Mainzer Journal. Nr. 249. Mainz, 19. Oktober 1849.[Beginn Spaltensatz]
Präsentstand der württembergischen Truppen erfordern, als in Fulda 18. October. Es ist heute ein überaus schöner Mannheim 18. October. ( O. P. A. Z. ) Die gestrigen Stand der Brechruhrepidemie. Am 16. October: Zugang 2 Aus der Wetterau 17. October. