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Mainzer Journal. Nr. 249. Mainz, 19. Oktober 1849.

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[Beginn Spaltensatz] Ziel noch Ende, wie bei den Franzosen. Denn Alles das geht
nicht aus der Natur des besonderen Volkes, sondern aus der
Sache an sich nothwendig hervor.

Lasset uns besonnen seyn, wie Deutschen ziemt! Entschlagen
wir uns willig französischer Ungeduld und Petulanz, wohl wissend,
daß Eichen nur langsam wachsen, daß Dome nicht in Wochen er-
baut werden und daß überhaupt gut Ding Weil haben will.
Also lasset uns der Zeit Zeit lassen, lasset uns mitwirken ein Jeg-
licher für seinen Theil in seinem Kreise, aber in gläubigem, mil-
den, wohlwollenden Sinne und Geiste mit Freimüthigkeit, aber
bescheiden. Niemand, ich sage Niemand, Niemand ist so
gar klug vor allen Anderen, daß die Bescheidenheit zum Ueber-
flusse wäre.

Wem also nicht fromm und liebevoll ums Herz ist, der
schweige! Wer nur an sich selbst glaubt, nur bei sich selbt schwört,
wer deutsche Fürsten nicht ehrenwerth halten, deutschen Staats-
männern nur Länderaussaugerei und Volksbedrückung zutrauen
mag, der schweige und lege die Hände in den Schoos! Es soll
nicht zerrissen, es soll verbunden, es soll nicht Mißtrauen
und Hader verbreitet, es soll Vertrauen und Eintracht hergestellt
und fest begründet werden. Noch einmal: die Wahrheit nach
Ueberzeugung, redlich und freudig, aber treu geprüft mit Ernst
und Wohlwollen! So und nur so ist es deutsch und christlich!



Deutschland.

