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Mainzer Journal. Nr. 168. Mainz, 19. Dezember 1848.

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[Beginn Spaltensatz] konnten nicht den Ausschlag geben und konnten selbst nur wirken,
weil sie im Herzen des Volkes jene dunkelen Triebe fanden, die
wir im Vorstehenden in etwas zu beleuchten suchten. Wie täuschen
sich unsere abstracten Politiker, die in ihrem Rationalismus
schlechthin die Macht des monarchischen Principes mißkennen,
bezüglich des Volkes! Das Volk ( und wer will beweisen, daß es
unrecht hat? ) sucht immer nach Einem Haupte, nach einem
Manne, der ihm Träger der Autorität, oder Träger einer Jdee
ist; sey es ein legitimer Herrscher nach altem Schlage; sey es ein
Herrscher wie Napoleon, der sich selbst die Krone aufs Haupt ge-
setzt und sich selbst legitimirt, sey es, in Ermanglung eines Besse-
ren, sein Herr Vetter. Und wo auch ein solcher fehlte, ja wo alle
erlauchten Häupter fallen würden, da müßte es Caspar Hauser
oder "Prinz Hecker" seyn, dem -- allem Demokratismus zum
Trotze -- alsbald eine fürstliche Abstammung angedichtet wurde,
um ihn mit einem mythischen Nimbus zu umgeben.

Allein, müssen wir ernst und besorgt fragen, was wird die-
sem Frankreich noch bevorstehen? Wann werden diese ewigen
Umwälzungen endigen, die alle höheren geistigen und sittlichen
Kräfte der Nation nie zu ruhiger und gesunder Entwickelung
kommen lassen? Und wie lange wird es das Volk noch aushal-
ten, wenn es so fortgeht?

Es ist zwar wenig ersprießlich, in der Geschichte Voraus-
setzungen zu machen, die sich nun einmal nicht verwirklicht haben.
Aber wir wollen einmal davon eine Ausnahme machen und
fragen: Wenn damals im Jahre 1789 die Führer des Volkes
sich gemäßigt hätten und wenn der König und seine Rathgeber mit
Weisheit und Gerechtigkeit dem Volke entgegengekommen wären,
wenn eine gerechte und dauerhafte Ausgleichung zwischen den
Rechten des Volkes und den Rechten der Krone zu Stande ge-
kommen wäre und die königliche Autorität und die volksthümliche
Freiheit in rechter Einigung sich seitdem naturgemäß und ohne
gewaltsame Umwälzungen fortentwickelt hätten, wie stünde es
jetzt vielleicht in Frankreich? -- Es sollte, es konnte nicht so
kommen, nicht wegen der Dinge, sondern wegen der menschlichen
Leidenschaften!

Wir stehen jetzt in Deutschland an einem ähnlichen Wende-
punkte der Geschichte: Möge man ja erwägen, was in dem
Staatsorganismus und unter den gegebenen Verhältnissen ein
rechtmäßiger Fürst werth ist. Würde man so ohne weiteres der
alten Fürsten sich entledigen, es könnte vielleicht die Zeit kommen,
wo man den ersten besten Neffen eines Usurpators oder wer sonst
einen Namen hat, auf offener Straße ergreift und zu ihm spricht:
Wir bitten und beschwören dich, sey unser König: denn wir
können es sonst nicht mehr aushalten!



Deutschland.

