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Mainzer Journal. Nr. 162. Mainz, 12. Dezember 1848.

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[Beginn Spaltensatz] hätte seine Partei, die gegenseitig -- wahrscheinlich nicht ganz
ruhig -- sich anfeinden würden, und wäre dann auch Einer gewählt,
so würden die Anderen und ihr Anhang sich nicht bald zufrieden
geben und der Haß und die Erbitterung könnte leicht sehr
schlimme Folgen haben. Und im besten Falle hätte das Land in
einigen Jahren wieder einen Präsidenten zu wählen und da die-
selbe Geschichte durchzumachen. So käme es nie zu einer wahren,
ständigen Ruhe, Niemand könnte festes Vertrauen in die bestehen-
den Zustände haben, damit aber würde unmöglich Credit, Han-
del und Wandel gedeihen können. Man befände sich somit immer
in einer Art Fieberkrankheit, in welcher das Volk nach und nach
ausgemergelt und zuletzt an Entkräftung absterben würde. So
dachten die Meisten unter den Oesterreichern, und sie haben Recht
gehabt, wie ihnen Frankreich, das jetzt unter großen Schmer-
zen sich ein Haupt sucht, hinlänglich beweist. Sie dachten aber
auch weiter: was sollen wir uns also muthwillig in diese Ge-
fahren stürzen und den vielen Zeitungsschreibern und sonstigen
Schwätzern ohne weiteres glauben, daß sie dem Volke sein Glück
bringen würden? Wir bleiben bei unserem alten Hause, das
kennen wir, und es kennt uns, es hat uns noch nichts Schlimmes
zugefügt, der Kaiser braucht nicht so für sich zu sorgen, wie
ein Anderer, er bleibt auf dem Throne, er muß auch Rücksicht
haben auf seine Vorfahren, daß er ihnen keine Schande macht
und ebenso auf seine Nachfolger. Das Festhalten am Kaiserhause
gründete sich hauptsächlich auf diese ganz richtigen Betrachtungen;
nicht blos und allein auf die Gewohnheit, aus welcher man oft
nur die Liebe des Landes zu seinen Regenten herleitet.

Daß aber in Oesterreich ein so gesundes Urtheil sich in der
großen Mehrheit und vielleicht in größerem Maße, als in anderen
Ländern, bewahrt hat, findet seine Ursache darin, daß Wien,
als Hauptstadt, bei Weitem nicht den unbeschränkten Einfluß auf
die übrigen Theile des Staates ausübte, wie dies in anderen
Ländern der Fall ist. Jm Gegentheile haben die Provinzen,
Stämme und Landschaften sehr viel Eigenthümliches und Unab-
hängiges, und keine Regierung hat ihnen hierin weniger genommen,
als die österreichische. Daher hat auch der Freiheitsschwindel, in
den die Wiener von einer Zahl leicht zu schätzender s. g. [unleserliches Material - 9 Zeichen fehlen]Gelehrter,
Dichter, Zeitungsschreiber und sonstiger Leute ohne Beschäftigung,
aber voller Pläne und Aussichten sich versetzen ließen, bei den
ruhig überlegenden Bewohnern der Provinzen gar keinen Anklang
gefunden, obwohl man es hier, wie an keinem andern Orte, an
Lügen und Aufhetzungen nach der modernen Aufklärung nicht
fehlen ließ. Allein der Sinn des Volkes ist noch nicht so berunter-
gekommen, daß er sich dem am liebsten anschließt, was gerade am
Verrücktesten, Rasendsten und oft Schlechtesten ist. Es gibt auch
in Oesterreich verhältnißmäßig mehr Wohlstand, wie in jedem
andern Lande, und außer Wien findet man in den Provinzen nicht
viele solcher Leute, die gar nichts zu verlieren, aber Alles zu
gewinnen haben und von jeder Veränderung, namentlich aber von
einem "Durcheinander" viel zu profitiren hoffen. Das war und
ist die Gesinnung der Bevölkerung und sie hat sich in einem Ge-
dichte ausgesprochen, welches diese Zeitung in der für Oesterreich
trübsten Zeit mitgetheilt und das einen Officier der italienischen
Armee zum Verfasser hat, und wie damals bemerkt wurde, den
Geist derselben ausdrückte. Das Gedicht hat klar gesehen und ist
erfüllt worden. Die Gesinnung der Armee ist aber auch die Ge-
sinnung des Volkes, denn sie besteht aus seinen Söhnen aus allen
Theilen des Landes. Nicht ist die Presse, namentlich die ehema-
lige Wiener, der Ausdruck der Gedanken des Volkes, sondern nur
eines kleinen Haufens, der sich allein für das Volk hält, und da
Volkssouveränetät sein Stichblatt ist, Alles für Recht und Gut
und Frei ansieht, was er will und treibt.

