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Mainzer Journal. Nr. 93. Mainz, 22. September 1848.

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[Beginn Spaltensatz] dächtigungen, welche Herr Kolb, der Monopolist der pfälzischen
Zeitungspresse, allenfalls daran knüpfen mag. Als ich im Par-
lamente zum Erstenmal wagte, eine andere Ueberzeugung zu
haben, als Hr. Kolb und seine Freunde, und nicht unbedingt
schwur in verba magistri Blum, da kam es gleich mit großen
Lettern in die Speyerer Zeitung, daß die Pfälzer einig gewesen
seyen, mit Ausnahme des Abgeordneten Glaß. Ebenso mit
eindringlichen Nebenbemerkungen, zur Aufstachelung der Leser,
ging es, als sich der Fall noch ein paarmal wiederholte. Die
Abweichungen von den übrigen pfälzer Votis waren, daß ich das
Gesetz über die Centralgewalt nicht als Ganzes verwarf, daß ich
die Pfalz vor Zuzug aus Ländern, die keine Gewerbsfreiheit
haben, zu schützen suchte, daß ich die Spectaculanten nicht gleich
wieder auf die Gallerie ließ, daß ich gegen Hecker stimmte. Mit
Hilfe einiger persönlicher Feinde gelang es so der Speyerer Zei-
tung, eine bedeutende Abneigung gegen mich bei Denen zu er-
zeugen, deren Urtheil in politischen Dingen also lautet: Die
Pfälzer sind die freisinnigsten und politisch=einsichtsvollsten im
Parlamente, wie auf den vielen bayerischen Landtagen; Glaß
ist von den Pfälzern abgefallen, also ist er ein Verräther der
Pfalz, ein Fürstendiener. Man überlegte nicht, daß hier eine
freigewählte Versammlung aus allen deutschen Gauen tage, daß
ich nach meinem Glaubensbekenntniß nicht mit der Linken des
deutschen Hofes durchweg stimmen könne, man las auch nicht,
daß die erprobtesten Patrioten, daß fast das ganze Rheinland in
solchen kritischen Fragen nicht auf Seite der Pfälzer stehen, von
denen ja mehrere entschiedene Republikaner sind! -- Aus dem
Parlament ausscheidend, werde ich in Landau, dessen Bürger
bisher in mir den uneigennützigsten, unerschrockensten und ich kann
wohl sagen, den einzigen Verfechter ihrer allgemeinen Jnteressen
gekannt und geehrt hatten, empfangen wie ein wortbrüchiger ab-
trünniger Schuft, wie ein selbstsüchtiger Landesverräther, der
im Parlamente nur für sich gesorgt habe! Die besser denkenden
Bürger schwiegen1). Jch entwarf nun ein Cirkular an meine Wahl-
männer, vor deren Zusammenberufung mich achtbare Stimme warn-
ten, da es nur Lärmen und Anfeindung geben werde -- und stellte
meine Abstimmungen zusammen, zum Beweis, daß ich nur ein
paarmal von den meisten, oder allen Pfälzern abgewichen sey
( worüber ich jedesmal umständliche Berichte heimgeschickt hatte ) , und
zog aus den stenographischen Berichten die Namen der Rheinländer
( aus einem nahe liegenden Grund, weil diese mindestens als
solche kein Mißtrauen finden würden ) und Männer der Linken
aus, mit denen ich übereingestimmt habe. So notirte ich in der Hecker-
frage nach p. 1497. der stenographischen Berichte unter vielen Na-
men auch den des Abgeordneten Zimmermann aus Stuttgart.
Gleich kommt ein Artikel in der Speyerer Zeitung, welcher mich in
diesem Punkt der Unwahrheit bezüchtigt und hervorhebt, ich berufe
mich auf die Ultramontanen ( natürlich wenn ich die Rheinländer
zusammenstelle, finden sich auch Ultramontanen darunter ) . Das
war auf die gläubigen Leser der Speyerer Zeitung gut berech-
net: -- da liest man's ja, Glaß ist ein Lügner und ein Ultra-
montaner, oder hält mindestens zu ihnen! Jch reclamire sofort
bei der Speyerer Zeitung und bitte, sie solle doch mit zwei Wor-
ten anzeigen, daß Zimmermann ausweislich der stenogra-
phischen Berichte
wirklich gegen Hecker gestimmt habe,
was er jetzt als einen Jrthum behaupte. Statt dessen kommt in
der Speyerer Zeitung ein neuer Artikel, worin ich sogar der
wissentlichen Unwahrheit beschuldiget werde, "denn ich
hätte es wissen können und müssen, daß Zimmermann für
Hecker gestimmt habe ( !! ) ." Von dem Jrrthum in den steno-
graphischen Berichten keine Sylbe! Nun heißt es natürlich, daß
Herr Kolb mich hübsch Lügen gestraft habe! was soll man von
einem Abgeordneten halten, dessen Rechtfertigung auf Lügen be-
ruht? Kreuziget ihn!