Einen sehr bemerkenswerthen Aufsatz bringt der Lloyd, aus
Zürich datirt, über die Stellung der englischen Presse
zu den ungarischen Angelegenheiten.
Wir haben es
kürzlich schon einmal hervorgehoben, daß man zu Wien das Spiel
Englands durchschaut. Der nachfolgende Brief, den wir in
seiner ganzen Ausdehnung mittheilen, wird keinen weiteren Zwei-
fel mehr darüber zulassen. "Zu den uneigennützigsten Verbünde-
ten, beginnt er, die Kossuth in Europa hatte, gehörten ohne
Zweifel jene Organe der englischen Presse, die ihre Jnspirationen
in der Downingstreet, oder in der Teleky=Pulsky'schen Geldbörse
hatten, wie der "Globe," der "Examiner" und "Daily News."
Jhre ganze Beweisführung lief auf den Satz hinaus: daß Un-
garn unabhängig werden müsse, um ein Markt zu werden
für englische Waaren.
Sie berechneten bei Heller und
Pfennig wie viel in Manchester und Birmingham zu gewinnen
wäre, wenn man von Theben bis Orsowa sich in englischen Kat-
tun kleidete, mit englischen Klingen schnitte, englisches Leder zu
Tschismen verarbeitete. Sie dachten Ungarn alle Segnungen
einer brittischen Handelscolonie zu, wie Portugal dieselben im
reichsten Maße genießt, sahen im auswärtigen Amte schon die
Federn gespitzt zur Unterzeichnung eines zweiten Methuenver-
trages, und träumten vielleicht bereits von einem zweiten Gibral-
tar im adriatischen Meere. Venedig eine Niederlage für eng-
lische Schmuggler, Triest zu Grunde gerichtet 1), Fiume, der
Stapelplatz für den magyarisch=brittischen Handel -- welche Aus-
sichten für brittisches Capital und brittische Jnoustrie! Da lohnt
sichs wohl der Mühe dem calumniare audacter, semper aliquid
haeret
mit fr udigster Bereitwilligkeit nachzukommen: fal che
Bulletins und Proclamationen zu fabriciren, Sympathie=Meetings
zusammen utrommeln und sich in staatsrechtliche Erörterungen zu
vertiefen, deren Verfasser sich allzusehr bemühten, den Splitter
im Auge Oesterreichs zu entdecken, als daß sie den Balken im
eigenen Auge hätten wahrnehmen können. Sonst mußten sie ja
einsehen, daß alle die Gründe, welche sie für die Trennung Un-
garns von Oesterreich vorbrachten, weit besser auf England und
Jrland paßten -- auf Jrland, das durch Abstammung und Re-
ligion der großen Mehrzahl seiner Bewohner und durch mehr
als dreihundertjährige Mißverwaltung und Tyrannei der ab-
scheulichsten Art England weit mehr entfremdet ist, als dies
Oesterreich und Ungarn je waren. Freilich war eine solche
Logik von den Lobrednern und Söldlingen eines Staatsmannes
nicht zu erwarten, der bei seiner Politik dem Grundsatze huldigt,
daß ausgepreßte Citronen wegzuwerfen seyen; der den Opfern
seiner diplomatischen Ränke das brittische Gebiet verschließt,
wenn sie dort Zuflucht suchen; der in Sicilien das Trauerspiel
von Parga erneuerte und auf den jonischen Jnseln mit Pulver
und Blei, mit Ruthen und Galgen abwehrt, was er anderswo
zärtlichst in Schutz nimmt. Freilich war eine solche Aufrichtigkeit
kaum zu erwarten in einem Lande, wo liberalste Aufklärung und
verstocktestes Vorurtheil so unvermittelt einander gegenüberstehen,
daß das Organ der religiösen und politischen Vollblutorthodoxie
seinen gläubigen Lesern die ungarischen Wirren als einen Kampf
[Spaltenumbruch] darstellen konnte zwischen Protestantismus und Papstthum! Dies
that in vollem Ernste der hochtorystische "Standard," der, gestützt
auf die Berichte irgend eines Agenten der Londoner Bibelgesell-
schaft, die österreichische Regierung mit Nero und Diocletian in
eine Reihe stellte, und im Calvinisten Kossuth, der mit den unga-
rischen Reichskleinodien ein abgöttisches Spiel trieb und den
Namen der Schutzpatronin des Landes auf sehr unprotestantische
Weise mißbrauchte, in seinen selbstsüchtigen und verderblichen
Entwürfen die Sache der Gewissensfreiheit verherrlichte. Diesen
Schutzrednern der magyarischen Revolutionspartei bleibt nun-
mehr, nach dem gänzlichen Schiffbruche ihrer Lieblinge, nichts
übrig, als sich an den Rettungsbalken anzuklammern, den ihnen
die von brittischer Diplomatie bestens ausgebeutete türkische
Starrköpfigkeit
darbietet. Diese Starrköpfigkeit mag theil-
weise aus achtungswerthen Beweggründen entspringen. Die
philanthropischen Redensarten aber, womit man sie an der
Themse beschönigt, würden wohl verstummen, wenn es sich um
die Auslieferung eines Wolfe Tone, eines canadischen oder ostin-
dischen Agitators handelte, und [unleserliches Material - 6 Zeichen fehlen]Wildin in der Nähe von Dublin,
Montreal oder Calcutta läge. Die öffentliche Meinung Europa's
wird sich dadurch nicht täuschen lassen, denn hinter einem schein-
bar edlen Zwecke versteckt sich blos der Wunsch, die Sammlung
von Feuerbränden zu vermehren, welche die "liberale," " uneigen-
nützige " und "christliche" Politik des gegenwärtigen brittischen
Ministers der auswärtigen Angelegenheiten bereit hält, um sie
bei günstigem Anlasse ins Nachbarhaus zu schleudern. Mazzini
und Consorten haben ihre Aufgabe in Jtalien für jetzt vollbracht;
der Graf von Montemolin schwebt als Damoklesschwert
über Spanien; Ledru=Rollin und Louis Blanc, die
Bewohner von Claremont, und der Prätendent, welcher einst
auf Belgrave=Square Hof hielt, lassen sich gegen Frankreich be-
nützen; die Flüchtlinge von Widdin aber sollen, in Lon-
don gesammelt, Oesterreich im Zaume halten. Dann braucht Se.
Lordschaft wie sein Vorgänger Aeolus=Canning blos ein Wort
zu sprechen, um die Sturme zu entfesseln, und nimmt, cuncta
supercilio movens
, auf dem Throne in Downingstreet die Hul-
digungen des Weltalls in Empfang."

