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Mainzer Journal. Nr. 245. Mainz, 15. Oktober 1849.

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[Beginn Spaltensatz] lernte Floskeln vordeclamirte, insbesondere wird er gescholten:
"er sey ein reicher Mann und Bürgermeister." Mit diesem
Umstande, des Reichthums nämlich, ist aber auch Herr Erkmann
behaftet; da man jedoch denselben Vorwurf nicht wiederholen,
aber doch Etwas sagen wollte, so wird Herrn Erkmann der gute
Rath gegeben: "weil er mit seinem Nasenübel in jüngster Zeit
so viele Kammersitzungen gehalten, so habe er fordersamst nicht
nöthig sich um eine zweite zu bemühen: wenn er noch, statt einer
bösen Nase, ein böses Maul hätte, dann würden ihn die Demo-
kraten protegiren, die auf eine solche Eigenschaft viel halten."
Solche Gemeinheiten richten sich selbst!

== Wörrstadt 13. October. Der seit Kurzem hier ins Leben
getretene constitutionelle Verein gewann rasch an Bedeu-
tung und beweist derselbe, daß der Kern der Bewohner unseres
Cantonsstädtchens durchaus nicht verwechselt werden dürfe mit
jenen Persönlichkeiten, die bisher als die Repräsentanten der hier
herrschendenden Gesinnung gegolten. Der Verein hat es sich
zur Aufgabe gemacht, gegen jedes unberufene und verderbliche
Treiben der bisherigen Wühler mit Entschiedenheit aufzutreten,
den der ganzen Gemeinde gewiß mit Unrecht aufgebürdeten Ruf
auf sein natürliches Maß zurückzurufen und zu zeigen, daß viel-
mehr jener eben so verbreitete als ehrverletzende Ruf fast aus-
schließlich durch Auswärtige über uns gebracht wurde. Es ist
hier wie an den meisten Orten, die eines ähnlichen Rufes ge-
nießen; einige pflichtvergessene "Volkslehrer," ein paar " unbe-
schäftigte " Schreiber, ein und der andere Manschettenbauer der
Umgegend und einiges wenige aufgehetzte Proletariat dürfen
nicht als die Vertreter der Gesinnung der Bewohner von Wörr-
stadt und der Umgegend gelten. Die Leitung des Vereines läßt
alle Bestimmtheit, Umsicht und Erfolg für die Umgegend erwar-
ten. Kommen wir zwar mit unseren Bestrebungen etwas spät
und haben wir uns mitunter auch ein wenig terrorisiren lassen, so
dürften wir unsere volle Entschuldigung darin finden, daß die
demokratische Partei schon bei der Nationalversammlung zu
Frankfurt die Leidenschaft als ihre höchste und nothwendigste
Tugend, sich selbst mithin als blind und in dem blinden Unver-
stande zu Allem fähig erklärt hat. Natürlich, wer nichts zu
verlieren hat, braucht nichts zu fürchten!

# Wiesbaden 12. October. Statt des Hof= und Appella-
tionsgerichtspräsidenten Flach präsidirte gestern und heute der
Hof= und Appellationsgerichtsrath v. Trepka den Assisenhof; die
übrigen Richter waren dieselben wie bei den vorhergehenden Ver-
handlungen. Als Anwalt des Staates fungirte der Substitut des
Staatsprocurators, Hofgerichtssecretair Flach, Sohn des oben-
genannten Präsidenten. Was die Leitung der Assisenverhandlun-
gen durch den letzteren betrifft, so spricht sich die allgemeine Stimme
dahin aus, daß die bisherige Leitung sehr viel zu wünschen übrig
gelassen. Namentlich hörte man allgemein den Wunsch und wir
können nicht umhin demselben beizustimmen, daß Herr Präsident
Flach selbst mehr Ernst und Würde zeige in Haltung und Sprache,
dann aber auch nicht dulde, daß so wichtige Verhandlungen von
Seiten des Publicums durch Unruhe, Lachen und sonstige Unar-
ten gestört würden, wodurch sich der Staatsanwalt zu der Dro-
hung veranlaßt sah, er werde die Aufhebung der Sitzung bean-
tragen, wenn nicht mehr Ruhe gehalten würde. Als Jnquirent
läßt Präsident Flach nach dem Urtheile der Juristen ebenfalls
sehr Vieles zu wünschen übrig, so daß es bei einem so gelehrten
und anerkannt tüchtigen Juristen von Ruf auffallend erscheint.