Dieses waren die Gründe, aus denen man an der Auflösung
des alten Oesterreichs, menschlich Alles betrachtet, noch billig
zweifeln konnte, und der Erfolg hat diesen Zweifel vollkommen
bestätigt. Zwar haben sichtbar die merkwürdigsten, vorher ganz
unbekannte, nicht zu berechnende Ereignisse auf wunderbare
Weise zusammengewirkt und dem guten und dauerhaften Elemente
des Volkes aufgeholfen. Es ist nicht Alles durch menschliche
Klugheit, Geschicklichkeit und Politik geschehen, und die, welche
sonst von der österreichischen Klugheit nicht viel reden mögen,
schreiben namentlich das Auftreten des Banus Jellachich und die
Entwickelung der ungarischen Verhältnisse einem tief angelegten,
schlauen Plane zu, während die Dinge, wie sie ohne Zuthun von
Oben sich aus sich selbst gestaltet, das Meiste, ja fast Alles ge-
than haben. Nun, nachdem die übergroße Milde und Nachgibig-
keit gegen die stets frecher auftretende, zuletzt den vollen Umsturz
wagende Partei des Fortschrittes, d. h. der vollen Rechts= und
Gesetzlosigkeit, sich hat in die angemessene Strenge verwandeln
müssen, womit jede Regierung, welche nicht selbst ihr Leben schon
aufgegeben hat, gegen Unruhestifter, Verächter der Ordnung und
[Spaltenumbruch] Urheber grenzenlosen Unglückes für Viele verfahren muß: hat
das Gelüste dieser Wühler sich gelegt, das Recht und die Ord-
nung sind neu befestigt, werden nun ihre Segnungen über die
Völker ausgießen und ihnen im Frieden und ohne schreckliche
Stürme bringen die Veränderungen und Neuerungen, welche nach
Ueberlegung für nothwendig und heilsam erkannt werden. Nach-
dem Kaiser Ferdinand die schweren Zeiten standhaft mit durchge-
kämpft und durch seine Person seine Völker zusammengehalten hat,
tritt er herunter vom Throne. Es ist dies rührend und erhaben.
Er war ein Kaiser, dessen Herzensgüte von Freund und Feind
anerkannt ward, er hat einen schlichten, einfachen Verstand und
ein Gewissen, beides hat ihn entweder das Recht finden oder die
guten Rathschläge wählen und darum siegen lassen über die
großen Gefahren, die ihn und sein Volk umringen. Man mag
reden über ihn, wie man will, er hat in seinen Unternehmungen
oder wenigstens in der richtigen Wahl der Rathschläge und der
Männer seines Vertrauens mehr Verstand und Einsicht bewiesen,
wie andere Regenten, denen der Geist fast in zu großer Fülle,
daß er nicht recht gebraucht werden kann, mitgetheilt worden ist.
Jetzt nachdem Ferdinand hätte großartigere Tage erleben können,
gibt er die Krone dem Jünglinge; dieser soll die neue Zeit be-
ginnen, sein Oheim hat ihm den Thron aus der alten herüberge-
bracht, er soll ihn umgestalten, daß er glänze in neuer Gestalt.
Hoffentlich wird einmal wieder ein Regent erstehen, dem die Her-
zen entgegenschlagen, zu dem das Volk Vertrauen hat, weil er
Gott fürchtet, das Rechte thut, das Unrecht meidet, die Gesetze hält
und Frevel straft. Dann sinken vor dem wahren Leben alle
Plane der Bösen, und wir verjüngen uns wieder in Kraft und
That, nicht in Papier und Rede, wie bisher. Möge der neue
Kaiser Dies werden! Deutschland hat seine Macht gewiß noch
nothwendig gegen innere und äußere Feinde. Mögen alle seine
Völker zu Deutschland stehen, wie sie bisher unter Oesterreichs
Scepter immer gethan, möge Deutschland zu ihnen halten, dann
ist und bleibt es stark und mächtig und hat Niemanden gen Mor-
gen und Abend zu fürchten. Das mögen Alle bedenken und sich
Solche erhalten, welche bisher stets zu uns gestanden haben, wie
neulich sehr treffend der Reichsminister v. Peucker von den Croaten
gesagt hat.



