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Mainzer Journal. Nr. 172. Mainz, 23. Dezember 1848.

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[Beginn Spaltensatz] weiß doch Alles so gut, ohne etwas gelernt zu haben, weshalb er
auch die seltene Eigenschaft hat, nichts zu vergessen. Doch genug
von diesem juristischen Castor.

Betrachten wir nun etwas näher seinen Zwillingsbruder
Pollux, den Advocaten Heinz, ein ächt komisches Männlein.
Wir entsinnen uns noch recht gut, daß wir die Ehre hatten
diesen Herrn als Rechtscandidaten in Zweibrücken kennen zu
lernen. Schon damals verrieth er, wie seine Freunde und
Feinde bezeugen müssen, herrliche Anlage zur Mimik. Er ist
auch mit der Zeit, worüber in der ganzen Pfalz nur eine
Stimme ist, ein vollendeter juristischer Mime geworden. Und
wir zweifeln nicht im geringsten daran, daß er sein mimi-
sches Talent auch in der Deputirtenkammer glänzend entwickeln
wird. Ebenso glauben wir, daß er seine republikanische Rolle
ordentlich zu memoriren im Stande ist, er hat wenigstens
mehrmals Proben davon abgelegt, daß er volksmäßige, gesin-
nungstüchtige Tiraden recht gut auswendig hersagen kann. Nur
wäre zu wünschen, daß dieser Mann den Demosthenes nachahmen
und mit Kieseln im Munde bei Sturm und Wind sich in verständ-
licher Rede üben möchte, denn die Natur hat ihm ein ganz fatales
Organ gegeben, so daß bei der jüngst abgehaltenen Versammlung
einer Fraction der Wahlmänner in Kaiserslauten die Zuhörer
ganz trostlos waren, als sie von dem gewiß überaus kostbaren
Vortrage des Herrn Heinz fast nichts verstehen [unleserliches Material - 7 Zeichen fehlen]konnten. Uebrigens
ist derselbe lange nicht so republikanisch böse und grimmig als es
vielleicht den Anschein hat, und wir glauben sogar versichern zu
können, daß er, wenn nur die Zeiten anders wären, ebenso wohl-
tönend monarchisch oder aristokratisch declamiren würde, als er
dies jetzt demokratisch thut. Schließlich hat der vortreffliche Mann
auch noch die sehr preiswürdige Eigenschaft, daß er "als Bon-
vivant von Herzen" sehr gern gut ißt und trinkt; und wenn
nicht mit republikanischen Sitten feudale Würden unverträglich
wären, so würden wir Herrn Heinz zum Erbtruchseß der pfäl-
zischen Deputirten vorschlagen.

Einem weitern republikanischen Duumvirate begegnen wir
in den Personen des Herrn Dr. Hepp aus Neustadt und des
Herrn Kolb aus Speyer. Mit diesen beiden Männern werden
wir uns um so kürzer fassen können, als es unsere Sache nicht ist
-- Pech anzugreifen. Beide Bürger zeichnen sich durch die alles
Maß übersteigende Weise aus, wie sie namentlich über die ka-
tholische Religion, deren Anhänger und Diener zu Werke zu
gehen sich nicht entblöden. Nichts ist zu hoch, zu edel, zu heilig,
-- es wird von diesen beiden Leuten mit profaner Stirne und
Unwahrheit in den Bereich ihres frivolen Witzes gezogen. Ueb-
rigens bleibt es immerhin auffallend, wie Jemand, wenn es ihm
auch gegenüber der katholischen Kirche über Wahrheit und Recht
hinwegzukommen ein Leichtes ist, es dennoch wagen mag, vor
einem großen Publicum über eine Sache zu sprechen, welche über
seinen Horizont geht, von welcher er platterdings nicht das Ge-
ringste versteht, welche zu beurtheilen und zu würdigen ihm jede
Einsicht fehlt. Man kann daran erkennen, wie die Herren Hepp
und Kolb ihr Publicum achten und was das für ein Publicum
ist, für welches diese beide "Bürger" ihre Zeitungen schreiben
und ihre Reden halten. Herr Kolb aber kann mit Recht Anspruch
darauf machen, in seinem Blatte den Cynismus auf das non plus
[u]ltra
gebracht zu haben. Wir verweisen desfalls nur auf eine der
neuesten Nummern der Speyerer Zeitung, worin er die Erlasse
der in Würzburg versammelt gewesenen Bischöfe Deutschlands in
einer Weise bespricht, welche zu kritisiren wir unter unserer Würde
und welche als literarisches Bubenstück zu bezeichnen wir noch
zu glimpflich halten. Und solche Männer sollen die Pfalz reprä-
sentiren, sie sollen das allgemeine Vertrauen genießen, sie sollen
fähig seyn, für Bayerns, für Deutschlands Wohl, für seine Ein-
heit, seinen Frieden zu wirken? Nimmermehr! Solche Leute
bergen unter einer falschen liberalen Maske einen republikanischen
Terrorismus, eine antichristliche Jnhumanität, vor der uns schau-
dert, welche wir nicht anders zu erklären wissen, als daß Haß
und Schmähsucht bei diesen Männern zur wahren Monomanie
geworden sind. Hepp ist übrigens Schwager des Ex=Bundestags-
gesandten Willich und praktischer Arzt, Kolb ist Bürgermeister und
pfälzischer Reichstagsabgeordneter in der Paulskirche, wo er mit
seinem Schooskinde, dem Rechtscandidaten Schmidt aus Kai-
serslautern, für dessen derben Geschmack, albernen Witz und be-
dauernswerthe Anmaßung der "Bote für Stadt und Land" zum
unvergleichlichen Magazine dient, durch Stummheit so sehr glänzt.

