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Mainzer Journal. Nr. 162. Mainz, 12. Dezember 1848.

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[Beginn Spaltensatz] zu veranstalten Willens war. Das Resultat der Berathung war
jedoch, vor der Hand alles Derartige zu unterlassen, da eine solche
Feierlichkeit sehr leicht durch die Rohheit eines Einzelnen, eines
Fanatikers, getrübt werden könnte. Der Abgeordnete Wernher
von Nierstein übernahm es, Herrn v. Gagern mitzutheilen, welche
Sympathien er in Rheinhessen besitze, was man für ihn beabsich-
tigt habe, und wie diese Demonstration gerade von den tüchtigsten
Leuten unserer Provinz ausgegangen sey. Eine Deputation aus
einigen Mitgliedern der Versammlung wird noch in dieser Woche
zu dem Zwecke nach Frankfurt abgehen.

Altenburg 7. December. ( Schw. M. ) Da das altenburgische
Land schon seit geraumer Zeit in der Nationalversamm-
lung
unvertreten ist, so werden in diesen Tagen zu diesem Be-
hufe neue Wahlen stattfinden. Von Seiten der radicalen Par-
tei wird der wegen Aufreizung zum Fürstenmorde und anderer
Verbrechen steckbrieflich verfolgte Advokat Erbe, "als der wür-
digste im Lande," den Bewohnern des Herzogthumes zu ihrem
Vertreter in Frankfurt angepriesen. Jm Lande herrscht Ruhe und
man hat Aussicht, in Kürze von einem Bataillone unserer Ein-
quartirung befreit zu werden.

# Frankfurt 11. December. Unser Präsident der
Nationalversammlung soll Präsident des Reichs-
ministeriums werden.
Bestätigt sich dieses Factum, so
dürfen wir wohl das Beste hoffen.

Frankreich.

* * * Paris 9. December. Um die Wirkungen, welche die un-
selige Geschichte mit den "Nationalbelohnungen für Königsmör-
der " in den Provinzen nothwendig hervorbringen mußten, mög-
lichst zu dämpfen, hat die Regierung vorgestern zu einem ganz
eigenthümlichen Auskunftsmittel gegriffen: sie hielt nämlich
sämmtliche Eilwägen um ein paar Stunden zurück, um auf diese
Weise mit den Anklagen gegen die Regierung auch die Antworten
darauf und ihre Rechtfertigung im Lande zu verbreiten. Um ein
Haar wäre indessen das Gouvernement aus dem Regen in die
Traufe gerathen, denn in den Departements glaubte man schon,
es sey, weil die Eilwagen nicht zur bestimmten Zeit eintrafen, in
Paris losgegangen und ein Deputirter, der eben aus der Pro-
vinz kam, wußte gestern in der Kammer nicht genug über die
dort herrschende Aufregung zu berichten. Jn der Kammer wurde
ein Versuch gemacht, diese Wahlmanövers zu mißbilligen, allein
die Majorität schrie diese "Reactionäre" nieder und die National-
versammlung ging, wie gewöhnlich, kurz zur Tagesordnung über.
Wäre früher ein solcher Mißbrauch der Gewalt vorgekommen, --
o wie würden die Herren Republikaner da getobt haben! Uebri-
gens waren die in der Provinz verbreiteten Gerüchte aller Wahr-
scheinlichkeit nach nur verfrühte. Jn der Hauptstadt kauft
sich Jeder Pulver und Blei,
um nach Umständen zum An-
griffe oder zur Vertheidigung schreiten zu können. Sie sehen,
trotz aller Civilisation leben wir wie in den schönsten Zeiten des
Faustrechtes! Es ist eine bekannte Sache, daß das gute oder
schlechte Wetter schon mehr als einmal über den Gewinn oder den
Verlust einer Schlacht entschieden hat, und bei Waterloo hatte
Napoleon seine Niederlage theilweise einem Regen zu verdanken.
Sein Neffe scheint in dieser Beziehung glücklicher zu seyn, der
Himmel, so lange schon umwölkt, hat heute sein heiterstes Ge-
wand angelegt und dieser Wechsel der Witterung ist keine schlechte
Vorbedeutung für den Bonapartismus, indem die Wähler vom
Lande, die im Allgemeinen die Candidatur des Prinzen unter-
stützen, bei schönem Wetter sich leichter nach den Cantonshaupt-
orten hinlocken lassen, als bei schlechtem. Ein Regentag hätte
den Prinzen Louis vielleicht um 200,000 Stimmen gebracht!
Morgen ist der entscheidende Tag und es ist hohe Zeit, daß der
Wirrwarr ein Ende nehme und die Leute endlich einmal erfahren,
ob die Republik eine Zukunft hat oder nicht. Siegt der General
Cavaignac, so wird sie sich eben so lange noch fortschleppen, bis
die Auszehrung, die sie schon bei ihrer Geburt mit auf die Welt
gebracht, ihr vollends den Garaus macht. Geht aber Louis Bo-
naparte siegreich aus der Wahlschlacht hervor, so weiß kein
Mensch, was noch kommen wird und wir müssen uns in das un-
bekannte Meer der Zukunft hinauswagen.

Louis Bonaparte hat an den päpstlichen Nuntius den folgen-
den Brief geschrieben: "Es wäre mir sehr leid, gnädiger Herr,
wenn die Gerüchte, welche mich zum Mitschuldigen des Fürsten
Canino in Rom zu machen suchen, auch bei Jhnen Eingang fin-
[Spaltenumbruch] den. Schon leit langer Zeit stehe ich in durchaus keinem Ver-
kehre mit dem ältesten Sohne Bonaparte's und ich beklage es aus
tiefster Seele, daß er es nicht einsieht, wie die Aufrechthaltung
der weltlichen Souveränität des ehrwürdigen Oberhauptes der
Kirche mit dem Glanze des Katholicismus sowohl, als mit der
Freiheit und Unabhängigkeit Jtaliens eng verbunden ist. Geneh-
migen Sie u. s. w." Dagegen hat der Herzog von Fitz=James
ein Schreiben veröffentlicht, in welchem er den Legitimisten den
General Cavaignac "als den reinsten Ausdruck der honetten und
gemäßigten Republik empfiehlt und es für die Pflicht eines jeden
Franzosen erklärt, die Republik provisorisch anzuerkennen. Eine
militärische Notabilität, der General Fabvier, erklärt in einem
Schreiben an Cavaignac, er werde jeder Regierung den Ge-
horsam aufkündigen, deren Chef er ( Cavaignac ) sey, wenn er
wirklich Mitwissenschaft davon gehabt habe, daß den Meuchel-
mördern eine Nationalbelohnung decretirt werden solle, -- also
Wirwarr an allen Enden! Man ist allgemein darauf gefaßt,
daß die Unruhen nächster Tage von Neuem ausbrechen werden,
an mehreren Punkten der Hauptstadt haben schon bedenkliche
Volksaufläufe stattgefunden, der Deputirtenverein im Palais
National, zu welchem die entschiedensten Anhänger Cavaignacs
gehören, hat sich in Permanenz erklärt und es herrscht in diesen
Kreisen die höchste Aufregung. Jn Montpellier singt das Volk:
la republique nous abuse, il faut du pain, du pain, du pain!
Die singenden "Bürger" dorten sind indessen nichts weniger als
legitimistisch gesinnt, denn nebenbei schreien sie: nieder mit den
Reichen! nieder mit den Aristokraten! es lebe die Guillotine!
es lebe Lacenaire! -- Marrast ist unwohl und muß sehr zur un-
gelegenen Zeit das Bett hüten. -- Herr von Tocqueville, der
als französischer Gesandter bei den Conferen zen in Brüssel fun-
giren wird, hat Paris bereits verlassen.

Paris 9. December. ( O. P. A. Z. ) Das Ministerium
hat eine kurze Proclamation an die Börsenhalle anschlagen lassen,
in welcher es für die Ruhe von Paris bürgt und das Wahl-
resultat zu achten verspricht, welcher Art dasselbe
auch ausfallen möge.
Daher das Steigen der Fonds.

* * * Paris 10. December. General Cavaignac hat gestern noch
eine von dem Minister des Jnnern contrasignirte Proclamation an das
französische Volk erlassen, in welcher er in ernster und würdiger Sprache
zur Ruhe und Sammlung am heutigen Wahltage ermahnt. "Sollte
es Leute geben," so schließt dieser Aufruf, "welche sich mit schlimmen
Plänen herumtragen, so würden wir in ihnen sowohl heute, wo wir
noch die Regierung führen, wie morgen, wo wir vielleicht nur noch ein-
fache Bürger sind, nichts Anderes sehen, als Feinde des Staates, die
das Gesetz weder schützen kann, noch will.
Vergesset nicht,
daß unsere Haltung am morgenden Tage die Republik befestigen oder
stürzen kann." Auch der Berg und die Socialisten, zwischen wel-
chen keine Versöhnung zu Stande gekommen ist, haben ihren Aufruf
erlassen, der Berg wird für Ledru=Rollin, die Socialisten werden für
Raspail stimmen. Haben diese Leute auch keinen Erfolg, so haben
sie doch wenigstens ihren Willen gehabt.

Großbritannien.

Ein Correspondent der Times schildert die Zustände in den
südlichen Provinzen Jrlands folgendermaßen: Mag man hin-
blicken, wohin man will, überall ist diese Noth, derselbe Mangel
ersichtlich: kein Vieh auf dem Felde, kein Schuppen hinter der
Hütte, kein Pflug auf dem Acker, nicht einmal ein Mann mit dem
Spaten sichtbar. Jeder legt verzweifelt die Hände in den Schoos
und fragt sich rathlos, was nun zunächst kommen werde; Guts-
herr und Pachter sind wie vernichtet von der Krisis. Die einzigen
thätigen Personen sind die Armensteuereinnehmer; unter dem
Beistande von Militär und Polizei ziehen sie im Lande umher
und nehmen der darbenden Bevölkerung die wenigen noch vor-
handenen Garben. Zahllose Grundstücke sind zum Kaufe ausge-
boten und Niemand will bieten; tausend und aber tausend Acker Land
sind unverpachtet und Niemand will sie haben; Armenhäuser,
die für 800 Bewohner gebaut sind, müssen 3000 aufnehmen;
neue Häuser müssen überall von der Armenbehörde gemiethet
werden, und doch suchen Hunderte vergebens ein Unterkommen;
Viele begehen Verbrechen, um ins Gefängniß zu kommen, denn sie
ziehen die Tretmühle dem Hunger vor. Man berechnet, daß in
den letzten drei Jahren Jrland für Nahrungsmittel 15 Millionen
Pfund Sterling baar an das Ausland gezahlt hat, und nach dem
Ausfalle der Kartoffelernte und den vielen sonst mit Getreide be-
bauten Feldern, die dieses Jahr unbenutzt bleiben, zu urtheilen,
wird Jrland für das nächste Jahr wieder für Millionen Pf. St.
Mehl und Korn einführen müssen.

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. -- Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. -- Druck von Florian Kupferberg.

Geschäfte in Frankfurt ein Abkommen auf nur einige Tage gänzlich
unmöglich gemacht.

[Beginn Spaltensatz] zu veranstalten Willens war. Das Resultat der Berathung war
jedoch, vor der Hand alles Derartige zu unterlassen, da eine solche
Feierlichkeit sehr leicht durch die Rohheit eines Einzelnen, eines
Fanatikers, getrübt werden könnte. Der Abgeordnete Wernher
von Nierstein übernahm es, Herrn v. Gagern mitzutheilen, welche
Sympathien er in Rheinhessen besitze, was man für ihn beabsich-
tigt habe, und wie diese Demonstration gerade von den tüchtigsten
Leuten unserer Provinz ausgegangen sey. Eine Deputation aus
einigen Mitgliedern der Versammlung wird noch in dieser Woche
zu dem Zwecke nach Frankfurt abgehen.

Altenburg 7. December. ( Schw. M. ) Da das altenburgische
Land schon seit geraumer Zeit in der Nationalversamm-
lung
unvertreten ist, so werden in diesen Tagen zu diesem Be-
hufe neue Wahlen stattfinden. Von Seiten der radicalen Par-
tei wird der wegen Aufreizung zum Fürstenmorde und anderer
Verbrechen steckbrieflich verfolgte Advokat Erbe, „als der wür-
digste im Lande,“ den Bewohnern des Herzogthumes zu ihrem
Vertreter in Frankfurt angepriesen. Jm Lande herrscht Ruhe und
man hat Aussicht, in Kürze von einem Bataillone unserer Ein-
quartirung befreit zu werden.