Deutschland.

Aus Berlin, wo das seither demokratische Residenzvolk zur
Abwechselung constitutionell geworden ist, wird der Allgemeinen
Zeitung geschrieben: "Die aus den Provinzen einlaufenden
Nachrichten lassen keinen Zwelfel darüber, daß die besitzlosen
Volksschichten, seit Monaten in ihren schlimmsten Leidenschaften
aufgerüttelt und gestachelt, eine äußerst bedrohliche Stellung ein-
nehmen und gegen jeden Besitzenden zum voraus Haß im Herzen
tragen. Ein gestern aus Vorpommern angekommener Reisender
entwirft die traurigsten Schilderungen der bedenklichen Aufregung
des dortigen Proletariates, dem der Besitz an sich schon als Ty-
rannei erscheint. Diesen Zuständen und Stimmungen zu steuern
ist weit nothwendiger als parlamentarisches Stroh zu dreschen."
Möchte dort die Presse, die mit ihren sogenannten "Neuigkeiten"
ebenfalls viel leeres Stroh drischt, diese gute Lehre sich auch
merken!

Aus der bayerischen Pfalz 11. December. Die " Augs-
burger Postzeitung" brachte neulich eine umständliche Wür-
digung der auf die Beschränkung und Vernichtung der katholischen
Associationsfreiheit, zunächst auf die Aufhebung der beiden pfäl-
zischen Klöster sich beziehenden Anträge unseres jüngsten Land-
rathes.
Es war dort erschöpfend und gründlich die Rechts-
widrigkeit, die der Neuzeit unwürdige Jlliberalität, so wie die
Leidenschaftlichkeit, welche in einem solchen Antrage liegt, hervor-
gehoben und zugleich darauf hingewiesen, wie der Landrath sich
damit nur ein moralisches Armuthszeugniß ausgestellt habe. Auch
der Speyerer Zeitung ward dort gebührend gedacht, und
derselben wegen der theilnehmenden Sorgfalt, womit sie ihren
Lesern zweimal diese Materie auftischte, und wegen der dabei an
den Tag gelegten wundersamen Freiheitsbegriffe, der ihr ge-
bührende Theil in Krähwinkel angewiesen. Es wunderte uns
jedoch, wie der Schreiber jenes Berichtes, wenn er sonst auch
das Mißgeschick hat, mit dem Lesen der Speyerer Zeitung sich seine
Zeit zu rauben, nicht vor Allem jenen Widerspruch hervorhob,
welcher besagte Zeitung zugleich wieder in ihrem rechten Lichte
gezeigt hat. Als nämlich jüngst bei der Verhandlung über die
Religionsfreiheit im Frankfurter Parlamente die Tiroler Abge-
ordneten nach dem ihnen von ihrem Volke gewordenen Mandate
meist für die beschränkte Freiheit, d. h. dafür stimmten: daß ihr
von jeher katholisches Land nicht auch in Zukunft mit Religionshader
und verschiedenen religiösen Parteien heimgesucht werde, da konnte
die Speyerer Zeitung nicht mißbilligende Worte genug finden, um
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] hätte seine Partei, die gegenseitig — wahrscheinlich nicht ganz
ruhig — sich anfeinden würden, und wäre dann auch Einer gewählt,
so würden die Anderen und ihr Anhang sich nicht bald zufrieden
geben und der Haß und die Erbitterung könnte leicht sehr
schlimme Folgen haben. Und im besten Falle hätte das Land in
einigen Jahren wieder einen Präsidenten zu wählen und da die-
selbe Geschichte durchzumachen. So käme es nie zu einer wahren,
ständigen Ruhe, Niemand könnte festes Vertrauen in die bestehen-
den Zustände haben, damit aber würde unmöglich Credit, Han-
del und Wandel gedeihen können. Man befände sich somit immer
in einer Art Fieberkrankheit, in welcher das Volk nach und nach
ausgemergelt und zuletzt an Entkräftung absterben würde. So
dachten die Meisten unter den Oesterreichern, und sie haben Recht
gehabt, wie ihnen Frankreich, das jetzt unter großen Schmer-
zen sich ein Haupt sucht, hinlänglich beweist. Sie dachten aber
auch weiter: was sollen wir uns also muthwillig in diese Ge-
fahren stürzen und den vielen Zeitungsschreibern und sonstigen
Schwätzern ohne weiteres glauben, daß sie dem Volke sein Glück
bringen würden? Wir bleiben bei unserem alten Hause, das
kennen wir, und es kennt uns, es hat uns noch nichts Schlimmes
zugefügt, der Kaiser braucht nicht so für sich zu sorgen, wie
ein Anderer, er bleibt auf dem Throne, er muß auch Rücksicht
haben auf seine Vorfahren, daß er ihnen keine Schande macht
und ebenso auf seine Nachfolger. Das Festhalten am Kaiserhause
gründete sich hauptsächlich auf diese ganz richtigen Betrachtungen;
nicht blos und allein auf die Gewohnheit, aus welcher man oft
nur die Liebe des Landes zu seinen Regenten herleitet.

