Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mainzer Journal. Nr. 158. Mainz, 7. Dezember 1848.

Bild:
<< vorherige Seite
Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 158. Freitag, den 8. December. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Verhandlungen der Nationalversammlung.
Vom 7. December.

Fortsetzung der Berathung über die Grundrechte des deutschen Vol-
kes. Art. III. bis IV.

Den Vorsitz nimmt Heinrich v. Gagern ein. Jn Bezug
auf die gestrigen Beschlüsse über die Aufhebung der Standesun-
terschiede, des Adels, fremder Orden sind mehrere protokolla-
rische Erklärungen nachträglich übergeben worden, die der Prä-
sident verliest. Die zweite Berathung der Grundrechte steht an
Artikel III. §. 8., der von der Sicherung der persönlichen
Freiheit
handelt. Auf eine nochmalige Debatte des Gegenstan-
des wird verzichtet und darauf der Paragraph nach der Fassung
der Ausschußmehrheit in folgender Gestalt angenommen:

§. 8. "Die Freiheit der Person ist unverletzlich. Die Verhaf-
tung einer Person soll, außer im Falle der Ergreifung auf frischer
That, nur geschehen in Kraft eines richterlichen, mit Gründen
versehenen Befehles. Dieser Befehl muß im Augenblicke der Ver-
haftung oder innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden
dem Verhafteten zugestellt werden. Die Polizeibehörde muß Jeden,
den sie in Verwahrung genommen hat, im Laufe des folgenden
Tages entweder freilassen oder der richterlichen Behörde über-
geben. Jeder Angeschuldigte soll gegen Stellung einer vom Ge-
richte zu bestimmenden Caution oder Bürgschaft der Haft entlassen
werden, sofern nicht dringende Anzeigen eines schweren peinlichen
Verbrechens gegen denselben vorliegen. Jm Falle einer wider-
rechtlich verfügten oder verlängerten Gefangenschaft ist der Schul-
dige und nöthigenfalls der Staat dem Verletzten zur Genugthuung
und Entschädigung verpflichtet. Die für das Heer= und Seewesen
erforderlichen Modificationen dieser Bestimmungen werden beson-
deren Gesetzen vorbehalten."

Zu §. 9. werden zahlreiche Verbesserungsanträge mitgetheilt.
Darunter der Osterraths und Genossen, wornach die To-
desstrafe aufrecht erhalten
und nur die körperliche Züch-
tigung, Pranger u. s. w. abgeschafft werden soll. Dennoch erhebt
sich für die Besprechung nicht die nöthige Anzahl von Mitgliedern
und es wird auch hier sogleich zur Abstimmung geschritten. Un-
ter den Anträgen, die weiter gehen, als selbst die früheren Be-
schlüsse des Hauses und als der darnach geformte Vorschlag des
Verfassungsausschusses, heben wir den hervor, welcher sich auch
gegen die Strafe "der Arbeit in Eisen" richtet. Ueber den Satz:
"die Todesstrafe ist abgeschafft" -- die Ausnahme des Kriegs-
rechtes vorbehaltlich -- wird besonders und durch Zettel abge-
stimmt. 256 Stimmen gegen 172 bejahen die Abschaffung.
Was die Ausnahme des Kriegsrechtes in Bezug auf die Todes-
strafe anlangt, so will eine Minderheit des Ausschusses nicht das
Kriegsrecht im Allgemeinen zum Verhängen der Todesstrafe er-
mächtigen, sondern nur im Falle eines Krieges mit auswär-
tigen
Staaten. Die Minderheit setzt sich aus den Herren Wi-
gard, Ahrens, Mittermaier, Schreiner, Gülich, Welcker zu-
sammen. Jhr Antrag wird von 283 gegen 155 Stimmen ab-
gelehnt. Angenommen wird dagegen ein Zusatz v. Redens, die
Meuterei auf der See betreffend, wonach der Paragraph
schließlich die folgende Fassung erhält:

§. 9. "Die Todesstrafe, ausgenommen wo das Kriegsrecht
sie vorschreibt oder das Seerecht im Falle von Meutereien sie zu-
läßt, sowie die Strafen des Prangers, der Brandmarkung und
der körperlichen Züchtigung sind abgeschafft."

Ehe auf §. 10. übergegangen wird, verkündet G. Beseler,
daß der Verfassungsausschuß mit einem Gesetzentwurfe über die
zeitweilige Aufhebung gewisser Grundrechte beschäftigt sey, auf
dessen Berathung er die auf Belagerungszustand u. s. w. bezüg-
lichen Anträge zu verschieben bittet. Wigard aber erhält das
Wort, um das Minderheitserachten ( Zusatzparagraphen ) : "Kein
Ort in Deutschland darf, ausgenommen in Fällen des Krieges
mit auswärtigen Staaten, in Belagerungszustand versetzt wer-
den. Das Standrecht findet nur Anwendung in Zeiten des Krie-
ges mit auswärtigen Staaten für die Fälle, wo das Kriegsrecht
sie vorschreibt --" zu empfehlen. Die Abstimmung erfolgt durch
Zettel. 296 Stimmen gegen 138 lehnen diesen Zusatz ab. Eben
so wird mit 247 gegen 194 Stimmen der eventuelle Antrag Ma-
kowicza 's
und Genossen abgelehnt: daß der Belagerungszu-
stand, das Kriegs= und Standrecht nur in den Fällen und Formen,
die ein Reichsgesetz regeln werde, verhängt werden dürfe.