Herr Kolb sollte nach solchem Verfahren in seiner Zeitung
nicht mehr von Jesuiten u. dgl. reden. Denn etwas Perfideres,
Jesuitischeres kann es nicht geben, als sein Benehmen gegen mich.
Jch bestreite ihm nicht, daß er gegen die Authenticität des Pro-
tokolls einen Jrrthum des Bureau behaupte, aber warum zeiht
er mich zweimal der Lüge, warum geht er nicht auf meine Re-
clamation ein, daß er nur den Beisatz machen solle: "Jm steno-
graphischen Berichte stehe es allerdings, wie Glaß es angege-
ben?" Und diese Zeitung mit ihren Verdrehungen, Entstellungen
und bewußten Lügen ist die einzige Zeitung der Pfalz, sie macht
in der vorderen Pfalz theilweise die Stimmung; sie stempelt die
ersten Talente, die größten Kräfte der Nationalversammlung
( z. B. einen Beckerath ) durch die Art ihrer Berichte zu schwach-
[Spaltenumbruch] köpfigen Nullen, sie hilft den Gedanken im Volke mit verbreiten,
es seyen im Parlamente nur zwei wirkliche Parteien, eine volks-
feindliche Majorität und die patriotische Minorität. Mehr als ein
Parlamentsmitglied hat den wühlenden und vergiftenden Einfluß
dieser Art von Presse auf die Pfalz mit Bedauern wahrgenom-
men und öffentlich als eine Calamität beklagt; ich könnte deren
Namen nennen, es sind Rheinländer und hochgeachtete Namen.
Glaß, Anwalt und vordem Abgeordneter aus Landau.

Frankfurt 19. Sept., Abends. ( Karlsr. Z. ) Die große
Mehrzahl der Theilnehmer an dem gestrigen Aufstande ist spurlos
verschwunden. Da die meisten derselben nicht Frankfurt, sondern
den benachbarten Ortschaften angehörten, so würde es nicht allzu
schwer geworden seyn, ihrer habhaft zu werden, wenn man zeitig
genug daran gedacht hätte, die Thore der Stadt zu schließen.
Während des Kampfes selbst sind nur wenige Gefangene gemacht
worden, denn die Aufrührer waren nicht so blind begeistert, daß
sie nicht die Annäherung der Truppen zeitig genug wahrge-
nommen hätten, um sich aus dem Staub zu machen. Nur in we-
nigen Häusern, von denen aus eine Mitvertheidigung von Barri-
caden stattgefunden, fingen die Truppen, nachdem sie sich derselben
bemächtigt hatten, eine Anzahl von Aufrührern ein, welche sofort
gebunden und in sichern Gewahrsam gebracht wurden.

Ein von dem Justizminister, Hrn. Robert Mohl, unterzeich-
neter Maueranschlag macht bekannt, daß alle Gefangenen auf die
Hauptwache an das dort sitzende ständige Kriegsgericht abgeliefert
werden sollen. Jm Laufe der nächsten Tage wird die Zahl der
Gefangenen ohne Zweifel beträchtlich anwachsen, denn es wird
ein Leichtes seyn, hunderte von Theilnehmern an dem Kampfe zu
ermitteln, der sechs Stunden lang am hellen Tage und inmitten
eines großen Zudranges von Neugierigen geführt wurde. Hof-
fentlich wird man vor allem Andern auf die Mörder der HH. v.
Auerswald und Lichnowsky Rücksicht nehmen, welche dem benach-
barten Bornheim anzugehören scheinen, und deren Namen unter
dieser Voraussetzung unmöglich der Justiz ein Geheimniß bleiben
können, da die Schandthat dieser Barbaren eine Menge von
Augenzeugen gehabt hat. Abgeordnete der Nation, scheußlich hin-
gemordet auf ihre politische Meinung, auf ein im Parlament ge-
gebenes Votum hin! Jch weiß nicht, ob die Geschichte irgend
eines andern Volkes ein solches Bubenstück kennt.