Daß aber in Oesterreich ein so gesundes Urtheil sich in der
großen Mehrheit und vielleicht in größerem Maße, als in anderen
Ländern, bewahrt hat, findet seine Ursache darin, daß Wien,
als Hauptstadt, bei Weitem nicht den unbeschränkten Einfluß auf
die übrigen Theile des Staates ausübte, wie dies in anderen
Ländern der Fall ist. Jm Gegentheile haben die Provinzen,
Stämme und Landschaften sehr viel Eigenthümliches und Unab-
hängiges, und keine Regierung hat ihnen hierin weniger genommen,
als die österreichische. Daher hat auch der Freiheitsschwindel, in
den die Wiener von einer Zahl leicht zu schätzender s. g. [unleserliches Material – 9 Zeichen fehlen]Gelehrter,
Dichter, Zeitungsschreiber und sonstiger Leute ohne Beschäftigung,
aber voller Pläne und Aussichten sich versetzen ließen, bei den
ruhig überlegenden Bewohnern der Provinzen gar keinen Anklang
gefunden, obwohl man es hier, wie an keinem andern Orte, an
Lügen und Aufhetzungen nach der modernen Aufklärung nicht
fehlen ließ. Allein der Sinn des Volkes ist noch nicht so berunter-
gekommen, daß er sich dem am liebsten anschließt, was gerade am
Verrücktesten, Rasendsten und oft Schlechtesten ist. Es gibt auch
in Oesterreich verhältnißmäßig mehr Wohlstand, wie in jedem
andern Lande, und außer Wien findet man in den Provinzen nicht
viele solcher Leute, die gar nichts zu verlieren, aber Alles zu
gewinnen haben und von jeder Veränderung, namentlich aber von
einem „Durcheinander“ viel zu profitiren hoffen. Das war und
ist die Gesinnung der Bevölkerung und sie hat sich in einem Ge-
dichte ausgesprochen, welches diese Zeitung in der für Oesterreich
trübsten Zeit mitgetheilt und das einen Officier der italienischen
Armee zum Verfasser hat, und wie damals bemerkt wurde, den
Geist derselben ausdrückte. Das Gedicht hat klar gesehen und ist
erfüllt worden. Die Gesinnung der Armee ist aber auch die Ge-
sinnung des Volkes, denn sie besteht aus seinen Söhnen aus allen
Theilen des Landes. Nicht ist die Presse, namentlich die ehema-
lige Wiener, der Ausdruck der Gedanken des Volkes, sondern nur
eines kleinen Haufens, der sich allein für das Volk hält, und da
Volkssouveränetät sein Stichblatt ist, Alles für Recht und Gut
und Frei ansieht, was er will und treibt.

Dieses waren die Gründe, aus denen man an der Auflösung
des alten Oesterreichs, menschlich Alles betrachtet, noch billig
zweifeln konnte, und der Erfolg hat diesen Zweifel vollkommen
bestätigt. Zwar haben sichtbar die merkwürdigsten, vorher ganz
unbekannte, nicht zu berechnende Ereignisse auf wunderbare
Weise zusammengewirkt und dem guten und dauerhaften Elemente
des Volkes aufgeholfen. Es ist nicht Alles durch menschliche
Klugheit, Geschicklichkeit und Politik geschehen, und die, welche
sonst von der österreichischen Klugheit nicht viel reden mögen,
schreiben namentlich das Auftreten des Banus Jellachich und die
Entwickelung der ungarischen Verhältnisse einem tief angelegten,
schlauen Plane zu, während die Dinge, wie sie ohne Zuthun von
Oben sich aus sich selbst gestaltet, das Meiste, ja fast Alles ge-
than haben. Nun, nachdem die übergroße Milde und Nachgibig-
keit gegen die stets frecher auftretende, zuletzt den vollen Umsturz
wagende Partei des Fortschrittes, d. h. der vollen Rechts= und
Gesetzlosigkeit, sich hat in die angemessene Strenge verwandeln
müssen, womit jede Regierung, welche nicht selbst ihr Leben schon
aufgegeben hat, gegen Unruhestifter, Verächter der Ordnung und
[Spaltenumbruch] Urheber grenzenlosen Unglückes für Viele verfahren muß: hat
das Gelüste dieser Wühler sich gelegt, das Recht und die Ord-
nung sind neu befestigt, werden nun ihre Segnungen über die
Völker ausgießen und ihnen im Frieden und ohne schreckliche
Stürme bringen die Veränderungen und Neuerungen, welche nach
Ueberlegung für nothwendig und heilsam erkannt werden. Nach-
dem Kaiser Ferdinand die schweren Zeiten standhaft mit durchge-
kämpft und durch seine Person seine Völker zusammengehalten hat,
tritt er herunter vom Throne. Es ist dies rührend und erhaben.