[Spaltenumbruch]

§. 10., wie er ohne Discussion zum Beschlusse erhoben wor-
den, lautet: "Die Wohnung ist unverletzlich. Eine Haussuchung
ist nur zulässig: 1 ) Jn Kraft eines richterlichen mit Gründen
versehenen Befehles, welcher sofort oder innerhalb der nächsten
vierundzwanzig Stunden den Betheiligten zugestellt werden soll.
2 ) Jm Falle der Verfolgung auf frischer That durch den gesetz-
lich berechtigten Beamten. 3 ) Jn den Fällen und Formen, in
welchen das Gesetz ausnahmsweis bestimmten Beamten auch ohne
richterlichen Befehl dieselbe gestattet. Die Haussuchung muß,
wenn thunlich, mit Zuziehung von Hausgenossen erfolgen. Die
Unverletzlichkeit der Wohnung ist kein Hinderniß der Verhaftung
eines gerichtlich Verfolgten."

Desgleichen ohne Discussion und durchaus in der Fassung
der Ausschußmehrheit:

§. 11. "Die Beschlagnahme von Briefen und Papieren darf,
außer bei einer Verhaftung oder Haussuchung, nur in Kraft eines
richterlichen, mit Gründen versehenen Befehles vorgenommen
werden, welcher sofort oder innerhalb der nächsten 24 Stunden
dem Betheiligten zugestellt werden soll."

§. 12. "Das Briefgeheimniß ist gewährleistet. Die bei straf-
gerichtlichen Untersuchungen und in Kriegsfällen nothwendigen
Beschränkungen sind durch die Gesetzgebung festzustellen."

Der Präsident bringt zur Anzeige, daß bei den vorhergehenden
Zettelabstimmungen der Name von Trützschlers dreimal
und eben so der Name Raus' aus Wolframitz doppelt
und mit verschiedener Hand geschrieben in die Urne
gekommen sey.
( Bewegung des Unwillens. ) Natürlich, daß
die Genannten selbst an diesem Mißbrauche unbetheiligt sind, wie
Zimmermann von Stuttgart diese Unschuld sogar für die
ganze Fraction seiner politischen Freunde von der Rednerbühne
herab verbürgen zu müssen glaubt. Der Präsident bemerkt in-
dessen, daß dieser Unfug zum wenigsten die Abstimmungsweise
durch Zettel als eine sehr unverlässige erscheinen lasse. Ein An-
trag von der Linken, der gegen das Bestehen oder Errichten
von geheimer Polizei Abwehr ergreift, wird zurückgewiesen,
weil die darunter gesetzten Unterschriften zwar von der ausreichen-
den Anzahl sind, aber dem Anscheine nach meist von stellver-
tretender Hand herrühren.
Der Zweck heiligt ja die
Mittel! Der Formfehler wird von Drechsler anerkannt und
zugleich hinzugefügt, derselbe Antrag werde an anderer Stelle
wiederholt werden und so, daß keine Formausstellung daran ge-
macht werden könne. ( Heiterkeit. )

Jm Artikel IV. §. 13. hat die Redaction des Verfassungs-
ausschusses von den Bestimmungen des frühern Beschlusses:
die Preßfreiheit dürfe weder beschränkt, suspendirt noch aufgehoben
werden, das " suspendirt " in Wegfall gebracht. Neu ist da-
gegen in eben diesem Paragraphen der Zusatz durch "vorbeugende
Maßregeln." Gegen beide Abänderungen werden mehrseitige
Bedenken und darum Schwierigkeiten über die Fragestellung er-
hoben. Die Versammlung entscheidet endlich über das letztere.
Nachdem nämlich der erste Absatz von §. 13.:

"Jeder Deutsche hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck
und bildliche Darstellung seine Meinung frei zu äußern"

bereits angenommen ist, wird der folgende Satz:

"Die Preßfreiheit darf unter keinen Umständen und in kei-
ner Weise durch vorbeugende Maßregeln, namentlich Censur,
Concessionen, Sicherheitsbestellungen, Staatsauflagen, Be-
schränkungen der Druckereien oder des Buchhandels, Postver-
bote oder andere Hemmungen des freien Verkehres beschränkt
oder aufgehoben werden" --

mit dem Vorbehalte zur Abstimmung ( durch Zettel ) gebracht, daß
über das Wort "suspendirt" noch besonders abgestimmt werde.

Wesendonck und Zimmermann aus Stuttgart erklären,
sie und ihre Parteigenossen müßten auf die Abstimmung verzichten,
wenn die Fragestellung nicht geändert werde, denn sie thue ihrer
Meinung Gewalt an. Einen Ausdruck Gagerns, daß der von der
linken Seite des Hauses vorgeschlagene Abstimmungsmodus zu
einem ( grammatischen ) Unsinne führen werde, mißdeutete Zim-
mermann von Stuttgart mit einer Hartnäckigkeit, daß er zur
Ordnung gerufen werden muß. Jndessen wird die begonnene Ab-
stimmung ungestört vollzogen und sie entscheidet sich mit 338
Stimmen gegen 67 Stimmen für die Annahme der oben mit-
getheilten Fassung der Ausschußmehrheit.

Die Wiederaufnahme des Wortes: "suspendirt" in den §.
[Ende Spaltensatz]

Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 158. Freitag, den 8. December. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Verhandlungen der Nationalversammlung.
Vom 7. December.

Fortsetzung der Berathung über die Grundrechte des deutschen Vol-
kes. Art. III. bis IV.

