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Mainzer Journal. Nr. 169. Mainz, 20. Dezember 1848.

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[Beginn Spaltensatz] und, wie wir hören, handelt es sich jetzt zuerst um das Schicksal
derjenigen Mitglieder der Versammlung, welche Justizbeamte und
Richter sind und namentlich an dem Steuerverweigerungsbeschlusse
Antheil genommen haben. Jn dieser Beziehung ist bereits vor
einigen Tagen eine officielle Anfrage des Justizministers Rintelen
an den Oberappellationssenat des Kammergerichtes ergangen,
worin zugleich auf eine sofortige Suspendirung jener Abgeordne-
ten von ihren Aemtern angetragen wird. Ueber die anderen Ka-
tegorien der Versammlung, namentlich über die zahlreichen Geist-
lichen und Lehrer, sowie über verschiedene Verwaltungsbeamte
soll von den betreffenden Ministerien noch kein bestimmter Ent-
schluß gefaßt worden seyn, obwohl er in derselben Weise in Aus-
sicht steht. -- Die hier gebildeten Wahlcomites sind bereits in
voller Thätigkeit. Das Wahlcomit e der äußersten Linken hat
das Mißgeschick gehabt, einen seiner Hauptfactoren, Herrn
D'Ester, mittels eines Zwangspasses zu verlieren, durch welchen
dieser Abgeordnete soeben von hier hinwegdirigirt worden ist. Hr.
D'Ester hat seinen einstweiligen Aufenthalt in Köthen genommen,
wo die Demokratie seltsamer Weise ein neues Hauptquartier ge-
wonnen hat und wo auch der demokratische Centralausschuß jetzt
etablirt worden ist. Auch die von hier weggewiesenen Herren
Hexamer und Oppenheim verweilen daselbst.

München 16. December. ( N. C. ) Die wachsenden Chancen
des preußischen Erbkaiserthums, wie es der Verfassungs-
ausschuß in Frankfurt beabsichtigt, haben die Stimmung, die
hier seit geraumer Zeit über diesen Gegenstand herrscht, nicht ge-
ändert. Jch glaube die hiesige Meinung im Ganzen richtig zu be-
zeichnen, wenn ich sage: daß dieselbe, so gut sie ein deutsches
Kaiserthum im Gefolge großer territorialer und sonstiger Umän-
derungen begriffen haben würde, nunmehr, da wir auf den Bun-
desstaat reducirt sind, im Einklange mit der Regierung ein Bun-
desdirectorium ( ! ) für zweckmäßiger hält als eine Monarchie,
und namentlich eine Erbmonarchie; daß sie jedoch, wenn dem
Repräsentanten der deutschen Conföderation um des Glanzes nach
Außen willen durchaus der Kaisertitel beigelegt werden soll, die-
sen Titel lieber dem Habsburgischen Hause zuerkennen möchte,
welches den Vorzug der alten Tradition und des orientalischen
Einflusses hat, als den Hohenzollern.

Ein Correspondent der über bayerische Angelegenheiten gut-
unterrichteten Südd. pol. Ztg. gibt folgende Statistik der
neuen Abgeordneten kammer:
Vierter Stand 77; dritter
Stand ( mit 11 Adeligen ) 43; Geistlichkeit 17 ( davon 2 prote-
stantische ) . Es hat also der vierte Stand ( größtentheils vertreten
durch diejenigen Bräuer, Bauern, Handwerker, Kleinhandels-
leute und Kleingutsbesitzer, welche in ihrem Kreise Geldmagnaten
oder Ultramontane sind ) eine Uebergewicht von 17 Stimmen über
die vereinigten anderen Stände. Jn politischer Parteibeziehung
gehören höchstens 20 Mitglieder vom vierten Stande und wenig-
stens 20 Mitglieder vom dritten Stande dem demokratischen
Standpunkte an. Der nicht demokratische Theil des vierten Stan-
des ist entweder streng conservativ oder ultramontan. Der nicht
demokratische Theil des dritten Standes gehört mit Ausnahme
von 5--7 ultramontanen Abgeordneten ( Abel, Obercamp, Laro-
s ee ) mehr oder weniger dem juste milieu an. Die Geistlich-
keit, mit Ausnahme der zwei protestantischen Mitglieder, wird sich
entweder zum ultramontanen oder streng conservativen Princip
bekennen. Hieraus entspringt folgende Parteistellung: Linke 40
-- linkes und rechtes Centrum 19 -- Rechte 78. Die Rechte hat
also selbst in dem Falle, wenn sich nicht nur das linke, sondern
auch das rechte Centrum mit der ( demokratischen ) Linken verbin-
den würde, eine Majorität von 19 Stimmen, gerade die Stim-
menzahl der vereinigten Centren. [ Es fröstelt uns immer, wenn
wir die den Franzosen abgeborgten Namen Rechte, Linke, rechtes,
linkes Centrum namentlich in ihrer Anwendung auf deutsche Klein-
staaterei lesen. Stimmet nach bester Einsicht, nach Pflicht und Ge-
wissen, und setzet euch dann in Gottes Namen hin, wohin ihr
wollet! ]