Er war ein Kaiser, dessen Herzensgüte von Freund und Feind
anerkannt ward, er hat einen schlichten, einfachen Verstand und
ein Gewissen, beides hat ihn entweder das Recht finden oder die
guten Rathschläge wählen und darum siegen lassen über die
großen Gefahren, die ihn und sein Volk umringen. Man mag
reden über ihn, wie man will, er hat in seinen Unternehmungen
oder wenigstens in der richtigen Wahl der Rathschläge und der
Männer seines Vertrauens mehr Verstand und Einsicht bewiesen,
wie andere Regenten, denen der Geist fast in zu großer Fülle,
daß er nicht recht gebraucht werden kann, mitgetheilt worden ist.
Jetzt nachdem Ferdinand hätte großartigere Tage erleben können,
gibt er die Krone dem Jünglinge; dieser soll die neue Zeit be-
ginnen, sein Oheim hat ihm den Thron aus der alten herüberge-
bracht, er soll ihn umgestalten, daß er glänze in neuer Gestalt.
Hoffentlich wird einmal wieder ein Regent erstehen, dem die Her-
zen entgegenschlagen, zu dem das Volk Vertrauen hat, weil er
Gott fürchtet, das Rechte thut, das Unrecht meidet, die Gesetze hält
und Frevel straft. Dann sinken vor dem wahren Leben alle
Plane der Bösen, und wir verjüngen uns wieder in Kraft und
That, nicht in Papier und Rede, wie bisher. Möge der neue
Kaiser Dies werden! Deutschland hat seine Macht gewiß noch
nothwendig gegen innere und äußere Feinde. Mögen alle seine
Völker zu Deutschland stehen, wie sie bisher unter Oesterreichs
Scepter immer gethan, möge Deutschland zu ihnen halten, dann
ist und bleibt es stark und mächtig und hat Niemanden gen Mor-
gen und Abend zu fürchten. Das mögen Alle bedenken und sich
Solche erhalten, welche bisher stets zu uns gestanden haben, wie
neulich sehr treffend der Reichsminister v. Peucker von den Croaten
gesagt hat.



Deutschland.

Aus Berlin, wo das seither demokratische Residenzvolk zur
Abwechselung constitutionell geworden ist, wird der Allgemeinen
Zeitung geschrieben: „Die aus den Provinzen einlaufenden
Nachrichten lassen keinen Zwelfel darüber, daß die besitzlosen
Volksschichten, seit Monaten in ihren schlimmsten Leidenschaften
aufgerüttelt und gestachelt, eine äußerst bedrohliche Stellung ein-
nehmen und gegen jeden Besitzenden zum voraus Haß im Herzen
tragen. Ein gestern aus Vorpommern angekommener Reisender
entwirft die traurigsten Schilderungen der bedenklichen Aufregung
des dortigen Proletariates, dem der Besitz an sich schon als Ty-
rannei erscheint. Diesen Zuständen und Stimmungen zu steuern
ist weit nothwendiger als parlamentarisches Stroh zu dreschen.“
Möchte dort die Presse, die mit ihren sogenannten „Neuigkeiten“
ebenfalls viel leeres Stroh drischt, diese gute Lehre sich auch
merken!

Aus der bayerischen Pfalz 11. December. Die „ Augs-
burger Postzeitung“ brachte neulich eine umständliche Wür-
digung der auf die Beschränkung und Vernichtung der katholischen
Associationsfreiheit, zunächst auf die Aufhebung der beiden pfäl-
zischen Klöster sich beziehenden Anträge unseres jüngsten Land-
rathes.