Den Vorsitz nimmt Heinrich v. Gagern ein. Jn Bezug
auf die gestrigen Beschlüsse über die Aufhebung der Standesun-
terschiede, des Adels, fremder Orden sind mehrere protokolla-
rische Erklärungen nachträglich übergeben worden, die der Prä-
sident verliest. Die zweite Berathung der Grundrechte steht an
Artikel III. §. 8., der von der Sicherung der persönlichen
Freiheit
handelt. Auf eine nochmalige Debatte des Gegenstan-
des wird verzichtet und darauf der Paragraph nach der Fassung
der Ausschußmehrheit in folgender Gestalt angenommen:

§. 8. „Die Freiheit der Person ist unverletzlich. Die Verhaf-
tung einer Person soll, außer im Falle der Ergreifung auf frischer
That, nur geschehen in Kraft eines richterlichen, mit Gründen
versehenen Befehles. Dieser Befehl muß im Augenblicke der Ver-
haftung oder innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden
dem Verhafteten zugestellt werden. Die Polizeibehörde muß Jeden,
den sie in Verwahrung genommen hat, im Laufe des folgenden
Tages entweder freilassen oder der richterlichen Behörde über-
geben. Jeder Angeschuldigte soll gegen Stellung einer vom Ge-
richte zu bestimmenden Caution oder Bürgschaft der Haft entlassen
werden, sofern nicht dringende Anzeigen eines schweren peinlichen
Verbrechens gegen denselben vorliegen. Jm Falle einer wider-
rechtlich verfügten oder verlängerten Gefangenschaft ist der Schul-
dige und nöthigenfalls der Staat dem Verletzten zur Genugthuung
und Entschädigung verpflichtet. Die für das Heer= und Seewesen
erforderlichen Modificationen dieser Bestimmungen werden beson-
deren Gesetzen vorbehalten.“

Zu §. 9. werden zahlreiche Verbesserungsanträge mitgetheilt.
Darunter der Osterraths und Genossen, wornach die To-
desstrafe aufrecht erhalten
und nur die körperliche Züch-
tigung, Pranger u. s. w. abgeschafft werden soll. Dennoch erhebt
sich für die Besprechung nicht die nöthige Anzahl von Mitgliedern
und es wird auch hier sogleich zur Abstimmung geschritten. Un-
ter den Anträgen, die weiter gehen, als selbst die früheren Be-
schlüsse des Hauses und als der darnach geformte Vorschlag des
Verfassungsausschusses, heben wir den hervor, welcher sich auch
gegen die Strafe „der Arbeit in Eisen“ richtet. Ueber den Satz:
„die Todesstrafe ist abgeschafft“ — die Ausnahme des Kriegs-
rechtes vorbehaltlich — wird besonders und durch Zettel abge-
stimmt. 256 Stimmen gegen 172 bejahen die Abschaffung.
Was die Ausnahme des Kriegsrechtes in Bezug auf die Todes-
strafe anlangt, so will eine Minderheit des Ausschusses nicht das
Kriegsrecht im Allgemeinen zum Verhängen der Todesstrafe er-
mächtigen, sondern nur im Falle eines Krieges mit auswär-
tigen
Staaten. Die Minderheit setzt sich aus den Herren Wi-
gard, Ahrens, Mittermaier, Schreiner, Gülich, Welcker zu-
sammen. Jhr Antrag wird von 283 gegen 155 Stimmen ab-
gelehnt. Angenommen wird dagegen ein Zusatz v. Redens, die
Meuterei auf der See betreffend, wonach der Paragraph
schließlich die folgende Fassung erhält:

§. 9. „Die Todesstrafe, ausgenommen wo das Kriegsrecht
sie vorschreibt oder das Seerecht im Falle von Meutereien sie zu-
läßt, sowie die Strafen des Prangers, der Brandmarkung und
der körperlichen Züchtigung sind abgeschafft.“

Ehe auf §. 10. übergegangen wird, verkündet G. Beseler,
daß der Verfassungsausschuß mit einem Gesetzentwurfe über die
zeitweilige Aufhebung gewisser Grundrechte beschäftigt sey, auf
dessen Berathung er die auf Belagerungszustand u. s. w. bezüg-
lichen Anträge zu verschieben bittet. Wigard aber erhält das
Wort, um das Minderheitserachten ( Zusatzparagraphen ) : „Kein
Ort in Deutschland darf, ausgenommen in Fällen des Krieges
mit auswärtigen Staaten, in Belagerungszustand versetzt wer-
den. Das Standrecht findet nur Anwendung in Zeiten des Krie-
ges mit auswärtigen Staaten für die Fälle, wo das Kriegsrecht
sie vorschreibt —“ zu empfehlen. Die Abstimmung erfolgt durch
Zettel. 296 Stimmen gegen 138 lehnen diesen Zusatz ab. Eben
so wird mit 247 gegen 194 Stimmen der eventuelle Antrag Ma-
kowicza 's
und Genossen abgelehnt: daß der Belagerungszu-
stand, das Kriegs= und Standrecht nur in den Fällen und Formen,
die ein Reichsgesetz regeln werde, verhängt werden dürfe.

[Spaltenumbruch]

§. 10., wie er ohne Discussion zum Beschlusse erhoben wor-
den, lautet: „Die Wohnung ist unverletzlich. Eine Haussuchung
ist nur zulässig: 1 ) Jn Kraft eines richterlichen mit Gründen
versehenen Befehles, welcher sofort oder innerhalb der nächsten
vierundzwanzig Stunden den Betheiligten zugestellt werden soll.
2 ) Jm Falle der Verfolgung auf frischer That durch den gesetz-
lich berechtigten Beamten. 3 ) Jn den Fällen und Formen, in
welchen das Gesetz ausnahmsweis bestimmten Beamten auch ohne
richterlichen Befehl dieselbe gestattet. Die Haussuchung muß,
wenn thunlich, mit Zuziehung von Hausgenossen erfolgen. Die
Unverletzlichkeit der Wohnung ist kein Hinderniß der Verhaftung
eines gerichtlich Verfolgten.“

Desgleichen ohne Discussion und durchaus in der Fassung
der Ausschußmehrheit:

§. 11. „Die Beschlagnahme von Briefen und Papieren darf,
außer bei einer Verhaftung oder Haussuchung, nur in Kraft eines
richterlichen, mit Gründen versehenen Befehles vorgenommen
werden, welcher sofort oder innerhalb der nächsten 24 Stunden
dem Betheiligten zugestellt werden soll.“

