Mainzer Journal. Nr. 162. Mainz, 12. Dezember 1848.[Beginn Spaltensatz]
diese Abstimmung der Tiroler zu brandmarken. So benahm sich Darmstadt 10. December. ( D. Z. ) Von dem Minister- # Aus Rheinhessen 12. December. Gestern rückten die frü- Die Bürgermeistereiwahl in Wörrstadt hat nun auch ihren Die Einkommensteuer hat in der Art der Ermittelung ihrer ^ Aus der hessischen Pfalz 11. December. Gestern hat So eben trägt man die Mainzer Zeitung von Haus zu Hause * * * Oppenheim 10. December. Heute versammelten sich 1) Neuerdings haben, nach Aussage eines seiner Freunde, vermehrte
[Beginn Spaltensatz]
diese Abstimmung der Tiroler zu brandmarken. So benahm sich Darmstadt 10. December. ( D. Z. ) Von dem Minister- # Aus Rheinhessen 12. December. Gestern rückten die frü- Die Bürgermeistereiwahl in Wörrstadt hat nun auch ihren Die Einkommensteuer hat in der Art der Ermittelung ihrer △ Aus der hessischen Pfalz 11. December. Gestern hat So eben trägt man die Mainzer Zeitung von Haus zu Hause * * * Oppenheim 10. December. Heute versammelten sich 1) Neuerdings haben, nach Aussage eines seiner Freunde, vermehrte
<TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <p><pb facs="#f0003"/><cb type="start"/> diese Abstimmung der Tiroler zu brandmarken. So benahm sich<lb/> die Speyerer Zeitung dort. Hier nun „ärgert“ sie sich, daß diese<lb/> 30 Mönche und Nonnen in der seit Jahrhunderten paritätischen<lb/> Pfalz auch nur athmen! und hält ihre schleunige Entfernung mit<lb/> dem Landrathe für eine „unabweisbare Nothwendigkeit.“ Jeder<lb/> denkende Mann erkennt die blinde Leidenschaft, den politischen und<lb/> religiösen Terrorismus, welche mit solchen Forderungen an den<lb/> Tag treten. Wir wissen ihnen keine bessere Charakterisirung zu geben,<lb/> als die der gemeinsten <hi rendition="#g">Waschweiberfeindschaft,</hi> in welcher<lb/> nach Consequenz und Ehrlichkeit der Mittel wenig gefragt wird.<lb/> Bei dieser Gelegenheit können wir einen Gedanken nicht zurück-<lb/> halten, der uns für die Zukunft unseres Vaterlandes bange macht.<lb/> Es ist nämlich eine alte historische Erfahrung, die man fast Gesetz<lb/> nennen möchte, daß in dem Maße, als die politische Macht die<lb/> Religion ehrte und das religiöse Leben frei gewähren ließ, sie auch<lb/> selbst gedieh. Sobald aber die Staatsgewalten sich zum Kerker-<lb/> meister und Polizeiknechte der Glaubensüberzeugungen hergaben,<lb/> begann ihr Siechen und ward ihr Tod bereitet. Wer darum<lb/> auch jetzt wieder in die Freiheit der Gewissen und Confessionen und<lb/> alle ihre Consequenzen sich Eingriffe erlaubt, der ist der eigentliche<lb/> Schlächter der deutschen Freiheit. Darum möchten wir fragen,<lb/> ob sich denn gewisse Männer nicht schon vor den Bänken der<lb/> Paulskirche, selbst vor denen der Linken schämen sollten, wenn<lb/> auch nur unter ihrer „Verantwortlichkeit“ so eine Beschränkung<lb/> der Religionsfreiheit, und gar noch unter dem Aushängeschilde der<lb/> Freisinnigkeit dem deutschen Volke geboten wird?</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>Darmstadt 10. December. ( D. Z. ) Von dem Minister-<lb/> präsidenten Jaup wurde neulich in der Kammer erwähnt, es sey<lb/> eine Commission ernannt worden, welche ein Gutachten darüber,<lb/> ob und wie Abänderungen der Dienstpragmatik den Ständen<lb/> vorzuschlagen, erstatten und zugleich prüfen solle, ob wirkliche<lb/> einzelne Pensionen in ungesetzlicher Größe bewilligt worden.<lb/> Diese Commission besteht aus dem Justizminister Kilian als Vor-<lb/> sitzenden, dem Ministerialrathe Wernher und den beiden Hofge-<lb/> richtsräthen Eigenbrodt und von Rodenstein.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p># Aus Rheinhessen 12. December. Gestern rückten die frü-<lb/> her bei uns stationirten preußischen Reichstruppen vom 28. Regi-<lb/> mente wieder ein, um hier ein Winterquartier zu beziehen, das<lb/> sie selbst gewünscht, weil die Aufnahme in die Familienkreise,<lb/> deren sie sich hier erfreueten, ihnen, die meist gebildete junge Män-<lb/> ner sind, oft aus den angesehensten Familien, allerdings besser<lb/> zusagen dürfte als der strenge Dienst in der Caserne. So viel ist<lb/> gewiß, daß ihre Rückkehr von manchem Herzen mit Sehnsucht<lb/> erwartet wurde.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>Die Bürgermeistereiwahl in <hi rendition="#g">Wörrstadt</hi> hat nun auch ihren<lb/> und zwar ganz ruhigen und besonnenen Verlauf genommen. Der<lb/> Demokratenverein ließ vor deren Beginn alle Minen springen,<lb/> um einen der Seinigen ans Gemeinderuder zu bringen. Allein am<lb/> Abende vor der Wahl hörte ich, wie sie in Parteien gespalten sich<lb/> selbst einander die bittersten Vorwürfe machten; der Kern der<lb/> Bürgerschaft that sich zusammen und bewies auf eine sehr lobens-<lb/> werthe Weise, was Eintracht und Besonnenheit vermag. Der<lb/> bisherige Bürgermeister, mit dessen Wirksamkeit die Gemeinde<lb/> bisher zufrieden war, wurde wieder aufs neue gewählt, und die<lb/> größte Stimmenzahl für Denjenigen, den die Demokraten als<lb/> Candidaten in Aussicht genommen hatten, betrug kaum 60, was<lb/> in einer Gemeinde von mehr denn 2000 Seelen als unbedeutend<lb/> erscheinen muß.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>Die Einkommensteuer hat in der Art der Ermittelung ihrer<lb/> Steuerpflichtigen, böses Blut gemacht, und nur der Umstand, daß<lb/> sie sich nicht mehr in dieser Weise wiederhole, hat Viele zurückge-<lb/> halten, gegen dieselbe zu protestiren. Abgesehen von allen sonstigen<lb/> Jnconvenienzen und möglichen Widersprüchen will ich nur einer<lb/> Thatsache erwähnen, welche auf die ungeschickte Weise der Steuer-<lb/> pflicht=Ermittelung das deutlichste Licht wirft. Bekanntlich verlangt<lb/> die Staatsregierung die genaueste Angabe aller Activa und Pas-<lb/> siva. Der Steuerpflichtige ist demnach genöthigt letztere anzugeben,<lb/> wenn er nicht Steuer von Dem geben will, was er nicht besitzt.<lb/> Die Steuercommission tritt also hier in den Bereich des Familien-<lb/> geheimnisses, uns ist von den Mitgliedern derselben die tiefste<lb/> Geheimhaltung der darüber gepflogenen Verhandlungen zur eid-<lb/> lichen Pflicht gemacht. Diese Geheimhaltung aber ist schlechter-<lb/> dings auf dem Lande nicht zu erzielen, und man wußte es im<lb/> Voraus, daß verschiedene Mitglieder solcher Steuercommissionen<lb/> sich darauf freueten, auf eine so leichte Weise die Familienverhält-<lb/> nisse ihrer Mitbürger zu erfahren, um sie ausbeuten zu können.<lb/> Der Ungebildete weiß überhaupt unter hundert Fällen kaum ein-<lb/> mal ein Geheimniß zu bewahren, das nicht speciell nur seine Per-<lb/> son betrifft. Aber der schamloseste Fall bei dieser Steuerermitte-<lb/> lung mag wohl folgender seyn. Ein katholischer Geistlicher in<lb/> einer gemischten Gemeinde in der Pfalz hatte seine Erklärung ver-<lb/> schlossen der Commission eingereicht; alsbald stellte sich der Ge-<lb/><cb n="2"/> meindediener ein und bestellte denselben vor die Commission, die<lb/> aus dem Bürgermeister und den übrigen Mitgliedern, sämmtlich<lb/> Protestanten, bestand; unterwegs schon erklärte der Gemeinde-<lb/> diener, es sey ein Versehen in der Erklärung dieses Geistlichen in<lb/> der Rubricirung dieser und jener Punkte — der Gemeindediener<lb/> wußte also schon um diese verschiedenen Angaben! Weiter: als<lb/> der Pfarrer in das Bürgermeistereizimmer eintrat, um vor der<lb/> besagten Commission zu erscheinen, so bestand diese nebst den ge-<lb/> nannten Mitgliedern auch noch aus der spinnenden Frau Bürger-<lb/> meisterin, deren spinnenden Mägden, einer Näherin und dem<lb/> Schreiber des Bürgermeisters, den die Sache auch nichts angeht.<lb/> Der Pfarrer, wenn er nicht eben der katholische Pfarrer gewesen<lb/> wäre, würde einer solchen Commission den Rücken gekehrt haben,<lb/> wie er das Recht dazu hatte; allein er verständigte sich ohne eine<lb/> Bemerkung zu machen mit dem Schreiber, der für den Bürger-<lb/> meister denkt und schreibt. Ob die spinnenden und nähenden Com-<lb/> missärinnen thätigen Antheil an den weiteren Verhandlungen<lb/> genommen, weiß ich nicht, entlassen ließen sie sich keines Falles<lb/> vor dem Beschlusse.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>△ Aus der hessischen Pfalz 11. December. Gestern hat<lb/> die „Mainzer Zeitung“ wieder einmal ihre ganze Liebenswürdig-<lb/> keit in einem Artikel entfaltet, der auf die letzte Artikelfabrication<lb/> in der vielbesprochenen Ribbentrop'schen Angelegenheit das hellste<lb/> Licht wirft; wenn in den, die letztere betreffenden Artikeln wenig-<lb/> stens die Namen der Personen wahr sind, so ist der erstere Artikel<lb/> in der Darstellung des Sachverhältnisses so durch und durch er-<lb/> logen, daß an derselben auch nicht <hi rendition="#g">ein</hi> wahres Wörtchen bleibt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>So eben trägt man die Mainzer Zeitung von Haus zu Hause<lb/> mit dem Geschrei: Sehet solche Dummheiten lehren die <hi rendition="#g">katho-<lb/> lischen</hi> Pfaffen, und die <hi rendition="#g">katholischen</hi> Lehrer, diese über sol-<lb/> chen Wahn erhabenen Männer, wie werden sie von denselben miß-<lb/> handelt! Der Artikel selbst, um dessen Abdruck ich Sie bitten<lb/> würde, wenn Sie Raum dazu hätten, enthält zwar nicht die Be-<lb/> zeichnung „katholisch“ in der Erzählung der Thatsache, er redet<lb/> aber <hi rendition="#g">von einer rein katholischen Glaubenslehre</hi> und<lb/> schiebt so in perfidester Weise dem <hi rendition="#g">katholischen</hi> Pfarrer, dem<lb/><hi rendition="#g">katholischen</hi> Lehrer und der <hi rendition="#g">katholischen</hi> Gemeinde zu<lb/> Heimersheim einen Vorfall unter, von dem alle drei nichts wissen,<lb/> er schiebt ihn unter, um die niedrigsten Gehässigkeiten über die-<lb/> selben auszuschütten — und solche allwärts, wo die Mainzer<lb/> Zeitung noch gelesen wird, gegen die katholischen Geistlichen so-<lb/> wohl als auch gegen das katholische Volk hervorzurufen. Jch<lb/> überlasse es der katholischen Gemeinde <hi rendition="#g">zu Heimersheim</hi> selbst<lb/> ihre Rechte gegen die Verläumdung zu wahren. Aber auch die<lb/> Jnvectiven gegen den