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Mainzer Journal. Nr. 92. Mainz, 21. September 1848.

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Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den "Rheinischen Unterhaltungs-
blättern " schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 92. Donnerstag, den 21. September. 1848.


[Beginn Spaltensatz] Bestellungen auf das mit dem 1. October begin-
nende neue Quartal des Mainzer Journals nehmen
alle Postämter an und wir ersuchen die resp. Abon-
nenten, dieselben möglichst bald machen zu wollen,
damit wir die Größe der Auflage bestimmen können.
Eben so bitten wir alle Freunde sich nach Kräften für
die Verbreitung unseres Blattes zu interessiren.


Parlament und Anarchie.

C Die Männer der rothen Republik, denen es nicht gelun-
gen, das Parlament auf gesetzlichem Wege zu knechten oder durch
innere Zwietracht aufzulösen, haben den entscheidenden Wurf
gethan. Die Pöbelscenen, der Barricadenkampf zu Frankfurt
kann bezeichnet werden als ein verzweifelter, aber schwerlich als
der letzte Versuch einer rasenden Parthei, die sich nicht frei glaubt,
wenn sie nicht Deutschland despotisiren darf; die das Werk des
Wiederaufbaues eines deutschen Reiches mit scheelen Augen an-
sieht, da sie weiß, es sey die Lage der Conservativen nur darum
so mißlich gewesen, weil es so wenig volksthümliche, lebenskräf-
tige Jnstitutionen zu conserviren gab; die glüht von Haß gegen
alles Kirchenthum, weil die Kirche das letzte unverwüstliche Boll-
werk ist, wohin sich der Geist der Erhaltung zurückziehen könnte,
um von da aus die glückliche Reconstruction der socialen und
politischen Ordnung und Freiheit, der Kunst und Wissenschaft
zu unternehmen. Es ist gefährlich, sich über die Stärke dieser
Parthei zu täuschen: daher wollen wir die Wurzeln ihrer Macht
untersuchen und das Maß der Kraft bemessen, mit welcher die-
sem verderblichen Treiben zu begegnen ist.

Die Geringachtung, das gesunkene Ansehen der Regierungen
und damit des Gesetzes, die völlige Abspannung, die nicht aus-
bleiben konnte nach einer überspannten Souveränetätslehre, welche
lähmend die gesammte Lebenskraft des Volkes in ihre Netze ge-
zogen hatte, das Proletariat, die massenhafte Armuth, die Nichts
verlieren kann und Alles gewinnen zu können wähnt, besonders
das Proletariat verkommener Journalisten, die an Grundsätzen
und Wissen Schiffbruch gelitten, der wuchernde Atheismus in
tausend Zeitungen und Flugblättern als ätzendes Gift über die
ehernen Grundpfeiler des Rechtes und der Ordnung ausgegossen,
dazu die heillose Begriffsverwirrung, die niederschmetternde Macht
halb und falsch verstandener, oft völlig lügenhafter Schlagwörter,
die Sinn und Bedeutung gewinnen einestheils aus Deutschlands
alter Zersplitterung und Entwürdigung gegenüber dem Ausland,
andererseits aus den Magazinen einer hochmüthigen Halbwissen-
schaft und seichten Allwisserei, wie sie aus Conversationslexiken
und unwahren Brochuren geschöpft wird, der unerschöpfliche Vor-
rath endlich von Verdächtigung und Verläumdung, womit
aus dem sichern Hinterhalt der Anonymität es den Männern
tüchtiger Gesinnung unmöglich gemacht wird, versöhnlich und
beruhigend an die Spitze der irregeleiteten Wühler zu tre-
ten: -- das sind die Elemente, die genügen, alle Verkom-
menen, Unzufriedenen, Schwankenden, Haltlosen zu Einer com-
pacten Masse zu vereinigen. Gelegene Sammelpunkte fehlen auch
nicht, und gewandte Führer sind die Bankrottirer, ganz gleich,
ob sie bankrott geworden an Geld, an Achtung, an Ehre, an
Religion, an Lebensberuf und Lebenszweck.