An die ebengenannten Duumviren reiht sich als würdiger Ge-
sellschafter Herr Berkmann an, "der freisinnige Pfarrer von
Einselthum," der bei allen Fahnenweihen sich bemerklich zu machen
suchte und welcher als Republikaner comme il faut es so weit
in echt republikanischer Tugend gebracht hat, daß er über Vieles
hinaus ist, was andere Leute noch zu berücksichtigen pflegen. Er
[Spaltenumbruch] hat den Muth eines Freiheitshelden vorzüglich dadurch bewährt
daß er bei der Kaisers lauterer Versammlung republikanischer Wahl-
männer auf die Frage: ob er die bekannte pietistische Adresse an
den ehemaligen Consistorialrath Rust mitunterzeichnet habe, rund-
weg mit Nein antwortete
und als man ihm schwarz auf
weiß seine Unterschrift, die er nicht ableugnen konnte, vorlegte,
eine wahrhaft stoische Jmpertur babilität an den Tag legte und trium-
phirend ausrief: "Jch verlasse mich auf meine Republikaner!"
Herr Berkmann ist in der That und Wahrheit kein Jesuit, er ist
ein antijesuitischer moderner Republikaner. Die Liebe zur Wahr-
heit und Wahrhaftigkeit ist aber altfränkisch, sie gehört nebst der
Demuth und der Scham in die Jesuitenmoral; wer über solche
Kleinigkeiten nicht erhaben ist, gehört zu den Dunkelmännern,
Herr Berkmann aber ist ja ein Lichtfreund!

Wir kommen nun auf Herrn Stockinger, Advocat in
Frankenthal, welchen wir allbereits seit mehr denn zwanzig Jah-
ren als scharfsinnigen Juristen und seitdem er in der Deputirten-
kammer in München sitzt, als Freund des politischen Schaukel-
systemes kennen, an dem wir jedoch echt staatsmännische Bildung,
feinen Tact und Vielseitigkeit der Kenntnisse oft vermissen, wozu
noch kommt, daß sein Vortrag holperig ist und er häufig die
parlamentarische Tramontane verliert. Er ist der gemäßigtste un-
ter den maßlosen pfälzischen Deputirten, hat zwar auch republi-
kanische Velleitäten, ist aber zu einem Republikaner ohne Scham
und Gram noch nicht verdorben und wir wollen es hoffen, viel
zu verständig. Der Ehrgeiz und die Furcht unpopulär zu wer-
den, führen manche Leute leider oft zu Schritten, deren Trage-
weite sie voraus nicht berechnet haben.

Die bisher genannten Männer sind die Chorführer der pfäl-
zischen Abgeordneten, die Uebrigen, die des Nennens nicht werth
sind, bilden den Chor, sie empfangen ihre Parole, verzehren ihre
täglichen Diäten und haben nur Werth als Nullen.



Deutschland.