Mit den Leistungen des Staatsprocurators Reichmann ist man
allgemein sehr zufrieden. Was nun die Leitung der gestrigen und
heutigen Verhandlungen betrifft, so glauben wir, daß man mit
derselben zufrieden seyn kann. Auch der Substitut des Staats-
procurators, Herr Flach, scheint der ihm anvertrauten Stelle
vollkommen gewachsen zu seyn. Sein Vortrag ist klar und deut-
lich und wohlverständlich.

Die gestrigen und heutigen Verhandlungen hatten die Anklage
gegen Heinrich Kilsbach von Geisenheim, herzogl. Justizamts
Rüdesheim, wegen Tödtung der 49 Jahre alten Ehefrau des
Adam Kilian I. zu Geisenheim im Affecte, am 12. November
1848, zum Gegenstande. Der Angeklagte ist 19 Jahre alt und
schon mehrmals wegen Felddiebstahls bestraft worden. Nur die
Mahnungen des Präsidenten und seines Vertheidigers, des Pro-
curators von Arnoldi, konnten ihn von Beleidigung der Zeugen
und Aerzte bei deren Abhör abhalten. Er sprach sehr fließend
und gut. Die Tödtung geschah wahrscheinlich in Folge eines
Schlages auf den Kopf mit einem sogenannten Stoßmesser,
womit man in einem Troge die Wurzelgewächse fürs Vieh klein
zu stoßen pflegt, während eines Streites auf der Straße vor der
Wohnung des Adam Kilian, welchen Kilsbach und seine Anhän-
ger mit den Söhnen, wie er selbst angegeben, aber später wider-
rufen aus Rache wegen früherer Beleidigungen angefan-
[Spaltenumbruch] gen hatte. Kilsbach hatte sich nur allein des Stoßmessers bedient,
jedoch hat keiner der außer den Aerzten vernommenen 19 Zeugen
gesehen, daß Kilsbach den tödtenden Schlag geführt habe. Nur
vier der vernommenen Aerzte behaupteten, daß die Wunde nur
mit dem Stoßmesser hätte geschlagen werden können, während
der fünfte, Herr Obermedicinalrath Vogeler, behauptete, die
Wunde, welche übrigens von allen Aerzten für absolut tödtlich
erklärt worden war, könne auch von dem bei der Schlägerei von
der Partei des Kilsbach geführten, etwas über zwei Zoll im
Durchmesser dicken Prügeln herrühren. Hierauf und daß keiner
der Zeugen behaupten konnte, daß Kilsbach die Ehefrau Kilians
getroffen habe, stützte sich hauptsächlich die Vertheidigungsrede
des Vertheidigers. Der Jnhalt der drei ersten den Geschworenen
gestellten sehr langen Fragen war, wenn wir recht verstanden,
folgender: Jst 1 ) der Angeklagte schuldig, die Ehefrau des Adam
Kilian I. im Affecte mit Vorsatz getödtet? oder 2 ) doch im Affecte
mit Vorsatz ihr eine Verletzung beigebracht zu haben, welche den
Tod zur Folge gehabt? 3 ) ist der Angeklagte schuldig, im Affecte
versucht zu haben, der Ehefrau Kilians oder einem Andern der
Gegenpartei eine Tod bringende Verletzung beizubringen? Diese
drei Fragen wurden von den Geschworenen mit "Nein" beant-
wortet. Die vierte Frage des Jnhaltes: ob Kilsbach schuldig sey,
mit dem Stoßmesser auf seine Gegner geschlagen zu haben, um
einem oder dem andern eine körperliche Verletzung beizubringen?
wurde mit "Ja" beantwortet. Der Assisenhof verurtheilte den Ange-
klagten, wie dieses von dem Staatsanwalte beantragt worden
war, zu 6 Monaten Correctionshausstrafe, wovon 3 Monate
unverschuldet erlittener Untersuchungshaft in Folge verzögerten
Strafverfahrens in Abzug zu bringen seyen, und zur Zahlung
der Untersuchungskosten.

Die erste Verhandlung vor dem Assisenhofe zu Dillenburg
am 8. und 9. d. M. unter dem Präsidium des Hof= und Appel-
lationsgerichtsdirector Ebhard betraf einen Steindrucker, Na-
mens Daniel Herscher von Siegen, angeklagt der Verbrei-
tung falscher preußischer Thalerscheine, sehr gut vertheidigt durch
den früheren Reichstagsabgeordneten Procurator Schenk. Die
Geschworenen sprachen auf die vorgelegten acht Fragen das
"Schuldig" aus. Staatsprocurator Lautz beantragte1 1 / 4 Jahr
Correctionshausstrafe mit Abzug von 6 Monaten unverschuldet
erlittener Untersuchungshaft wegen verzögerten Strafverfahrens.