Wien 15. October. Die Resultate der Conferenzen über Un-
garn und Jtalien haben zwar die Presse noch nicht verlassen, aber
Folgendes ist bereits davon ins Publicum gedrungen. Ungarn
wird in Districte -- nach Einigen in fünf, nach Anderen in zehn
-- getheilt, diese Districte werden unter einem Civil= und Mili-
tärgouverneur stehen, welche Gouverneure insgesammt wieder in
Civilangelegenheiten dem Baron Gehringer, in Militärangele-
genheiten dem Baron Haynau untergeordnet seyn werden. Diese
beiden obersten Gouverneurs werden in Einklang mit einander
vorzugehen haben. Jtalien wird in zwei Provinzen, Venedig
und die Lombarbei, eingetheilt, welche unter einzelnen Gou-
verneuren stehen. Diese Gouverneure stehen unter dem Statthal-
ter Grafen Radetzky. Von einem Landtage und Vertretung dieser
Provinzen ist vor der Hand keine Rede.

Die Executionen sind ein für allemal vom Kai-
ser suspendirt.
Die in Ungarn aufgefundenen Actenstücke
haben auch hier so mancher in diesen Tagen eingeleiteten Unter-
suchung zur Grundlage gedient.

München 16. October. ( A. Z. ) Die bereits mehrfach in den
Zeitungen zur Frage gekommene Nachricht von der Zurückhaltung
der jüngsten für Bayern fällig gewordenen Zollvereins=Ein-
nahmen=Rate in Berlin ist zwar nicht ganz ungegründet, die Zu-
rückhaltung scheint aber, soviel ich vernehmen konnte, vorerst nur
angedeutet worden zu seyn. Wäre wirklich ein derartiger offi-
cieller Act geschehen, so wurde dieser meines Erachtens in ganz
Bayern gegen Preußen ebenso sehr erbittern, als er nach juristi-
schen Begriffen unerklärlich wäre, da Ersatzforderungen wegen
des Einmarsches der preußischen Truppen in die Pfalz noch nicht
einmal angemeldet seyn sollen, viel weniger also liquid sind.

Von der oberen Donau 15. October. ( A. Z. ) Wie mit gro-
ßer Bestimmtheit versichert wird, sollen dermalen schon sehr weit
gediehene Verhandlungen zwischen den betreffenden Regierungen
stattfinden, um einen Theil der württembergischen Be-
satzung von Ulm durch österreichische Truppen zu
ersetzen,
und demzufolge einige Jnfanteriebataillone und meh-
rere mobile Batterien von den in Vorarlberg gesammelten Trup-
pen dorthin zu verlegen. Abgesehen von politischen nahe liegenden
Motiven, die es Oesterreich wünschenswerth machen müssen, sich
auch an der Ulmer Friedensgarnison mit mehr als einigen hun-
dert nur zum Festungsdienste bestimmten Artilleristen zu betheili-
gen, dürfte eine solche Abänderung der seitherigen Bestimmungen
ganz im Jnteresse des württembergischen Militärbudgets liegen,
weil die Besetzung der fertigen Werke und der Schutz des vor-
handenen bedeutenden Materials schon jetzt einen weit größeren
[Ende Spaltensatz]

1) Es ist ein oft wiederholtes Wort von E. v. Schwarzer, daß bei
dem nächsten europäischen Krieg Trieste zuerst von den Engländern an-
gegriffen werden würde.

[Beginn Spaltensatz] Ziel noch Ende, wie bei den Franzosen. Denn Alles das geht
nicht aus der Natur des besonderen Volkes, sondern aus der
Sache an sich nothwendig hervor.

Lasset uns besonnen seyn, wie Deutschen ziemt! Entschlagen
wir uns willig französischer Ungeduld und Petulanz, wohl wissend,
daß Eichen nur langsam wachsen, daß Dome nicht in Wochen er-
baut werden und daß überhaupt gut Ding Weil haben will.
Also lasset uns der Zeit Zeit lassen, lasset uns mitwirken ein Jeg-
licher für seinen Theil in seinem Kreise, aber in gläubigem, mil-
den, wohlwollenden Sinne und Geiste mit Freimüthigkeit, aber
bescheiden. Niemand, ich sage Niemand, Niemand ist so
gar klug vor allen Anderen, daß die Bescheidenheit zum Ueber-
flusse wäre.