Regierungsrath <hi rendition="#g">Pfannebecker</hi> sind eben<lb/> so erlogen und Herr Pfannebecker wird sich ebenfalls gegen solche<lb/> unwürdige Angriffe zu schützen wissen. Jch kann Jhnen zufällig<lb/> den reinen Thatbestand der Sache mittheilen. Der bisherige<lb/><hi rendition="#g">protestantische</hi> Pfarrvicar in Albig, wo Heimersheim sich<lb/> rinpfarrt, ein junger eifriger Mann, welcher in unserer Zeit,<lb/> was viel sagen will, mit einem großen Theile der ehrenhaften<lb/> protestantischen Gemeinde zu Heimersheim den Muth hat, sich<lb/> zum positiven Christenthume öffentlich zu bekennen, predigte über<lb/> eine positive christliche Wahrheit: ob er des Vergleiches, welchen<lb/> die Mainzer Zeitung ausbeutet, sich bediente, vermag ich nicht zu<lb/> sagen, möchte es aber wenigstens in der angegebenen Weise be-<lb/> zweifeln. Der <hi rendition="#g">protestantische</hi> Schullehrer <hi rendition="#g">Mohr</hi> fing dar-<lb/> über laut zu lachen an, so daß sein Lachen die Gemeinde empörte<lb/> und er von einer bedeutenden Anzahl Gemeindeglieder, die ihm<lb/> sofort ihre Kinder entzogen, verklagt wurde. Er vertheidigte sich<lb/> mit dem Vorwande — ein Krampfhusten habe ihn überfallen!<lb/> Da jedoch der Conflict zwischen dem Lehrer und der Gemeinde<lb/> fortbestand und seine Wirksamkeit gelähmt erschien, so <hi rendition="#g">bat ihn</hi><lb/> Herr Pfannebecker schriftlich in aller Güte, um weitere Auftritte<lb/> zu vermeiden — möge er um eine Versetzung einkommen, worauf<lb/> sich der Lehrer nicht einließ, sondern persönlich sich zu Herrn<lb/> Pfannebecker begab, der seine Bitte mit dem Bemerken wieder-<lb/> holte: im Weigerungsfalle sey er selbst verpflichtet auch die<lb/> Klage der Gemeinde, oder doch wenigstens der klagenden Ge-<lb/> meindeglieder, etwa dreißig an der Zahl zu berücksichtigen. Schul-<lb/> lehrer Mohr ließ darauf in brutaler Weise Herrn Pfannebecker<lb/> stehen und ging fort — wahrscheinlich zum Redacteur der Main-<lb/> zer Zeitung, der seitdem es mit den Haupt= und Staatsactionen<lb/> nicht mehr gehen will, nunmehr wie es scheint zum politischen<lb/> Chiffonier geworden ist.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p><hi rendition="#sup">* * *</hi> Oppenheim 10. December. Heute versammelten sich<lb/> auf dem gelben Hause bei Oppenheim eine Anzahl Bürger aus<lb/> Rheinhessen, um sich über die Empfangsfeierlichkeiten zu berathen,<lb/> die man zu Ehren <hi rendition="#g">Gagerns,</hi> wann derselbe wieder unsere<lb/> Provinz betrete, was nach Einigen in Bälde zu erwarten steht<note xml:id="fn01" next="#fn02" place="foot" n="1)">Neuerdings haben, nach Aussage eines seiner Freunde, vermehrte</note>,<lb/><cb type="end"/> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0003]
diese Abstimmung der Tiroler zu brandmarken. So benahm sich
die Speyerer Zeitung dort. Hier nun „ärgert“ sie sich, daß diese
30 Mönche und Nonnen in der seit Jahrhunderten paritätischen
Pfalz auch nur athmen! und hält ihre schleunige Entfernung mit
dem Landrathe für eine „unabweisbare Nothwendigkeit.“ Jeder
denkende Mann erkennt die blinde Leidenschaft, den politischen und
religiösen Terrorismus, welche mit solchen Forderungen an den
Tag treten. Wir wissen ihnen keine bessere Charakterisirung zu geben,
als die der gemeinsten Waschweiberfeindschaft, in welcher
nach Consequenz und Ehrlichkeit der Mittel wenig gefragt wird.