§. 12. „Das Briefgeheimniß ist gewährleistet. Die bei straf-
gerichtlichen Untersuchungen und in Kriegsfällen nothwendigen
Beschränkungen sind durch die Gesetzgebung festzustellen.“

Der Präsident bringt zur Anzeige, daß bei den vorhergehenden
Zettelabstimmungen der Name von Trützschlers dreimal
und eben so der Name Raus' aus Wolframitz doppelt
und mit verschiedener Hand geschrieben in die Urne
gekommen sey.
( Bewegung des Unwillens. ) Natürlich, daß
die Genannten selbst an diesem Mißbrauche unbetheiligt sind, wie
Zimmermann von Stuttgart diese Unschuld sogar für die
ganze Fraction seiner politischen Freunde von der Rednerbühne
herab verbürgen zu müssen glaubt. Der Präsident bemerkt in-
dessen, daß dieser Unfug zum wenigsten die Abstimmungsweise
durch Zettel als eine sehr unverlässige erscheinen lasse. Ein An-
trag von der Linken, der gegen das Bestehen oder Errichten
von geheimer Polizei Abwehr ergreift, wird zurückgewiesen,
weil die darunter gesetzten Unterschriften zwar von der ausreichen-
den Anzahl sind, aber dem Anscheine nach meist von stellver-
tretender Hand herrühren.
Der Zweck heiligt ja die
Mittel! Der Formfehler wird von Drechsler anerkannt und
zugleich hinzugefügt, derselbe Antrag werde an anderer Stelle
wiederholt werden und so, daß keine Formausstellung daran ge-
macht werden könne. ( Heiterkeit. )

Jm Artikel IV. §. 13. hat die Redaction des Verfassungs-
ausschusses von den Bestimmungen des frühern Beschlusses:
die Preßfreiheit dürfe weder beschränkt, suspendirt noch aufgehoben
werden, das „ suspendirt “ in Wegfall gebracht. Neu ist da-
gegen in eben diesem Paragraphen der Zusatz durch „vorbeugende
Maßregeln.“ Gegen beide Abänderungen werden mehrseitige
Bedenken und darum Schwierigkeiten über die Fragestellung er-
hoben. Die Versammlung entscheidet endlich über das letztere.
Nachdem nämlich der erste Absatz von §. 13.:

„Jeder Deutsche hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck
und bildliche Darstellung seine Meinung frei zu äußern“

bereits angenommen ist, wird der folgende Satz:

„Die Preßfreiheit darf unter keinen Umständen und in kei-
ner Weise durch vorbeugende Maßregeln, namentlich Censur,
Concessionen, Sicherheitsbestellungen, Staatsauflagen, Be-
schränkungen der Druckereien oder des Buchhandels, Postver-
bote oder andere Hemmungen des freien Verkehres beschränkt
oder aufgehoben werden“ —

mit dem Vorbehalte zur Abstimmung ( durch Zettel ) gebracht, daß
über das Wort „suspendirt“ noch besonders abgestimmt werde.

Wesendonck und Zimmermann aus Stuttgart erklären,
sie und ihre Parteigenossen müßten auf die Abstimmung verzichten,
wenn die Fragestellung nicht geändert werde, denn sie thue ihrer
Meinung Gewalt an. Einen Ausdruck Gagerns, daß der von der
linken Seite des Hauses vorgeschlagene Abstimmungsmodus zu
einem ( grammatischen ) Unsinne führen werde, mißdeutete Zim-
mermann von Stuttgart mit einer Hartnäckigkeit, daß er zur
Ordnung gerufen werden muß. Jndessen wird die begonnene Ab-
stimmung ungestört vollzogen und sie entscheidet sich mit 338
Stimmen gegen 67 Stimmen für die Annahme der oben mit-
getheilten Fassung der Ausschußmehrheit.

Die Wiederaufnahme des Wortes: „suspendirt“ in den §.
[Ende Spaltensatz]