# Von der Nahe 19. December. Schon seit mehreren Tagen
sitzen wir in einem so dichten Nebel, daß wir gar nicht mehr recht
wüßten, ob es denn noch Menschen neben uns gibt, wenn nicht
die Zeitung von ihrem Thun und Treiben uns allerlei Gutes und
Schlimmes, Erfreuliches und Widerwärtiges berichtete und die
kleinen Blättchen auch für nachbarliche Klatschereien, ländliche
und städtische Feindschaften sorgten und ergötzliche Federkriege
führten. Unter dem vielen Zeuge, was eigentlich unter vier Augen
und nicht ins Blättchen, also unter das Volk, gehört, lasen wir
am Sonntage eine Erklärung des Bürgermeisters George von
Büdesheim über seine Wirksamkeit als Mitglied des Bezirks-
rathes für den Bezirk Bingen, welche Erklärung doch alle Bürger
anging und alles Lob verdient. Herr George wurde als Mann
von gemäßigter Denkungsart gegenüber den demokratischen Bür-
[Spaltenumbruch] gercandidaten gewählt und hat diese seine Stellung, wie aus sei-
ner Erklärung hervorgeht, behauptet, sich nicht von der Mehrheit
der Demokraten ins Bockshorn treiben lassen, sondern seiner
Ueberzeugung gemäß den eigenen Weg eingeschlagen und so oft in
der Minderzahl, manchmal ganz allein dagestanden. So selbst-
ständig sollten Alle urtheilen, dann würde es anders aussehen.
Seine Wirksamkeit, sagt Herr George, ging nicht von politischen
Parteifragen aus, sondern von dem Gedanken, für das Wohl,
das materielle insbesondere, der Provinz zu sorgen und hierin
hat er die Aufgabe des Bezirksrathes richtig erfaßt. Eben so
trefflich sind auch die einzelnen Anträge, die er gestellt und be-
wiesen, daß Herr George die wahren Bedürfnisse des Volkes bes-
ser versteht, als die, welche nur mit hohlen Declamationen und
großen Worte für dasselbe sorgen. Auch hat derselbe bei der
Frage über Bürgeraufnahme nicht die Ansicht der Mehrheit des
Bezirksrathes, der da wie ein Pascha aufgetreten ist und die
Selbstständigkeit der Gemeinde ganz vernichtet hat, getheilt, son-
dern sich für Unabhängigkeit der Gemeindeverwaltung ausge-
sprochen und bei Bürgeraufnahme die Bestimmungen der Ge-
meindeordnungen als Richtschnur angenommen wissen wollen.
Ehrenhaft ist es, daß Herr Bürgermeister George sich der Ab-
stimmung über den Antrag an die Regierung um Entfernung des
Freiherrn v. Dalwigk enthielt und zwar deshalb, weil er, obwohl
er die Ernennung desselben an diese Stelle für einen Mißgriff an-
sehe, den Herrn v. Dalwigk doch nicht hinlänglich kenne, um auf
seine Entfernung anzutragen. Wäre derselbe aber, wie man
vorgäbe, ein einseitiger Parteimann, so habe es die Regierung
sich selbst zuzuschreiben, wenn die Provinz ihr entfremdet würde.

Frankfurt 19. December. Der lithographirten Correspon-
denz der Centren der Reichsversammlung zufolge sind die vorläu-
figen Hauptgrundsätze der von der bisherigen Majorität abge-
zweigten Fraction folgende: 1 ) "Wir erachten es als Aufgabe
des verfassunggebenden Reichstages, so beginnt das Programm,
die Einheit des ganzen Vaterlandes zu begründen, und alle
seine Bestandtheile auf der Grundlage freisinniger Jnstitutionen
im Bundesstaate zu vereinigen. 2 ) Die Nationalversammlung ist
für die Begründung der deutschen Reichsverfassung das legale
Organ des deutschen Volkes, sie ist in dieser Beziehung selbst-
ständig.
Dies schließt nicht aus, daß mit den Regierungen der
Einzelstaaten ein Vernehmen stattfinde und daß besondere Ver-
hältnisse der letzteren nach Möglichkeit berücksichtigt werden.
Verständigung, wo sie nöthig, muß erfolgen, ehe sich Mißver-
ständnisse in schroffen Gegensätzen befestigt haben. 3 ) Wir werden
dem Particularismus entgegentreten, so er die Einheit und Macht
des Gesammtstaates gefährdet, dagegen wollen wir das Recht
der einzelnen Stämme und Staaten zur Wahrung ihrer Jnteres-
sen und zur Entwickelung ihres besondern Lebens innerhalb der
im Jnteresse der Einheit nöthigen Schranken gewahrt wissen.
4 ) Der Verein wird dahin trachten, die Vollendung des Verfas-
sungswerkes möglichst zu fördern, alle Hemmungen des Haupt-
zweckes abzuwehren und durch gleiche Billigkeit gegen alle deut-
schen Stämme, durch Erstrebung des Erreichbaren und
praktisch Brauchbaren der Verfassung die Aufnahme in
das Leben der Nation zu sichern. Wir wollen eine lebendige Eini-
gung und Verbrüderung aller Deutschen ohne Rücksicht auf Süd
und Nord, auf Stämme, Stand oder Glaubensbekenntniß;
darum soll Alles vermieden werden, was Stammesvorurtheile
erregen, was die Jnteressen und Gefühle einzelner Stämme ver-
letzen, was den confessionellen Frieden stören könnte. Wir wollen
Einigung durch Versöhnung der Gegensätze, Ausgleichen der Jn-
teressen und Rechtsgleichheit für Alle." Hierzu bemerkt die genannte
Correspondenz weiter: Soweit die politischen Grundsätze der neuen
Partei. Wie man sieht, stehen sie nicht in entschiedener Opposition
mit der ministeriellen Vorlage, sondern sie enthalten vielmehr eine
Verwahrung gegen die daraus befürchteten, oben angedeuteten
Schlußfolgerungen. Die Brücke der Versöhnung ist also noch nicht
abgebrochen, und sie wird sich jetzt um so leichter schlagen lassen,
als der Reichscommissär Paur ans Augsburg uns versichert, daß
eine Verhandlung auf gesandtschaftlichem Wege ungleich sicherer
und schneller zu einer Verständigung führen werde, als die bisher
stets frnchtlos gebliebene Absendung von Reichscommissären.

Jtalien.

Die Mailänder Zeitung enthält zwei höchst schmeichelhafte
Handschreiben des Kaisers Ferdinand und des jetzigen Kaisers an
Radetzky. Jener nennt ihn den Mann, welchem er es verdanke,
die Monarchie in ihrer vollen Jntegrität seinem Neffen und Nach-
folger übertragen zu können; dieser beginnt mit der bescheidenen
Wendung, sein erhabener Oheim und Kaiser habe ihn mit einem
Vertrauen beehrt, das er noch auf keine Weise zu rechtfertigen
vermochte, und bittet den alten Krieger, den er in die erste Linie
der erfahrenen und trefflichen Männer stelle, auf deren Rath er
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] und, wie wir hören, handelt es sich jetzt zuerst um das Schicksal
derjenigen Mitglieder der Versammlung, welche Justizbeamte und
Richter sind und namentlich an dem Steuerverweigerungsbeschlusse
Antheil genommen haben. Jn dieser Beziehung ist bereits vor
einigen Tagen eine officielle Anfrage des Justizministers Rintelen
an den Oberappellationssenat des Kammergerichtes ergangen,
worin zugleich auf eine sofortige Suspendirung jener Abgeordne-
ten von ihren Aemtern angetragen wird. Ueber die anderen Ka-
tegorien der Versammlung, namentlich über die zahlreichen Geist-
lichen und Lehrer, sowie über verschiedene Verwaltungsbeamte
soll von den betreffenden Ministerien noch kein bestimmter Ent-
schluß gefaßt worden seyn, obwohl er in derselben Weise in Aus-
sicht steht. — Die hier gebildeten Wahlcomités sind bereits in
voller Thätigkeit. Das Wahlcomit é der äußersten Linken hat
das Mißgeschick gehabt, einen seiner Hauptfactoren, Herrn
D'Ester, mittels eines Zwangspasses zu verlieren, durch welchen
dieser Abgeordnete soeben von hier hinwegdirigirt worden ist. Hr.
D'Ester hat seinen einstweiligen Aufenthalt in Köthen genommen,
wo die Demokratie seltsamer Weise ein neues Hauptquartier ge-
wonnen hat und wo auch der demokratische Centralausschuß jetzt
etablirt worden ist. Auch die von hier weggewiesenen Herren
Hexamer und Oppenheim verweilen daselbst.