Der Assisenhof erkannte jedoch auf1 3 / 4 Jahre mit Abzug von
drei Monaten.

# Wiesbaden 14. October. Gestern Morgen wurde der pen-
sionirte Hof= und Appellationsgerichtspräsident Raht, bekannt
aus unseren landständischen Verhandlungen, des Landes= und
Hochverrathes angeklagt ( derselbe wird den 29. d. M. vor den
Assisen erscheinen ) , wegen vermutheten Fluchtversuchs auf Antrag
des Staatsanwaltes verhaftet, jedoch am Abende gegen eine
Caution von 2000 fl. wieder freigegeben.

Die gestrigen Verhandlungen vor dem Assisenhofe da-
hier leitete wieder Hof= und Appellationsgerichtsrath v. Trepka,
auch das übrige Gerichtspersonal war dasselbe geblieben. Auf der
Bank der Angeklagten saßen Kaufmann Karl Döring von
Wiesbaden, alt 58 Jahre, und dessen Ehefrau Apollonia geb. Al-
lendorf, alt 30 Jahre, angeklagt wegen Fälschung und Verletzung
des Manifestationseides. Der Angeklagte, dessen erste Ehefrau
im März 1848 ohne Hinterlassung von Kindern gestorben war,
hatte bei Errichtung eines Jnventars in Folge seiner Wiederver-
ehlichung mit der obengenannten Apollonia Allendorf von Flors-
heim, bis dahin in Diensten bei dem Angeklagten, ohngeachtet
der Einsprache von Seiten der Testaterbin und ohnerachtet der
Ermahnung bei dem von ihm an Eides statt abgelegten Handge-
löbnissen, Alles der Wahrheit gemäß angeben zu wollen, von
Seiten des mit der Aufstellung des Jnventars beauftragten
Landoberschultheiserei=Scribenten, dennoch mehrere fingirte Ehe-
schulden im Betrage von 216 fl. in dasselbe aufnehmen lassen und
so der Testaterbin seiner ersten Ehefrau zum Vortheile seiner
zweiten Ehefrau zu entziehen gesucht. Auch hatte derselben nach
vorliegenden Briefen hinsichtlich der drei stärksten Posten, um
seine Angaben belegen zu können, den angegebenen Schuldposten
entsprechende und mit Quittungen versehene Rechnungen von
Kaufleuten aus Neustadt bei Coburg und aus Fürth zu erschlei-
chen gesucht. Der Angeklagte wurde hinsichtlich dieser drei Punkte
von den Geschworenen nach zweistündiger Berathung des ver-
suchten Betruges und der Verletzung des Manifestationseides für
überführt erklärt, die Ehefrau dagegen von der Theilnahme frei-
gesprochen und sogleich entlassen. Es wurden 17 Zeugen ver-
nommen, wovon sechs aus Neustadt und Fürth waren. Der
nicht ungeschickte Vertheidiger, Procurator Lang, Mitglied un-
serer dermalen vertagten Abgeordnetenkammer, hatte Alles be-
nutzt, um seine Clienten frei zu bringen, namentlich die Trunk-
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] lernte Floskeln vordeclamirte, insbesondere wird er gescholten:
„er sey ein reicher Mann und Bürgermeister.“ Mit diesem
Umstande, des Reichthums nämlich, ist aber auch Herr Erkmann
behaftet; da man jedoch denselben Vorwurf nicht wiederholen,
aber doch Etwas sagen wollte, so wird Herrn Erkmann der gute
Rath gegeben: „weil er mit seinem Nasenübel in jüngster Zeit
so viele Kammersitzungen gehalten, so habe er fordersamst nicht
nöthig sich um eine zweite zu bemühen: wenn er noch, statt einer
bösen Nase, ein böses Maul hätte, dann würden ihn die Demo-
kraten protegiren, die auf eine solche Eigenschaft viel halten.“
Solche Gemeinheiten richten sich selbst!