Die Hauptverantwortlichkeit für alles gestrige Unglück trifft
Niemand anders, als die hiesige Bürgerwehr, welche allein durch
ihre, ich weiß nicht, soll ich sagen Lauheit oder Feigheit, oder
alberne Empfindlichkeit, den Kampf überhaupt möglich gemacht
hat. Wäre nur der dritte Theil der Bürgerwehr auf den Lärm-
plätzen erschienen, als der Generalmarsch geschlagen wurde, so
hätte die ganze Stadt so besetzt werden können, daß die Aufrich-
tung einer einzigen Barricade unthunlich geworden seyn würde,
und man hätte überdieß zu rechter Zeit die Thore sperren und den
Zuzug der Bewaffneten von außen hindern können, ohne welchen
es vermuthlich auch nach der Errichtung der Barricaden nicht
zum Kampf gekommen wäre. Jch habe eine Menge von Barri-
caden bauen sehen, bei denen nicht ein einziger Bewaffneter, nicht
ein einziger Mann zu sehen war, dem die Sache Ernst gewesen
wäre. Zwei, drei entschlossene Bürgerwehr=Männer hätten an
vielen Orten die sämmtlichen Barricadenmacher fortjagen können,
ohne auch nur Widerspruch, geschweige denn Widerstand zu finden.
Aber die Bürgerwehr kam nicht; sey es, daß sie es, wie man zu
ihrer Entschuldigung sagt, übel genommen hatte, daß durch den
Senat Truppen aus Mainz berufen worden, als ob sie nicht
Manns genug wäre, um die Stadt ohne fremde Hilfe zu verthei-
digen. Jch für meine Person kann leider nicht an die Empfind-
lichkeit, ich muß vielmehr, so leid es mir thut, an Schwäche
glauben, zumal nach Dem, was mir mehrere Bürgerwehrmänner
ohne Scheu über die doppelt große Gefahr gesagt haben, sich an
dem gestrigen Tage in einer den Aufrührern verhaßten und den
Truppen unbekannten Uniform zu zeigen. Welches aber auch die
Veranlassung des Nichterscheinens der Bürgerwehr -- keine 100
Mann derselben waren dem Ruf der Trommel gefolgt -- gewesen
sey, möge ihr Beispiel und mögen die mittelbaren und unmittel-
baren Folgen desselben jeder ehrliebenden Stadt in Deutschland
zur Warnung und Abschreckung dienen.

Schweiz.

Bern 20. September. Gestern kamen in der Tagsatzung die
Repressalien Radetzky's gegen Tessin zur Sprache. Alles war
entrüstet über das Benehmen des Feldmarschalls, welches durch
ein Schreiben des österreichischen Gesandten von Kaisersfeld, das
während der Sitzung anlangte, vollkommen gut geheißen wird.
Von Zürich wurde die Motion gestellt und kurz begründet, eine
Commission niederzusetzen, um mit möglichster Beförderung über
[Ende Spaltensatz]

1) Wie es fast überall zu gehen pflegt, denn "Feigheit ist der Fluch
unserer Zeit." Florencourt.     Anm. der Red.

[Beginn Spaltensatz] dächtigungen, welche Herr Kolb, der Monopolist der pfälzischen
Zeitungspresse, allenfalls daran knüpfen mag. Als ich im Par-
lamente zum Erstenmal wagte, eine andere Ueberzeugung zu
haben, als Hr. Kolb und seine Freunde, und nicht unbedingt
schwur in verba magistri Blum, da kam es gleich mit großen
Lettern in die Speyerer Zeitung, daß die Pfälzer einig gewesen
seyen, mit Ausnahme des Abgeordneten Glaß. Ebenso mit
eindringlichen Nebenbemerkungen, zur Aufstachelung der Leser,
ging es, als sich der Fall noch ein paarmal wiederholte. Die
Abweichungen von den übrigen pfälzer Votis waren, daß ich das
Gesetz über die Centralgewalt nicht als Ganzes verwarf, daß ich
die Pfalz vor Zuzug aus Ländern, die keine Gewerbsfreiheit
haben, zu schützen suchte, daß ich die Spectaculanten nicht gleich
wieder auf die Gallerie ließ, daß ich gegen Hecker stimmte. Mit
Hilfe einiger persönlicher Feinde gelang es so der Speyerer Zei-
tung, eine bedeutende Abneigung gegen mich bei Denen zu er-
zeugen, deren Urtheil in politischen Dingen also lautet: Die
Pfälzer sind die freisinnigsten und politisch=einsichtsvollsten im
Parlamente, wie auf den vielen bayerischen Landtagen; Glaß
ist von den Pfälzern abgefallen, also ist er ein Verräther der
Pfalz, ein Fürstendiener. Man überlegte nicht, daß hier eine
freigewählte Versammlung aus allen deutschen Gauen tage, daß
ich nach meinem Glaubensbekenntniß nicht mit der Linken des
deutschen Hofes durchweg stimmen könne, man las auch nicht,
daß die erprobtesten Patrioten, daß fast das ganze Rheinland in
solchen kritischen Fragen nicht auf Seite der Pfälzer stehen, von
denen ja mehrere entschiedene Republikaner sind! — Aus dem
Parlament ausscheidend, werde ich in Landau, dessen Bürger
bisher in mir den uneigennützigsten, unerschrockensten und ich kann
wohl sagen, den einzigen Verfechter ihrer allgemeinen Jnteressen
gekannt und geehrt hatten, empfangen wie ein wortbrüchiger ab-
trünniger Schuft, wie ein selbstsüchtiger Landesverräther, der
im Parlamente nur für sich gesorgt habe! Die besser denkenden
Bürger schwiegen1). Jch entwarf nun ein Cirkular an meine Wahl-
männer, vor deren Zusammenberufung mich achtbare Stimme warn-
ten, da es nur Lärmen und Anfeindung geben werde — und stellte
meine Abstimmungen zusammen, zum Beweis, daß ich nur ein
paarmal von den meisten, oder allen Pfälzern abgewichen sey
( worüber ich jedesmal umständliche Berichte heimgeschickt hatte ) , und
zog aus den stenographischen Berichten die Namen der Rheinländer
( aus einem nahe liegenden Grund, weil diese mindestens als
solche kein Mißtrauen finden würden ) und Männer der Linken
aus, mit denen ich übereingestimmt habe. So notirte ich in der Hecker-
frage nach p. 1497. der stenographischen Berichte unter vielen Na-
men auch den des Abgeordneten Zimmermann aus Stuttgart.
Gleich kommt ein Artikel in der Speyerer Zeitung, welcher mich in
diesem Punkt der Unwahrheit bezüchtigt und hervorhebt, ich berufe
mich auf die Ultramontanen ( natürlich wenn ich die Rheinländer
zusammenstelle, finden sich auch Ultramontanen darunter ) . Das
war auf die gläubigen Leser der Speyerer Zeitung gut berech-
net: — da liest man's ja, Glaß ist ein Lügner und ein Ultra-
montaner, oder hält mindestens zu ihnen! Jch reclamire sofort
bei der Speyerer Zeitung und bitte, sie solle doch mit zwei Wor-
ten anzeigen, daß Zimmermann ausweislich der stenogra-
phischen Berichte
wirklich gegen Hecker gestimmt habe,
was er jetzt als einen Jrthum behaupte. Statt dessen kommt in
der Speyerer Zeitung ein neuer Artikel, worin ich sogar der
wissentlichen Unwahrheit beschuldiget werde, „denn ich
hätte es wissen können und müssen, daß Zimmermann für
Hecker gestimmt habe ( !! ) .“ Von dem Jrrthum in den steno-
graphischen Berichten keine Sylbe! Nun heißt es natürlich, daß
Herr Kolb mich hübsch Lügen gestraft habe! was soll man von
einem Abgeordneten halten, dessen Rechtfertigung auf Lügen be-
ruht? Kreuziget ihn!

Herr Kolb sollte nach solchem Verfahren in seiner Zeitung
nicht mehr von Jesuiten u. dgl. reden. Denn etwas Perfideres,
Jesuitischeres kann es nicht geben, als sein Benehmen gegen mich.
Jch bestreite ihm nicht, daß er gegen die Authenticität des Pro-
tokolls einen Jrrthum des Bureau behaupte, aber warum zeiht
er mich zweimal der Lüge, warum geht er nicht auf meine Re-
clamation ein, daß er nur den Beisatz machen solle: „Jm steno-
graphischen Berichte stehe es allerdings, wie Glaß es angege-
ben?“ Und diese Zeitung mit ihren Verdrehungen, Entstellungen
und bewußten Lügen ist die einzige Zeitung der Pfalz, sie macht
in der vorderen Pfalz theilweise die Stimmung; sie stempelt die
ersten Talente, die größten Kräfte der Nationalversammlung
( z. B. einen Beckerath ) durch die Art ihrer Berichte zu schwach-
[Spaltenumbruch] köpfigen Nullen, sie hilft den Gedanken im Volke mit verbreiten,
es seyen im Parlamente nur zwei wirkliche Parteien, eine volks-
feindliche Majorität und die patriotische Minorität. Mehr als ein
Parlamentsmitglied hat den wühlenden und vergiftenden Einfluß
dieser Art von Presse auf die Pfalz mit Bedauern wahrgenom-
men und öffentlich als eine Calamität beklagt; ich könnte deren
Namen nennen, es sind Rheinländer und hochgeachtete Namen.
Glaß, Anwalt und vordem Abgeordneter aus Landau.