München 16. December. ( N. C. ) Die wachsenden Chancen
des preußischen Erbkaiserthums, wie es der Verfassungs-
ausschuß in Frankfurt beabsichtigt, haben die Stimmung, die
hier seit geraumer Zeit über diesen Gegenstand herrscht, nicht ge-
ändert. Jch glaube die hiesige Meinung im Ganzen richtig zu be-
zeichnen, wenn ich sage: daß dieselbe, so gut sie ein deutsches
Kaiserthum im Gefolge großer territorialer und sonstiger Umän-
derungen begriffen haben würde, nunmehr, da wir auf den Bun-
desstaat reducirt sind, im Einklange mit der Regierung ein Bun-
desdirectorium ( ! ) für zweckmäßiger hält als eine Monarchie,
und namentlich eine Erbmonarchie; daß sie jedoch, wenn dem
Repräsentanten der deutschen Conföderation um des Glanzes nach
Außen willen durchaus der Kaisertitel beigelegt werden soll, die-
sen Titel lieber dem Habsburgischen Hause zuerkennen möchte,
welches den Vorzug der alten Tradition und des orientalischen
Einflusses hat, als den Hohenzollern.

Ein Correspondent der über bayerische Angelegenheiten gut-
unterrichteten Südd. pol. Ztg. gibt folgende Statistik der
neuen Abgeordneten kammer:
Vierter Stand 77; dritter
Stand ( mit 11 Adeligen ) 43; Geistlichkeit 17 ( davon 2 prote-
stantische ) . Es hat also der vierte Stand ( größtentheils vertreten
durch diejenigen Bräuer, Bauern, Handwerker, Kleinhandels-
leute und Kleingutsbesitzer, welche in ihrem Kreise Geldmagnaten
oder Ultramontane sind ) eine Uebergewicht von 17 Stimmen über
die vereinigten anderen Stände. Jn politischer Parteibeziehung
gehören höchstens 20 Mitglieder vom vierten Stande und wenig-
stens 20 Mitglieder vom dritten Stande dem demokratischen
Standpunkte an. Der nicht demokratische Theil des vierten Stan-
des ist entweder streng conservativ oder ultramontan. Der nicht
demokratische Theil des dritten Standes gehört mit Ausnahme
von 5—7 ultramontanen Abgeordneten ( Abel, Obercamp, Laro-
s ée ) mehr oder weniger dem juste milieu an. Die Geistlich-
keit, mit Ausnahme der zwei protestantischen Mitglieder, wird sich
entweder zum ultramontanen oder streng conservativen Princip
bekennen. Hieraus entspringt folgende Parteistellung: Linke 40
— linkes und rechtes Centrum 19 — Rechte 78. Die Rechte hat
also selbst in dem Falle, wenn sich nicht nur das linke, sondern
auch das rechte Centrum mit der ( demokratischen ) Linken verbin-
den würde, eine Majorität von 19 Stimmen, gerade die Stim-
menzahl der vereinigten Centren. [ Es fröstelt uns immer, wenn
wir die den Franzosen abgeborgten Namen Rechte, Linke, rechtes,
linkes Centrum namentlich in ihrer Anwendung auf deutsche Klein-
staaterei lesen. Stimmet nach bester Einsicht, nach Pflicht und Ge-
wissen, und setzet euch dann in Gottes Namen hin, wohin ihr
wollet! ]