== Wörrstadt 13. October. Der seit Kurzem hier ins Leben
getretene constitutionelle Verein gewann rasch an Bedeu-
tung und beweist derselbe, daß der Kern der Bewohner unseres
Cantonsstädtchens durchaus nicht verwechselt werden dürfe mit
jenen Persönlichkeiten, die bisher als die Repräsentanten der hier
herrschendenden Gesinnung gegolten. Der Verein hat es sich
zur Aufgabe gemacht, gegen jedes unberufene und verderbliche
Treiben der bisherigen Wühler mit Entschiedenheit aufzutreten,
den der ganzen Gemeinde gewiß mit Unrecht aufgebürdeten Ruf
auf sein natürliches Maß zurückzurufen und zu zeigen, daß viel-
mehr jener eben so verbreitete als ehrverletzende Ruf fast aus-
schließlich durch Auswärtige über uns gebracht wurde. Es ist
hier wie an den meisten Orten, die eines ähnlichen Rufes ge-
nießen; einige pflichtvergessene „Volkslehrer,“ ein paar „ unbe-
schäftigte “ Schreiber, ein und der andere Manschettenbauer der
Umgegend und einiges wenige aufgehetzte Proletariat dürfen
nicht als die Vertreter der Gesinnung der Bewohner von Wörr-
stadt und der Umgegend gelten. Die Leitung des Vereines läßt
alle Bestimmtheit, Umsicht und Erfolg für die Umgegend erwar-
ten. Kommen wir zwar mit unseren Bestrebungen etwas spät
und haben wir uns mitunter auch ein wenig terrorisiren lassen, so
dürften wir unsere volle Entschuldigung darin finden, daß die
demokratische Partei schon bei der Nationalversammlung zu
Frankfurt die Leidenschaft als ihre höchste und nothwendigste
Tugend, sich selbst mithin als blind und in dem blinden Unver-
stande zu Allem fähig erklärt hat. Natürlich, wer nichts zu
verlieren hat, braucht nichts zu fürchten!

□ Wiesbaden 12. October. Statt des Hof= und Appella-
tionsgerichtspräsidenten Flach präsidirte gestern und heute der
Hof= und Appellationsgerichtsrath v. Trepka den Assisenhof; die
übrigen Richter waren dieselben wie bei den vorhergehenden Ver-
handlungen. Als Anwalt des Staates fungirte der Substitut des
Staatsprocurators, Hofgerichtssecretair Flach, Sohn des oben-
genannten Präsidenten. Was die Leitung der Assisenverhandlun-
gen durch den letzteren betrifft, so spricht sich die allgemeine Stimme
dahin aus, daß die bisherige Leitung sehr viel zu wünschen übrig
gelassen. Namentlich hörte man allgemein den Wunsch und wir
können nicht umhin demselben beizustimmen, daß Herr Präsident
Flach selbst mehr Ernst und Würde zeige in Haltung und Sprache,
dann aber auch nicht dulde, daß so wichtige Verhandlungen von
Seiten des Publicums durch Unruhe, Lachen und sonstige Unar-
ten gestört würden, wodurch sich der Staatsanwalt zu der Dro-
hung veranlaßt sah, er werde die Aufhebung der Sitzung bean-
tragen, wenn nicht mehr Ruhe gehalten würde. Als Jnquirent
läßt Präsident Flach nach dem Urtheile der Juristen ebenfalls
sehr Vieles zu wünschen übrig, so daß es bei einem so gelehrten
und anerkannt tüchtigen Juristen von Ruf auffallend erscheint.
Mit den Leistungen des Staatsprocurators Reichmann ist man
allgemein sehr zufrieden. Was nun die Leitung der gestrigen und
heutigen Verhandlungen betrifft, so glauben wir, daß man mit
derselben zufrieden seyn kann. Auch der Substitut des Staats-
procurators, Herr Flach, scheint der ihm anvertrauten Stelle
vollkommen gewachsen zu seyn. Sein Vortrag ist klar und deut-
lich und wohlverständlich.