Es war dort erschöpfend und gründlich die Rechts-
widrigkeit, die der Neuzeit unwürdige Jlliberalität, so wie die
Leidenschaftlichkeit, welche in einem solchen Antrage liegt, hervor-
gehoben und zugleich darauf hingewiesen, wie der Landrath sich
damit nur ein moralisches Armuthszeugniß ausgestellt habe. Auch
der Speyerer Zeitung ward dort gebührend gedacht, und
derselben wegen der theilnehmenden Sorgfalt, womit sie ihren
Lesern zweimal diese Materie auftischte, und wegen der dabei an
den Tag gelegten wundersamen Freiheitsbegriffe, der ihr ge-
bührende Theil in Krähwinkel angewiesen. Es wunderte uns
jedoch, wie der Schreiber jenes Berichtes, wenn er sonst auch
das Mißgeschick hat, mit dem Lesen der Speyerer Zeitung sich seine
Zeit zu rauben, nicht vor Allem jenen Widerspruch hervorhob,
welcher besagte Zeitung zugleich wieder in ihrem rechten Lichte
gezeigt hat. Als nämlich jüngst bei der Verhandlung über die
Religionsfreiheit im Frankfurter Parlamente die Tiroler Abge-
ordneten nach dem ihnen von ihrem Volke gewordenen Mandate
meist für die beschränkte Freiheit, d. h. dafür stimmten: daß ihr
von jeher katholisches Land nicht auch in Zukunft mit Religionshader
und verschiedenen religiösen Parteien heimgesucht werde, da konnte
die Speyerer Zeitung nicht mißbilligende Worte genug finden, um
[Ende Spaltensatz]

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[0002] hätte seine Partei, die gegenseitig — wahrscheinlich nicht ganz ruhig — sich anfeinden würden, und wäre dann auch Einer gewählt, so würden die Anderen und ihr Anhang sich nicht bald zufrieden geben und der Haß und die Erbitterung könnte leicht sehr schlimme Folgen haben. Und im besten Falle hätte das Land in einigen Jahren wieder einen Präsidenten zu wählen und da die- selbe Geschichte durchzumachen. So käme es nie zu einer wahren, ständigen Ruhe, Niemand könnte festes Vertrauen in die bestehen- den Zustände haben, damit aber würde unmöglich Credit, Han- del und Wandel gedeihen können. Man befände sich somit immer in einer Art Fieberkrankheit, in welcher das Volk nach und nach ausgemergelt und zuletzt an Entkräftung absterben würde. So dachten die Meisten unter den Oesterreichern, und sie haben Recht gehabt, wie ihnen Frankreich, das jetzt unter großen Schmer- zen sich ein Haupt sucht, hinlänglich beweist. Sie dachten aber auch weiter: was sollen wir uns also muthwillig in diese Ge- fahren stürzen und den vielen Zeitungsschreibern und sonstigen Schwätzern ohne weiteres glauben, daß sie dem Volke sein Glück bringen würden? Wir bleiben bei unserem alten Hause, das kennen wir, und es kennt uns, es hat uns noch nichts Schlimmes zugefügt, der Kaiser braucht nicht so für sich zu sorgen, wie ein Anderer, er bleibt auf dem Throne, er muß auch Rücksicht haben auf seine Vorfahren, daß er ihnen keine Schande macht und ebenso auf seine Nachfolger. Das Festhalten am Kaiserhause gründete sich hauptsächlich auf diese ganz richtigen Betrachtungen; nicht blos und allein auf die Gewohnheit, aus welcher man oft nur die Liebe des Landes zu seinen Regenten herleitet. Daß aber in Oesterreich ein so gesundes Urtheil sich in der großen Mehrheit und vielleicht in größerem Maße, als in anderen Ländern, bewahrt hat, findet seine Ursache darin, daß Wien, als Hauptstadt, bei Weitem nicht den unbeschränkten Einfluß auf die übrigen Theile des Staates ausübte, wie dies in anderen Ländern der Fall ist. Jm Gegentheile haben die Provinzen, Stämme und Landschaften sehr viel Eigenthümliches und Unab- hängiges, und keine Regierung hat ihnen hierin weniger genommen, als die österreichische. Daher hat auch der Freiheitsschwindel, in den die Wiener von einer Zahl leicht zu schätzender s. g. _________Gelehrter, Dichter, Zeitungsschreiber und sonstiger Leute ohne Beschäftigung, aber voller Pläne und Aussichten sich versetzen ließen, bei