□ Von der Nahe 19. December. Schon seit mehreren Tagen
sitzen wir in einem so dichten Nebel, daß wir gar nicht mehr recht
wüßten, ob es denn noch Menschen neben uns gibt, wenn nicht
die Zeitung von ihrem Thun und Treiben uns allerlei Gutes und
Schlimmes, Erfreuliches und Widerwärtiges berichtete und die
kleinen Blättchen auch für nachbarliche Klatschereien, ländliche
und städtische Feindschaften sorgten und ergötzliche Federkriege
führten. Unter dem vielen Zeuge, was eigentlich unter vier Augen
und nicht ins Blättchen, also unter das Volk, gehört, lasen wir
am Sonntage eine Erklärung des Bürgermeisters George von
Büdesheim über seine Wirksamkeit als Mitglied des Bezirks-
rathes für den Bezirk Bingen, welche Erklärung doch alle Bürger
anging und alles Lob verdient. Herr George wurde als Mann
von gemäßigter Denkungsart gegenüber den demokratischen Bür-
[Spaltenumbruch] gercandidaten gewählt und hat diese seine Stellung, wie aus sei-
ner Erklärung hervorgeht, behauptet, sich nicht von der Mehrheit
der Demokraten ins Bockshorn treiben lassen, sondern seiner
Ueberzeugung gemäß den eigenen Weg eingeschlagen und so oft in
der Minderzahl, manchmal ganz allein dagestanden. So selbst-
ständig sollten Alle urtheilen, dann würde es anders aussehen.
Seine Wirksamkeit, sagt Herr George, ging nicht von politischen
Parteifragen aus, sondern von dem Gedanken, für das Wohl,
das materielle insbesondere, der Provinz zu sorgen und hierin
hat er die Aufgabe des Bezirksrathes richtig erfaßt. Eben so
trefflich sind auch die einzelnen Anträge, die er gestellt und be-
wiesen, daß Herr George die wahren Bedürfnisse des Volkes bes-
ser versteht, als die, welche nur mit hohlen Declamationen und
großen Worte für dasselbe sorgen. Auch hat derselbe bei der
Frage über Bürgeraufnahme nicht die Ansicht der Mehrheit des
Bezirksrathes, der da wie ein Pascha aufgetreten ist und die
Selbstständigkeit der Gemeinde ganz vernichtet hat, getheilt, son-
dern sich für Unabhängigkeit der Gemeindeverwaltung ausge-
sprochen und bei Bürgeraufnahme die Bestimmungen der Ge-
meindeordnungen als Richtschnur angenommen wissen wollen.
Ehrenhaft ist es, daß Herr Bürgermeister George sich der Ab-
stimmung über den Antrag an die Regierung um Entfernung des
Freiherrn v. Dalwigk enthielt und zwar deshalb, weil er, obwohl
er die Ernennung desselben an diese Stelle für einen Mißgriff an-
sehe, den Herrn v. Dalwigk doch nicht hinlänglich kenne, um auf
seine Entfernung anzutragen. Wäre derselbe aber, wie man
vorgäbe, ein einseitiger Parteimann, so habe es die Regierung
sich selbst zuzuschreiben, wenn die Provinz ihr entfremdet würde.

Frankfurt 19. December. Der lithographirten Correspon-
denz der Centren der Reichsversammlung zufolge sind die vorläu-
figen Hauptgrundsätze der von der bisherigen Majorität abge-
zweigten Fraction folgende: 1 ) „Wir erachten es als Aufgabe
des verfassunggebenden Reichstages, so beginnt das Programm,
die Einheit des ganzen Vaterlandes zu begründen, und alle
seine Bestandtheile auf der Grundlage freisinniger Jnstitutionen
im Bundesstaate zu vereinigen. 2 ) Die Nationalversammlung ist
für die Begründung der deutschen Reichsverfassung das legale
Organ des deutschen Volkes, sie ist in dieser Beziehung selbst-
ständig.
Dies schließt nicht aus, daß mit den Regierungen der
Einzelstaaten ein Vernehmen stattfinde und daß besondere Ver-
hältnisse der letzteren nach Möglichkeit berücksichtigt werden.
Verständigung, wo sie nöthig, muß erfolgen, ehe sich Mißver-
ständnisse in schroffen Gegensätzen befestigt haben. 3 ) Wir werden
dem Particularismus entgegentreten, so er die Einheit und Macht
des Gesammtstaates gefährdet, dagegen wollen wir das Recht
der einzelnen Stämme und Staaten zur Wahrung ihrer Jnteres-
sen und zur Entwickelung ihres besondern Lebens innerhalb der
im Jnteresse der Einheit nöthigen Schranken gewahrt wissen.
4 ) Der Verein wird dahin trachten, die Vollendung des Verfas-
sungswerkes möglichst zu fördern, alle Hemmungen des Haupt-
zweckes abzuwehren und durch gleiche Billigkeit gegen alle deut-
schen Stämme, durch Erstrebung des Erreichbaren und
praktisch Brauchbaren der Verfassung die Aufnahme in
das Leben der Nation zu sichern. Wir wollen eine lebendige Eini-
gung und Verbrüderung aller Deutschen ohne Rücksicht auf Süd
und Nord, auf Stämme, Stand oder Glaubensbekenntniß;
darum soll Alles vermieden werden, was Stammesvorurtheile
erregen, was die Jnteressen und Gefühle einzelner Stämme ver-
letzen, was den confessionellen Frieden stören könnte. Wir wollen
Einigung durch Versöhnung der Gegensätze, Ausgleichen der Jn-
teressen und Rechtsgleichheit für Alle.“ Hierzu bemerkt die genannte
Correspondenz weiter: Soweit die politischen Grundsätze der neuen
Partei. Wie man sieht, stehen sie nicht in entschiedener Opposition
mit der ministeriellen Vorlage, sondern sie enthalten vielmehr eine
Verwahrung gegen die daraus befürchteten, oben angedeuteten
Schlußfolgerungen. Die Brücke der Versöhnung ist also noch nicht
abgebrochen, und sie wird sich jetzt um so leichter schlagen lassen,
als der Reichscommissär Paur ans Augsburg uns versichert, daß
eine Verhandlung auf gesandtschaftlichem Wege ungleich sicherer
und schneller zu einer Verständigung führen werde, als die bisher
stets frnchtlos gebliebene Absendung von Reichscommissären.