Wien 13. December. ( A. Z. ) Erwägen wir genau alle Um-
stände, welche mit der Thronbesteigung unseres jugendlichen Kai-
sers zusammenhängen und vergleichen damit einige nichts weniger
als versteckte Aeußerungen in den ministeriellen Blättern, so wer-
den wir unwillkürlich zu der Ueberzeugung gedrängt, daß sich
hier und anderwärts an Franz Joseph die mehr oder min-
der klare Hoffnung hängt: er sey es, den das Schicksal
berufen habe zu herrschen über die Vereinigten
Staaten von Deutschland
-- er sey der lange erwartete
deutsche Messias, dem Johann blos ein Vorläufer gewesen, ge-
sendet ihm seine Pfade zu bereiten. Jch wünsche vor allem, daß
man sich in Deutschland endlich klar werde bezüglich der Oester-
reich gegenüber einzunehmenden Stellung. Bis jetzt wurden wir
weder durch kluge Berechnung noch prophetische Voraussicht, ja
nicht einmal durch gesunden Menschenverstand -- sondern ledig-
lich durch die Gewalt der Umstände dahin gedrängt, wo wir ste-
hen. Es hat seit Eröffnung des Frankfurter Parlamentes bis zum
heutigen Tage warnende Stimmen genug gegeben, welche unab-
läßlich hindeuteten auf die Unmöglichkeit der Ausführung unserer
Frankfurter Entwürfe in Bezug auf Oesterreich; sie wurden theils
überhört, theils verhöhnt und verspottet. Wir befinden uns jetzt
abermals in einer ähnlichen Lage, und es wäre zu wünschen, daß
man sich diesesmal in Deutschland nicht ebenso eitlen Täuschungen
hingäbe wie das erstemal. So viel für heute nur andeutungs-
weise. Einstweilen mögen die weitausgreifenden Bedingungen, an
welche Oesterreich seine Vereinigung mit Deutschland knüpft, we-
nigstens die gegründete Beruhigung erzeugen, daß von Reactions-
gelüsten unserer Regierung keine Rede mehr seyn kann. Denn
selbst abgesehen von dem Vertrauen, zu welchem der Charakter
und die weit blickende Bildung unseres neuen Cabinetes an und
für sich berechtigen, wäre der Umstand: daß man Deutschland
nur gewinnen, nicht aber zwingen kann, schon eine haltbare
Bürgschaft dafür. Jch wiederhole es ausdrücklich, um jedem
[Spaltenumbruch] Mißverständnisse vorzubeugen, ich gehe bei meiner Betrachtung
der deutsch=österreichischen Zustände von der Ueberzeugung aus,
daß die neue Regierung von dem freisinnigsten Geiste beseelt ist
und ernst darnach strebt den Anforderungen der Neuzeit gerecht
zu seyn.

Wien 14. December. ( St. C. ) Jn Kremsier hat sich unter
den Deputirten ein deutsch=österreichischer Verein gebil-
det. Aus dem Programme geht die Tendenz hervor: a ) Con-
stituirung Eines Oesterreichs als constitutionelle Erbmonarchie
auf rein volksthümlicher Grundlage; b ) Abwehr jedes, die
deutsche Nationalität im Grundsatze der Gleichberechtigung ver-
letzenden Uebergriffes; c ) Förderung einer innigen Verbindung
zwischen Deutschland und Oesterreich als Gesammtstaat. -- Die
Einberufung der Deputirten Füster und Goldmark zu Zeu-
genaussagen in der Latour'schen Angelegenheit hat sich nicht be-
stätigt. Dagegen geht heute eine aus Civil= und Militärpersonen
zusammengesetzte Commission, wahrscheinlich zu jenem Behufe,
dahin ab. -- Die Minister Stadion und Bach sind hier ange-
langt. -- Durch die Ernennung des Feldmarschalllientenants
Grafen Auersperg zum Festungscommandanten in Königingrätz
wird hinlänglich dargethan, daß er in Ungnade gefallen. -- Kai-
ser Ferdinand beschäftigt sich zu Prag mit Naturwissenschaften,
welchen alle Mitglieder der kaiserlichen Familie mit besonderer Vor-
liebe obliegen, und gibt den Armen Audienz, lehnt aber sonstige De-
putationen ab. -- Unsere Blätter beschäftigen sich jetzt viel mit Finanz-
fragen und "Presse" und "Lloyd" liegen wegen der Nationalbank
gegen einander im Kampfe. Eine Reorganisation dieser letztern steht
jedenfalls bevor. Wenn übrigens auch viele der gegen dieses
Jnstitut vorgebrachten Klagen von Unkenntniß zeugen, so ist dies
hinsichtlich der zuletzt im Lloyd aufgenommenen nicht der Fall und
man ist im Ganzen so ziemlich darüber einig, daß innerhalb der
Direction dieses Jnstitutes mehr ein willfähriger Coteriengeist,
als der Muth einer Meinung vorgewaltet hat. -- Es sind neuer-
dings Truppen von hier nach Ungarn zur Armee abgegangen
und die hiesige Besatzung hat sich bedeutend vermindert. Auch
Fürst Windischgrätz reist dem Vernehmen nach heute ab, ohne
jedoch, wie man glaubt, seine Abwesenheit längere Zeit dauern
zu lassen. -- Die Stimmung der Bevölkerung in den Vorstädten
läßt noch immer viel zu wünschen übrig.