Gefährlich sind diese Massen dadurch, daß sie ihrer Zahl und
Kraft bewußt, bei der Leichtigkeit und Schnelligkeit des Reisens,
rasch und unvermuthet auf jeden beliebigen Punkt sich werfen,
[Spaltenumbruch] daß sie durch immer erneuerte Versuche Militär und Behörden
abmüden, daß sie als unermüdliche Freischaaren der Freiheit, den
Kampf eröffnen und abbrechen können nach Belieben. Gefährlich
sind sie durch die Furchtsamkeit der guten Bürger und Familien-
väter, durch die leichte Nachgiebigkeit der Reichen, welche durch
die Gnade communistischer Raubhorden zu behalten hoffen, was
ihnen der Schutz des Rechtes für die Dauer nicht genügend
scheint gewährleisten zu können; gefährlich durch das schaam-
lose Einschüchterungssystem in Katzenmusiken und Fenster-
zertrümmern, in geheimen Drohungen und öffentlichen Ver-
läumdungen, die unter den Augen der macht= und muthlos ge-
wordenen Obrigkeiten fast wie Etwas, das sich von selbst ver-
steht, täglich statt haben; gefährlich durch das Verstummen so
mancher tüchtigen, zum Reden befugten und befähigten Männer,
gefährlich endlich durch das Provisorische, das Ungewisse,
Schwankende unseres Rechtes, unserer socialen und politischen
Ordnung; gefährlich durch die verderbliche Passivität so vieler
Freunde der Ordnung, die an eine völlige Theilnahmlosigkeit an
den öffentlichen Dingen durch die langjährige Allregiererei ge-
wöhnt, sich factisch zu der Devise bekennen: "Ruhe ist die erste
Bürgerpflicht!" gefährlich endlich durch die unbegreifliche Sorg-
losigkeit so vieler Optimisten, die in unbedingtem Vertrauen auf
die Macht des wohlorganisirten Staatsorganismus bei hellem
Tage schlafen und träumen.

Wahrhaftig, wen die Ermordung Leu's und Gagern's
nicht hat erwecken können, wem jetzt Lichnowskys und
Auerswalds Niedermetzelung nicht die Augen öffnen, der
leidet an unheilbarer Stockblindheit. Zu alle dem kommt noch das
Beispiel der in Baden straflos verübten Reichsverrätherei, die
noch immer in eine Glorie von Freiheitsphrasen sich zu verhüllen
weiß, -- nicht das unbedenklichste Zeichen unserer Zeit. Aber mehr
als durch das Alles verderblich wird diese Pest der Gesellschaft
durch den fast unverwüstlichen, lavinenartig anschwellenden Ball
innerer Zerrüttung. Mit jeder neuen Empörung, mit jeder neuen
Gefährdung des Rechtes und Eigenthumes, der Ruhe und Si-
cherheit, wächst die Besorgniß der Besitzenden, die Creditlosigkeit,
das Verbergen und Zusammenhalten aller Gelder, das Unter-
bleiben der sonst gewöhnlichen Bestellungen, namentlich in Luxus-
artikeln, die dadurch herbeigeführte Stockung in Handel und
Wandel, in allen Geschäften, und die nothwendig daraus hervor-
gehende Brodlosigkeit von tausend und tausend Arbeitern. Diese
bilden eine nie versiegende Quelle, einen reißend anwachsenden
Strom neuer Aufregung, neuer Unzufriedenheit und Empörung.
So sehen wir also den schlechten Zweck, der keiner Mittel sich zu
schämen braucht, angestrebt mit der vollsten Klarheit und Ent-
schiedenheit: mit Einem Worte wir sehen den Bund aller Schlech-
ten schlagfertig uns gegenüberstehen. Und was zu erwarten sey,
wenn diese Rotten zur Herrschaft gelangen: das kann man ab-
nehmen aus der Grausamkeit, mit welcher Lichnowsky und Auers-
wald von diesen Cannibalen abgeschlachtet worden sind.

Einem Bund aller Schlechten läßt sich aber in Wahrheit
nichts Haltbares entgegenstellen als ein Bund aller Guten.

Es ist unmöglich zu verkennen, daß es dazu die höchste Zeit
ist. Denn wie rasch der Geist der Anarchie um sich greift, das
belegen mit einem unumstößlichen Beweise die letzten Auftritte in
Potsdam, die man am allerwenigsten von dort her erwartete.
Wenn die letzte Stütze der Ordnung zu schwanken beginnt, dann
ist es nicht mehr an der Zeit, wie der Vogel Strauß thut, die
Augen vor der Gefahr zu schließen; dann gilt es, sie fest ins
Auge zu fassen, ihr ruhig, besonnen, entschieden, mit voller con-
centrischer Macht entgegen zu gehen.