den ruhig überlegenden Bewohnern der Provinzen gar keinen Anklang gefunden, obwohl man es hier, wie an keinem andern Orte, an Lügen und Aufhetzungen nach der modernen Aufklärung nicht fehlen ließ. Allein der Sinn des Volkes ist noch nicht so berunter- gekommen, daß er sich dem am liebsten anschließt, was gerade am Verrücktesten, Rasendsten und oft Schlechtesten ist. Es gibt auch in Oesterreich verhältnißmäßig mehr Wohlstand, wie in jedem andern Lande, und außer Wien findet man in den Provinzen nicht viele solcher Leute, die gar nichts zu verlieren, aber Alles zu gewinnen haben und von jeder Veränderung, namentlich aber von einem „Durcheinander“ viel zu profitiren hoffen. Das war und ist die Gesinnung der Bevölkerung und sie hat sich in einem Ge- dichte ausgesprochen, welches diese Zeitung in der für Oesterreich trübsten Zeit mitgetheilt und das einen Officier der italienischen Armee zum Verfasser hat, und wie damals bemerkt wurde, den Geist derselben ausdrückte. Das Gedicht hat klar gesehen und ist erfüllt worden. Die Gesinnung der Armee ist aber auch die Ge- sinnung des Volkes, denn sie besteht aus seinen Söhnen aus allen Theilen des Landes. Nicht ist die Presse, namentlich die ehema- lige Wiener, der Ausdruck der Gedanken des Volkes, sondern nur eines kleinen Haufens, der sich allein für das Volk hält, und da Volkssouveränetät sein Stichblatt ist, Alles für Recht und Gut und Frei ansieht, was er will und treibt. Dieses waren die Gründe, aus denen man an der Auflösung des alten Oesterreichs, menschlich Alles betrachtet, noch billig zweifeln konnte, und der Erfolg hat diesen Zweifel vollkommen bestätigt. Zwar haben sichtbar die merkwürdigsten, vorher ganz unbekannte, nicht zu berechnende Ereignisse auf wunderbare Weise zusammengewirkt und dem guten und dauerhaften Elemente des Volkes aufgeholfen. Es ist nicht Alles durch menschliche Klugheit, Geschicklichkeit und Politik geschehen, und die, welche sonst von der österreichischen Klugheit nicht viel reden mögen, schreiben namentlich das Auftreten des Banus Jellachich und die Entwickelung der ungarischen Verhältnisse einem tief angelegten, schlauen Plane zu, während die Dinge, wie sie ohne Zuthun von Oben sich aus sich selbst gestaltet, das Meiste, ja fast Alles ge- than haben. Nun, nachdem die übergroße Milde und Nachgibig- keit gegen die stets frecher auftretende, zuletzt den vollen Umsturz wagende Partei des Fortschrittes, d. h. der vollen Rechts= und Gesetzlosigkeit, sich hat in die angemessene Strenge verwandeln müssen, womit jede Regierung, welche nicht selbst ihr Leben schon aufgegeben hat, gegen Unruhestifter, Verächter der Ordnung und Urheber grenzenlosen Unglückes für Viele verfahren muß: hat das Gelüste dieser Wühler sich gelegt, das Recht und die Ord- nung sind neu befestigt, werden nun ihre Segnungen über die Völker ausgießen und ihnen im Frieden und ohne schreckliche Stürme bringen die Veränderungen und Neuerungen, welche nach Ueberlegung für nothwendig und heilsam erkannt werden. Nach- dem Kaiser Ferdinand die schweren Zeiten standhaft mit durchge- kämpft und durch seine Person seine Völker zusammengehalten hat, tritt er herunter vom Throne. Es ist dies rührend und erhaben. Er war ein Kaiser, dessen Herzensgüte von Freund und Feind anerkannt ward, er hat einen schlichten, einfachen Verstand und ein Gewissen, beides hat ihn entweder das Recht finden oder die guten Rathschläge wählen und darum siegen lassen über die großen Gefahren, die ihn und sein Volk umringen. Man mag reden über ihn, wie man will, er hat in seinen Unternehmungen oder wenigstens in der richtigen Wahl der Rathschläge und der Männer seines Vertrauens mehr Verstand und Einsicht bewiesen, wie andere Regenten, denen der Geist fast in zu großer Fülle, daß er nicht recht gebraucht werden kann, mitgetheilt worden ist. Jetzt