Ein Schreiben aus Pesth vom 10. d. Mts. meldet: "Die
Abdankung des Königs Ferdinand hat unter dem Publicum
einen ziemlich günstigen Eindruck gemacht, allein die Repräsentan-
tenkammer hat den neuen König Franz nicht als König anerkannt."
So weit der Briefsteller.

Prag 13. December. ( D. A. Z. ) Das Präsidium des böh-
mischen Guberniums
soll demnächst definitiv besetzt werden,
man nennt Strobach, Palacky oder Stark ( Deputirte des
Centrums ) als Candidaten. Der erstere soll die meisten Chancen
haben.

Grätz 12. December. ( Gr. Z. ) Nach gestern hier eingelang-
ten Briefen ist die russische Flotte, bestehend aus mehr als 20
größeren und kleineren Schiffen, auf der Rhede vor Triest einge-
troffen ( ? ) und vor Anker gegangen. Wie man erwartet, wird
nun die österreichische Flotille aus Pola auslaufen und gegen Ve-
nedig operiren. Wenn diese Nachricht richtig, so wird wohl die
officielle Bestätigung dieser Tage erfolgen und dann Venedig in
Kürze wieder in unseren Händen seyn.

Grätz 13. December. ( Br. Z. ) Durch den Staatstelegraphen
sind mehrere Emissäre signalisirt worden, welche in Steiermark
und Oberösterreich umherziehen und die Landleute zum Aufstande
reizen sollen; sie scheinen im Solde Kossuths zu stehen, welcher
Alles aufbietet, um in den Nachbarprovinzen Aufstände zu erre-
gen, welche die Kriegsmacht des Fürsten Windischgrätz theilen
und schwächen würden. Uebrigens soll Kossuth einen geheimen
Plan haben, mit dessen Ansführung er Oesterreich in dem Augen-
blicke überraschen will, wo es sich des Sieges für gewiß hält.
Man glaubt, daß Diversionen in den Erbländern damit gemeint
seyn dürften und darum hat wohl auch die Bitte der hiesigen
Stadt beim Fürsten Windischgrätz wegen Nichtbefestigung des
Schloßberges keine Folge gehabt.

Kremster 12. December. Das constitutionelle Blatt aus
Böhmen schreibt: Der Reichstag hat, wenn gleich er es noch
nicht eingesteht, seine Bedeutung verloren. Herausgenommen
aus seinem ursprünglichen Boden, wo das Erdreich umwühlt
war und er üppig emporschoß, wurde er in einen Gartentopf ver-
setzt, wo er freilich unter sorgsamer Pflege des Gärtners steht;
allein der Brütofen kann die freie Sonne nicht ersetzen und das
Zugloch ist kein erfrischender Zephyr. Das ist nicht mehr der sou-
veräne Reichstag, das ist nicht mehr das Löwenkind der Revo-
lution, und die Bedeutung ist verloren. Ob dies ein Verlust oder
ein Gewinn ist? -- das muß erst die Zukunft lehren; aber das
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] konnten nicht den Ausschlag geben und konnten selbst nur wirken,
weil sie im Herzen des Volkes jene dunkelen Triebe fanden, die
wir im Vorstehenden in etwas zu beleuchten suchten. Wie täuschen
sich unsere abstracten Politiker, die in ihrem Rationalismus
schlechthin die Macht des monarchischen Principes mißkennen,
bezüglich des Volkes! Das Volk ( und wer will beweisen, daß es
unrecht hat? ) sucht immer nach Einem Haupte, nach einem
Manne, der ihm Träger der Autorität, oder Träger einer Jdee
ist; sey es ein legitimer Herrscher nach altem Schlage; sey es ein
Herrscher wie Napoleon, der sich selbst die Krone aufs Haupt ge-
setzt und sich selbst legitimirt, sey es, in Ermanglung eines Besse-
ren, sein Herr Vetter. Und wo auch ein solcher fehlte, ja wo alle
erlauchten Häupter fallen würden, da müßte es Caspar Hauser
oder „Prinz Hecker“ seyn, dem — allem Demokratismus zum
Trotze — alsbald eine fürstliche Abstammung angedichtet wurde,
um ihn mit einem mythischen Nimbus zu umgeben.