Wien 18. December. ( A. Z. ) Die Armeebulletins folgen
schnell aufeinander. Jn diesem Augenblicke ist wahrscheinlich schon
Preßburg in den Händen der Kaiserlichen. Bei Simmering
soll man heute Morgens eine sehr lebhafte Kanonade aus der
Ferne gehört haben, die immer von Preßburg bis herüber tönen
konnte, wenn man bedenkt, daß das Bombardement Wiens bis
Fisgrub -- 12 Meilen weit -- gehört wurde. Große Gruppen
umstehen immer die Straßenecken, wo diese Bulletins angeschlagen
sind. Jhr Jnhalt erregt kein Erstaunen; man war auf diesen
Erfolg längst vorbereitet, und man wartet nur mit Spannung
auf spätere Berichte, denn erst in Raab sollen die großartigen
Verschanzungen der Ungarn beginnen, dort soll ihre Hanptmacht
concentrirt seyn und dort wird wahrscheinlich die Vernichtungs-
schlacht geschlagen. Oesterreichs Zukunft und künftige Stellung
geht in der Ebene der Hannah wie auf den Haiden Ungarns einer
raschen Entscheidung entgegen. Das Ministerium fordert, wie
wir hören, als Bedingung einer wirklich innigen
Vereinigung: die deutsche Kaiserkrone für Franz
Joseph
I., es fordert dem Gerüchte nach noch viel mehr, aber
die Entscheidung liegt zu nahe um unverbürgt Erzähltes erst lange
wieder zu berichten.

Wien 18. December. ( St. C. ) Man erwartet unsere Hee-
resmacht in 8 bis 14 Tagen in Pesth einrücken zu sehen. Heute
wird stark von Ministerialveränderungen gesprochen. Kraus soll
abgedankt haben und Stadion an dessen Stelle das Ministerium
der Finanzen übernehmen, wogegen Schmerling das Portefeuille
des Jnnern erhielte. -- Die Minister, welche wieder sämmtlich
nach Olmütz und Kremsier abgereiset sind, werden am 22. hier er-
wartet, um die 14 Tage lang währenden Reichstagsferien in Wien
zuzubringen. So unwahrscheinlich es angesichts der auf den
Basteien aufgestellten Wurf= und Belagerungsgeschütze klingt,
wird doch als höchst glaubwürdig versichert, daß gestern ein Ar-
beiterkrawall, nach einigen gar ein Angriff auf besagtes Geschütz
im Werke war. Die Einleitung sollte eine Katzenmusik seyn. Feld-
marschall=Lieutenant Welden soll aber versichert haben, daß er
beim ersten Pfiff seinerseits werde pfeifen lassen. Dies wirkte.

Prag 16. December. ( C. Bl. a. B. ) Das Ministerium erließ
ein Decret in alle Provinzen des Reiches, welches sämmtlichen
Staatsdienern unbedingt das Recht zur Theilnahme an poli-
tischen Clubs verwehrt.

München 20. December. ( Fr. J. ) Genaue Kenner unserer
Verhältnisse scheuen sich nicht, bis in wenigen Monaten die Wie-
derkehr eines Abelschen Ministeriums in Aussicht zu stellen.
Die Zusammensetzung der bevorstehenden Kammer ist ohnedies
so, daß Herr von Abel als Führer der großen ultramontan-
reactionären ( ?! ) Mehrheit während der Dauer des Landtages
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] weiß doch Alles so gut, ohne etwas gelernt zu haben, weshalb er
auch die seltene Eigenschaft hat, nichts zu vergessen. Doch genug
von diesem juristischen Castor.