<TEI>
  <text>
    <back>
      <pb facs="#f0005"/>
      <div>
        <floatingText>
          <front>
            <titlePage type="heading">
              <docTitle>
                <titlePart type="main"> <hi rendition="#fr">Beilage zum Mainzer Journal.</hi> </titlePart>
              </docTitle><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <docImprint>N<hi rendition="#sup">ro</hi> 158.   <docDate><hi rendition="#c">Freitag, den 8. December.</hi><hi rendition="#right">1848.</hi></docDate></docImprint><lb/>
            </titlePage>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </front>
          <body>
            <cb type="start"/>
            <div type="jPoliticalNews" n="1">
              <head>Verhandlungen der Nationalversammlung.<lb/>
Vom 7. December.</head><lb/>
              <p>Fortsetzung der Berathung über die Grundrechte des deutschen Vol-<lb/>
kes. Art. <hi rendition="#aq">III</hi>. bis <hi rendition="#aq">IV.</hi> </p><lb/>
              <p>Den Vorsitz nimmt Heinrich v. <hi rendition="#g">Gagern</hi> ein. Jn Bezug<lb/>
auf die gestrigen Beschlüsse über die Aufhebung der Standesun-<lb/>
terschiede, des Adels, fremder Orden <choice><abbr>ec.</abbr></choice> sind mehrere protokolla-<lb/>
rische Erklärungen nachträglich übergeben worden, die der Prä-<lb/>
sident verliest. Die zweite Berathung der Grundrechte steht an<lb/>
Artikel <hi rendition="#aq">III</hi>. §. 8., der von der Sicherung der <hi rendition="#g">persönlichen<lb/>
Freiheit</hi> handelt. Auf eine nochmalige Debatte des Gegenstan-<lb/>
des wird verzichtet und darauf der Paragraph nach der Fassung<lb/>
der Ausschußmehrheit in folgender Gestalt angenommen:</p><lb/>
              <p>§. 8. &#x201E;Die Freiheit der Person ist unverletzlich. Die Verhaf-<lb/>
tung einer Person soll, außer im Falle der Ergreifung auf frischer<lb/>
That, nur geschehen in Kraft eines richterlichen, mit Gründen<lb/>
versehenen Befehles. Dieser Befehl muß im Augenblicke der Ver-<lb/>
haftung oder innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden<lb/>
dem Verhafteten zugestellt werden. Die Polizeibehörde muß Jeden,<lb/>
den sie in Verwahrung genommen hat, im Laufe des folgenden<lb/>
Tages entweder freilassen oder der richterlichen Behörde über-<lb/>
geben. Jeder Angeschuldigte soll gegen Stellung einer vom Ge-<lb/>
richte zu bestimmenden Caution oder Bürgschaft der Haft entlassen<lb/>
werden, sofern nicht dringende Anzeigen eines schweren peinlichen<lb/>
Verbrechens gegen denselben vorliegen. Jm Falle einer wider-<lb/>
rechtlich verfügten oder verlängerten Gefangenschaft ist der Schul-<lb/>
dige und nöthigenfalls der Staat dem Verletzten zur Genugthuung<lb/>
und Entschädigung verpflichtet. Die für das Heer= und Seewesen<lb/>
erforderlichen Modificationen dieser Bestimmungen werden beson-<lb/>
deren Gesetzen vorbehalten.&#x201C;</p><lb/>
              <p>Zu §. 9. werden zahlreiche Verbesserungsanträge mitgetheilt.<lb/>
Darunter der <hi rendition="#g">Osterraths</hi> und Genossen, wornach <hi rendition="#g">die To-<lb/>
desstrafe aufrecht erhalten</hi> und nur die körperliche Züch-<lb/>
tigung, Pranger u. s. w. abgeschafft werden soll. Dennoch erhebt<lb/>
sich für die Besprechung nicht die nöthige Anzahl von Mitgliedern<lb/>
und es wird auch hier sogleich zur Abstimmung geschritten. Un-<lb/>
ter den Anträgen, die weiter gehen, als selbst die früheren Be-<lb/>
schlüsse des Hauses und als der darnach geformte Vorschlag des<lb/>
Verfassungsausschusses, heben wir den hervor, welcher sich auch<lb/>
gegen die Strafe &#x201E;der Arbeit in Eisen&#x201C; richtet. Ueber den Satz:<lb/>
&#x201E;die Todesstrafe ist abgeschafft&#x201C; &#x2014; die Ausnahme des Kriegs-<lb/>
rechtes vorbehaltlich &#x2014; wird besonders und durch Zettel abge-<lb/>
stimmt. 256 Stimmen gegen 172 <hi rendition="#g">bejahen</hi> die Abschaffung.<lb/>
Was die Ausnahme des Kriegsrechtes in Bezug auf die Todes-<lb/>
strafe anlangt, so will eine Minderheit des Ausschusses nicht das<lb/>
Kriegsrecht im Allgemeinen zum Verhängen der Todesstrafe er-<lb/>
mächtigen, sondern nur im Falle eines Krieges mit <hi rendition="#g">auswär-<lb/>
tigen</hi> Staaten. Die Minderheit setzt sich aus den Herren Wi-<lb/>
gard, Ahrens, Mittermaier, Schreiner, Gülich, Welcker zu-<lb/>
sammen. Jhr Antrag wird von 283 gegen 155 Stimmen ab-<lb/>
gelehnt. Angenommen wird dagegen ein Zusatz v. Redens, die<lb/><hi rendition="#g">Meuterei auf der See</hi> betreffend, wonach der Paragraph<lb/>
schließlich die folgende Fassung erhält:</p><lb/>
              <p>§. 9. &#x201E;Die Todesstrafe, ausgenommen wo das Kriegsrecht<lb/>
sie vorschreibt oder das Seerecht im Falle von Meutereien sie zu-<lb/>
läßt, sowie die Strafen des Prangers, der Brandmarkung und<lb/>
der körperlichen Züchtigung sind abgeschafft.&#x201C;</p><lb/>
              <p>Ehe auf §. 10. übergegangen wird, verkündet G. <hi rendition="#g">Beseler,</hi><lb/>
daß der Verfassungsausschuß mit einem Gesetzentwurfe über die<lb/>
zeitweilige Aufhebung gewisser Grundrechte beschäftigt sey, auf<lb/>
dessen Berathung er die auf Belagerungszustand u. s. w. bezüg-<lb/>