Allein, müssen wir ernst und besorgt fragen, was wird die-
sem Frankreich noch bevorstehen? Wann werden diese ewigen
Umwälzungen endigen, die alle höheren geistigen und sittlichen
Kräfte der Nation nie zu ruhiger und gesunder Entwickelung
kommen lassen? Und wie lange wird es das Volk noch aushal-
ten, wenn es so fortgeht?

Es ist zwar wenig ersprießlich, in der Geschichte Voraus-
setzungen zu machen, die sich nun einmal nicht verwirklicht haben.
Aber wir wollen einmal davon eine Ausnahme machen und
fragen: Wenn damals im Jahre 1789 die Führer des Volkes
sich gemäßigt hätten und wenn der König und seine Rathgeber mit
Weisheit und Gerechtigkeit dem Volke entgegengekommen wären,
wenn eine gerechte und dauerhafte Ausgleichung zwischen den
Rechten des Volkes und den Rechten der Krone zu Stande ge-
kommen wäre und die königliche Autorität und die volksthümliche
Freiheit in rechter Einigung sich seitdem naturgemäß und ohne
gewaltsame Umwälzungen fortentwickelt hätten, wie stünde es
jetzt vielleicht in Frankreich? — Es sollte, es konnte nicht so
kommen, nicht wegen der Dinge, sondern wegen der menschlichen
Leidenschaften!

Wir stehen jetzt in Deutschland an einem ähnlichen Wende-
punkte der Geschichte: Möge man ja erwägen, was in dem
Staatsorganismus und unter den gegebenen Verhältnissen ein
rechtmäßiger Fürst werth ist. Würde man so ohne weiteres der
alten Fürsten sich entledigen, es könnte vielleicht die Zeit kommen,
wo man den ersten besten Neffen eines Usurpators oder wer sonst
einen Namen hat, auf offener Straße ergreift und zu ihm spricht:
Wir bitten und beschwören dich, sey unser König: denn wir
können es sonst nicht mehr aushalten!



Deutschland.

Wien 13. December. ( A. Z. ) Erwägen wir genau alle Um-
stände, welche mit der Thronbesteigung unseres jugendlichen Kai-
sers zusammenhängen und vergleichen damit einige nichts weniger
als versteckte Aeußerungen in den ministeriellen Blättern, so wer-
den wir unwillkürlich zu der Ueberzeugung gedrängt, daß sich
hier und anderwärts an Franz Joseph die mehr oder min-
der klare Hoffnung hängt: er sey es, den das Schicksal
berufen habe zu herrschen über die Vereinigten
Staaten von Deutschland
— er sey der lange erwartete
deutsche Messias, dem Johann blos ein Vorläufer gewesen, ge-
sendet ihm seine Pfade zu bereiten. Jch wünsche vor allem, daß
man sich in Deutschland endlich klar werde bezüglich der Oester-
reich gegenüber einzunehmenden Stellung. Bis jetzt wurden wir
weder durch kluge Berechnung noch prophetische Voraussicht, ja
nicht einmal durch gesunden Menschenverstand — sondern ledig-
lich durch die Gewalt der Umstände dahin gedrängt, wo wir ste-
hen. Es hat seit Eröffnung des Frankfurter Parlamentes bis zum
heutigen Tage warnende Stimmen genug gegeben, welche unab-
läßlich hindeuteten auf die Unmöglichkeit der Ausführung unserer
Frankfurter Entwürfe in Bezug auf Oesterreich; sie wurden theils
überhört, theils verhöhnt und verspottet. Wir befinden uns jetzt
abermals in einer ähnlichen Lage, und es wäre zu wünschen, daß
man sich diesesmal in Deutschland nicht ebenso eitlen Täuschungen
hingäbe wie das erstemal. So viel für heute nur andeutungs-
weise. Einstweilen mögen die weitausgreifenden Bedingungen, an
welche Oesterreich seine Vereinigung mit Deutschland knüpft, we-
nigstens die gegründete Beruhigung erzeugen, daß von Reactions-
gelüsten unserer Regierung keine Rede mehr seyn kann. Denn
selbst abgesehen von dem Vertrauen, zu welchem der Charakter
und die weit blickende Bildung unseres neuen Cabinetes an und
für sich berechtigen, wäre der Umstand: daß man Deutschland
nur gewinnen, nicht aber zwingen kann, schon eine haltbare
Bürgschaft dafür. Jch wiederhole es ausdrücklich, um jedem
[Spaltenumbruch] Mißverständnisse vorzubeugen, ich gehe bei meiner Betrachtung
der deutsch=österreichischen Zustände von der Ueberzeugung aus,
daß die neue Regierung von dem freisinnigsten Geiste beseelt ist
und ernst darnach strebt den Anforderungen der Neuzeit gerecht
zu seyn.