Betrachten wir nun etwas näher seinen Zwillingsbruder
Pollux, den Advocaten Heinz, ein ächt komisches Männlein.
Wir entsinnen uns noch recht gut, daß wir die Ehre hatten
diesen Herrn als Rechtscandidaten in Zweibrücken kennen zu
lernen. Schon damals verrieth er, wie seine Freunde und
Feinde bezeugen müssen, herrliche Anlage zur Mimik. Er ist
auch mit der Zeit, worüber in der ganzen Pfalz nur eine
Stimme ist, ein vollendeter juristischer Mime geworden. Und
wir zweifeln nicht im geringsten daran, daß er sein mimi-
sches Talent auch in der Deputirtenkammer glänzend entwickeln
wird. Ebenso glauben wir, daß er seine republikanische Rolle
ordentlich zu memoriren im Stande ist, er hat wenigstens
mehrmals Proben davon abgelegt, daß er volksmäßige, gesin-
nungstüchtige Tiraden recht gut auswendig hersagen kann. Nur
wäre zu wünschen, daß dieser Mann den Demosthenes nachahmen
und mit Kieseln im Munde bei Sturm und Wind sich in verständ-
licher Rede üben möchte, denn die Natur hat ihm ein ganz fatales
Organ gegeben, so daß bei der jüngst abgehaltenen Versammlung
einer Fraction der Wahlmänner in Kaiserslauten die Zuhörer
ganz trostlos waren, als sie von dem gewiß überaus kostbaren
Vortrage des Herrn Heinz fast nichts verstehen [unleserliches Material – 7 Zeichen fehlen]konnten. Uebrigens
ist derselbe lange nicht so republikanisch böse und grimmig als es
vielleicht den Anschein hat, und wir glauben sogar versichern zu
können, daß er, wenn nur die Zeiten anders wären, ebenso wohl-
tönend monarchisch oder aristokratisch declamiren würde, als er
dies jetzt demokratisch thut. Schließlich hat der vortreffliche Mann
auch noch die sehr preiswürdige Eigenschaft, daß er „als Bon-
vivant von Herzen“ sehr gern gut ißt und trinkt; und wenn
nicht mit republikanischen Sitten feudale Würden unverträglich
wären, so würden wir Herrn Heinz zum Erbtruchseß der pfäl-
zischen Deputirten vorschlagen.

Einem weitern republikanischen Duumvirate begegnen wir
in den Personen des Herrn Dr. Hepp aus Neustadt und des
Herrn Kolb aus Speyer. Mit diesen beiden Männern werden
wir uns um so kürzer fassen können, als es unsere Sache nicht ist
— Pech anzugreifen. Beide Bürger zeichnen sich durch die alles
Maß übersteigende Weise aus, wie sie namentlich über die ka-
tholische Religion, deren Anhänger und Diener zu Werke zu
gehen sich nicht entblöden. Nichts ist zu hoch, zu edel, zu heilig,
— es wird von diesen beiden Leuten mit profaner Stirne und
Unwahrheit in den Bereich ihres frivolen Witzes gezogen. Ueb-
rigens bleibt es immerhin auffallend, wie Jemand, wenn es ihm
auch gegenüber der katholischen Kirche über Wahrheit und Recht
hinwegzukommen ein Leichtes ist, es dennoch wagen mag, vor
einem großen Publicum über eine Sache zu sprechen, welche über
seinen Horizont geht, von welcher er platterdings nicht das Ge-
ringste versteht, welche zu beurtheilen und zu würdigen ihm jede
Einsicht fehlt. Man kann daran erkennen, wie die Herren Hepp
und Kolb ihr Publicum achten und was das für ein Publicum
ist, für welches diese beide „Bürger“ ihre Zeitungen schreiben
und ihre Reden halten. Herr Kolb aber kann mit Recht Anspruch
darauf machen, in seinem Blatte den Cynismus auf das non plus
[u]ltra
gebracht zu haben. Wir verweisen desfalls nur auf eine der
neuesten Nummern der Speyerer Zeitung, worin er die Erlasse
der in Würzburg versammelt gewesenen Bischöfe Deutschlands in
einer Weise bespricht, welche zu kritisiren wir unter unserer Würde
und welche als literarisches Bubenstück zu bezeichnen wir noch
zu glimpflich halten. Und solche Männer sollen die Pfalz reprä-
sentiren, sie sollen das allgemeine Vertrauen genießen, sie sollen
fähig seyn, für Bayerns, für Deutschlands Wohl, für seine Ein-
heit, seinen Frieden zu wirken? Nimmermehr! Solche Leute
bergen unter einer falschen liberalen Maske einen republikanischen
Terrorismus, eine antichristliche Jnhumanität, vor der uns schau-
dert, welche wir nicht anders zu erklären wissen, als daß Haß
und Schmähsucht bei diesen Männern zur wahren Monomanie
geworden sind. Hepp ist übrigens Schwager des Ex=Bundestags-
gesandten Willich und praktischer Arzt, Kolb ist Bürgermeister und
pfälzischer Reichstagsabgeordneter in der Paulskirche, wo er mit
seinem Schooskinde, dem Rechtscandidaten Schmidt aus Kai-
serslautern, für dessen derben Geschmack, albernen Witz und be-
dauernswerthe Anmaßung der „Bote für Stadt und Land“ zum
unvergleichlichen Magazine dient, durch Stummheit so sehr glänzt.