[Ende Spaltensatz]
Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den „Rheinischen Unterhaltungs-
blättern “ schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 92. Donnerstag, den 21. September. 1848.


[Beginn Spaltensatz] Bestellungen auf das mit dem 1. October begin-
nende neue Quartal des Mainzer Journals nehmen
alle Postämter an und wir ersuchen die resp. Abon-
nenten, dieselben möglichst bald machen zu wollen,
damit wir die Größe der Auflage bestimmen können.
Eben so bitten wir alle Freunde sich nach Kräften für
die Verbreitung unseres Blattes zu interessiren.


Parlament und Anarchie.

C Die Männer der rothen Republik, denen es nicht gelun-
gen, das Parlament auf gesetzlichem Wege zu knechten oder durch
innere Zwietracht aufzulösen, haben den entscheidenden Wurf
gethan. Die Pöbelscenen, der Barricadenkampf zu Frankfurt
kann bezeichnet werden als ein verzweifelter, aber schwerlich als
der letzte Versuch einer rasenden Parthei, die sich nicht frei glaubt,
wenn sie nicht Deutschland despotisiren darf; die das Werk des
Wiederaufbaues eines deutschen Reiches mit scheelen Augen an-
sieht, da sie weiß, es sey die Lage der Conservativen nur darum
so mißlich gewesen, weil es so wenig volksthümliche, lebenskräf-
tige Jnstitutionen zu conserviren gab; die glüht von Haß gegen
alles Kirchenthum, weil die Kirche das letzte unverwüstliche Boll-
werk ist, wohin sich der Geist der Erhaltung zurückziehen könnte,
um von da aus die glückliche Reconstruction der socialen und
politischen Ordnung und Freiheit, der Kunst und Wissenschaft
zu unternehmen. Es ist gefährlich, sich über die Stärke dieser
Parthei zu täuschen: daher wollen wir die Wurzeln ihrer Macht
untersuchen und das Maß der Kraft bemessen, mit welcher die-
sem verderblichen Treiben zu begegnen ist.

Die Geringachtung, das gesunkene Ansehen der Regierungen
und damit des Gesetzes, die völlige Abspannung, die nicht aus-
bleiben konnte nach einer überspannten Souveränetätslehre, welche
lähmend die gesammte Lebenskraft des Volkes in ihre Netze ge-
zogen hatte, das Proletariat, die massenhafte Armuth, die Nichts
verlieren kann und Alles gewinnen zu können wähnt, besonders
das Proletariat verkommener Journalisten, die an Grundsätzen
und Wissen Schiffbruch gelitten, der wuchernde Atheismus in
tausend Zeitungen und Flugblättern als ätzendes Gift über die
ehernen Grundpfeiler des Rechtes und der Ordnung ausgegossen,
dazu die heillose Begriffsverwirrung, die niederschmetternde Macht
halb und falsch verstandener, oft völlig lügenhafter Schlagwörter,
die Sinn und Bedeutung gewinnen einestheils aus Deutschlands
alter Zersplitterung und Entwürdigung gegenüber dem Ausland,
andererseits aus den Magazinen einer hochmüthigen Halbwissen-
schaft und seichten Allwisserei, wie sie aus Conversationslexiken
und unwahren Brochuren geschöpft wird, der unerschöpfliche Vor-
rath endlich von Verdächtigung und Verläumdung, womit
aus dem sichern Hinterhalt der Anonymität es den Männern
tüchtiger Gesinnung unmöglich gemacht wird, versöhnlich und
beruhigend an die Spitze der irregeleiteten Wühler zu tre-
ten: — das sind die Elemente, die genügen, alle Verkom-
menen, Unzufriedenen, Schwankenden, Haltlosen zu Einer com-
pacten Masse zu vereinigen. Gelegene Sammelpunkte fehlen auch
nicht, und gewandte Führer sind die Bankrottirer, ganz gleich,
ob sie bankrott geworden an Geld, an Achtung, an Ehre, an
Religion, an Lebensberuf und Lebenszweck.