Frankfurt 19. Sept., Abends. ( Karlsr. Z. ) Die große
Mehrzahl der Theilnehmer an dem gestrigen Aufstande ist spurlos
verschwunden. Da die meisten derselben nicht Frankfurt, sondern
den benachbarten Ortschaften angehörten, so würde es nicht allzu
schwer geworden seyn, ihrer habhaft zu werden, wenn man zeitig
genug daran gedacht hätte, die Thore der Stadt zu schließen.
Während des Kampfes selbst sind nur wenige Gefangene gemacht
worden, denn die Aufrührer waren nicht so blind begeistert, daß
sie nicht die Annäherung der Truppen zeitig genug wahrge-
nommen hätten, um sich aus dem Staub zu machen. Nur in we-
nigen Häusern, von denen aus eine Mitvertheidigung von Barri-
caden stattgefunden, fingen die Truppen, nachdem sie sich derselben
bemächtigt hatten, eine Anzahl von Aufrührern ein, welche sofort
gebunden und in sichern Gewahrsam gebracht wurden.

Ein von dem Justizminister, Hrn. Robert Mohl, unterzeich-
neter Maueranschlag macht bekannt, daß alle Gefangenen auf die
Hauptwache an das dort sitzende ständige Kriegsgericht abgeliefert
werden sollen. Jm Laufe der nächsten Tage wird die Zahl der
Gefangenen ohne Zweifel beträchtlich anwachsen, denn es wird
ein Leichtes seyn, hunderte von Theilnehmern an dem Kampfe zu
ermitteln, der sechs Stunden lang am hellen Tage und inmitten
eines großen Zudranges von Neugierigen geführt wurde. Hof-
fentlich wird man vor allem Andern auf die Mörder der HH. v.
Auerswald und Lichnowsky Rücksicht nehmen, welche dem benach-
barten Bornheim anzugehören scheinen, und deren Namen unter
dieser Voraussetzung unmöglich der Justiz ein Geheimniß bleiben
können, da die Schandthat dieser Barbaren eine Menge von
Augenzeugen gehabt hat. Abgeordnete der Nation, scheußlich hin-
gemordet auf ihre politische Meinung, auf ein im Parlament ge-
gebenes Votum hin! Jch weiß nicht, ob die Geschichte irgend
eines andern Volkes ein solches Bubenstück kennt.

Die Hauptverantwortlichkeit für alles gestrige Unglück trifft
Niemand anders, als die hiesige Bürgerwehr, welche allein durch
ihre, ich weiß nicht, soll ich sagen Lauheit oder Feigheit, oder
alberne Empfindlichkeit, den Kampf überhaupt möglich gemacht
hat. Wäre nur der dritte Theil der Bürgerwehr auf den Lärm-
plätzen erschienen, als der Generalmarsch geschlagen wurde, so
hätte die ganze Stadt so besetzt werden können, daß die Aufrich-
tung einer einzigen Barricade unthunlich geworden seyn würde,
und man hätte überdieß zu rechter Zeit die Thore sperren und den
Zuzug der Bewaffneten von außen hindern können, ohne welchen
es vermuthlich auch nach der Errichtung der Barricaden nicht
zum Kampf gekommen wäre. Jch habe eine Menge von Barri-
caden bauen sehen, bei denen nicht ein einziger Bewaffneter, nicht
ein einziger Mann zu sehen war, dem die Sache Ernst gewesen
wäre. Zwei, drei entschlossene Bürgerwehr=Männer hätten an
vielen Orten die sämmtlichen Barricadenmacher fortjagen können,
ohne auch nur Widerspruch, geschweige denn Widerstand zu finden.
Aber die Bürgerwehr kam nicht; sey es, daß sie es, wie man zu
ihrer Entschuldigung sagt, übel genommen hatte, daß durch den
Senat Truppen aus Mainz berufen worden, als ob sie nicht
Manns genug wäre, um die Stadt ohne fremde Hilfe zu verthei-
digen. Jch für meine Person kann leider nicht an die Empfind-
lichkeit, ich muß vielmehr, so leid es mir thut, an Schwäche
glauben, zumal nach Dem, was mir mehrere Bürgerwehrmänner
ohne Scheu über die doppelt große Gefahr gesagt haben, sich an
dem gestrigen Tage in einer den Aufrührern verhaßten und den
Truppen unbekannten Uniform zu zeigen. Welches aber auch die
Veranlassung des Nichterscheinens der Bürgerwehr — keine 100
Mann derselben waren dem Ruf der Trommel gefolgt — gewesen
sey, möge ihr Beispiel und mögen die mittelbaren und unmittel-
baren Folgen desselben jeder ehrliebenden Stadt in Deutschland
zur Warnung und Abschreckung dienen.

