Tausenden umlagert,
die beliebten Volksredner der Zelte, der Präsident des Linden-
Clubs und andere Träger des „entschiedensten Fortschrittes“ fehl-
ten natürlich nicht, und auch Herr Held durchzog die harrenden
Massen, gefolgt von einer starken Proletarier=Leibwache damit der
Eifer des Volkes nicht erkalte. Die souverainen Urwähler
Berlins hielten während der ganzen Sitzung den Eingang der
Versammlung, das Vorhaus und selbst einen Theil der inne-
ren Treppe besetzt, erfrischten sich am Büffet und rauchten „ Mi-
nister=Cigarren mit Barricadenfeuer, “ welche Kna-
ben mit lauter Stimme, das Stück für einen Dreier, feilboten.
Selbst das den Abgeordneten ausschließlich reservirte Erfrischungs-
zimmer war vom souverainen Volke buchstäblich gefüllt, und
nur mit Mühe gelang es einigen Deputirten der Linken ( Jacobi
u. A. ) diesen letzten Zufluchtsort einiger Maßen zu entsetzen.
Ueber den Einfluß dieser Demonstration auf die Verhandlung
herrscht hier nur Eine Stimme. Jch erlaube mir, Sie daran
zu erinnern, daß ich Jhnen schon im Juni schrieb, die Ver-
sammlung berathe nicht frei unter dem Einflusse einer umla-
gernden, von Zeit zu Zeit in Hurrahs oder Drohrufe aus-
brechenden Menge: heute bin ich überzeugt, das, wenn die
Provinzen nicht unverzüglich und auf das energischste auf die
Verlegung der National=Versammlung antragen, ihnen nicht
die Verfassung und die Gesetze ihrer gewählten Vertreter wer-
den wird, sondern nur diejenigen Jnstitutionen, welche jenen
von unseren hiesigen Clubmännern, mit rothen Federn am
Hut, dictirt werden. Auch auf unsere Presse übt der Terrorismus
bereits denselben Einfluß wie im Juni, wie Sie aus dem plötzlich
veränderten Tone derselben ( namentlich der „Spener'schen Zeit-
ung ) bemerken werden. Sprechen sich die Provinzen nicht unver-
züglich kräftig aus und entziehen ihre Abgeordneten den hiesigen
Einflüssen, so wiederholt sich bei uns der Entwickelungsgang der
ersten französischen Revolution, eine kleine, aber unermüdliche und
kühne Fraction wird die Schreckensherrschaft erringen über die
große, aber indolente oder — feige Masse.
( A. Z. ) Nach sicheren Mittheilungen aus München hat die
k. bayerische Staatsregierung dem Minister des Auswärtigen,
Grafen Bray, einstimmig die Mission gegeben, persönlich in Frank-
furt nicht allein rückhaltlose Anerkennung und Unterstützung der
Centralgewalt auszusprechen, sondern auch die aufrichtigste und
kräftigste Mitwirkung zu Vermittelung und Ausgleichung der aus
Anlaß des Waffenstillstandes mit Dänemark drohenden Zerwürf-
nisse zu versuchen, jedem Separatismus mit Entschiedenheit entge-
genzutreten, aber auch alles zu thun um das eingetretene unselige
Mißverhältniß zu Preußen auszugleichen, damit das Ausland
nicht darüber triumphiren könne, daß Deutschland in den feierlich-
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