Gefährlich sind diese Massen dadurch, daß sie ihrer Zahl und
Kraft bewußt, bei der Leichtigkeit und Schnelligkeit des Reisens,
rasch und unvermuthet auf jeden beliebigen Punkt sich werfen,
[Spaltenumbruch] daß sie durch immer erneuerte Versuche Militär und Behörden
abmüden, daß sie als unermüdliche Freischaaren der Freiheit, den
Kampf eröffnen und abbrechen können nach Belieben. Gefährlich
sind sie durch die Furchtsamkeit der guten Bürger und Familien-
väter, durch die leichte Nachgiebigkeit der Reichen, welche durch
die Gnade communistischer Raubhorden zu behalten hoffen, was
ihnen der Schutz des Rechtes für die Dauer nicht genügend
scheint gewährleisten zu können; gefährlich durch das schaam-
lose Einschüchterungssystem in Katzenmusiken und Fenster-
zertrümmern, in geheimen Drohungen und öffentlichen Ver-
läumdungen, die unter den Augen der macht= und muthlos ge-
wordenen Obrigkeiten fast wie Etwas, das sich von selbst ver-
steht, täglich statt haben; gefährlich durch das Verstummen so
mancher tüchtigen, zum Reden befugten und befähigten Männer,
gefährlich endlich durch das Provisorische, das Ungewisse,
Schwankende unseres Rechtes, unserer socialen und politischen
Ordnung; gefährlich durch die verderbliche Passivität so vieler
Freunde der Ordnung, die an eine völlige Theilnahmlosigkeit an
den öffentlichen Dingen durch die langjährige Allregiererei ge-
wöhnt, sich factisch zu der Devise bekennen: „Ruhe ist die erste
Bürgerpflicht!“ gefährlich endlich durch die unbegreifliche Sorg-
losigkeit so vieler Optimisten, die in unbedingtem Vertrauen auf
die Macht des wohlorganisirten Staatsorganismus bei hellem
Tage schlafen und träumen.

Wahrhaftig, wen die Ermordung Leu's und Gagern's
nicht hat erwecken können, wem jetzt Lichnowskys und
Auerswalds Niedermetzelung nicht die Augen öffnen, der
leidet an unheilbarer Stockblindheit. Zu alle dem kommt noch das
Beispiel der in Baden straflos verübten Reichsverrätherei, die
noch immer in eine Glorie von Freiheitsphrasen sich zu verhüllen
weiß, — nicht das unbedenklichste Zeichen unserer Zeit. Aber mehr
als durch das Alles verderblich wird diese Pest der Gesellschaft
durch den fast unverwüstlichen, lavinenartig anschwellenden Ball
innerer Zerrüttung. Mit jeder neuen Empörung, mit jeder neuen
Gefährdung des Rechtes und Eigenthumes, der Ruhe und Si-
cherheit, wächst die Besorgniß der Besitzenden, die Creditlosigkeit,
das Verbergen und Zusammenhalten aller Gelder, das Unter-
bleiben der sonst gewöhnlichen Bestellungen, namentlich in Luxus-
artikeln, die dadurch herbeigeführte Stockung in Handel und
Wandel, in allen Geschäften, und die nothwendig daraus hervor-
gehende Brodlosigkeit von tausend und tausend Arbeitern. Diese
bilden eine nie versiegende Quelle, einen reißend anwachsenden
Strom neuer Aufregung, neuer Unzufriedenheit und Empörung.
So sehen wir also den schlechten Zweck, der keiner Mittel sich zu
schämen braucht, angestrebt mit der vollsten Klarheit und Ent-
schiedenheit: mit Einem Worte wir sehen den Bund aller Schlech-
ten schlagfertig uns gegenüberstehen. Und was zu erwarten sey,
wenn diese Rotten zur Herrschaft gelangen: das kann man ab-
nehmen aus der Grausamkeit, mit welcher Lichnowsky und Auers-
wald von diesen Cannibalen abgeschlachtet worden sind.

Einem Bund aller Schlechten läßt sich aber in Wahrheit
nichts Haltbares entgegenstellen als ein Bund aller Guten.