An die ebengenannten Duumviren reiht sich als würdiger Ge-
sellschafter Herr Berkmann an, „der freisinnige Pfarrer von
Einselthum,“ der bei allen Fahnenweihen sich bemerklich zu machen
suchte und welcher als Republikaner comme il faut es so weit
in echt republikanischer Tugend gebracht hat, daß er über Vieles
hinaus ist, was andere Leute noch zu berücksichtigen pflegen. Er
[Spaltenumbruch] hat den Muth eines Freiheitshelden vorzüglich dadurch bewährt
daß er bei der Kaisers lauterer Versammlung republikanischer Wahl-
männer auf die Frage: ob er die bekannte pietistische Adresse an
den ehemaligen Consistorialrath Rust mitunterzeichnet habe, rund-
weg mit Nein antwortete
und als man ihm schwarz auf
weiß seine Unterschrift, die er nicht ableugnen konnte, vorlegte,
eine wahrhaft stoische Jmpertur babilität an den Tag legte und trium-
phirend ausrief: „Jch verlasse mich auf meine Republikaner!“
Herr Berkmann ist in der That und Wahrheit kein Jesuit, er ist
ein antijesuitischer moderner Republikaner. Die Liebe zur Wahr-
heit und Wahrhaftigkeit ist aber altfränkisch, sie gehört nebst der
Demuth und der Scham in die Jesuitenmoral; wer über solche
Kleinigkeiten nicht erhaben ist, gehört zu den Dunkelmännern,
Herr Berkmann aber ist ja ein Lichtfreund!

Wir kommen nun auf Herrn Stockinger, Advocat in
Frankenthal, welchen wir allbereits seit mehr denn zwanzig Jah-
ren als scharfsinnigen Juristen und seitdem er in der Deputirten-
kammer in München sitzt, als Freund des politischen Schaukel-
systemes kennen, an dem wir jedoch echt staatsmännische Bildung,
feinen Tact und Vielseitigkeit der Kenntnisse oft vermissen, wozu
noch kommt, daß sein Vortrag holperig ist und er häufig die
parlamentarische Tramontane verliert. Er ist der gemäßigtste un-
ter den maßlosen pfälzischen Deputirten, hat zwar auch republi-
kanische Velleitäten, ist aber zu einem Republikaner ohne Scham
und Gram noch nicht verdorben und wir wollen es hoffen, viel
zu verständig. Der Ehrgeiz und die Furcht unpopulär zu wer-
den, führen manche Leute leider oft zu Schritten, deren Trage-
weite sie voraus nicht berechnet haben.

Die bisher genannten Männer sind die Chorführer der pfäl-
zischen Abgeordneten, die Uebrigen, die des Nennens nicht werth
sind, bilden den Chor, sie empfangen ihre Parole, verzehren ihre
täglichen Diäten und haben nur Werth als Nullen.



Deutschland.

Wien 18. December. ( A. Z. ) Die Armeebulletins folgen
schnell aufeinander. Jn diesem Augenblicke ist wahrscheinlich schon
Preßburg in den Händen der Kaiserlichen. Bei Simmering
soll man heute Morgens eine sehr lebhafte Kanonade aus der
Ferne gehört haben, die immer von Preßburg bis herüber tönen
konnte, wenn man bedenkt, daß das Bombardement Wiens bis
Fisgrub — 12 Meilen weit — gehört wurde. Große Gruppen
umstehen immer die Straßenecken, wo diese Bulletins angeschlagen
sind. Jhr Jnhalt erregt kein Erstaunen; man war auf diesen
Erfolg längst vorbereitet, und man wartet nur mit Spannung
auf spätere Berichte, denn erst in Raab sollen die großartigen
Verschanzungen der Ungarn beginnen, dort soll ihre Hanptmacht
concentrirt seyn und dort wird wahrscheinlich die Vernichtungs-
schlacht geschlagen. Oesterreichs Zukunft und künftige Stellung
geht in der Ebene der Hannah wie auf den Haiden Ungarns einer
raschen Entscheidung entgegen. Das Ministerium fordert, wie
wir hören, als Bedingung einer wirklich innigen
Vereinigung: die deutsche Kaiserkrone für Franz
Joseph
I., es fordert dem Gerüchte nach noch viel mehr, aber
die Entscheidung liegt zu nahe um unverbürgt Erzähltes erst lange
wieder zu berichten.