lichen Anträge zu verschieben bittet. <hi rendition="#g">Wigard</hi> aber erhält das<lb/>
Wort, um das Minderheitserachten ( Zusatzparagraphen ) : &#x201E;Kein<lb/>
Ort in Deutschland darf, ausgenommen in Fällen des Krieges<lb/>
mit auswärtigen Staaten, in Belagerungszustand versetzt wer-<lb/>
den. Das Standrecht findet nur Anwendung in Zeiten des Krie-<lb/>
ges mit auswärtigen Staaten für die Fälle, wo das Kriegsrecht<lb/>
sie vorschreibt &#x2014;&#x201C; zu empfehlen. Die Abstimmung erfolgt durch<lb/>
Zettel. 296 Stimmen gegen 138 lehnen diesen Zusatz ab. Eben<lb/>
so wird mit 247 gegen 194 Stimmen der eventuelle Antrag <hi rendition="#g">Ma-<lb/>
kowicza 's</hi> und Genossen abgelehnt: daß der Belagerungszu-<lb/>
stand, das Kriegs= und Standrecht nur in den Fällen und Formen,<lb/>
die ein Reichsgesetz regeln werde, verhängt werden dürfe.</p><lb/>
              <cb n="2"/>
              <p>§. 10., wie er ohne Discussion zum Beschlusse erhoben wor-<lb/>
den, lautet: &#x201E;Die Wohnung ist unverletzlich. Eine Haussuchung<lb/>
ist nur zulässig: 1 ) Jn Kraft eines richterlichen mit Gründen<lb/>
versehenen Befehles, welcher sofort oder innerhalb der nächsten<lb/>
vierundzwanzig Stunden den Betheiligten zugestellt werden soll.<lb/>
2 ) Jm Falle der Verfolgung auf frischer That durch den gesetz-<lb/>
lich berechtigten Beamten. 3 ) Jn den Fällen und Formen, in<lb/>
welchen das Gesetz ausnahmsweis bestimmten Beamten auch ohne<lb/>
richterlichen Befehl dieselbe gestattet. Die Haussuchung muß,<lb/>
wenn thunlich, mit Zuziehung von Hausgenossen erfolgen. Die<lb/>
Unverletzlichkeit der Wohnung ist kein Hinderniß der Verhaftung<lb/>
eines gerichtlich Verfolgten.&#x201C;</p><lb/>
              <p>Desgleichen ohne Discussion und durchaus in der Fassung<lb/>
der Ausschußmehrheit:</p><lb/>
              <p>§. 11. &#x201E;Die Beschlagnahme von Briefen und Papieren darf,<lb/>
außer bei einer Verhaftung oder Haussuchung, nur in Kraft eines<lb/>
richterlichen, mit Gründen versehenen Befehles vorgenommen<lb/>
werden, welcher sofort oder innerhalb der nächsten 24 Stunden<lb/>
dem Betheiligten zugestellt werden soll.&#x201C;</p><lb/>
              <p>§. 12. &#x201E;Das Briefgeheimniß ist gewährleistet. Die bei straf-<lb/>
gerichtlichen Untersuchungen und in Kriegsfällen nothwendigen<lb/>
Beschränkungen sind durch die Gesetzgebung festzustellen.&#x201C;</p><lb/>
              <p>Der Präsident bringt zur Anzeige, daß bei den vorhergehenden<lb/>
Zettelabstimmungen <hi rendition="#g">der Name von Trützschlers dreimal<lb/>
und eben so der Name Raus' aus Wolframitz doppelt<lb/>
und mit verschiedener Hand geschrieben in die Urne<lb/>
gekommen sey.</hi> ( Bewegung des Unwillens. ) Natürlich, daß<lb/>
die Genannten selbst an diesem Mißbrauche unbetheiligt sind, wie<lb/><hi rendition="#g">Zimmermann</hi> von Stuttgart diese Unschuld sogar für die<lb/>
ganze Fraction seiner politischen Freunde von der Rednerbühne<lb/>
herab verbürgen zu müssen glaubt. Der Präsident bemerkt in-<lb/>
dessen, daß dieser Unfug zum wenigsten die Abstimmungsweise<lb/>
durch Zettel als eine sehr unverlässige erscheinen lasse. Ein An-<lb/>
trag von der <hi rendition="#g">Linken,</hi> der gegen das Bestehen oder Errichten<lb/>
von <hi rendition="#g">geheimer Polizei</hi> Abwehr ergreift, wird zurückgewiesen,<lb/>
weil die darunter gesetzten Unterschriften zwar von der ausreichen-<lb/>
den Anzahl sind, aber dem Anscheine nach <hi rendition="#g">meist von stellver-<lb/>
tretender Hand herrühren.</hi> Der Zweck heiligt ja die<lb/>
Mittel! Der Formfehler wird von <hi rendition="#g">Drechsler</hi> anerkannt und<lb/>
zugleich hinzugefügt, derselbe Antrag werde an anderer Stelle<lb/>
wiederholt werden und so, daß keine Formausstellung daran ge-<lb/>
macht werden könne. ( Heiterkeit. ) </p><lb/>
              <p>Jm Artikel <hi rendition="#aq">IV</hi>. §. 13. hat die Redaction des Verfassungs-<lb/>
ausschusses von den Bestimmungen des frühern Beschlusses:<lb/>
die Preßfreiheit dürfe weder beschränkt, suspendirt noch aufgehoben<lb/>
werden, das &#x201E; <hi rendition="#g">suspendirt</hi> &#x201C; in Wegfall gebracht. Neu ist da-<lb/>
gegen in eben diesem Paragraphen der Zusatz durch &#x201E;vorbeugende<lb/>
Maßregeln.&#x201C; Gegen beide Abänderungen werden mehrseitige<lb/>
Bedenken und darum Schwierigkeiten über die Fragestellung er-<lb/>
hoben. Die Versammlung entscheidet endlich über das letztere.<lb/>
Nachdem nämlich der erste Absatz von §. 13.:</p><lb/>
              <p>&#x201E;Jeder Deutsche hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck<lb/>
und bildliche Darstellung seine Meinung frei zu äußern&#x201C;</p><lb/>
              <p>bereits angenommen ist, wird der folgende Satz:</p><lb/>
              <p>&#x201E;Die Preßfreiheit darf unter keinen Umständen und in kei-<lb/>
ner Weise durch vorbeugende Maßregeln, namentlich Censur,<lb/>
Concessionen, Sicherheitsbestellungen, Staatsauflagen, Be-<lb/>
schränkungen der Druckereien oder des Buchhandels, Postver-<lb/>
bote oder andere Hemmungen des freien Verkehres beschränkt<lb/>