Bei dieser Gelegenheit können wir einen Gedanken nicht zurück-
halten, der uns für die Zukunft unseres Vaterlandes bange macht.
Es ist nämlich eine alte historische Erfahrung, die man fast Gesetz
nennen möchte, daß in dem Maße, als die politische Macht die
Religion ehrte und das religiöse Leben frei gewähren ließ, sie auch
selbst gedieh. Sobald aber die Staatsgewalten sich zum Kerker-
meister und Polizeiknechte der Glaubensüberzeugungen hergaben,
begann ihr Siechen und ward ihr Tod bereitet. Wer darum
auch jetzt wieder in die Freiheit der Gewissen und Confessionen und
alle ihre Consequenzen sich Eingriffe erlaubt, der ist der eigentliche
Schlächter der deutschen Freiheit. Darum möchten wir fragen,
ob sich denn gewisse Männer nicht schon vor den Bänken der
Paulskirche, selbst vor denen der Linken schämen sollten, wenn
auch nur unter ihrer „Verantwortlichkeit“ so eine Beschränkung
der Religionsfreiheit, und gar noch unter dem Aushängeschilde der
Freisinnigkeit dem deutschen Volke geboten wird?
Darmstadt 10. December. ( D. Z. ) Von dem Minister-
präsidenten Jaup wurde neulich in der Kammer erwähnt, es sey
eine Commission ernannt worden, welche ein Gutachten darüber,
ob und wie Abänderungen der Dienstpragmatik den Ständen
vorzuschlagen, erstatten und zugleich prüfen solle, ob wirkliche
einzelne Pensionen in ungesetzlicher Größe bewilligt worden.
Diese Commission besteht aus dem Justizminister Kilian als Vor-
sitzenden, dem Ministerialrathe Wernher und den beiden Hofge-
richtsräthen Eigenbrodt und von Rodenstein.
# Aus Rheinhessen 12. December. Gestern rückten die frü-
her bei uns stationirten preußischen Reichstruppen vom 28. Regi-
mente wieder ein, um hier ein Winterquartier zu beziehen, das
sie selbst gewünscht, weil die Aufnahme in die Familienkreise,
deren sie sich hier erfreueten, ihnen, die meist gebildete junge Män-
ner sind, oft aus den angesehensten Familien, allerdings besser
zusagen dürfte als der strenge Dienst in der Caserne. So viel ist
gewiß, daß ihre Rückkehr von manchem Herzen mit Sehnsucht
erwartet wurde.
Die Bürgermeistereiwahl in Wörrstadt hat nun auch ihren
und zwar ganz ruhigen und besonnenen Verlauf genommen. Der
Demokratenverein ließ vor deren Beginn alle Minen springen,
um einen der Seinigen ans Gemeinderuder zu bringen. Allein am
Abende vor der Wahl hörte ich, wie sie in Parteien gespalten sich
selbst einander die bittersten Vorwürfe machten; der Kern der
Bürgerschaft that sich zusammen und bewies auf eine sehr lobens-
werthe Weise, was Eintracht und Besonnenheit vermag. Der
bisherige Bürgermeister, mit dessen Wirksamkeit die Gemeinde
bisher zufrieden war, wurde wieder aufs neue gewählt, und die
größte Stimmenzahl für Denjenigen, den die Demokraten als
Candidaten in Aussicht genommen hatten, betrug kaum 60, was
in einer Gemeinde von mehr denn 2000 Seelen als unbedeutend
erscheinen muß.