Schweiz.

Bern 20. September. Gestern kamen in der Tagsatzung die
Repressalien Radetzky's gegen Tessin zur Sprache. Alles war
entrüstet über das Benehmen des Feldmarschalls, welches durch
ein Schreiben des österreichischen Gesandten von Kaisersfeld, das
während der Sitzung anlangte, vollkommen gut geheißen wird.
Von Zürich wurde die Motion gestellt und kurz begründet, eine
Commission niederzusetzen, um mit möglichster Beförderung über
[Ende Spaltensatz]

1) Wie es fast überall zu gehen pflegt, denn „Feigheit ist der Fluch
unserer Zeit.“ Florencourt.     Anm. der Red.
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[0003] dächtigungen, welche Herr Kolb, der Monopolist der pfälzischen Zeitungspresse, allenfalls daran knüpfen mag. Als ich im Par- lamente zum Erstenmal wagte, eine andere Ueberzeugung zu haben, als Hr. Kolb und seine Freunde, und nicht unbedingt schwur in verba magistri Blum, da kam es gleich mit großen Lettern in die Speyerer Zeitung, daß die Pfälzer einig gewesen seyen, mit Ausnahme des Abgeordneten Glaß. Ebenso mit eindringlichen Nebenbemerkungen, zur Aufstachelung der Leser, ging es, als sich der Fall noch ein paarmal wiederholte. Die Abweichungen von den übrigen pfälzer Votis waren, daß ich das Gesetz über die Centralgewalt nicht als Ganzes verwarf, daß ich die Pfalz vor Zuzug aus Ländern, die keine Gewerbsfreiheit haben, zu schützen suchte, daß ich die Spectaculanten nicht gleich wieder auf die Gallerie ließ, daß ich gegen Hecker stimmte. Mit Hilfe einiger persönlicher Feinde gelang es so der Speyerer Zei- tung, eine bedeutende Abneigung gegen mich bei Denen zu er- zeugen, deren Urtheil in politischen Dingen also lautet: Die Pfälzer sind die freisinnigsten und politisch=einsichtsvollsten im Parlamente, wie auf den vielen bayerischen Landtagen; Glaß ist von den Pfälzern abgefallen, also ist er ein Verräther der Pfalz, ein Fürstendiener. Man überlegte nicht, daß hier eine freigewählte Versammlung aus allen deutschen Gauen tage, daß ich nach meinem Glaubensbekenntniß nicht mit der Linken des deutschen Hofes durchweg stimmen könne, man las auch nicht, daß die erprobtesten Patrioten, daß fast das ganze Rheinland in solchen kritischen Fragen nicht auf Seite der Pfälzer stehen, von denen ja mehrere entschiedene Republikaner sind! — Aus dem Parlament ausscheidend, werde ich in Landau, dessen Bürger bisher in mir den uneigennützigsten, unerschrockensten und ich kann wohl sagen, den einzigen Verfechter ihrer allgemeinen Jnteressen gekannt und geehrt hatten, empfangen wie ein wortbrüchiger ab- trünniger Schuft, wie ein selbstsüchtiger Landesverräther, der im Parlamente nur für sich gesorgt habe! Die besser denkenden Bürger schwiegen 1). Jch entwarf nun ein Cirkular an meine Wahl- männer, vor deren Zusammenberufung mich achtbare Stimme warn- ten, da es nur Lärmen und Anfeindung geben werde — und stellte meine Abstimmungen zusammen, zum Beweis, daß ich nur ein paarmal von den meisten, oder allen Pfälzern abgewichen sey ( worüber ich jedesmal umständliche Berichte heimgeschickt hatte ) , und zog aus den stenographischen Berichten die Namen der Rheinländer ( aus einem nahe liegenden Grund, weil diese mindestens als solche kein Mißtrauen finden würden ) und Männer der Linken aus, mit denen ich übereingestimmt habe. So notirte ich in der Hecker- frage nach p. 1497. der stenographischen Berichte unter vielen Na- men auch den des Abgeordneten Zimmermann aus Stuttgart. Gleich kommt ein Artikel in der Speyerer