Es ist unmöglich zu verkennen, daß es dazu die höchste Zeit
ist. Denn wie rasch der Geist der Anarchie um sich greift, das
belegen mit einem unumstößlichen Beweise die letzten Auftritte in
Potsdam, die man am allerwenigsten von dort her erwartete.
Wenn die letzte Stütze der Ordnung zu schwanken beginnt, dann
ist es nicht mehr an der Zeit, wie der Vogel Strauß thut, die
Augen vor der Gefahr zu schließen; dann gilt es, sie fest ins
Auge zu fassen, ihr ruhig, besonnen, entschieden, mit voller con-
centrischer Macht entgegen zu gehen.

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Abon- nenten, dieselben möglichst bald machen zu wollen, damit wir die Größe der Auflage bestimmen können. Eben so bitten wir alle Freunde sich nach Kräften für die Verbreitung unseres Blattes zu interessiren. Parlament und Anarchie. C Die Männer der rothen Republik, denen es nicht gelun- gen, das Parlament auf gesetzlichem Wege zu knechten oder durch innere Zwietracht aufzulösen, haben den entscheidenden Wurf gethan. Die Pöbelscenen, der Barricadenkampf zu Frankfurt kann bezeichnet werden als ein verzweifelter, aber schwerlich als der letzte Versuch einer rasenden Parthei, die sich nicht frei glaubt, wenn sie nicht Deutschland despotisiren darf; die das Werk des Wiederaufbaues eines deutschen Reiches mit scheelen Augen an- sieht, da sie weiß, es sey die Lage der Conservativen nur darum so mißlich gewesen, weil es so wenig volksthümliche, lebenskräf- tige Jnstitutionen zu conserviren gab; die glüht von Haß gegen alles Kirchenthum, weil die Kirche das letzte unverwüstliche Boll- werk ist, wohin sich der Geist der Erhaltung zurückziehen könnte, um von da aus die glückliche Reconstruction der socialen und politischen Ordnung und Freiheit, der Kunst und Wissenschaft zu unternehmen. Es ist gefährlich, sich über die Stärke dieser Parthei zu täuschen: daher wollen wir die Wurzeln ihrer Macht untersuchen und das Maß der Kraft bemessen, mit welcher die- sem verderblichen Treiben zu begegnen ist. Die Geringachtung, das gesunkene Ansehen der Regierungen und damit des Gesetzes, die völlige Abspannung, die nicht aus- bleiben konnte nach einer überspannten Souveränetätslehre, welche lähmend die gesammte Lebenskraft des Volkes in ihre Netze ge- zogen hatte, das Proletariat, die massenhafte Armuth, die Nichts verlieren kann und Alles gewinnen zu können wähnt, besonders das Proletariat verkommener Journalisten, die an Grundsätzen und Wissen Schiffbruch gelitten, der wuchernde Atheismus in tausend Zeitungen und Flugblättern als ätzendes Gift über die ehernen Grundpfeiler des Rechtes und der Ordnung ausgegossen, dazu die heillose Begriffsverwirrung, die niederschmetternde Macht halb und falsch verstandener, oft völlig lügenhafter Schlagwörter, die Sinn und Bedeutung gewinnen einestheils aus Deutschlands alter Zersplitterung und Entwürdigung gegenüber dem Ausland, andererseits aus den Magazinen einer hochmüthigen Halbwissen- schaft und seichten Allwisserei, wie sie aus Conversationslexiken und unwahren Brochuren geschöpft wird, der unerschöpfliche Vor- rath endlich von Verdächtigung und Verläumdung, womit aus dem sichern Hinterhalt der Anonymität es den Männern tüchtiger Gesinnung unmöglich gemacht wird, versöhnlich und beruhigend an die Spitze der irregeleiteten Wühler zu tre- ten: — das sind die Elemente, die genügen, alle Verkom- menen, Unzufriedenen, Schwankenden, Haltlosen zu Einer com- pacten Masse zu vereinigen. Gelegene Sammelpunkte fehlen auch nicht, und gewandte Führer sind die Bankrottirer, ganz gleich, ob sie bankrott geworden an Geld, an Achtung, an Ehre, an Religion, an Lebensberuf und Lebenszweck. Gefährlich sind diese Massen dadurch, daß sie ihrer Zahl und Kraft bewußt, bei der Leichtigkeit und Schnelligkeit des Reisens, rasch und unvermuthet auf jeden beliebigen Punkt sich werfen, daß sie durch immer