Wem also nicht fromm und liebevoll ums Herz ist, der
schweige! Wer nur an sich selbst glaubt, nur bei sich selbt schwört,
wer deutsche Fürsten nicht ehrenwerth halten, deutschen Staats-
männern nur Länderaussaugerei und Volksbedrückung zutrauen
mag, der schweige und lege die Hände in den Schoos! Es soll
nicht zerrissen, es soll verbunden, es soll nicht Mißtrauen
und Hader verbreitet, es soll Vertrauen und Eintracht hergestellt
und fest begründet werden. Noch einmal: die Wahrheit nach
Ueberzeugung, redlich und freudig, aber treu geprüft mit Ernst
und Wohlwollen! So und nur so ist es deutsch und christlich!



Deutschland.

Einen sehr bemerkenswerthen Aufsatz bringt der Lloyd, aus
Zürich datirt, über die Stellung der englischen Presse
zu den ungarischen Angelegenheiten.
Wir haben es
kürzlich schon einmal hervorgehoben, daß man zu Wien das Spiel
Englands durchschaut. Der nachfolgende Brief, den wir in
seiner ganzen Ausdehnung mittheilen, wird keinen weiteren Zwei-
fel mehr darüber zulassen. „Zu den uneigennützigsten Verbünde-
ten, beginnt er, die Kossuth in Europa hatte, gehörten ohne
Zweifel jene Organe der englischen Presse, die ihre Jnspirationen
in der Downingstreet, oder in der Teleky=Pulsky'schen Geldbörse
hatten, wie der „Globe,“ der „Examiner“ und „Daily News.“
Jhre ganze Beweisführung lief auf den Satz hinaus: daß Un-
garn unabhängig werden müsse, um ein Markt zu werden
für englische Waaren.
Sie berechneten bei Heller und
Pfennig wie viel in Manchester und Birmingham zu gewinnen
wäre, wenn man von Theben bis Orsowa sich in englischen Kat-
tun kleidete, mit englischen Klingen schnitte, englisches Leder zu
Tschismen verarbeitete. Sie dachten Ungarn alle Segnungen
einer brittischen Handelscolonie zu, wie Portugal dieselben im
reichsten Maße genießt, sahen im auswärtigen Amte schon die
Federn gespitzt zur Unterzeichnung eines zweiten Methuenver-
trages, und träumten vielleicht bereits von einem zweiten Gibral-
tar im adriatischen Meere. Venedig eine Niederlage für eng-
lische Schmuggler, Triest zu Grunde gerichtet 1), Fiume, der
Stapelplatz für den magyarisch=brittischen Handel — welche Aus-
sichten für brittisches Capital und brittische Jnoustrie! Da lohnt
sichs wohl der Mühe dem calumniare audacter, semper aliquid
haeret
mit fr udigster Bereitwilligkeit nachzukommen: fal che
Bulletins und Proclamationen zu fabriciren, Sympathie=Meetings
zusammen utrommeln und sich in staatsrechtliche Erörterungen zu
vertiefen, deren Verfasser sich allzusehr bemühten, den Splitter
im Auge Oesterreichs zu entdecken, als daß sie den Balken im
eigenen Auge hätten wahrnehmen können. Sonst mußten sie ja
einsehen, daß alle die Gründe, welche sie für die Trennung Un-
garns von Oesterreich vorbrachten, weit besser auf England und
Jrland paßten — auf Jrland, das durch Abstammung und Re-
ligion der großen Mehrzahl seiner Bewohner und durch mehr
als dreihundertjährige Mißverwaltung und Tyrannei der ab-
scheulichsten Art England weit mehr entfremdet ist, als dies
Oesterreich und Ungarn je waren. Freilich war eine solche