□ Frankfurt 11. December. Unser Präsident der
Nationalversammlung soll Präsident des Reichs-
ministeriums werden.
Bestätigt sich dieses Factum, so
dürfen wir wohl das Beste hoffen.

Frankreich.

* * * Paris 9. December. Um die Wirkungen, welche die un-
selige Geschichte mit den „Nationalbelohnungen für Königsmör-
der “ in den Provinzen nothwendig hervorbringen mußten, mög-
lichst zu dämpfen, hat die Regierung vorgestern zu einem ganz
eigenthümlichen Auskunftsmittel gegriffen: sie hielt nämlich
sämmtliche Eilwägen um ein paar Stunden zurück, um auf diese
Weise mit den Anklagen gegen die Regierung auch die Antworten
darauf und ihre Rechtfertigung im Lande zu verbreiten. Um ein
Haar wäre indessen das Gouvernement aus dem Regen in die
Traufe gerathen, denn in den Departements glaubte man schon,
es sey, weil die Eilwagen nicht zur bestimmten Zeit eintrafen, in
Paris losgegangen und ein Deputirter, der eben aus der Pro-
vinz kam, wußte gestern in der Kammer nicht genug über die
dort herrschende Aufregung zu berichten. Jn der Kammer wurde
ein Versuch gemacht, diese Wahlmanövers zu mißbilligen, allein
die Majorität schrie diese „Reactionäre“ nieder und die National-
versammlung ging, wie gewöhnlich, kurz zur Tagesordnung über.
Wäre früher ein solcher Mißbrauch der Gewalt vorgekommen, —
o wie würden die Herren Republikaner da getobt haben! Uebri-
gens waren die in der Provinz verbreiteten Gerüchte aller Wahr-
scheinlichkeit nach nur verfrühte. Jn der Hauptstadt kauft
sich Jeder Pulver und Blei,
um nach Umständen zum An-
griffe oder zur Vertheidigung schreiten zu können. Sie sehen,
trotz aller Civilisation leben wir wie in den schönsten Zeiten des
Faustrechtes! Es ist eine bekannte Sache, daß das gute oder
schlechte Wetter schon mehr als einmal über den Gewinn oder den
Verlust einer Schlacht entschieden hat, und bei Waterloo hatte
Napoleon seine Niederlage theilweise einem Regen zu verdanken.
Sein Neffe scheint in dieser Beziehung glücklicher zu seyn, der
Himmel, so lange schon umwölkt, hat heute sein heiterstes Ge-
wand angelegt und dieser Wechsel der Witterung ist keine schlechte
Vorbedeutung für den Bonapartismus, indem die Wähler vom
Lande, die im Allgemeinen die Candidatur des Prinzen unter-
stützen, bei schönem Wetter sich leichter nach den Cantonshaupt-
orten hinlocken lassen, als bei schlechtem. Ein Regentag hätte
den Prinzen Louis vielleicht um 200,000 Stimmen gebracht!
Morgen ist der entscheidende Tag und es ist hohe Zeit, daß der
Wirrwarr ein Ende nehme und die Leute endlich einmal erfahren,
ob die Republik eine Zukunft hat oder nicht. Siegt der General
Cavaignac, so wird sie sich eben so lange noch fortschleppen, bis
die Auszehrung, die sie schon bei ihrer Geburt mit auf die Welt
gebracht, ihr vollends den Garaus macht. Geht aber Louis Bo-
naparte siegreich aus der Wahlschlacht hervor, so weiß kein
Mensch, was noch kommen wird und wir müssen uns in das un-
bekannte Meer der Zukunft hinauswagen.