erneuerte Versuche Militär und Behörden abmüden, daß sie als unermüdliche Freischaaren der Freiheit, den Kampf eröffnen und abbrechen können nach Belieben. Gefährlich sind sie durch die Furchtsamkeit der guten Bürger und Familien- väter, durch die leichte Nachgiebigkeit der Reichen, welche durch die Gnade communistischer Raubhorden zu behalten hoffen, was ihnen der Schutz des Rechtes für die Dauer nicht genügend scheint gewährleisten zu können; gefährlich durch das schaam- lose Einschüchterungssystem in Katzenmusiken und Fenster- zertrümmern, in geheimen Drohungen und öffentlichen Ver- läumdungen, die unter den Augen der macht= und muthlos ge- wordenen Obrigkeiten fast wie Etwas, das sich von selbst ver- steht, täglich statt haben; gefährlich durch das Verstummen so mancher tüchtigen, zum Reden befugten und befähigten Männer, gefährlich endlich durch das Provisorische, das Ungewisse, Schwankende unseres Rechtes, unserer socialen und politischen Ordnung; gefährlich durch die verderbliche Passivität so vieler Freunde der Ordnung, die an eine völlige Theilnahmlosigkeit an den öffentlichen Dingen durch die langjährige Allregiererei ge- wöhnt, sich factisch zu der Devise bekennen: „Ruhe ist die erste Bürgerpflicht!“ gefährlich endlich durch die unbegreifliche Sorg- losigkeit so vieler Optimisten, die in unbedingtem Vertrauen auf die Macht des wohlorganisirten Staatsorganismus bei hellem Tage schlafen und träumen. Wahrhaftig, wen die Ermordung Leu's und Gagern's nicht hat erwecken können, wem jetzt Lichnowskys und Auerswalds Niedermetzelung nicht die Augen öffnen, der leidet an unheilbarer Stockblindheit. Zu alle dem kommt noch das Beispiel der in Baden straflos verübten Reichsverrätherei, die noch immer in eine Glorie von Freiheitsphrasen sich zu verhüllen weiß, — nicht das unbedenklichste Zeichen unserer Zeit. Aber mehr als durch das Alles verderblich wird diese Pest der Gesellschaft durch den fast unverwüstlichen, lavinenartig anschwellenden Ball innerer Zerrüttung. Mit jeder neuen Empörung, mit jeder neuen Gefährdung des Rechtes und Eigenthumes, der Ruhe und Si- cherheit, wächst die Besorgniß der Besitzenden, die Creditlosigkeit, das Verbergen und Zusammenhalten aller Gelder, das Unter- bleiben der sonst gewöhnlichen Bestellungen, namentlich in Luxus- artikeln, die dadurch herbeigeführte Stockung in Handel und Wandel, in allen Geschäften, und die nothwendig daraus hervor- gehende Brodlosigkeit von tausend und tausend Arbeitern. Diese bilden eine nie versiegende Quelle, einen reißend anwachsenden Strom neuer Aufregung, neuer Unzufriedenheit und Empörung. So sehen wir also den schlechten Zweck, der keiner Mittel sich zu schämen braucht, angestrebt mit der vollsten Klarheit und Ent- schiedenheit: mit Einem Worte wir sehen den Bund aller Schlech- ten schlagfertig uns gegenüberstehen. Und was zu erwarten sey, wenn diese Rotten zur Herrschaft gelangen: das kann man ab- nehmen aus der Grausamkeit, mit welcher Lichnowsky und Auers- wald von diesen Cannibalen abgeschlachtet worden sind. Einem Bund aller Schlechten läßt sich aber in Wahrheit nichts Haltbares entgegenstellen als ein Bund aller Guten. Es ist unmöglich zu verkennen, daß es dazu die höchste Zeit ist. Denn wie rasch der Geist der Anarchie um sich greift, das belegen mit einem unumstößlichen Beweise die letzten Auftritte in Potsdam, die man am allerwenigsten von dort her erwartete. Wenn die letzte Stütze der Ordnung zu schwanken beginnt, dann ist es nicht mehr an der Zeit, wie der Vogel Strauß thut, die Augen vor der Gefahr zu schließen; dann gilt es, sie fest ins Auge zu fassen, ihr ruhig, besonnen, entschieden, mit voller con- centrischer Macht entgegen zu gehen.

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 92. Mainz, 21. September 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal092_1848/1>, abgerufen am 21.11.2024.