Die gestrigen und heutigen Verhandlungen hatten die Anklage
gegen Heinrich Kilsbach von Geisenheim, herzogl. Justizamts
Rüdesheim, wegen Tödtung der 49 Jahre alten Ehefrau des
Adam Kilian I. zu Geisenheim im Affecte, am 12. November
1848, zum Gegenstande. Der Angeklagte ist 19 Jahre alt und
schon mehrmals wegen Felddiebstahls bestraft worden. Nur die
Mahnungen des Präsidenten und seines Vertheidigers, des Pro-
curators von Arnoldi, konnten ihn von Beleidigung der Zeugen
und Aerzte bei deren Abhör abhalten. Er sprach sehr fließend
und gut. Die Tödtung geschah wahrscheinlich in Folge eines
Schlages auf den Kopf mit einem sogenannten Stoßmesser,
womit man in einem Troge die Wurzelgewächse fürs Vieh klein
zu stoßen pflegt, während eines Streites auf der Straße vor der
Wohnung des Adam Kilian, welchen Kilsbach und seine Anhän-
ger mit den Söhnen, wie er selbst angegeben, aber später wider-
rufen aus Rache wegen früherer Beleidigungen angefan-
[Spaltenumbruch] gen hatte. Kilsbach hatte sich nur allein des Stoßmessers bedient,
jedoch hat keiner der außer den Aerzten vernommenen 19 Zeugen
gesehen, daß Kilsbach den tödtenden Schlag geführt habe. Nur
vier der vernommenen Aerzte behaupteten, daß die Wunde nur
mit dem Stoßmesser hätte geschlagen werden können, während
der fünfte, Herr Obermedicinalrath Vogeler, behauptete, die
Wunde, welche übrigens von allen Aerzten für absolut tödtlich
erklärt worden war, könne auch von dem bei der Schlägerei von
der Partei des Kilsbach geführten, etwas über zwei Zoll im
Durchmesser dicken Prügeln herrühren. Hierauf und daß keiner
der Zeugen behaupten konnte, daß Kilsbach die Ehefrau Kilians
getroffen habe, stützte sich hauptsächlich die Vertheidigungsrede
des Vertheidigers. Der Jnhalt der drei ersten den Geschworenen
gestellten sehr langen Fragen war, wenn wir recht verstanden,
folgender: Jst 1 ) der Angeklagte schuldig, die Ehefrau des Adam
Kilian I. im Affecte mit Vorsatz getödtet? oder 2 ) doch im Affecte
mit Vorsatz ihr eine Verletzung beigebracht zu haben, welche den
Tod zur Folge gehabt? 3 ) ist der Angeklagte schuldig, im Affecte
versucht zu haben, der Ehefrau Kilians oder einem Andern der
Gegenpartei eine Tod bringende Verletzung beizubringen? Diese
drei Fragen wurden von den Geschworenen mit „Nein“ beant-
wortet. Die vierte Frage des Jnhaltes: ob Kilsbach schuldig sey,
mit dem Stoßmesser auf seine Gegner geschlagen zu haben, um
einem oder dem andern eine körperliche Verletzung beizubringen?
wurde mit „Ja“ beantwortet. Der Assisenhof verurtheilte den Ange-
klagten, wie dieses von dem Staatsanwalte beantragt worden
war, zu 6 Monaten Correctionshausstrafe, wovon 3 Monate
unverschuldet erlittener Untersuchungshaft in Folge verzögerten
Strafverfahrens in Abzug zu bringen seyen, und zur Zahlung
der Untersuchungskosten.

Die erste Verhandlung vor dem Assisenhofe zu Dillenburg
am 8. und 9. d. M. unter dem Präsidium des Hof= und Appel-
lationsgerichtsdirector Ebhard betraf einen Steindrucker, Na-
mens Daniel Herscher von Siegen, angeklagt der Verbrei-
tung falscher preußischer Thalerscheine, sehr gut vertheidigt durch
den früheren Reichstagsabgeordneten Procurator Schenk. Die
Geschworenen sprachen auf die vorgelegten acht Fragen das
„Schuldig“ aus. Staatsprocurator Lautz beantragte1 1 / 4 Jahr
Correctionshausstrafe mit Abzug von 6 Monaten unverschuldet
erlittener Untersuchungshaft wegen verzögerten Strafverfahrens.
Der Assisenhof erkannte jedoch auf1 3 / 4 Jahre mit Abzug von
drei Monaten.

□ Wiesbaden 14. October. Gestern Morgen wurde der pen-
sionirte Hof= und Appellationsgerichtspräsident Raht, bekannt
aus unseren landständischen Verhandlungen, des Landes= und
Hochverrathes angeklagt ( derselbe wird den 29. d. M. vor den
Assisen erscheinen ) , wegen vermutheten Fluchtversuchs auf Antrag
des Staatsanwaltes verhaftet, jedoch am Abende gegen eine
Caution von 2000 fl. wieder freigegeben.