Logik von den Lobrednern und Söldlingen eines Staatsmannes
nicht zu erwarten, der bei seiner Politik dem Grundsatze huldigt,
daß ausgepreßte Citronen wegzuwerfen seyen; der den Opfern
seiner diplomatischen Ränke das brittische Gebiet verschließt,
wenn sie dort Zuflucht suchen; der in Sicilien das Trauerspiel
von Parga erneuerte und auf den jonischen Jnseln mit Pulver
und Blei, mit Ruthen und Galgen abwehrt, was er anderswo
zärtlichst in Schutz nimmt. Freilich war eine solche Aufrichtigkeit
kaum zu erwarten in einem Lande, wo liberalste Aufklärung und
verstocktestes Vorurtheil so unvermittelt einander gegenüberstehen,
daß das Organ der religiösen und politischen Vollblutorthodoxie
seinen gläubigen Lesern die ungarischen Wirren als einen Kampf
[Spaltenumbruch] darstellen konnte zwischen Protestantismus und Papstthum! Dies
that in vollem Ernste der hochtorystische „Standard,“ der, gestützt
auf die Berichte irgend eines Agenten der Londoner Bibelgesell-
schaft, die österreichische Regierung mit Nero und Diocletian in
eine Reihe stellte, und im Calvinisten Kossuth, der mit den unga-
rischen Reichskleinodien ein abgöttisches Spiel trieb und den
Namen der Schutzpatronin des Landes auf sehr unprotestantische
Weise mißbrauchte, in seinen selbstsüchtigen und verderblichen
Entwürfen die Sache der Gewissensfreiheit verherrlichte. Diesen
Schutzrednern der magyarischen Revolutionspartei bleibt nun-
mehr, nach dem gänzlichen Schiffbruche ihrer Lieblinge, nichts
übrig, als sich an den Rettungsbalken anzuklammern, den ihnen
die von brittischer Diplomatie bestens ausgebeutete türkische
Starrköpfigkeit
darbietet. Diese Starrköpfigkeit mag theil-
weise aus achtungswerthen Beweggründen entspringen. Die
philanthropischen Redensarten aber, womit man sie an der
Themse beschönigt, würden wohl verstummen, wenn es sich um
die Auslieferung eines Wolfe Tone, eines canadischen oder ostin-
dischen Agitators handelte, und [unleserliches Material – 6 Zeichen fehlen]Wildin in der Nähe von Dublin,
Montreal oder Calcutta läge. Die öffentliche Meinung Europa's
wird sich dadurch nicht täuschen lassen, denn hinter einem schein-
bar edlen Zwecke versteckt sich blos der Wunsch, die Sammlung
von Feuerbränden zu vermehren, welche die „liberale,“ „ uneigen-
nützige “ und „christliche“ Politik des gegenwärtigen brittischen
Ministers der auswärtigen Angelegenheiten bereit hält, um sie
bei günstigem Anlasse ins Nachbarhaus zu schleudern. Mazzini
und Consorten haben ihre Aufgabe in Jtalien für jetzt vollbracht;
der Graf von Montemolin schwebt als Damoklesschwert
über Spanien; Ledru=Rollin und Louis Blanc, die
Bewohner von Claremont, und der Prätendent, welcher einst
auf Belgrave=Square Hof hielt, lassen sich gegen Frankreich be-
nützen; die Flüchtlinge von Widdin aber sollen, in Lon-
don gesammelt, Oesterreich im Zaume halten. Dann braucht Se.
Lordschaft wie sein Vorgänger Aeolus=Canning blos ein Wort
zu sprechen, um die Sturme zu entfesseln, und nimmt, cuncta
supercilio movens
, auf dem Throne in Downingstreet die Hul-
digungen des Weltalls in Empfang.“