Die Einkommensteuer hat in der Art der Ermittelung ihrer
Steuerpflichtigen, böses Blut gemacht, und nur der Umstand, daß
sie sich nicht mehr in dieser Weise wiederhole, hat Viele zurückge-
halten, gegen dieselbe zu protestiren. Abgesehen von allen sonstigen
Jnconvenienzen und möglichen Widersprüchen will ich nur einer
Thatsache erwähnen, welche auf die ungeschickte Weise der Steuer-
pflicht=Ermittelung das deutlichste Licht wirft. Bekanntlich verlangt
die Staatsregierung die genaueste Angabe aller Activa und Pas-
siva. Der Steuerpflichtige ist demnach genöthigt letztere anzugeben,
wenn er nicht Steuer von Dem geben will, was er nicht besitzt.
Die Steuercommission tritt also hier in den Bereich des Familien-
geheimnisses, uns ist von den Mitgliedern derselben die tiefste
Geheimhaltung der darüber gepflogenen Verhandlungen zur eid-
lichen Pflicht gemacht. Diese Geheimhaltung aber ist schlechter-
dings auf dem Lande nicht zu erzielen, und man wußte es im
Voraus, daß verschiedene Mitglieder solcher Steuercommissionen
sich darauf freueten, auf eine so leichte Weise die Familienverhält-
nisse ihrer Mitbürger zu erfahren, um sie ausbeuten zu können.
Der Ungebildete weiß überhaupt unter hundert Fällen kaum ein-
mal ein Geheimniß zu bewahren, das nicht speciell nur seine Per-
son betrifft. Aber der schamloseste Fall bei dieser Steuerermitte-
lung mag wohl folgender seyn. Ein katholischer Geistlicher in
einer gemischten Gemeinde in der Pfalz hatte seine Erklärung ver-
schlossen der Commission eingereicht; alsbald stellte sich der Ge-
meindediener ein und bestellte denselben vor die Commission, die
aus dem Bürgermeister und den übrigen Mitgliedern, sämmtlich
Protestanten, bestand; unterwegs schon erklärte der Gemeinde-
diener, es sey ein Versehen in der Erklärung dieses Geistlichen in
der Rubricirung dieser und jener Punkte — der Gemeindediener
wußte also schon um diese verschiedenen Angaben! Weiter: als
der Pfarrer in das Bürgermeistereizimmer eintrat, um vor der
besagten Commission zu erscheinen, so bestand diese nebst den ge-
nannten Mitgliedern auch noch aus der spinnenden Frau Bürger-
meisterin, deren spinnenden Mägden, einer Näherin und dem
Schreiber des Bürgermeisters, den die Sache auch nichts angeht.
Der Pfarrer, wenn er nicht eben der katholische Pfarrer gewesen
wäre, würde einer solchen Commission den Rücken gekehrt haben,
wie er das Recht dazu hatte; allein er verständigte sich ohne eine
Bemerkung zu machen mit dem Schreiber, der für den Bürger-
meister denkt und schreibt. Ob die spinnenden und nähenden Com-
missärinnen thätigen Antheil an den weiteren Verhandlungen
genommen, weiß ich nicht, entlassen ließen sie sich keines Falles
vor dem Beschlusse.
△ Aus der hessischen Pfalz 11. December. Gestern hat
die „Mainzer Zeitung“ wieder einmal ihre ganze Liebenswürdig-
keit in einem Artikel entfaltet, der auf die letzte Artikelfabrication
in der vielbesprochenen Ribbentrop'schen Angelegenheit das hellste
Licht wirft; wenn in den, die letztere betreffenden Artikeln wenig-
stens die Namen der Personen wahr sind, so ist der erstere Artikel
in der Darstellung des Sachverhältnisses so durch und durch er-
logen, daß an derselben auch nicht ein wahres Wörtchen bleibt.