Die gestrigen Verhandlungen vor dem Assisenhofe da-
hier leitete wieder Hof= und Appellationsgerichtsrath v. Trepka,
auch das übrige Gerichtspersonal war dasselbe geblieben. Auf der
Bank der Angeklagten saßen Kaufmann Karl Döring von
Wiesbaden, alt 58 Jahre, und dessen Ehefrau Apollonia geb. Al-
lendorf, alt 30 Jahre, angeklagt wegen Fälschung und Verletzung
des Manifestationseides. Der Angeklagte, dessen erste Ehefrau
im März 1848 ohne Hinterlassung von Kindern gestorben war,
hatte bei Errichtung eines Jnventars in Folge seiner Wiederver-
ehlichung mit der obengenannten Apollonia Allendorf von Flors-
heim, bis dahin in Diensten bei dem Angeklagten, ohngeachtet
der Einsprache von Seiten der Testaterbin und ohnerachtet der
Ermahnung bei dem von ihm an Eides statt abgelegten Handge-
löbnissen, Alles der Wahrheit gemäß angeben zu wollen, von
Seiten des mit der Aufstellung des Jnventars beauftragten
Landoberschultheiserei=Scribenten, dennoch mehrere fingirte Ehe-
schulden im Betrage von 216 fl. in dasselbe aufnehmen lassen und
so der Testaterbin seiner ersten Ehefrau zum Vortheile seiner
zweiten Ehefrau zu entziehen gesucht. Auch hatte derselben nach
vorliegenden Briefen hinsichtlich der drei stärksten Posten, um
seine Angaben belegen zu können, den angegebenen Schuldposten
entsprechende und mit Quittungen versehene Rechnungen von
Kaufleuten aus Neustadt bei Coburg und aus Fürth zu erschlei-
chen gesucht. Der Angeklagte wurde hinsichtlich dieser drei Punkte
von den Geschworenen nach zweistündiger Berathung des ver-
suchten Betruges und der Verletzung des Manifestationseides für
überführt erklärt, die Ehefrau dagegen von der Theilnahme frei-
gesprochen und sogleich entlassen. Es wurden 17 Zeugen ver-
nommen, wovon sechs aus Neustadt und Fürth waren. Der
nicht ungeschickte Vertheidiger, Procurator Lang, Mitglied un-
serer dermalen vertagten Abgeordnetenkammer, hatte Alles be-
nutzt, um seine Clienten frei zu bringen, namentlich die Trunk-
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[0003] lernte Floskeln vordeclamirte, insbesondere wird er gescholten: „er sey ein reicher Mann und Bürgermeister.“ Mit diesem Umstande, des Reichthums nämlich, ist aber auch Herr Erkmann behaftet; da man jedoch denselben Vorwurf nicht wiederholen, aber doch Etwas sagen wollte, so wird Herrn Erkmann der gute Rath gegeben: „weil er mit seinem Nasenübel in jüngster Zeit so viele Kammersitzungen gehalten, so habe er fordersamst nicht nöthig sich um eine zweite zu bemühen: wenn er noch, statt einer bösen Nase, ein böses Maul hätte, dann würden ihn die Demo- kraten protegiren, die auf eine solche Eigenschaft viel halten.“ Solche Gemeinheiten richten sich selbst! == Wörrstadt 13. October. Der seit Kurzem hier ins Leben getretene constitutionelle Verein gewann rasch an Bedeu- tung und beweist derselbe, daß der Kern der Bewohner unseres Cantonsstädtchens durchaus nicht verwechselt werden dürfe mit jenen Persönlichkeiten, die bisher als die Repräsentanten der hier herrschendenden Gesinnung gegolten. Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, gegen jedes unberufene und verderbliche Treiben der bisherigen Wühler mit Entschiedenheit aufzutreten, den der ganzen Gemeinde gewiß mit Unrecht aufgebürdeten Ruf auf sein natürliches Maß zurückzurufen und zu zeigen, daß viel- mehr jener eben so verbreitete als ehrverletzende Ruf fast aus- schließlich durch Auswärtige über uns gebracht wurde. Es ist hier wie an den meisten Orten, die eines ähnlichen Rufes ge- nießen; einige pflichtvergessene „Volkslehrer,“ ein paar „ unbe- schäftigte “ Schreiber, ein und der andere Manschettenbauer der Umgegend und einiges wenige aufgehetzte Proletariat dürfen nicht als die Vertreter der Gesinnung der Bewohner von Wörr- stadt und der Umgegend gelten. Die Leitung des Vereines läßt alle Bestimmtheit, Umsicht und Erfolg für die Umgegend erwar- ten. Kommen wir zwar mit unseren Bestrebungen etwas spät und haben wir uns mitunter auch ein wenig terrorisiren lassen, so dürften