Wien 15. October. Die Resultate der Conferenzen über Un-
garn und Jtalien haben zwar die Presse noch nicht verlassen, aber
Folgendes ist bereits davon ins Publicum gedrungen. Ungarn
wird in Districte — nach Einigen in fünf, nach Anderen in zehn
— getheilt, diese Districte werden unter einem Civil= und Mili-
tärgouverneur stehen, welche Gouverneure insgesammt wieder in
Civilangelegenheiten dem Baron Gehringer, in Militärangele-
genheiten dem Baron Haynau untergeordnet seyn werden. Diese
beiden obersten Gouverneurs werden in Einklang mit einander
vorzugehen haben. Jtalien wird in zwei Provinzen, Venedig
und die Lombarbei, eingetheilt, welche unter einzelnen Gou-
verneuren stehen. Diese Gouverneure stehen unter dem Statthal-
ter Grafen Radetzky. Von einem Landtage und Vertretung dieser
Provinzen ist vor der Hand keine Rede.

Die Executionen sind ein für allemal vom Kai-
ser suspendirt.
Die in Ungarn aufgefundenen Actenstücke
haben auch hier so mancher in diesen Tagen eingeleiteten Unter-
suchung zur Grundlage gedient.

München 16. October. ( A. Z. ) Die bereits mehrfach in den
Zeitungen zur Frage gekommene Nachricht von der Zurückhaltung
der jüngsten für Bayern fällig gewordenen Zollvereins=Ein-
nahmen=Rate in Berlin ist zwar nicht ganz ungegründet, die Zu-
rückhaltung scheint aber, soviel ich vernehmen konnte, vorerst nur
angedeutet worden zu seyn. Wäre wirklich ein derartiger offi-
cieller Act geschehen, so wurde dieser meines Erachtens in ganz
Bayern gegen Preußen ebenso sehr erbittern, als er nach juristi-
schen Begriffen unerklärlich wäre, da Ersatzforderungen wegen
des Einmarsches der preußischen Truppen in die Pfalz noch nicht
einmal angemeldet seyn sollen, viel weniger also liquid sind.

Von der oberen Donau 15. October. ( A. Z. ) Wie mit gro-
ßer Bestimmtheit versichert wird, sollen dermalen schon sehr weit
gediehene Verhandlungen zwischen den betreffenden Regierungen
stattfinden, um einen Theil der württembergischen Be-
satzung von Ulm durch österreichische Truppen zu
ersetzen,
und demzufolge einige Jnfanteriebataillone und meh-
rere mobile Batterien von den in Vorarlberg gesammelten Trup-
pen dorthin zu verlegen. Abgesehen von politischen nahe liegenden
Motiven, die es Oesterreich wünschenswerth machen müssen, sich
auch an der Ulmer Friedensgarnison mit mehr als einigen hun-
dert nur zum Festungsdienste bestimmten Artilleristen zu betheili-
gen, dürfte eine solche Abänderung der seitherigen Bestimmungen
ganz im Jnteresse des württembergischen Militärbudgets liegen,
weil die Besetzung der fertigen Werke und der Schutz des vor-
handenen bedeutenden Materials schon jetzt einen weit größeren
[Ende Spaltensatz]