Louis Bonaparte hat an den päpstlichen Nuntius den folgen-
den Brief geschrieben: „Es wäre mir sehr leid, gnädiger Herr,
wenn die Gerüchte, welche mich zum Mitschuldigen des Fürsten
Canino in Rom zu machen suchen, auch bei Jhnen Eingang fin-
[Spaltenumbruch] den. Schon leit langer Zeit stehe ich in durchaus keinem Ver-
kehre mit dem ältesten Sohne Bonaparte's und ich beklage es aus
tiefster Seele, daß er es nicht einsieht, wie die Aufrechthaltung
der weltlichen Souveränität des ehrwürdigen Oberhauptes der
Kirche mit dem Glanze des Katholicismus sowohl, als mit der
Freiheit und Unabhängigkeit Jtaliens eng verbunden ist. Geneh-
migen Sie u. s. w.“ Dagegen hat der Herzog von Fitz=James
ein Schreiben veröffentlicht, in welchem er den Legitimisten den
General Cavaignac „als den reinsten Ausdruck der honetten und
gemäßigten Republik empfiehlt und es für die Pflicht eines jeden
Franzosen erklärt, die Republik provisorisch anzuerkennen. Eine
militärische Notabilität, der General Fabvier, erklärt in einem
Schreiben an Cavaignac, er werde jeder Regierung den Ge-
horsam aufkündigen, deren Chef er ( Cavaignac ) sey, wenn er
wirklich Mitwissenschaft davon gehabt habe, daß den Meuchel-
mördern eine Nationalbelohnung decretirt werden solle, — also
Wirwarr an allen Enden! Man ist allgemein darauf gefaßt,
daß die Unruhen nächster Tage von Neuem ausbrechen werden,
an mehreren Punkten der Hauptstadt haben schon bedenkliche
Volksaufläufe stattgefunden, der Deputirtenverein im Palais
National, zu welchem die entschiedensten Anhänger Cavaignacs
gehören, hat sich in Permanenz erklärt und es herrscht in diesen
Kreisen die höchste Aufregung. Jn Montpellier singt das Volk:
la république nous abuse, il faut du pain, du pain, du pain!
Die singenden „Bürger“ dorten sind indessen nichts weniger als
legitimistisch gesinnt, denn nebenbei schreien sie: nieder mit den
Reichen! nieder mit den Aristokraten! es lebe die Guillotine!
es lebe Lacenaire! — Marrast ist unwohl und muß sehr zur un-
gelegenen Zeit das Bett hüten. — Herr von Tocqueville, der
als französischer Gesandter bei den Conferen zen in Brüssel fun-
giren wird, hat Paris bereits verlassen.

Paris 9. December. ( O. P. A. Z. ) Das Ministerium
hat eine kurze Proclamation an die Börsenhalle anschlagen lassen,
in welcher es für die Ruhe von Paris bürgt und das Wahl-
resultat zu achten verspricht, welcher Art dasselbe
auch ausfallen möge.
Daher das Steigen der Fonds.

* * * Paris 10. December. General Cavaignac hat gestern noch
eine von dem Minister des Jnnern contrasignirte Proclamation an das
französische Volk erlassen, in welcher er in ernster und würdiger Sprache
zur Ruhe und Sammlung am heutigen Wahltage ermahnt. „Sollte
es Leute geben,“ so schließt dieser Aufruf, „welche sich mit schlimmen
Plänen herumtragen, so würden wir in ihnen sowohl heute, wo wir
noch die Regierung führen, wie morgen, wo wir vielleicht nur noch ein-
fache Bürger sind, nichts Anderes sehen, als Feinde des Staates, die
das Gesetz weder schützen kann, noch will.
Vergesset nicht,
daß unsere Haltung am morgenden Tage die Republik befestigen oder
stürzen kann.“ Auch der Berg und die Socialisten, zwischen wel-
chen keine Versöhnung zu Stande gekommen ist, haben ihren Aufruf
erlassen, der Berg wird für Ledru=Rollin, die Socialisten werden für
Raspail stimmen. Haben diese Leute auch keinen Erfolg, so haben
sie doch wenigstens ihren Willen gehabt.

Großbritannien.