Zeitung, welcher mich in diesem Punkt der Unwahrheit bezüchtigt und hervorhebt, ich berufe mich auf die Ultramontanen ( natürlich wenn ich die Rheinländer zusammenstelle, finden sich auch Ultramontanen darunter ) . Das war auf die gläubigen Leser der Speyerer Zeitung gut berech- net: — da liest man's ja, Glaß ist ein Lügner und ein Ultra- montaner, oder hält mindestens zu ihnen! Jch reclamire sofort bei der Speyerer Zeitung und bitte, sie solle doch mit zwei Wor- ten anzeigen, daß Zimmermann ausweislich der stenogra- phischen Berichte wirklich gegen Hecker gestimmt habe, was er jetzt als einen Jrthum behaupte. Statt dessen kommt in der Speyerer Zeitung ein neuer Artikel, worin ich sogar der wissentlichen Unwahrheit beschuldiget werde, „denn ich hätte es wissen können und müssen, daß Zimmermann für Hecker gestimmt habe ( !! ) .“ Von dem Jrrthum in den steno- graphischen Berichten keine Sylbe! Nun heißt es natürlich, daß Herr Kolb mich hübsch Lügen gestraft habe! was soll man von einem Abgeordneten halten, dessen Rechtfertigung auf Lügen be- ruht? Kreuziget ihn! Herr Kolb sollte nach solchem Verfahren in seiner Zeitung nicht mehr von Jesuiten u. dgl. reden. Denn etwas Perfideres, Jesuitischeres kann es nicht geben, als sein Benehmen gegen mich. Jch bestreite ihm nicht, daß er gegen die Authenticität des Pro- tokolls einen Jrrthum des Bureau behaupte, aber warum zeiht er mich zweimal der Lüge, warum geht er nicht auf meine Re- clamation ein, daß er nur den Beisatz machen solle: „Jm steno- graphischen Berichte stehe es allerdings, wie Glaß es angege- ben?“ Und diese Zeitung mit ihren Verdrehungen, Entstellungen und bewußten Lügen ist die einzige Zeitung der Pfalz, sie macht in der vorderen Pfalz theilweise die Stimmung; sie stempelt die ersten Talente, die größten Kräfte der Nationalversammlung ( z. B. einen Beckerath ) durch die Art ihrer Berichte zu schwach- köpfigen Nullen, sie hilft den Gedanken im Volke mit verbreiten, es seyen im Parlamente nur zwei wirkliche Parteien, eine volks- feindliche Majorität und die patriotische Minorität. Mehr als ein Parlamentsmitglied hat den wühlenden und vergiftenden Einfluß dieser Art von Presse auf die Pfalz mit Bedauern wahrgenom- men und öffentlich als eine Calamität beklagt; ich könnte deren Namen nennen, es sind Rheinländer und hochgeachtete Namen. Glaß, Anwalt und vordem Abgeordneter aus Landau. Frankfurt 19. Sept., Abends. ( Karlsr. Z. ) Die große Mehrzahl der Theilnehmer an dem gestrigen Aufstande ist spurlos verschwunden. Da die meisten derselben nicht Frankfurt, sondern den benachbarten Ortschaften angehörten, so würde es nicht allzu schwer geworden seyn, ihrer habhaft zu werden, wenn man zeitig genug daran gedacht hätte, die Thore der Stadt zu schließen. Während des Kampfes selbst sind nur wenige Gefangene gemacht worden, denn die Aufrührer waren nicht so blind begeistert, daß sie nicht die Annäherung der Truppen zeitig genug wahrge- nommen hätten, um sich aus dem Staub zu machen. Nur in we- nigen Häusern, von denen aus eine Mitvertheidigung von Barri- caden stattgefunden, fingen die Truppen, nachdem sie sich derselben bemächtigt hatten, eine Anzahl von Aufrührern ein, welche sofort gebunden und in sichern Gewahrsam gebracht wurden. Ein von dem Justizminister, Hrn. Robert Mohl, unterzeich- neter Maueranschlag macht bekannt, daß alle Gefangenen auf die Hauptwache an das dort sitzende ständige Kriegsgericht abgeliefert werden sollen. Jm Laufe der nächsten Tage