1) Es ist ein oft wiederholtes Wort von E. v. Schwarzer, daß bei
dem nächsten europäischen Krieg Trieste zuerst von den Engländern an-
gegriffen werden würde.
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[0002] Ziel noch Ende, wie bei den Franzosen. Denn Alles das geht nicht aus der Natur des besonderen Volkes, sondern aus der Sache an sich nothwendig hervor. Lasset uns besonnen seyn, wie Deutschen ziemt! Entschlagen wir uns willig französischer Ungeduld und Petulanz, wohl wissend, daß Eichen nur langsam wachsen, daß Dome nicht in Wochen er- baut werden und daß überhaupt gut Ding Weil haben will. Also lasset uns der Zeit Zeit lassen, lasset uns mitwirken ein Jeg- licher für seinen Theil in seinem Kreise, aber in gläubigem, mil- den, wohlwollenden Sinne und Geiste mit Freimüthigkeit, aber bescheiden. Niemand, ich sage Niemand, Niemand ist so gar klug vor allen Anderen, daß die Bescheidenheit zum Ueber- flusse wäre. Wem also nicht fromm und liebevoll ums Herz ist, der schweige! Wer nur an sich selbst glaubt, nur bei sich selbt schwört, wer deutsche Fürsten nicht ehrenwerth halten, deutschen Staats- männern nur Länderaussaugerei und Volksbedrückung zutrauen mag, der schweige und lege die Hände in den Schoos! Es soll nicht zerrissen, es soll verbunden, es soll nicht Mißtrauen und Hader verbreitet, es soll Vertrauen und Eintracht hergestellt und fest begründet werden. Noch einmal: die Wahrheit nach Ueberzeugung, redlich und freudig, aber treu geprüft mit Ernst und Wohlwollen! So und nur so ist es deutsch und christlich! Deutschland. Einen sehr bemerkenswerthen Aufsatz bringt der Lloyd, aus Zürich datirt, über die Stellung der englischen Presse zu den ungarischen Angelegenheiten. Wir haben es kürzlich schon einmal hervorgehoben, daß man zu Wien das Spiel Englands durchschaut. Der nachfolgende Brief, den wir in seiner ganzen Ausdehnung mittheilen, wird keinen weiteren Zwei- fel mehr darüber zulassen. „Zu den uneigennützigsten Verbünde- ten, beginnt er, die Kossuth in Europa hatte, gehörten ohne Zweifel jene Organe der englischen Presse, die ihre Jnspirationen in der Downingstreet, oder in der Teleky=Pulsky'schen Geldbörse hatten, wie der „Globe,“ der „Examiner“ und „Daily News.“ Jhre ganze Beweisführung lief auf den Satz hinaus: daß Un- garn unabhängig werden müsse, um ein Markt zu werden für englische Waaren. Sie berechneten bei Heller und Pfennig wie viel in Manchester und Birmingham zu gewinnen wäre, wenn man von Theben bis Orsowa sich in englischen Kat- tun kleidete, mit englischen Klingen schnitte, englisches Leder zu Tschismen verarbeitete. Sie dachten Ungarn alle Segnungen einer brittischen Handelscolonie zu, wie Portugal dieselben im reichsten Maße genießt, sahen im auswärtigen Amte schon die Federn gespitzt zur Unterzeichnung eines zweiten Methuenver- trages, und träumten vielleicht bereits von einem zweiten Gibral- tar im adriatischen Meere. Venedig eine Niederlage für eng- lische Schmuggler, Triest zu Grunde gerichtet 1), Fiume, der Stapelplatz für den magyarisch=brittischen Handel — welche Aus- sichten für brittisches Capital und brittische Jnoustrie! Da lohnt sichs wohl der Mühe dem calumniare audacter, semper aliquid haeret mit fr udigster Bereitwilligkeit nachzukommen: fal che Bulletins und Proclamationen zu fabriciren, Sympathie=Meetings zusammen utrommeln und sich in staatsrechtliche Erörterungen zu vertiefen, deren Verfasser sich allzusehr bemühten, den Splitter im Auge Oesterreichs zu entdecken, als daß sie den Balken im eigenen Auge hätten wahrnehmen können. Sonst mußten sie ja einsehen, daß alle die Gründe, welche sie für die Trennung Un- garns von Oesterreich vorbrachten, weit besser auf England und Jrland paßten — auf Jrland, das durch Abstammung und Re- ligion der großen Mehrzahl seiner Bewohner und durch mehr als dreihundertjährige Mißverwaltung und Tyrannei der ab- scheulichsten Art England weit mehr entfremdet ist, als dies Oesterreich und Ungarn je waren. Freilich war eine solche Logik von den Lobrednern und Söldlingen eines Staatsmannes nicht zu erwarten, der bei seiner Politik dem Grundsatze huldigt, daß ausgepreßte Citronen wegzuwerfen seyen; der den Opfern seiner diplomatischen Ränke das brittische Gebiet verschließt, wenn sie dort Zuflucht suchen; der in Sicilien das Trauerspiel von Parga erneuerte und auf den jonischen Jnseln mit Pulver und Blei, mit Ruthen und Galgen abwehrt, was er anderswo zärtlichst in Schutz nimmt. Freilich war eine solche Aufrichtigkeit kaum zu erwarten in einem Lande, wo liberalste Aufklärung und verstocktestes Vorurtheil so unvermittelt einander gegenüberstehen, daß das Organ der religiösen und politischen Vollblutorthodoxie seinen gläubigen Lesern die ungarischen Wirren als einen Kampf darstellen konnte zwischen Protestantismus und Papstthum! Dies that in vollem Ernste der hochtorystische „Standard,“ der, gestützt auf die Berichte irgend eines Agenten der Londoner Bibelgesell- schaft, die österreichische Regierung mit Nero und Diocletian in eine Reihe