Wien 14. December. ( St. C. ) Jn Kremsier hat sich unter
den Deputirten ein deutsch=österreichischer Verein gebil-
det. Aus dem Programme geht die Tendenz hervor: a ) Con-
stituirung Eines Oesterreichs als constitutionelle Erbmonarchie
auf rein volksthümlicher Grundlage; b ) Abwehr jedes, die
deutsche Nationalität im Grundsatze der Gleichberechtigung ver-
letzenden Uebergriffes; c ) Förderung einer innigen Verbindung
zwischen Deutschland und Oesterreich als Gesammtstaat. — Die
Einberufung der Deputirten Füster und Goldmark zu Zeu-
genaussagen in der Latour'schen Angelegenheit hat sich nicht be-
stätigt. Dagegen geht heute eine aus Civil= und Militärpersonen
zusammengesetzte Commission, wahrscheinlich zu jenem Behufe,
dahin ab. — Die Minister Stadion und Bach sind hier ange-
langt. — Durch die Ernennung des Feldmarschalllientenants
Grafen Auersperg zum Festungscommandanten in Königingrätz
wird hinlänglich dargethan, daß er in Ungnade gefallen. — Kai-
ser Ferdinand beschäftigt sich zu Prag mit Naturwissenschaften,
welchen alle Mitglieder der kaiserlichen Familie mit besonderer Vor-
liebe obliegen, und gibt den Armen Audienz, lehnt aber sonstige De-
putationen ab. — Unsere Blätter beschäftigen sich jetzt viel mit Finanz-
fragen und „Presse“ und „Lloyd“ liegen wegen der Nationalbank
gegen einander im Kampfe. Eine Reorganisation dieser letztern steht
jedenfalls bevor. Wenn übrigens auch viele der gegen dieses
Jnstitut vorgebrachten Klagen von Unkenntniß zeugen, so ist dies
hinsichtlich der zuletzt im Lloyd aufgenommenen nicht der Fall und
man ist im Ganzen so ziemlich darüber einig, daß innerhalb der
Direction dieses Jnstitutes mehr ein willfähriger Coteriengeist,
als der Muth einer Meinung vorgewaltet hat. — Es sind neuer-
dings Truppen von hier nach Ungarn zur Armee abgegangen
und die hiesige Besatzung hat sich bedeutend vermindert. Auch
Fürst Windischgrätz reist dem Vernehmen nach heute ab, ohne
jedoch, wie man glaubt, seine Abwesenheit längere Zeit dauern
zu lassen. — Die Stimmung der Bevölkerung in den Vorstädten
läßt noch immer viel zu wünschen übrig.

Ein Schreiben aus Pesth vom 10. d. Mts. meldet: „Die
Abdankung des Königs Ferdinand hat unter dem Publicum
einen ziemlich günstigen Eindruck gemacht, allein die Repräsentan-
tenkammer hat den neuen König Franz nicht als König anerkannt.“
So weit der Briefsteller.

Prag 13. December. ( D. A. Z. ) Das Präsidium des böh-
mischen Guberniums
soll demnächst definitiv besetzt werden,
man nennt Strobach, Palacky oder Stark ( Deputirte des
Centrums ) als Candidaten. Der erstere soll die meisten Chancen
haben.

Grätz 12. December. ( Gr. Z. ) Nach gestern hier eingelang-
ten Briefen ist die russische Flotte, bestehend aus mehr als 20
größeren und kleineren Schiffen, auf der Rhede vor Triest einge-
troffen ( ? ) und vor Anker gegangen. Wie man erwartet, wird
nun die österreichische Flotille aus Pola auslaufen und gegen Ve-
nedig operiren. Wenn diese Nachricht richtig, so wird wohl die
officielle Bestätigung dieser Tage erfolgen und dann Venedig in
Kürze wieder in unseren Händen seyn.