Wien 18. December. ( St. C. ) Man erwartet unsere Hee-
resmacht in 8 bis 14 Tagen in Pesth einrücken zu sehen. Heute
wird stark von Ministerialveränderungen gesprochen. Kraus soll
abgedankt haben und Stadion an dessen Stelle das Ministerium
der Finanzen übernehmen, wogegen Schmerling das Portefeuille
des Jnnern erhielte. — Die Minister, welche wieder sämmtlich
nach Olmütz und Kremsier abgereiset sind, werden am 22. hier er-
wartet, um die 14 Tage lang währenden Reichstagsferien in Wien
zuzubringen. So unwahrscheinlich es angesichts der auf den
Basteien aufgestellten Wurf= und Belagerungsgeschütze klingt,
wird doch als höchst glaubwürdig versichert, daß gestern ein Ar-
beiterkrawall, nach einigen gar ein Angriff auf besagtes Geschütz
im Werke war. Die Einleitung sollte eine Katzenmusik seyn. Feld-
marschall=Lieutenant Welden soll aber versichert haben, daß er
beim ersten Pfiff seinerseits werde pfeifen lassen. Dies wirkte.

Prag 16. December. ( C. Bl. a. B. ) Das Ministerium erließ
ein Decret in alle Provinzen des Reiches, welches sämmtlichen
Staatsdienern unbedingt das Recht zur Theilnahme an poli-
tischen Clubs verwehrt.

München 20. December. ( Fr. J. ) Genaue Kenner unserer
Verhältnisse scheuen sich nicht, bis in wenigen Monaten die Wie-
derkehr eines Abelschen Ministeriums in Aussicht zu stellen.
Die Zusammensetzung der bevorstehenden Kammer ist ohnedies
so, daß Herr von Abel als Führer der großen ultramontan-
reactionären ( ?! ) Mehrheit während der Dauer des Landtages
[Ende Spaltensatz]