stellte, und im Calvinisten Kossuth, der mit den unga- rischen Reichskleinodien ein abgöttisches Spiel trieb und den Namen der Schutzpatronin des Landes auf sehr unprotestantische Weise mißbrauchte, in seinen selbstsüchtigen und verderblichen Entwürfen die Sache der Gewissensfreiheit verherrlichte. Diesen Schutzrednern der magyarischen Revolutionspartei bleibt nun- mehr, nach dem gänzlichen Schiffbruche ihrer Lieblinge, nichts übrig, als sich an den Rettungsbalken anzuklammern, den ihnen die von brittischer Diplomatie bestens ausgebeutete türkische Starrköpfigkeit darbietet. Diese Starrköpfigkeit mag theil- weise aus achtungswerthen Beweggründen entspringen. Die philanthropischen Redensarten aber, womit man sie an der Themse beschönigt, würden wohl verstummen, wenn es sich um die Auslieferung eines Wolfe Tone, eines canadischen oder ostin- dischen Agitators handelte, und ______Wildin in der Nähe von Dublin, Montreal oder Calcutta läge. Die öffentliche Meinung Europa's wird sich dadurch nicht täuschen lassen, denn hinter einem schein- bar edlen Zwecke versteckt sich blos der Wunsch, die Sammlung von Feuerbränden zu vermehren, welche die „liberale,“ „ uneigen- nützige “ und „christliche“ Politik des gegenwärtigen brittischen Ministers der auswärtigen Angelegenheiten bereit hält, um sie bei günstigem Anlasse ins Nachbarhaus zu schleudern. Mazzini und Consorten haben ihre Aufgabe in Jtalien für jetzt vollbracht; der Graf von Montemolin schwebt als Damoklesschwert über Spanien; Ledru=Rollin und Louis Blanc, die Bewohner von Claremont, und der Prätendent, welcher einst auf Belgrave=Square Hof hielt, lassen sich gegen Frankreich be- nützen; die Flüchtlinge von Widdin aber sollen, in Lon- don gesammelt, Oesterreich im Zaume halten. Dann braucht Se. Lordschaft wie sein Vorgänger Aeolus=Canning blos ein Wort zu sprechen, um die Sturme zu entfesseln, und nimmt, cuncta supercilio movens, auf dem Throne in Downingstreet die Hul- digungen des Weltalls in Empfang.“ Wien 15. October. Die Resultate der Conferenzen über Un- garn und Jtalien haben zwar die Presse noch nicht verlassen, aber Folgendes ist bereits davon ins Publicum gedrungen. Ungarn wird in Districte — nach Einigen in fünf, nach Anderen in zehn — getheilt, diese Districte werden unter einem Civil= und Mili- tärgouverneur stehen, welche Gouverneure insgesammt wieder in Civilangelegenheiten dem Baron Gehringer, in Militärangele- genheiten dem Baron Haynau untergeordnet seyn werden. Diese beiden obersten Gouverneurs werden in Einklang mit einander vorzugehen haben. Jtalien wird in zwei Provinzen, Venedig und die Lombarbei, eingetheilt, welche unter einzelnen Gou- verneuren stehen. Diese Gouverneure stehen unter dem Statthal- ter Grafen Radetzky. Von einem Landtage und Vertretung dieser Provinzen ist vor der Hand keine Rede. Die Executionen sind ein für allemal vom Kai- ser suspendirt. Die in Ungarn aufgefundenen Actenstücke haben auch hier so mancher in diesen Tagen eingeleiteten Unter- suchung zur Grundlage gedient. München 16. October. ( A. Z. ) Die bereits mehrfach in den Zeitungen zur Frage gekommene Nachricht von der Zurückhaltung der jüngsten für Bayern fällig gewordenen Zollvereins=Ein- nahmen=Rate in Berlin ist zwar nicht ganz ungegründet, die Zu- rückhaltung scheint aber, soviel ich vernehmen konnte, vorerst nur angedeutet worden zu seyn. Wäre wirklich ein derartiger offi- cieller Act geschehen, so wurde dieser meines Erachtens in ganz Bayern gegen Preußen ebenso sehr erbittern, als er nach juristi- schen Begriffen unerklärlich wäre, da Ersatzforderungen wegen des Einmarsches der preußischen Truppen in die Pfalz noch nicht einmal angemeldet seyn sollen, viel weniger also liquid sind. Von der oberen Donau 15. October. ( A. Z. ) Wie mit gro- ßer Bestimmtheit versichert wird, sollen dermalen schon sehr weit gediehene Verhandlungen zwischen den betreffenden Regierungen stattfinden, um einen Theil der württembergischen Be- satzung von Ulm durch österreichische Truppen zu ersetzen, und demzufolge einige Jnfanteriebataillone und meh- rere mobile Batterien von den in Vorarlberg gesammelten Trup- pen dorthin zu verlegen. Abgesehen von politischen nahe liegenden Motiven, die es Oesterreich wünschenswerth machen müssen, sich auch an der Ulmer Friedensgarnison mit mehr als einigen hun- dert nur zum Festungsdienste bestimmten Artilleristen zu betheili- gen, dürfte eine solche Abänderung der seitherigen Bestimmungen ganz im Jnteresse des württembergischen Militärbudgets liegen, weil die Besetzung der fertigen Werke und der Schutz des vor- handenen bedeutenden Materials schon jetzt einen weit größeren 1) Es ist ein oft wiederholtes Wort von E. v. Schwarzer, daß bei dem nächsten europäischen Krieg Trieste zuerst von den Engländern an- gegriffen werden würde.

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Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 249. Mainz, 19. Oktober 1849, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal249_1849/2>, abgerufen am 21.11.2024.