wir unsere volle Entschuldigung darin finden, daß die demokratische Partei schon bei der Nationalversammlung zu Frankfurt die Leidenschaft als ihre höchste und nothwendigste Tugend, sich selbst mithin als blind und in dem blinden Unver- stande zu Allem fähig erklärt hat. Natürlich, wer nichts zu verlieren hat, braucht nichts zu fürchten! □ Wiesbaden 12. October. Statt des Hof= und Appella- tionsgerichtspräsidenten Flach präsidirte gestern und heute der Hof= und Appellationsgerichtsrath v. Trepka den Assisenhof; die übrigen Richter waren dieselben wie bei den vorhergehenden Ver- handlungen. Als Anwalt des Staates fungirte der Substitut des Staatsprocurators, Hofgerichtssecretair Flach, Sohn des oben- genannten Präsidenten. Was die Leitung der Assisenverhandlun- gen durch den letzteren betrifft, so spricht sich die allgemeine Stimme dahin aus, daß die bisherige Leitung sehr viel zu wünschen übrig gelassen. Namentlich hörte man allgemein den Wunsch und wir können nicht umhin demselben beizustimmen, daß Herr Präsident Flach selbst mehr Ernst und Würde zeige in Haltung und Sprache, dann aber auch nicht dulde, daß so wichtige Verhandlungen von Seiten des Publicums durch Unruhe, Lachen und sonstige Unar- ten gestört würden, wodurch sich der Staatsanwalt zu der Dro- hung veranlaßt sah, er werde die Aufhebung der Sitzung bean- tragen, wenn nicht mehr Ruhe gehalten würde. Als Jnquirent läßt Präsident Flach nach dem Urtheile der Juristen ebenfalls sehr Vieles zu wünschen übrig, so daß es bei einem so gelehrten und anerkannt tüchtigen Juristen von Ruf auffallend erscheint. Mit den Leistungen des Staatsprocurators Reichmann ist man allgemein sehr zufrieden. Was nun die Leitung der gestrigen und heutigen Verhandlungen betrifft, so glauben wir, daß man mit derselben zufrieden seyn kann. Auch der Substitut des Staats- procurators, Herr Flach, scheint der ihm anvertrauten Stelle vollkommen gewachsen zu seyn. Sein Vortrag ist klar und deut- lich und wohlverständlich. Die gestrigen und heutigen Verhandlungen hatten die Anklage gegen Heinrich Kilsbach von Geisenheim, herzogl. Justizamts Rüdesheim, wegen Tödtung der 49 Jahre alten Ehefrau des Adam Kilian I. zu Geisenheim im Affecte, am 12. November 1848, zum Gegenstande. Der Angeklagte ist 19 Jahre alt und schon mehrmals wegen Felddiebstahls bestraft worden. Nur die Mahnungen des Präsidenten und seines Vertheidigers, des Pro- curators von Arnoldi, konnten ihn von Beleidigung der Zeugen und Aerzte bei deren Abhör abhalten. Er sprach sehr fließend und gut. Die Tödtung geschah wahrscheinlich in Folge eines Schlages auf den Kopf mit einem sogenannten Stoßmesser, womit man in einem Troge die Wurzelgewächse fürs Vieh klein zu stoßen pflegt, während eines Streites auf der Straße vor der Wohnung des Adam Kilian, welchen Kilsbach und seine Anhän- ger mit den Söhnen, wie er selbst angegeben, aber später wider- rufen aus Rache wegen früherer Beleidigungen angefan- gen hatte. Kilsbach hatte sich nur allein des Stoßmessers bedient, jedoch hat keiner der außer den Aerzten vernommenen 19 Zeugen gesehen, daß Kilsbach den tödtenden Schlag geführt habe. Nur vier der vernommenen Aerzte behaupteten, daß die Wunde nur mit dem Stoßmesser hätte geschlagen werden können, während der fünfte, Herr Obermedicinalrath Vogeler, behauptete, die Wunde, welche übrigens von allen Aerzten für absolut tödtlich erklärt worden war, könne auch von dem bei der Schlägerei von der Partei des Kilsbach geführten, etwas über zwei Zoll im Durchmesser dicken Prügeln herrühren. Hierauf und daß keiner der Zeugen behaupten konnte, daß Kilsbach die Ehefrau Kilians getroffen habe, stützte sich hauptsächlich die Vertheidigungsrede des Vertheidigers. Der Jnhalt der drei ersten den Geschworenen gestellten sehr langen Fragen war, wenn wir recht verstanden, folgender: Jst 1 ) der Angeklagte schuldig, die Ehefrau des Adam Kilian I. im Affecte mit Vorsatz getödtet? oder 2 ) doch im Affecte mit Vorsatz ihr eine Verletzung beigebracht zu haben, welche den Tod zur Folge gehabt? 