Grätz 13. December. ( Br. Z. ) Durch den Staatstelegraphen
sind mehrere Emissäre signalisirt worden, welche in Steiermark
und Oberösterreich umherziehen und die Landleute zum Aufstande
reizen sollen; sie scheinen im Solde Kossuths zu stehen, welcher
Alles aufbietet, um in den Nachbarprovinzen Aufstände zu erre-
gen, welche die Kriegsmacht des Fürsten Windischgrätz theilen
und schwächen würden. Uebrigens soll Kossuth einen geheimen
Plan haben, mit dessen Ansführung er Oesterreich in dem Augen-
blicke überraschen will, wo es sich des Sieges für gewiß hält.
Man glaubt, daß Diversionen in den Erbländern damit gemeint
seyn dürften und darum hat wohl auch die Bitte der hiesigen
Stadt beim Fürsten Windischgrätz wegen Nichtbefestigung des
Schloßberges keine Folge gehabt.

Kremster 12. December. Das constitutionelle Blatt aus
Böhmen schreibt: Der Reichstag hat, wenn gleich er es noch
nicht eingesteht, seine Bedeutung verloren. Herausgenommen
aus seinem ursprünglichen Boden, wo das Erdreich umwühlt
war und er üppig emporschoß, wurde er in einen Gartentopf ver-
setzt, wo er freilich unter sorgsamer Pflege des Gärtners steht;
allein der Brütofen kann die freie Sonne nicht ersetzen und das
Zugloch ist kein erfrischender Zephyr. Das ist nicht mehr der sou-
veräne Reichstag, das ist nicht mehr das Löwenkind der Revo-
lution, und die Bedeutung ist verloren. Ob dies ein Verlust oder
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[0002] konnten nicht den Ausschlag geben und konnten selbst nur wirken, weil sie im Herzen des Volkes jene dunkelen Triebe fanden, die wir im Vorstehenden in etwas zu beleuchten suchten. Wie täuschen sich unsere abstracten Politiker, die in ihrem Rationalismus schlechthin die Macht des monarchischen Principes mißkennen, bezüglich des Volkes! Das Volk ( und wer will beweisen, daß es unrecht hat? ) sucht immer nach Einem Haupte, nach einem Manne, der ihm Träger der Autorität, oder Träger einer Jdee ist; sey es ein legitimer Herrscher nach altem Schlage; sey es ein Herrscher wie Napoleon, der sich selbst die Krone aufs Haupt ge- setzt und sich selbst legitimirt, sey es, in Ermanglung eines Besse- ren, sein Herr Vetter. Und wo auch ein solcher fehlte, ja wo alle erlauchten Häupter fallen würden, da müßte es Caspar Hauser oder „Prinz Hecker“ seyn, dem — allem Demokratismus zum Trotze — alsbald eine fürstliche Abstammung angedichtet wurde, um ihn mit einem mythischen Nimbus zu umgeben. Allein, müssen wir ernst und besorgt fragen, was wird die- sem Frankreich noch bevorstehen? Wann werden diese ewigen Umwälzungen endigen, die alle höheren geistigen und sittlichen Kräfte der Nation nie zu ruhiger und gesunder Entwickelung kommen lassen? Und wie lange wird es das Volk noch aushal- ten, wenn es so fortgeht? Es ist zwar wenig ersprießlich, in der Geschichte Voraus- setzungen zu machen, die sich nun einmal nicht verwirklicht haben. Aber wir wollen einmal davon eine Ausnahme machen und fragen: Wenn damals im Jahre 1789 die Führer des Volkes sich gemäßigt hätten und wenn der König und seine Rathgeber mit Weisheit und Gerechtigkeit dem Volke entgegengekommen wären, wenn eine gerechte und dauerhafte Ausgleichung zwischen den Rechten des Volkes und den Rechten der Krone zu Stande ge- kommen wäre und die königliche Autorität und die volksthümliche Freiheit in rechter Einigung sich seitdem naturgemäß und ohne gewaltsame Umwälzungen fortentwickelt hätten, wie stünde es jetzt vielleicht in Frankreich? — Es sollte, es konnte nicht so kommen, nicht wegen der Dinge, sondern wegen der menschlichen Leidenschaften! Wir stehen jetzt in Deutschland an einem ähnlichen Wende- punkte der Geschichte: Möge man ja erwägen, was in dem Staatsorganismus