Ein Correspondent der Times schildert die Zustände in den
südlichen Provinzen Jrlands folgendermaßen: Mag man hin-
blicken, wohin man will, überall ist diese Noth, derselbe Mangel
ersichtlich: kein Vieh auf dem Felde, kein Schuppen hinter der
Hütte, kein Pflug auf dem Acker, nicht einmal ein Mann mit dem
Spaten sichtbar. Jeder legt verzweifelt die Hände in den Schoos
und fragt sich rathlos, was nun zunächst kommen werde; Guts-
herr und Pachter sind wie vernichtet von der Krisis. Die einzigen
thätigen Personen sind die Armensteuereinnehmer; unter dem
Beistande von Militär und Polizei ziehen sie im Lande umher
und nehmen der darbenden Bevölkerung die wenigen noch vor-
handenen Garben. Zahllose Grundstücke sind zum Kaufe ausge-
boten und Niemand will bieten; tausend und aber tausend Acker Land
sind unverpachtet und Niemand will sie haben; Armenhäuser,
die für 800 Bewohner gebaut sind, müssen 3000 aufnehmen;
neue Häuser müssen überall von der Armenbehörde gemiethet
werden, und doch suchen Hunderte vergebens ein Unterkommen;
Viele begehen Verbrechen, um ins Gefängniß zu kommen, denn sie
ziehen die Tretmühle dem Hunger vor. Man berechnet, daß in
den letzten drei Jahren Jrland für Nahrungsmittel 15 Millionen
Pfund Sterling baar an das Ausland gezahlt hat, und nach dem
Ausfalle der Kartoffelernte und den vielen sonst mit Getreide be-
bauten Feldern, die dieses Jahr unbenutzt bleiben, zu urtheilen,
wird Jrland für das nächste Jahr wieder für Millionen Pf. St.
Mehl und Korn einführen müssen.

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.