wird die Zahl der Gefangenen ohne Zweifel beträchtlich anwachsen, denn es wird ein Leichtes seyn, hunderte von Theilnehmern an dem Kampfe zu ermitteln, der sechs Stunden lang am hellen Tage und inmitten eines großen Zudranges von Neugierigen geführt wurde. Hof- fentlich wird man vor allem Andern auf die Mörder der HH. v. Auerswald und Lichnowsky Rücksicht nehmen, welche dem benach- barten Bornheim anzugehören scheinen, und deren Namen unter dieser Voraussetzung unmöglich der Justiz ein Geheimniß bleiben können, da die Schandthat dieser Barbaren eine Menge von Augenzeugen gehabt hat. Abgeordnete der Nation, scheußlich hin- gemordet auf ihre politische Meinung, auf ein im Parlament ge- gebenes Votum hin! Jch weiß nicht, ob die Geschichte irgend eines andern Volkes ein solches Bubenstück kennt. Die Hauptverantwortlichkeit für alles gestrige Unglück trifft Niemand anders, als die hiesige Bürgerwehr, welche allein durch ihre, ich weiß nicht, soll ich sagen Lauheit oder Feigheit, oder alberne Empfindlichkeit, den Kampf überhaupt möglich gemacht hat. Wäre nur der dritte Theil der Bürgerwehr auf den Lärm- plätzen erschienen, als der Generalmarsch geschlagen wurde, so hätte die ganze Stadt so besetzt werden können, daß die Aufrich- tung einer einzigen Barricade unthunlich geworden seyn würde, und man hätte überdieß zu rechter Zeit die Thore sperren und den Zuzug der Bewaffneten von außen hindern können, ohne welchen es vermuthlich auch nach der Errichtung der Barricaden nicht zum Kampf gekommen wäre. Jch habe eine Menge von Barri- caden bauen sehen, bei denen nicht ein einziger Bewaffneter, nicht ein einziger Mann zu sehen war, dem die Sache Ernst gewesen wäre. Zwei, drei entschlossene Bürgerwehr=Männer hätten an vielen Orten die sämmtlichen Barricadenmacher fortjagen können, ohne auch nur Widerspruch, geschweige denn Widerstand zu finden. Aber die Bürgerwehr kam nicht; sey es, daß sie es, wie man zu ihrer Entschuldigung sagt, übel genommen hatte, daß durch den Senat Truppen aus Mainz berufen worden, als ob sie nicht Manns genug wäre, um die Stadt ohne fremde Hilfe zu verthei- digen. Jch für meine Person kann leider nicht an die Empfind- lichkeit, ich muß vielmehr, so leid es mir thut, an Schwäche glauben, zumal nach Dem, was mir mehrere Bürgerwehrmänner ohne Scheu über die doppelt große Gefahr gesagt haben, sich an dem gestrigen Tage in einer den Aufrührern verhaßten und den Truppen unbekannten Uniform zu zeigen. Welches aber auch die Veranlassung des Nichterscheinens der Bürgerwehr — keine 100 Mann derselben waren dem Ruf der Trommel gefolgt — gewesen sey, möge ihr Beispiel und mögen die mittelbaren und unmittel- baren Folgen desselben jeder ehrliebenden Stadt in Deutschland zur Warnung und Abschreckung dienen. Schweiz. Bern 20. September. Gestern kamen in der Tagsatzung die Repressalien Radetzky's gegen Tessin zur Sprache. Alles war entrüstet über das Benehmen des Feldmarschalls, welches durch ein Schreiben des österreichischen Gesandten von Kaisersfeld, das während der Sitzung anlangte, vollkommen gut geheißen wird. Von Zürich wurde die Motion gestellt und kurz begründet, eine Commission niederzusetzen, um mit möglichster Beförderung über 1) Wie es fast überall zu gehen pflegt, denn „Feigheit ist der Fluch unserer Zeit.“ Florencourt. Anm. der Red.

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 93. Mainz, 22. September 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal093_1848/3>, abgerufen am 14.06.2024.