nachdem Ferdinand hätte großartigere Tage erleben können, gibt er die Krone dem Jünglinge; dieser soll die neue Zeit be- ginnen, sein Oheim hat ihm den Thron aus der alten herüberge- bracht, er soll ihn umgestalten, daß er glänze in neuer Gestalt. Hoffentlich wird einmal wieder ein Regent erstehen, dem die Her- zen entgegenschlagen, zu dem das Volk Vertrauen hat, weil er Gott fürchtet, das Rechte thut, das Unrecht meidet, die Gesetze hält und Frevel straft. Dann sinken vor dem wahren Leben alle Plane der Bösen, und wir verjüngen uns wieder in Kraft und That, nicht in Papier und Rede, wie bisher. Möge der neue Kaiser Dies werden! Deutschland hat seine Macht gewiß noch nothwendig gegen innere und äußere Feinde. Mögen alle seine Völker zu Deutschland stehen, wie sie bisher unter Oesterreichs Scepter immer gethan, möge Deutschland zu ihnen halten, dann ist und bleibt es stark und mächtig und hat Niemanden gen Mor- gen und Abend zu fürchten. Das mögen Alle bedenken und sich Solche erhalten, welche bisher stets zu uns gestanden haben, wie neulich sehr treffend der Reichsminister v. Peucker von den Croaten gesagt hat. Deutschland. Aus Berlin, wo das seither demokratische Residenzvolk zur Abwechselung constitutionell geworden ist, wird der Allgemeinen Zeitung geschrieben: „Die aus den Provinzen einlaufenden Nachrichten lassen keinen Zwelfel darüber, daß die besitzlosen Volksschichten, seit Monaten in ihren schlimmsten Leidenschaften aufgerüttelt und gestachelt, eine äußerst bedrohliche Stellung ein- nehmen und gegen jeden Besitzenden zum voraus Haß im Herzen tragen. Ein gestern aus Vorpommern angekommener Reisender entwirft die traurigsten Schilderungen der bedenklichen Aufregung des dortigen Proletariates, dem der Besitz an sich schon als Ty- rannei erscheint. Diesen Zuständen und Stimmungen zu steuern ist weit nothwendiger als parlamentarisches Stroh zu dreschen.“ Möchte dort die Presse, die mit ihren sogenannten „Neuigkeiten“ ebenfalls viel leeres Stroh drischt, diese gute Lehre sich auch merken! Aus der bayerischen Pfalz 11. December. Die „ Augs- burger Postzeitung“ brachte neulich eine umständliche Wür- digung der auf die Beschränkung und Vernichtung der katholischen Associationsfreiheit, zunächst auf die Aufhebung der beiden pfäl- zischen Klöster sich beziehenden Anträge unseres jüngsten Land- rathes. Es war dort erschöpfend und gründlich die Rechts- widrigkeit, die der Neuzeit unwürdige Jlliberalität, so wie die Leidenschaftlichkeit, welche in einem solchen Antrage liegt, hervor- gehoben und zugleich darauf hingewiesen, wie der Landrath sich damit nur ein moralisches Armuthszeugniß ausgestellt habe. Auch der Speyerer Zeitung ward dort gebührend gedacht, und derselben wegen der theilnehmenden Sorgfalt, womit sie ihren Lesern zweimal diese Materie auftischte, und wegen der dabei an den Tag gelegten wundersamen Freiheitsbegriffe, der ihr ge- bührende Theil in Krähwinkel angewiesen. Es wunderte uns jedoch, wie der Schreiber jenes Berichtes, wenn er sonst auch das Mißgeschick hat, mit dem Lesen der Speyerer Zeitung sich seine Zeit zu rauben, nicht vor Allem jenen Widerspruch hervorhob, welcher besagte Zeitung zugleich wieder in ihrem rechten Lichte gezeigt hat. Als nämlich jüngst bei der Verhandlung über die Religionsfreiheit im Frankfurter Parlamente die Tiroler Abge- ordneten nach dem ihnen von ihrem Volke gewordenen Mandate meist für die beschränkte Freiheit, d. h. dafür stimmten: daß ihr von jeher katholisches Land nicht auch in Zukunft mit Religionshader und verschiedenen religiösen Parteien heimgesucht werde, da konnte die Speyerer Zeitung nicht mißbilligende Worte genug finden, um

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 162. Mainz, 12. Dezember 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal162_1848/2>, abgerufen am 14.06.2024.