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[0002] weiß doch Alles so gut, ohne etwas gelernt zu haben, weshalb er auch die seltene Eigenschaft hat, nichts zu vergessen. Doch genug von diesem juristischen Castor. Betrachten wir nun etwas näher seinen Zwillingsbruder Pollux, den Advocaten Heinz, ein ächt komisches Männlein. Wir entsinnen uns noch recht gut, daß wir die Ehre hatten diesen Herrn als Rechtscandidaten in Zweibrücken kennen zu lernen. Schon damals verrieth er, wie seine Freunde und Feinde bezeugen müssen, herrliche Anlage zur Mimik. Er ist auch mit der Zeit, worüber in der ganzen Pfalz nur eine Stimme ist, ein vollendeter juristischer Mime geworden. Und wir zweifeln nicht im geringsten daran, daß er sein mimi- sches Talent auch in der Deputirtenkammer glänzend entwickeln wird. Ebenso glauben wir, daß er seine republikanische Rolle ordentlich zu memoriren im Stande ist, er hat wenigstens mehrmals Proben davon abgelegt, daß er volksmäßige, gesin- nungstüchtige Tiraden recht gut auswendig hersagen kann. Nur wäre zu wünschen, daß dieser Mann den Demosthenes nachahmen und mit Kieseln im Munde bei Sturm und Wind sich in verständ- licher Rede üben möchte, denn die Natur hat ihm ein ganz fatales Organ gegeben, so daß bei der jüngst abgehaltenen Versammlung einer Fraction der Wahlmänner in Kaiserslauten die Zuhörer ganz trostlos waren, als sie von dem gewiß überaus kostbaren Vortrage des Herrn Heinz fast nichts verstehen _______konnten. Uebrigens ist derselbe lange nicht so republikanisch böse und grimmig als es vielleicht den Anschein hat, und wir glauben sogar versichern zu können, daß er, wenn nur die Zeiten anders wären, ebenso wohl- tönend monarchisch oder aristokratisch declamiren würde, als er dies jetzt demokratisch thut. Schließlich hat der vortreffliche Mann auch noch die sehr preiswürdige Eigenschaft, daß er „als Bon- vivant von Herzen“ sehr gern gut ißt und trinkt; und wenn nicht mit republikanischen Sitten feudale Würden unverträglich wären, so würden wir Herrn Heinz zum Erbtruchseß der pfäl- zischen Deputirten vorschlagen. Einem weitern republikanischen Duumvirate begegnen wir in den Personen des Herrn Dr. Hepp aus Neustadt und des Herrn Kolb aus Speyer. Mit diesen beiden Männern werden wir uns um so kürzer fassen können, als es unsere Sache nicht ist — Pech anzugreifen. Beide Bürger zeichnen sich durch die alles Maß übersteigende Weise aus, wie sie namentlich über die ka- tholische Religion, deren Anhänger und Diener zu Werke zu gehen sich nicht entblöden. Nichts ist zu hoch, zu edel, zu heilig, — es wird von diesen beiden Leuten mit profaner Stirne und Unwahrheit in den Bereich ihres frivolen Witzes gezogen. Ueb- rigens bleibt es immerhin auffallend, wie Jemand, wenn es ihm auch gegenüber der katholischen Kirche über Wahrheit und Recht hinwegzukommen ein Leichtes ist, es dennoch wagen mag, vor einem großen Publicum über eine Sache zu sprechen, welche über seinen Horizont geht, von welcher er platterdings nicht das Ge- ringste versteht, welche zu beurtheilen und zu würdigen ihm jede Einsicht fehlt. Man kann daran erkennen, wie die Herren Hepp und Kolb ihr Publicum achten und was das für ein Publicum ist, für welches diese beide „Bürger“ ihre Zeitungen schreiben und ihre Reden halten. Herr Kolb aber kann mit Recht Anspruch darauf machen, in seinem Blatte den Cynismus auf das non plus ultra gebracht zu haben. Wir verweisen desfalls nur auf eine der neuesten Nummern der Speyerer Zeitung, worin er die Erlasse der in Würzburg versammelt gewesenen Bischöfe Deutschlands in einer Weise bespricht, welche zu kritisiren wir unter unserer Würde und welche als literarisches Bubenstück zu bezeichnen wir noch zu glimpflich halten. Und solche Männer sollen die Pfalz reprä- sentiren, sie sollen das allgemeine Vertrauen genießen, sie sollen fähig seyn, für Bayerns, für Deutschlands Wohl, für seine Ein- heit, seinen Frieden zu wirken? Nimmermehr! Solche Leute bergen unter einer falschen liberalen Maske einen republikanischen Terrorismus, eine antichristliche Jnhumanität, vor der uns schau- dert, welche wir nicht anders zu erklären wissen, als daß Haß und Schmähsucht bei diesen Männern zur wahren Monomanie geworden sind. Hepp ist übrigens Schwager des Ex=Bundestags- gesandten Willich und praktischer Arzt, Kolb ist Bürgermeister und pfälzischer Reichstagsabgeordneter in der Paulskirche, wo er mit seinem Schooskinde, dem Rechtscandidaten Schmidt aus Kai- serslautern, für dessen derben Geschmack, albernen Witz und be- dauernswerthe Anmaßung der „Bote für Stadt und Land“ zum unvergleichlichen Magazine dient, durch Stummheit so sehr glänzt. An die ebengenannten Duumviren reiht sich als würdiger Ge- sellschafter Herr Berkmann an, „der freisinnige Pfarrer von Einselthum,“ der bei allen Fahnenweihen sich bemerklich zu machen suchte und welcher als Republikaner comme il faut es so weit in echt republikanischer Tugend gebracht hat, daß er über Vieles hinaus ist, was andere Leute noch zu berücksichtigen pflegen. Er hat den Muth eines Freiheitshelden vorzüglich dadurch bewährt daß er bei der Kaisers lauterer Versammlung republikanischer Wahl- männer auf die Frage: ob er die bekannte pietistische Adresse an den ehemaligen Consistorialrath Rust mitunterzeichnet habe, rund- weg mit Nein antwortete und als man ihm schwarz auf weiß seine Unterschrift, die er nicht ableugnen konnte, vorlegte, eine wahrhaft stoische Jmpertur babilität an den Tag legte und trium- phirend ausrief: „Jch verlasse mich auf meine Republikaner!