oder aufgehoben werden&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
              <p>mit dem Vorbehalte zur Abstimmung ( durch Zettel ) gebracht, daß<lb/>
über das Wort &#x201E;suspendirt&#x201C; noch besonders abgestimmt werde.</p><lb/>
              <p><hi rendition="#g">Wesendonck</hi> und <hi rendition="#g">Zimmermann</hi> aus Stuttgart erklären,<lb/>
sie und ihre Parteigenossen müßten auf die Abstimmung verzichten,<lb/>
wenn die Fragestellung nicht geändert werde, denn sie thue ihrer<lb/>
Meinung Gewalt an. Einen Ausdruck Gagerns, daß der von der<lb/>
linken Seite des Hauses vorgeschlagene Abstimmungsmodus zu<lb/>
einem ( grammatischen ) Unsinne führen werde, mißdeutete Zim-<lb/>
mermann von Stuttgart mit einer Hartnäckigkeit, daß er zur<lb/>
Ordnung gerufen werden muß. Jndessen wird die begonnene Ab-<lb/>
stimmung ungestört vollzogen und sie entscheidet sich mit 338<lb/>
Stimmen gegen 67 Stimmen <hi rendition="#g">für die Annahme</hi> der oben mit-<lb/>
getheilten Fassung der Ausschußmehrheit.</p><lb/>
              <p>Die Wiederaufnahme des Wortes: &#x201E;suspendirt&#x201C; in den §.<lb/><cb type="end"/>
</p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </back>
  </text>
</TEI>
[0005] Beilage zum Mainzer Journal. Nro 158. Freitag, den 8. December. 1848. Verhandlungen der Nationalversammlung. Vom 7. December. Fortsetzung der Berathung über die Grundrechte des deutschen Vol- kes. Art. III. bis IV. Den Vorsitz nimmt Heinrich v. Gagern ein. Jn Bezug auf die gestrigen Beschlüsse über die Aufhebung der Standesun- terschiede, des Adels, fremder Orden sind mehrere protokolla- rische Erklärungen nachträglich übergeben worden, die der Prä- sident verliest. Die zweite Berathung der Grundrechte steht an Artikel III. §. 8., der von der Sicherung der persönlichen Freiheit handelt. Auf eine nochmalige Debatte des Gegenstan- des wird verzichtet und darauf der Paragraph nach der Fassung der Ausschußmehrheit in folgender Gestalt angenommen: §. 8. „Die Freiheit der Person ist unverletzlich. Die Verhaf- tung einer Person soll, außer im Falle der Ergreifung auf frischer That, nur geschehen in Kraft eines richterlichen, mit Gründen versehenen Befehles. Dieser Befehl muß im Augenblicke der Ver- haftung oder innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden dem Verhafteten zugestellt werden. Die Polizeibehörde muß Jeden, den sie in Verwahrung genommen hat, im Laufe des folgenden Tages entweder freilassen oder der richterlichen Behörde über- geben. Jeder Angeschuldigte soll gegen Stellung einer vom Ge- richte zu bestimmenden Caution oder Bürgschaft der Haft entlassen werden, sofern nicht dringende Anzeigen eines schweren peinlichen Verbrechens gegen denselben vorliegen. Jm Falle einer wider- rechtlich verfügten oder verlängerten Gefangenschaft ist der Schul- dige und nöthigenfalls der Staat dem Verletzten zur Genugthuung und Entschädigung verpflichtet. Die für das Heer= und Seewesen erforderlichen Modificationen dieser Bestimmungen werden beson- deren Gesetzen vorbehalten.“ Zu §. 9. werden zahlreiche Verbesserungsanträge mitgetheilt. Darunter der Osterraths und Genossen, wornach die To- desstrafe aufrecht erhalten und nur die körperliche Züch- tigung, Pranger u. s. w. abgeschafft werden soll. Dennoch erhebt sich für die Besprechung nicht die nöthige Anzahl von Mitgliedern und es wird auch hier sogleich zur Abstimmung geschritten. Un- ter den Anträgen, die weiter gehen, als selbst die früheren Be- schlüsse des Hauses und als der darnach geformte Vorschlag des Verfassungsausschusses, heben wir den hervor, welcher sich auch gegen die Strafe „der Arbeit in Eisen“ richtet. Ueber den Satz: „die Todesstrafe ist abgeschafft“ — die Ausnahme des Kriegs- rechtes vorbehaltlich — wird besonders und durch Zettel abge- stimmt. 256 Stimmen gegen 172 bejahen die Abschaffung. Was die Ausnahme des Kriegsrechtes in Bezug auf die Todes- strafe anlangt, so will eine Minderheit des Ausschusses nicht das Kriegsrecht im Allgemeinen zum Verhängen der Todesstrafe er- mächtigen, sondern nur im Falle eines Krieges mit auswär- tigen Staaten. Die Minderheit setzt sich aus den Herren Wi- gard, Ahrens, Mittermaier, Schreiner, Gülich, Welcker zu- sammen. Jhr Antrag wird von 283 gegen 155 Stimmen ab- gelehnt. Angenommen wird dagegen ein Zusatz v. Redens, die Meuterei auf der See betreffend, wonach der Paragraph schließlich die folgende Fassung erhält: §. 9. „Die Todesstrafe, ausgenommen wo das Kriegsrecht sie vorschreibt oder das Seerecht im Falle von Meutereien sie zu- läßt, sowie die Strafen des Prangers, der Brandmarkung und der körperlichen Züchtigung sind abgeschafft.“ Ehe auf §. 10. übergegangen wird, verkündet G. Beseler, daß der Verfassungsausschuß mit einem Gesetzentwurfe über die zeitweilige Aufhebung gewisser Grundrechte beschäftigt sey, auf dessen Berathung er die auf Belagerungszustand u. s. w. bezüg- lichen Anträge zu verschieben bittet. Wigard aber erhält das Wort, um das Minderheitserachten ( Zusatzparagraphen ) : „Kein Ort in Deutschland darf, ausgenommen in Fällen des Krieges mit auswärtigen Staaten, in Belagerungszustand versetzt wer- den. Das Standrecht findet nur Anwendung in Zeiten des Krie- ges mit auswärtigen Staaten für die Fälle, wo das Kriegsrecht sie vorschreibt —“ zu empfehlen. Die Abstimmung erfolgt durch Zettel. 