Jtalien.

Die Mailänder Zeitung enthält zwei höchst schmeichelhafte
Handschreiben des Kaisers Ferdinand und des jetzigen Kaisers an
Radetzky. Jener nennt ihn den Mann, welchem er es verdanke,
die Monarchie in ihrer vollen Jntegrität seinem Neffen und Nach-
folger übertragen zu können; dieser beginnt mit der bescheidenen
Wendung, sein erhabener Oheim und Kaiser habe ihn mit einem
Vertrauen beehrt, das er noch auf keine Weise zu rechtfertigen
vermochte, und bittet den alten Krieger, den er in die erste Linie
der erfahrenen und trefflichen Männer stelle, auf deren Rath er
[Ende Spaltensatz]

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[0003] und, wie wir hören, handelt es sich jetzt zuerst um das Schicksal derjenigen Mitglieder der Versammlung, welche Justizbeamte und Richter sind und namentlich an dem Steuerverweigerungsbeschlusse Antheil genommen haben. Jn dieser Beziehung ist bereits vor einigen Tagen eine officielle Anfrage des Justizministers Rintelen an den Oberappellationssenat des Kammergerichtes ergangen, worin zugleich auf eine sofortige Suspendirung jener Abgeordne- ten von ihren Aemtern angetragen wird. Ueber die anderen Ka- tegorien der Versammlung, namentlich über die zahlreichen Geist- lichen und Lehrer, sowie über verschiedene Verwaltungsbeamte soll von den betreffenden Ministerien noch kein bestimmter Ent- schluß gefaßt worden seyn, obwohl er in derselben Weise in Aus- sicht steht. — Die hier gebildeten Wahlcomités sind bereits in voller Thätigkeit. Das Wahlcomit é der äußersten Linken hat das Mißgeschick gehabt, einen seiner Hauptfactoren, Herrn D'Ester, mittels eines Zwangspasses zu verlieren, durch welchen dieser Abgeordnete soeben von hier hinwegdirigirt worden ist. Hr. D'Ester hat seinen einstweiligen Aufenthalt in Köthen genommen, wo die Demokratie seltsamer Weise ein neues Hauptquartier ge- wonnen hat und wo auch der demokratische Centralausschuß jetzt etablirt worden ist. Auch die von hier weggewiesenen Herren Hexamer und Oppenheim verweilen daselbst. München 16. December. ( N. C. ) Die wachsenden Chancen des preußischen Erbkaiserthums, wie es der Verfassungs- ausschuß in Frankfurt beabsichtigt, haben die Stimmung, die hier seit geraumer Zeit über diesen Gegenstand herrscht, nicht ge- ändert. Jch glaube die hiesige Meinung im Ganzen richtig zu be- zeichnen, wenn ich sage: daß dieselbe, so gut sie ein deutsches Kaiserthum im Gefolge großer territorialer und sonstiger Umän- derungen begriffen haben würde, nunmehr, da wir auf den Bun- desstaat reducirt sind, im Einklange mit der Regierung ein Bun- desdirectorium ( ! ) für zweckmäßiger hält als eine Monarchie, und namentlich eine Erbmonarchie; daß sie jedoch, wenn dem Repräsentanten der deutschen Conföderation um des Glanzes nach Außen willen durchaus der Kaisertitel beigelegt werden soll, die- sen Titel lieber dem Habsburgischen Hause zuerkennen möchte, welches den Vorzug der alten Tradition und des orientalischen Einflusses hat, als den Hohenzollern. Ein Correspondent der über bayerische Angelegenheiten gut- unterrichteten Südd. pol. Ztg. gibt folgende Statistik der neuen Abgeordneten kammer: Vierter Stand 77; dritter Stand ( mit 11 Adeligen ) 43; Geistlichkeit 17 ( davon 2 prote- stantische ) . Es hat also der vierte Stand ( größtentheils vertreten durch diejenigen Bräuer, Bauern, Handwerker, Kleinhandels- leute und Kleingutsbesitzer, welche in ihrem Kreise Geldmagnaten oder Ultramontane sind ) eine Uebergewicht von 17 Stimmen über die vereinigten anderen Stände. Jn politischer Parteibeziehung gehören höchstens 20 Mitglieder vom vierten Stande