“ Herr Berkmann ist in der That und Wahrheit kein Jesuit, er ist ein antijesuitischer moderner Republikaner. Die Liebe zur Wahr- heit und Wahrhaftigkeit ist aber altfränkisch, sie gehört nebst der Demuth und der Scham in die Jesuitenmoral; wer über solche Kleinigkeiten nicht erhaben ist, gehört zu den Dunkelmännern, Herr Berkmann aber ist ja ein Lichtfreund! Wir kommen nun auf Herrn Stockinger, Advocat in Frankenthal, welchen wir allbereits seit mehr denn zwanzig Jah- ren als scharfsinnigen Juristen und seitdem er in der Deputirten- kammer in München sitzt, als Freund des politischen Schaukel- systemes kennen, an dem wir jedoch echt staatsmännische Bildung, feinen Tact und Vielseitigkeit der Kenntnisse oft vermissen, wozu noch kommt, daß sein Vortrag holperig ist und er häufig die parlamentarische Tramontane verliert. Er ist der gemäßigtste un- ter den maßlosen pfälzischen Deputirten, hat zwar auch republi- kanische Velleitäten, ist aber zu einem Republikaner ohne Scham und Gram noch nicht verdorben und wir wollen es hoffen, viel zu verständig. Der Ehrgeiz und die Furcht unpopulär zu wer- den, führen manche Leute leider oft zu Schritten, deren Trage- weite sie voraus nicht berechnet haben. Die bisher genannten Männer sind die Chorführer der pfäl- zischen Abgeordneten, die Uebrigen, die des Nennens nicht werth sind, bilden den Chor, sie empfangen ihre Parole, verzehren ihre täglichen Diäten und haben nur Werth als Nullen. Deutschland. Wien 18. December. ( A. Z. ) Die Armeebulletins folgen schnell aufeinander. Jn diesem Augenblicke ist wahrscheinlich schon Preßburg in den Händen der Kaiserlichen. Bei Simmering soll man heute Morgens eine sehr lebhafte Kanonade aus der Ferne gehört haben, die immer von Preßburg bis herüber tönen konnte, wenn man bedenkt, daß das Bombardement Wiens bis Fisgrub — 12 Meilen weit — gehört wurde. Große Gruppen umstehen immer die Straßenecken, wo diese Bulletins angeschlagen sind. Jhr Jnhalt erregt kein Erstaunen; man war auf diesen Erfolg längst vorbereitet, und man wartet nur mit Spannung auf spätere Berichte, denn erst in Raab sollen die großartigen Verschanzungen der Ungarn beginnen, dort soll ihre Hanptmacht concentrirt seyn und dort wird wahrscheinlich die Vernichtungs- schlacht geschlagen. Oesterreichs Zukunft und künftige Stellung geht in der Ebene der Hannah wie auf den Haiden Ungarns einer raschen Entscheidung entgegen. Das Ministerium fordert, wie wir hören, als Bedingung einer wirklich innigen Vereinigung: die deutsche Kaiserkrone für Franz Joseph I., es fordert dem Gerüchte nach noch viel mehr, aber die Entscheidung liegt zu nahe um unverbürgt Erzähltes erst lange wieder zu berichten. Wien 18. December. ( St. C. ) Man erwartet unsere Hee- resmacht in 8 bis 14 Tagen in Pesth einrücken zu sehen. Heute wird stark von Ministerialveränderungen gesprochen. Kraus soll abgedankt haben und Stadion an dessen Stelle das Ministerium der Finanzen übernehmen, wogegen Schmerling das Portefeuille des Jnnern erhielte. — Die Minister, welche wieder sämmtlich nach Olmütz und Kremsier abgereiset sind, werden am 22. hier er- wartet, um die 14 Tage lang währenden Reichstagsferien in Wien zuzubringen. So unwahrscheinlich es angesichts der auf den Basteien aufgestellten Wurf= und Belagerungsgeschütze klingt, wird doch als höchst glaubwürdig versichert, daß gestern ein Ar- beiterkrawall, nach einigen gar ein Angriff auf besagtes Geschütz im Werke war. Die Einleitung sollte eine Katzenmusik seyn. Feld- marschall=Lieutenant Welden soll aber versichert haben, daß er beim ersten Pfiff seinerseits werde pfeifen lassen. Dies wirkte. Prag 16. December. ( C. Bl. a. B. ) Das Ministerium erließ ein Decret in alle Provinzen des Reiches, welches sämmtlichen Staatsdienern unbedingt das Recht zur Theilnahme an poli- tischen Clubs verwehrt. München 20. December. ( Fr. J. ) Genaue Kenner unserer Verhältnisse scheuen sich nicht, bis in wenigen Monaten die Wie- derkehr eines Abelschen Ministeriums in Aussicht zu stellen. Die Zusammensetzung der bevorstehenden Kammer ist ohnedies so, daß Herr von Abel als Führer der großen ultramontan- reactionären ( ?! ) Mehrheit während der Dauer des Landtages

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 172. Mainz, 23. Dezember 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal172_1848/2>, abgerufen am 21.11.2024.