Geschäfte in Frankfurt ein Abkommen auf nur einige Tage gänzlich
unmöglich gemacht.
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[0004] zu veranstalten Willens war. Das Resultat der Berathung war jedoch, vor der Hand alles Derartige zu unterlassen, da eine solche Feierlichkeit sehr leicht durch die Rohheit eines Einzelnen, eines Fanatikers, getrübt werden könnte. Der Abgeordnete Wernher von Nierstein übernahm es, Herrn v. Gagern mitzutheilen, welche Sympathien er in Rheinhessen besitze, was man für ihn beabsich- tigt habe, und wie diese Demonstration gerade von den tüchtigsten Leuten unserer Provinz ausgegangen sey. Eine Deputation aus einigen Mitgliedern der Versammlung wird noch in dieser Woche zu dem Zwecke nach Frankfurt abgehen. Altenburg 7. December. ( Schw. M. ) Da das altenburgische Land schon seit geraumer Zeit in der Nationalversamm- lung unvertreten ist, so werden in diesen Tagen zu diesem Be- hufe neue Wahlen stattfinden. Von Seiten der radicalen Par- tei wird der wegen Aufreizung zum Fürstenmorde und anderer Verbrechen steckbrieflich verfolgte Advokat Erbe, „als der wür- digste im Lande,“ den Bewohnern des Herzogthumes zu ihrem Vertreter in Frankfurt angepriesen. Jm Lande herrscht Ruhe und man hat Aussicht, in Kürze von einem Bataillone unserer Ein- quartirung befreit zu werden. □ Frankfurt 11. December. Unser Präsident der Nationalversammlung soll Präsident des Reichs- ministeriums werden. Bestätigt sich dieses Factum, so dürfen wir wohl das Beste hoffen. Frankreich. * * * Paris 9. December. Um die Wirkungen, welche die un- selige Geschichte mit den „Nationalbelohnungen für Königsmör- der “ in den Provinzen nothwendig hervorbringen mußten, mög- lichst zu dämpfen, hat die Regierung vorgestern zu einem ganz eigenthümlichen Auskunftsmittel gegriffen: sie hielt nämlich sämmtliche Eilwägen um ein paar Stunden zurück, um auf diese Weise mit den Anklagen gegen die Regierung auch die Antworten darauf und ihre Rechtfertigung im Lande zu verbreiten. Um ein Haar wäre indessen das Gouvernement aus dem Regen in die Traufe gerathen, denn in den Departements glaubte man schon, es sey, weil die Eilwagen nicht zur bestimmten Zeit eintrafen, in Paris losgegangen und ein Deputirter, der eben aus der Pro- vinz kam, wußte gestern in der Kammer nicht genug über die dort herrschende Aufregung zu berichten. Jn der Kammer wurde ein Versuch gemacht, diese Wahlmanövers zu mißbilligen, allein die Majorität schrie diese „Reactionäre“ nieder und die National- versammlung ging, wie gewöhnlich, kurz zur Tagesordnung über. Wäre früher ein solcher Mißbrauch der Gewalt vorgekommen, — o wie würden die Herren Republikaner da getobt haben! Uebri- gens waren die in der Provinz verbreiteten Gerüchte aller Wahr- scheinlichkeit nach nur verfrühte. Jn der Hauptstadt kauft sich Jeder Pulver und Blei, um nach Umständen zum An- griffe oder zur Vertheidigung schreiten zu können. Sie sehen, trotz aller Civilisation leben wir wie in den schönsten Zeiten des Faustrechtes! Es ist eine bekannte Sache, daß das gute oder schlechte Wetter schon mehr als einmal über den Gewinn oder den Verlust einer Schlacht entschieden hat, und bei Waterloo hatte Napoleon seine Niederlage theilweise einem Regen zu verdanken. Sein Neffe scheint in dieser Beziehung glücklicher zu seyn, der Himmel, so lange schon umwölkt, hat heute sein heiterstes Ge- wand angelegt und dieser Wechsel der Witterung ist keine schlechte Vorbedeutung für den Bonapartismus, indem die Wähler vom Lande, die im Allgemeinen die Candidatur des Prinzen unter- stützen, bei schönem Wetter sich leichter nach den Cantonshaupt- orten hinlocken lassen, als bei schlechtem. Ein Regentag hätte den Prinzen Louis vielleicht um 200,000 Stimmen gebracht! Morgen ist der entscheidende Tag und es ist hohe Zeit, daß der Wirrwarr ein Ende nehme und die Leute endlich einmal erfahren, ob die Republik eine Zukunft hat oder nicht. Siegt der General Cavaignac, so wird sie sich eben so lange noch fortschleppen, bis die Auszehrung, die sie schon bei ihrer Geburt mit auf die Welt gebracht, ihr vollends den Garaus macht. Geht aber Louis Bo- naparte siegreich aus der Wahlschlacht hervor, so weiß kein Mensch, was noch kommen wird und wir müssen uns in das un- bekannte Meer der Zukunft hinauswagen. Louis Bonaparte hat an den päpstlichen Nuntius den folgen- den Brief geschrieben: „Es wäre mir sehr leid, gnädiger Herr, wenn die Gerüchte, welche mich zum Mitschuldigen des Fürsten Canino in Rom zu machen suchen, auch bei Jhnen Eingang fin- 1) den. Schon leit langer Zeit stehe ich in durchaus keinem Ver- kehre mit dem ältesten Sohne Bonaparte's und ich beklage es aus tiefster Seele, daß er es nicht einsieht, wie die Aufrechthaltung der weltlichen Souveränität des ehrwürdigen Oberhauptes der Kirche mit dem Glanze des Katholicismus sowohl, als mit der Freiheit und Unabhängigkeit Jtaliens eng verbunden ist. Geneh- migen Sie u. s. w.