3 ) ist der Angeklagte schuldig, im Affecte versucht zu haben, der Ehefrau Kilians oder einem Andern der Gegenpartei eine Tod bringende Verletzung beizubringen? Diese drei Fragen wurden von den Geschworenen mit „Nein“ beant- wortet. Die vierte Frage des Jnhaltes: ob Kilsbach schuldig sey, mit dem Stoßmesser auf seine Gegner geschlagen zu haben, um einem oder dem andern eine körperliche Verletzung beizubringen? wurde mit „Ja“ beantwortet. Der Assisenhof verurtheilte den Ange- klagten, wie dieses von dem Staatsanwalte beantragt worden war, zu 6 Monaten Correctionshausstrafe, wovon 3 Monate unverschuldet erlittener Untersuchungshaft in Folge verzögerten Strafverfahrens in Abzug zu bringen seyen, und zur Zahlung der Untersuchungskosten. Die erste Verhandlung vor dem Assisenhofe zu Dillenburg am 8. und 9. d. M. unter dem Präsidium des Hof= und Appel- lationsgerichtsdirector Ebhard betraf einen Steindrucker, Na- mens Daniel Herscher von Siegen, angeklagt der Verbrei- tung falscher preußischer Thalerscheine, sehr gut vertheidigt durch den früheren Reichstagsabgeordneten Procurator Schenk. Die Geschworenen sprachen auf die vorgelegten acht Fragen das „Schuldig“ aus. Staatsprocurator Lautz beantragte1 1 / 4 Jahr Correctionshausstrafe mit Abzug von 6 Monaten unverschuldet erlittener Untersuchungshaft wegen verzögerten Strafverfahrens. Der Assisenhof erkannte jedoch auf1 3 / 4 Jahre mit Abzug von drei Monaten. □ Wiesbaden 14. October. Gestern Morgen wurde der pen- sionirte Hof= und Appellationsgerichtspräsident Raht, bekannt aus unseren landständischen Verhandlungen, des Landes= und Hochverrathes angeklagt ( derselbe wird den 29. d. M. vor den Assisen erscheinen ) , wegen vermutheten Fluchtversuchs auf Antrag des Staatsanwaltes verhaftet, jedoch am Abende gegen eine Caution von 2000 fl. wieder freigegeben. Die gestrigen Verhandlungen vor dem Assisenhofe da- hier leitete wieder Hof= und Appellationsgerichtsrath v. Trepka, auch das übrige Gerichtspersonal war dasselbe geblieben. Auf der Bank der Angeklagten saßen Kaufmann Karl Döring von Wiesbaden, alt 58 Jahre, und dessen Ehefrau Apollonia geb. Al- lendorf, alt 30 Jahre, angeklagt wegen Fälschung und Verletzung des Manifestationseides. Der Angeklagte, dessen erste Ehefrau im März 1848 ohne Hinterlassung von Kindern gestorben war, hatte bei Errichtung eines Jnventars in Folge seiner Wiederver- ehlichung mit der obengenannten Apollonia Allendorf von Flors- heim, bis dahin in Diensten bei dem Angeklagten, ohngeachtet der Einsprache von Seiten der Testaterbin und ohnerachtet der Ermahnung bei dem von ihm an Eides statt abgelegten Handge- löbnissen, Alles der Wahrheit gemäß angeben zu wollen, von Seiten des mit der Aufstellung des Jnventars beauftragten Landoberschultheiserei=Scribenten, dennoch mehrere fingirte Ehe- schulden im Betrage von 216 fl. in dasselbe aufnehmen lassen und so der Testaterbin seiner ersten Ehefrau zum Vortheile seiner zweiten Ehefrau zu entziehen gesucht. Auch hatte derselben nach vorliegenden Briefen hinsichtlich der drei stärksten Posten, um seine Angaben belegen zu können, den angegebenen Schuldposten entsprechende und mit Quittungen versehene Rechnungen von Kaufleuten aus Neustadt bei Coburg und aus Fürth zu erschlei- chen gesucht. Der Angeklagte wurde hinsichtlich dieser drei Punkte von den Geschworenen nach zweistündiger Berathung des ver- suchten Betruges und der Verletzung des Manifestationseides für überführt erklärt, die Ehefrau dagegen von der Theilnahme frei- gesprochen und sogleich entlassen. Es wurden 17 Zeugen ver- nommen, wovon sechs aus Neustadt und Fürth waren. Der nicht ungeschickte Vertheidiger, Procurator Lang, Mitglied un- serer dermalen vertagten Abgeordnetenkammer, hatte Alles be- nutzt, um seine Clienten frei zu bringen, namentlich die Trunk-

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 245. Mainz, 15. Oktober 1849, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal245_1849/3>, abgerufen am 01.06.2024.