So eben trägt man die Mainzer Zeitung von Haus zu Hause
mit dem Geschrei: Sehet solche Dummheiten lehren die katho-
lischen Pfaffen, und die katholischen Lehrer, diese über sol-
chen Wahn erhabenen Männer, wie werden sie von denselben miß-
handelt! Der Artikel selbst, um dessen Abdruck ich Sie bitten
würde, wenn Sie Raum dazu hätten, enthält zwar nicht die Be-
zeichnung „katholisch“ in der Erzählung der Thatsache, er redet
aber von einer rein katholischen Glaubenslehre und
schiebt so in perfidester Weise dem katholischen Pfarrer, dem
katholischen Lehrer und der katholischen Gemeinde zu
Heimersheim einen Vorfall unter, von dem alle drei nichts wissen,
er schiebt ihn unter, um die niedrigsten Gehässigkeiten über die-
selben auszuschütten — und solche allwärts, wo die Mainzer
Zeitung noch gelesen wird, gegen die katholischen Geistlichen so-
wohl als auch gegen das katholische Volk hervorzurufen. Jch
überlasse es der katholischen Gemeinde zu Heimersheim selbst
ihre Rechte gegen die Verläumdung zu wahren. Aber auch die
Jnvectiven gegen den Regierungsrath Pfannebecker sind eben
so erlogen und Herr Pfannebecker wird sich ebenfalls gegen solche
unwürdige Angriffe zu schützen wissen. Jch kann Jhnen zufällig
den reinen Thatbestand der Sache mittheilen. Der bisherige
protestantische Pfarrvicar in Albig, wo Heimersheim sich
rinpfarrt, ein junger eifriger Mann, welcher in unserer Zeit,
was viel sagen will, mit einem großen Theile der ehrenhaften
protestantischen Gemeinde zu Heimersheim den Muth hat, sich
zum positiven Christenthume öffentlich zu bekennen, predigte über
eine positive christliche Wahrheit: ob er des Vergleiches, welchen
die Mainzer Zeitung ausbeutet, sich bediente, vermag ich nicht zu
sagen, möchte es aber wenigstens in der angegebenen Weise be-
zweifeln. Der protestantische Schullehrer Mohr fing dar-
über laut zu lachen an, so daß sein Lachen die Gemeinde empörte
und er von einer bedeutenden Anzahl Gemeindeglieder, die ihm
sofort ihre Kinder entzogen, verklagt wurde. Er vertheidigte sich
mit dem Vorwande — ein Krampfhusten habe ihn überfallen!
Da jedoch der Conflict zwischen dem Lehrer und der Gemeinde
fortbestand und seine Wirksamkeit gelähmt erschien, so bat ihn
Herr Pfannebecker schriftlich in aller Güte, um weitere Auftritte
zu vermeiden — möge er um eine Versetzung einkommen, worauf
sich der Lehrer nicht einließ, sondern persönlich sich zu Herrn
Pfannebecker begab, der seine Bitte mit dem Bemerken wieder-
holte: im Weigerungsfalle sey er selbst verpflichtet auch die
Klage der Gemeinde, oder doch wenigstens der klagenden Ge-
meindeglieder, etwa dreißig an der Zahl zu berücksichtigen. Schul-
lehrer Mohr ließ darauf in brutaler Weise Herrn Pfannebecker
stehen und ging fort — wahrscheinlich zum Redacteur der Main-
zer Zeitung, der seitdem es mit den Haupt= und Staatsactionen
nicht mehr gehen will, nunmehr wie es scheint zum politischen
Chiffonier geworden ist.
* * * Oppenheim 10. December. Heute versammelten sich
auf dem gelben Hause bei Oppenheim eine Anzahl Bürger aus
Rheinhessen, um sich über die Empfangsfeierlichkeiten zu berathen,
die man zu Ehren Gagerns, wann derselbe wieder unsere
Provinz betrete, was nach Einigen in Bälde zu erwarten steht 1),
1) Neuerdings haben, nach Aussage eines seiner Freunde, vermehrte
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