und wenig- stens 20 Mitglieder vom dritten Stande dem demokratischen Standpunkte an. Der nicht demokratische Theil des vierten Stan- des ist entweder streng conservativ oder ultramontan. Der nicht demokratische Theil des dritten Standes gehört mit Ausnahme von 5—7 ultramontanen Abgeordneten ( Abel, Obercamp, Laro- s ée ) mehr oder weniger dem juste milieu an. Die Geistlich- keit, mit Ausnahme der zwei protestantischen Mitglieder, wird sich entweder zum ultramontanen oder streng conservativen Princip bekennen. Hieraus entspringt folgende Parteistellung: Linke 40 — linkes und rechtes Centrum 19 — Rechte 78. Die Rechte hat also selbst in dem Falle, wenn sich nicht nur das linke, sondern auch das rechte Centrum mit der ( demokratischen ) Linken verbin- den würde, eine Majorität von 19 Stimmen, gerade die Stim- menzahl der vereinigten Centren. [ Es fröstelt uns immer, wenn wir die den Franzosen abgeborgten Namen Rechte, Linke, rechtes, linkes Centrum namentlich in ihrer Anwendung auf deutsche Klein- staaterei lesen. Stimmet nach bester Einsicht, nach Pflicht und Ge- wissen, und setzet euch dann in Gottes Namen hin, wohin ihr wollet! ] □ Von der Nahe 19. December. Schon seit mehreren Tagen sitzen wir in einem so dichten Nebel, daß wir gar nicht mehr recht wüßten, ob es denn noch Menschen neben uns gibt, wenn nicht die Zeitung von ihrem Thun und Treiben uns allerlei Gutes und Schlimmes, Erfreuliches und Widerwärtiges berichtete und die kleinen Blättchen auch für nachbarliche Klatschereien, ländliche und städtische Feindschaften sorgten und ergötzliche Federkriege führten. Unter dem vielen Zeuge, was eigentlich unter vier Augen und nicht ins Blättchen, also unter das Volk, gehört, lasen wir am Sonntage eine Erklärung des Bürgermeisters George von Büdesheim über seine Wirksamkeit als Mitglied des Bezirks- rathes für den Bezirk Bingen, welche Erklärung doch alle Bürger anging und alles Lob verdient. Herr George wurde als Mann von gemäßigter Denkungsart gegenüber den demokratischen Bür- gercandidaten gewählt und hat diese seine Stellung, wie aus sei- ner Erklärung hervorgeht, behauptet, sich nicht von der Mehrheit der Demokraten ins Bockshorn treiben lassen, sondern seiner Ueberzeugung gemäß den eigenen Weg eingeschlagen und so oft in der Minderzahl, manchmal ganz allein dagestanden. So selbst- ständig sollten Alle urtheilen, dann würde es anders aussehen. Seine Wirksamkeit, sagt Herr George, ging nicht von politischen Parteifragen aus, sondern von dem Gedanken, für das Wohl, das materielle insbesondere, der Provinz zu sorgen und hierin hat er die Aufgabe des Bezirksrathes richtig erfaßt. Eben so trefflich sind auch die einzelnen Anträge, die er gestellt und be- wiesen, daß Herr George die wahren Bedürfnisse des Volkes bes- ser versteht, als die, welche nur mit hohlen Declamationen und großen Worte für dasselbe sorgen. Auch hat derselbe bei der Frage über Bürgeraufnahme nicht die Ansicht der Mehrheit des Bezirksrathes, der da wie ein Pascha aufgetreten ist und die Selbstständigkeit der Gemeinde ganz vernichtet hat, getheilt, son- dern sich für Unabhängigkeit der Gemeindeverwaltung ausge- sprochen und bei Bürgeraufnahme die Bestimmungen der Ge- meindeordnungen als Richtschnur angenommen wissen wollen. Ehrenhaft ist es, daß Herr Bürgermeister George sich der Ab- stimmung über den Antrag an die Regierung um Entfernung des Freiherrn v. Dalwigk enthielt und zwar deshalb, weil er, obwohl er die Ernennung desselben an diese Stelle für einen Mißgriff an- sehe, den Herrn v. Dalwigk doch nicht hinlänglich kenne, um auf seine Entfernung