und unter den gegebenen Verhältnissen ein rechtmäßiger Fürst werth ist. Würde man so ohne weiteres der alten Fürsten sich entledigen, es könnte vielleicht die Zeit kommen, wo man den ersten besten Neffen eines Usurpators oder wer sonst einen Namen hat, auf offener Straße ergreift und zu ihm spricht: Wir bitten und beschwören dich, sey unser König: denn wir können es sonst nicht mehr aushalten! Deutschland. Wien 13. December. ( A. Z. ) Erwägen wir genau alle Um- stände, welche mit der Thronbesteigung unseres jugendlichen Kai- sers zusammenhängen und vergleichen damit einige nichts weniger als versteckte Aeußerungen in den ministeriellen Blättern, so wer- den wir unwillkürlich zu der Ueberzeugung gedrängt, daß sich hier und anderwärts an Franz Joseph die mehr oder min- der klare Hoffnung hängt: er sey es, den das Schicksal berufen habe zu herrschen über die Vereinigten Staaten von Deutschland — er sey der lange erwartete deutsche Messias, dem Johann blos ein Vorläufer gewesen, ge- sendet ihm seine Pfade zu bereiten. Jch wünsche vor allem, daß man sich in Deutschland endlich klar werde bezüglich der Oester- reich gegenüber einzunehmenden Stellung. Bis jetzt wurden wir weder durch kluge Berechnung noch prophetische Voraussicht, ja nicht einmal durch gesunden Menschenverstand — sondern ledig- lich durch die Gewalt der Umstände dahin gedrängt, wo wir ste- hen. Es hat seit Eröffnung des Frankfurter Parlamentes bis zum heutigen Tage warnende Stimmen genug gegeben, welche unab- läßlich hindeuteten auf die Unmöglichkeit der Ausführung unserer Frankfurter Entwürfe in Bezug auf Oesterreich; sie wurden theils überhört, theils verhöhnt und verspottet. Wir befinden uns jetzt abermals in einer ähnlichen Lage, und es wäre zu wünschen, daß man sich diesesmal in Deutschland nicht ebenso eitlen Täuschungen hingäbe wie das erstemal. So viel für heute nur andeutungs- weise. Einstweilen mögen die weitausgreifenden Bedingungen, an welche Oesterreich seine Vereinigung mit Deutschland knüpft, we- nigstens die gegründete Beruhigung erzeugen, daß von Reactions- gelüsten unserer Regierung keine Rede mehr seyn kann. Denn selbst abgesehen von dem Vertrauen, zu welchem der Charakter und die weit blickende Bildung unseres neuen Cabinetes an und für sich berechtigen, wäre der Umstand: daß man Deutschland nur gewinnen, nicht aber zwingen kann, schon eine haltbare Bürgschaft dafür. Jch wiederhole es ausdrücklich, um jedem Mißverständnisse vorzubeugen, ich gehe bei meiner Betrachtung der deutsch=österreichischen Zustände von der Ueberzeugung aus, daß die neue Regierung von dem freisinnigsten Geiste beseelt ist und ernst darnach strebt den Anforderungen der Neuzeit gerecht zu seyn. Wien 14. December. ( St. C. ) Jn Kremsier hat sich unter den Deputirten ein deutsch=österreichischer Verein gebil- det. Aus dem Programme geht die Tendenz hervor: a ) Con- stituirung Eines Oesterreichs als constitutionelle Erbmonarchie auf rein volksthümlicher Grundlage; b ) Abwehr jedes, die deutsche Nationalität im Grundsatze der Gleichberechtigung ver- letzenden Uebergriffes; c ) Förderung einer innigen Verbindung zwischen Deutschland und Oesterreich als Gesammtstaat. — Die Einberufung der Deputirten Füster und Goldmark zu Zeu- genaussagen in der Latour'schen Angelegenheit hat sich nicht be- stätigt. Dagegen geht heute eine aus Civil= und Militärpersonen zusammengesetzte Commission, wahrscheinlich zu jenem Behufe, dahin ab. — Die Minister Stadion und Bach sind hier ange- langt. — Durch die Ernennung des Feldmarschalllientenants Grafen Auersperg zum Festungscommandanten in Königingrätz wird hinlänglich dargethan, daß er in Ungnade gefallen. — Kai- ser Ferdinand beschäftigt sich zu