296 Stimmen gegen 138 lehnen diesen Zusatz ab. Eben so wird mit 247 gegen 194 Stimmen der eventuelle Antrag Ma- kowicza 's und Genossen abgelehnt: daß der Belagerungszu- stand, das Kriegs= und Standrecht nur in den Fällen und Formen, die ein Reichsgesetz regeln werde, verhängt werden dürfe. §. 10., wie er ohne Discussion zum Beschlusse erhoben wor- den, lautet: „Die Wohnung ist unverletzlich. Eine Haussuchung ist nur zulässig: 1 ) Jn Kraft eines richterlichen mit Gründen versehenen Befehles, welcher sofort oder innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden den Betheiligten zugestellt werden soll. 2 ) Jm Falle der Verfolgung auf frischer That durch den gesetz- lich berechtigten Beamten. 3 ) Jn den Fällen und Formen, in welchen das Gesetz ausnahmsweis bestimmten Beamten auch ohne richterlichen Befehl dieselbe gestattet. Die Haussuchung muß, wenn thunlich, mit Zuziehung von Hausgenossen erfolgen. Die Unverletzlichkeit der Wohnung ist kein Hinderniß der Verhaftung eines gerichtlich Verfolgten.“ Desgleichen ohne Discussion und durchaus in der Fassung der Ausschußmehrheit: §. 11. „Die Beschlagnahme von Briefen und Papieren darf, außer bei einer Verhaftung oder Haussuchung, nur in Kraft eines richterlichen, mit Gründen versehenen Befehles vorgenommen werden, welcher sofort oder innerhalb der nächsten 24 Stunden dem Betheiligten zugestellt werden soll.“ §. 12. „Das Briefgeheimniß ist gewährleistet. Die bei straf- gerichtlichen Untersuchungen und in Kriegsfällen nothwendigen Beschränkungen sind durch die Gesetzgebung festzustellen.“ Der Präsident bringt zur Anzeige, daß bei den vorhergehenden Zettelabstimmungen der Name von Trützschlers dreimal und eben so der Name Raus' aus Wolframitz doppelt und mit verschiedener Hand geschrieben in die Urne gekommen sey. ( Bewegung des Unwillens. ) Natürlich, daß die Genannten selbst an diesem Mißbrauche unbetheiligt sind, wie Zimmermann von Stuttgart diese Unschuld sogar für die ganze Fraction seiner politischen Freunde von der Rednerbühne herab verbürgen zu müssen glaubt. Der Präsident bemerkt in- dessen, daß dieser Unfug zum wenigsten die Abstimmungsweise durch Zettel als eine sehr unverlässige erscheinen lasse. Ein An- trag von der Linken, der gegen das Bestehen oder Errichten von geheimer Polizei Abwehr ergreift, wird zurückgewiesen, weil die darunter gesetzten Unterschriften zwar von der ausreichen- den Anzahl sind, aber dem Anscheine nach meist von stellver- tretender Hand herrühren. Der Zweck heiligt ja die Mittel! Der Formfehler wird von Drechsler anerkannt und zugleich hinzugefügt, derselbe Antrag werde an anderer Stelle wiederholt werden und so, daß keine Formausstellung daran ge- macht werden könne. ( Heiterkeit. ) Jm Artikel IV. §. 13. hat die Redaction des Verfassungs- ausschusses von den Bestimmungen des frühern Beschlusses: die Preßfreiheit dürfe weder beschränkt, suspendirt noch aufgehoben werden, das „ suspendirt “ in Wegfall gebracht. Neu ist da- gegen in eben diesem Paragraphen der Zusatz durch „vorbeugende Maßregeln.“ Gegen beide Abänderungen werden mehrseitige Bedenken und darum Schwierigkeiten über die Fragestellung er- hoben. Die Versammlung entscheidet endlich über das letztere. Nachdem nämlich der erste Absatz von §. 13.: „Jeder Deutsche hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck und bildliche Darstellung seine Meinung frei zu äußern“ bereits angenommen ist, wird der folgende Satz: „Die Preßfreiheit darf unter keinen Umständen und in kei- ner Weise durch vorbeugende Maßregeln, namentlich Censur, Concessionen, Sicherheitsbestellungen, Staatsauflagen, Be- schränkungen der Druckereien oder des Buchhandels, Postver- bote oder andere Hemmungen des freien Verkehres beschränkt oder aufgehoben werden“ — mit dem Vorbehalte zur Abstimmung ( durch Zettel ) gebracht, daß über das Wort „suspendirt“ noch besonders abgestimmt werde. Wesendonck und Zimmermann aus Stuttgart erklären, sie und ihre Parteigenossen müßten auf die Abstimmung verzichten, wenn die Fragestellung nicht geändert werde, denn sie thue ihrer Meinung Gewalt an. Einen Ausdruck Gagerns, daß der von der linken Seite des Hauses vorgeschlagene Abstimmungsmodus zu einem ( grammatischen ) Unsinne führen werde, mißdeutete Zim- mermann von Stuttgart mit einer Hartnäckigkeit, daß er zur Ordnung gerufen werden muß. Jndessen wird die begonnene Ab- stimmung ungestört vollzogen und sie entscheidet sich mit 338 Stimmen gegen 67 Stimmen für die Annahme der oben mit- getheilten Fassung der Ausschußmehrheit. Die Wiederaufnahme des Wortes: „suspendirt“ in den §.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal158_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal158_1848/5
Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 158. Mainz, 7. Dezember 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal158_1848/5>, abgerufen am 03.12.2024.