anzutragen. Wäre derselbe aber, wie man vorgäbe, ein einseitiger Parteimann, so habe es die Regierung sich selbst zuzuschreiben, wenn die Provinz ihr entfremdet würde. Frankfurt 19. December. Der lithographirten Correspon- denz der Centren der Reichsversammlung zufolge sind die vorläu- figen Hauptgrundsätze der von der bisherigen Majorität abge- zweigten Fraction folgende: 1 ) „Wir erachten es als Aufgabe des verfassunggebenden Reichstages, so beginnt das Programm, die Einheit des ganzen Vaterlandes zu begründen, und alle seine Bestandtheile auf der Grundlage freisinniger Jnstitutionen im Bundesstaate zu vereinigen. 2 ) Die Nationalversammlung ist für die Begründung der deutschen Reichsverfassung das legale Organ des deutschen Volkes, sie ist in dieser Beziehung selbst- ständig. Dies schließt nicht aus, daß mit den Regierungen der Einzelstaaten ein Vernehmen stattfinde und daß besondere Ver- hältnisse der letzteren nach Möglichkeit berücksichtigt werden. Verständigung, wo sie nöthig, muß erfolgen, ehe sich Mißver- ständnisse in schroffen Gegensätzen befestigt haben. 3 ) Wir werden dem Particularismus entgegentreten, so er die Einheit und Macht des Gesammtstaates gefährdet, dagegen wollen wir das Recht der einzelnen Stämme und Staaten zur Wahrung ihrer Jnteres- sen und zur Entwickelung ihres besondern Lebens innerhalb der im Jnteresse der Einheit nöthigen Schranken gewahrt wissen. 4 ) Der Verein wird dahin trachten, die Vollendung des Verfas- sungswerkes möglichst zu fördern, alle Hemmungen des Haupt- zweckes abzuwehren und durch gleiche Billigkeit gegen alle deut- schen Stämme, durch Erstrebung des Erreichbaren und praktisch Brauchbaren der Verfassung die Aufnahme in das Leben der Nation zu sichern. Wir wollen eine lebendige Eini- gung und Verbrüderung aller Deutschen ohne Rücksicht auf Süd und Nord, auf Stämme, Stand oder Glaubensbekenntniß; darum soll Alles vermieden werden, was Stammesvorurtheile erregen, was die Jnteressen und Gefühle einzelner Stämme ver- letzen, was den confessionellen Frieden stören könnte. Wir wollen Einigung durch Versöhnung der Gegensätze, Ausgleichen der Jn- teressen und Rechtsgleichheit für Alle.“ Hierzu bemerkt die genannte Correspondenz weiter: Soweit die politischen Grundsätze der neuen Partei. Wie man sieht, stehen sie nicht in entschiedener Opposition mit der ministeriellen Vorlage, sondern sie enthalten vielmehr eine Verwahrung gegen die daraus befürchteten, oben angedeuteten Schlußfolgerungen. Die Brücke der Versöhnung ist also noch nicht abgebrochen, und sie wird sich jetzt um so leichter schlagen lassen, als der Reichscommissär Paur ans Augsburg uns versichert, daß eine Verhandlung auf gesandtschaftlichem Wege ungleich sicherer und schneller zu einer Verständigung führen werde, als die bisher stets frnchtlos gebliebene Absendung von Reichscommissären. Jtalien. Die Mailänder Zeitung enthält zwei höchst schmeichelhafte Handschreiben des Kaisers Ferdinand und des jetzigen Kaisers an Radetzky. Jener nennt ihn den Mann, welchem er es verdanke, die Monarchie in ihrer vollen Jntegrität seinem Neffen und Nach- folger übertragen zu können; dieser beginnt mit der bescheidenen Wendung, sein erhabener Oheim und Kaiser habe ihn mit einem Vertrauen beehrt, das er noch auf keine Weise zu rechtfertigen vermochte, und bittet den alten Krieger, den er in die erste Linie der erfahrenen und trefflichen Männer stelle, auf deren Rath er

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 169. Mainz, 20. Dezember 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal169_1848/3>, abgerufen am 21.11.2024.