Prag mit Naturwissenschaften, welchen alle Mitglieder der kaiserlichen Familie mit besonderer Vor- liebe obliegen, und gibt den Armen Audienz, lehnt aber sonstige De- putationen ab. — Unsere Blätter beschäftigen sich jetzt viel mit Finanz- fragen und „Presse“ und „Lloyd“ liegen wegen der Nationalbank gegen einander im Kampfe. Eine Reorganisation dieser letztern steht jedenfalls bevor. Wenn übrigens auch viele der gegen dieses Jnstitut vorgebrachten Klagen von Unkenntniß zeugen, so ist dies hinsichtlich der zuletzt im Lloyd aufgenommenen nicht der Fall und man ist im Ganzen so ziemlich darüber einig, daß innerhalb der Direction dieses Jnstitutes mehr ein willfähriger Coteriengeist, als der Muth einer Meinung vorgewaltet hat. — Es sind neuer- dings Truppen von hier nach Ungarn zur Armee abgegangen und die hiesige Besatzung hat sich bedeutend vermindert. Auch Fürst Windischgrätz reist dem Vernehmen nach heute ab, ohne jedoch, wie man glaubt, seine Abwesenheit längere Zeit dauern zu lassen. — Die Stimmung der Bevölkerung in den Vorstädten läßt noch immer viel zu wünschen übrig. Ein Schreiben aus Pesth vom 10. d. Mts. meldet: „Die Abdankung des Königs Ferdinand hat unter dem Publicum einen ziemlich günstigen Eindruck gemacht, allein die Repräsentan- tenkammer hat den neuen König Franz nicht als König anerkannt.“ So weit der Briefsteller. Prag 13. December. ( D. A. Z. ) Das Präsidium des böh- mischen Guberniums soll demnächst definitiv besetzt werden, man nennt Strobach, Palacky oder Stark ( Deputirte des Centrums ) als Candidaten. Der erstere soll die meisten Chancen haben. Grätz 12. December. ( Gr. Z. ) Nach gestern hier eingelang- ten Briefen ist die russische Flotte, bestehend aus mehr als 20 größeren und kleineren Schiffen, auf der Rhede vor Triest einge- troffen ( ? ) und vor Anker gegangen. Wie man erwartet, wird nun die österreichische Flotille aus Pola auslaufen und gegen Ve- nedig operiren. Wenn diese Nachricht richtig, so wird wohl die officielle Bestätigung dieser Tage erfolgen und dann Venedig in Kürze wieder in unseren Händen seyn. Grätz 13. December. ( Br. Z. ) Durch den Staatstelegraphen sind mehrere Emissäre signalisirt worden, welche in Steiermark und Oberösterreich umherziehen und die Landleute zum Aufstande reizen sollen; sie scheinen im Solde Kossuths zu stehen, welcher Alles aufbietet, um in den Nachbarprovinzen Aufstände zu erre- gen, welche die Kriegsmacht des Fürsten Windischgrätz theilen und schwächen würden. Uebrigens soll Kossuth einen geheimen Plan haben, mit dessen Ansführung er Oesterreich in dem Augen- blicke überraschen will, wo es sich des Sieges für gewiß hält. Man glaubt, daß Diversionen in den Erbländern damit gemeint seyn dürften und darum hat wohl auch die Bitte der hiesigen Stadt beim Fürsten Windischgrätz wegen Nichtbefestigung des Schloßberges keine Folge gehabt. Kremster 12. December. Das constitutionelle Blatt aus Böhmen schreibt: Der Reichstag hat, wenn gleich er es noch nicht eingesteht, seine Bedeutung verloren. Herausgenommen aus seinem ursprünglichen Boden, wo das Erdreich umwühlt war und er üppig emporschoß, wurde er in einen Gartentopf ver- setzt, wo er freilich unter sorgsamer Pflege des Gärtners steht; allein der Brütofen kann die freie Sonne nicht ersetzen und das Zugloch ist kein erfrischender Zephyr. Das ist nicht mehr der sou- veräne Reichstag, das ist nicht mehr das Löwenkind der Revo- lution, und die Bedeutung ist verloren. Ob dies ein Verlust oder ein Gewinn ist? — das muß erst die Zukunft lehren; aber das

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 168. Mainz, 19. Dezember 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal168_1848/2>, abgerufen am 21.11.2024.