“ Dagegen hat der Herzog von Fitz=James ein Schreiben veröffentlicht, in welchem er den Legitimisten den General Cavaignac „als den reinsten Ausdruck der honetten und gemäßigten Republik empfiehlt und es für die Pflicht eines jeden Franzosen erklärt, die Republik provisorisch anzuerkennen. Eine militärische Notabilität, der General Fabvier, erklärt in einem Schreiben an Cavaignac, er werde jeder Regierung den Ge- horsam aufkündigen, deren Chef er ( Cavaignac ) sey, wenn er wirklich Mitwissenschaft davon gehabt habe, daß den Meuchel- mördern eine Nationalbelohnung decretirt werden solle, — also Wirwarr an allen Enden! Man ist allgemein darauf gefaßt, daß die Unruhen nächster Tage von Neuem ausbrechen werden, an mehreren Punkten der Hauptstadt haben schon bedenkliche Volksaufläufe stattgefunden, der Deputirtenverein im Palais National, zu welchem die entschiedensten Anhänger Cavaignacs gehören, hat sich in Permanenz erklärt und es herrscht in diesen Kreisen die höchste Aufregung. Jn Montpellier singt das Volk: la république nous abuse, il faut du pain, du pain, du pain! Die singenden „Bürger“ dorten sind indessen nichts weniger als legitimistisch gesinnt, denn nebenbei schreien sie: nieder mit den Reichen! nieder mit den Aristokraten! es lebe die Guillotine! es lebe Lacenaire! — Marrast ist unwohl und muß sehr zur un- gelegenen Zeit das Bett hüten. — Herr von Tocqueville, der als französischer Gesandter bei den Conferen zen in Brüssel fun- giren wird, hat Paris bereits verlassen. Paris 9. December. ( O. P. A. Z. ) Das Ministerium hat eine kurze Proclamation an die Börsenhalle anschlagen lassen, in welcher es für die Ruhe von Paris bürgt und das Wahl- resultat zu achten verspricht, welcher Art dasselbe auch ausfallen möge. Daher das Steigen der Fonds. * * * Paris 10. December. General Cavaignac hat gestern noch eine von dem Minister des Jnnern contrasignirte Proclamation an das französische Volk erlassen, in welcher er in ernster und würdiger Sprache zur Ruhe und Sammlung am heutigen Wahltage ermahnt. „Sollte es Leute geben,“ so schließt dieser Aufruf, „welche sich mit schlimmen Plänen herumtragen, so würden wir in ihnen sowohl heute, wo wir noch die Regierung führen, wie morgen, wo wir vielleicht nur noch ein- fache Bürger sind, nichts Anderes sehen, als Feinde des Staates, die das Gesetz weder schützen kann, noch will. Vergesset nicht, daß unsere Haltung am morgenden Tage die Republik befestigen oder stürzen kann.“ Auch der Berg und die Socialisten, zwischen wel- chen keine Versöhnung zu Stande gekommen ist, haben ihren Aufruf erlassen, der Berg wird für Ledru=Rollin, die Socialisten werden für Raspail stimmen. Haben diese Leute auch keinen Erfolg, so haben sie doch wenigstens ihren Willen gehabt. Großbritannien. Ein Correspondent der Times schildert die Zustände in den südlichen Provinzen Jrlands folgendermaßen: Mag man hin- blicken, wohin man will, überall ist diese Noth, derselbe Mangel ersichtlich: kein Vieh auf dem Felde, kein Schuppen hinter der Hütte, kein Pflug auf dem Acker, nicht einmal ein Mann mit dem Spaten sichtbar. Jeder legt verzweifelt die Hände in den Schoos und fragt sich rathlos, was nun zunächst kommen werde; Guts- herr und Pachter sind wie vernichtet von der Krisis. Die einzigen thätigen Personen sind die Armensteuereinnehmer; unter dem Beistande von Militär und Polizei ziehen sie im Lande umher und nehmen der darbenden Bevölkerung die wenigen noch vor- handenen Garben. Zahllose Grundstücke sind zum Kaufe ausge- boten und Niemand will bieten; tausend und aber tausend Acker Land sind unverpachtet und Niemand will sie haben; Armenhäuser, die für 800 Bewohner gebaut sind, müssen 3000 aufnehmen; neue Häuser müssen überall von der Armenbehörde gemiethet werden, und doch suchen Hunderte vergebens ein Unterkommen; Viele begehen Verbrechen, um ins Gefängniß zu kommen, denn sie ziehen die Tretmühle dem Hunger vor. Man berechnet, daß in den letzten drei Jahren Jrland für Nahrungsmittel 15 Millionen Pfund Sterling baar an das Ausland gezahlt hat, und nach dem Ausfalle der Kartoffelernte und den vielen sonst mit Getreide be- bauten Feldern, die dieses Jahr unbenutzt bleiben, zu urtheilen, wird Jrland für das nächste Jahr wieder für Millionen Pf. St. Mehl und Korn einführen müssen. Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg. 1) Geschäfte in Frankfurt ein Abkommen auf nur einige Tage gänzlich unmöglich gemacht.

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 162. Mainz, 12. Dezember 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal162_1848/4>, abgerufen am 24.11.2024.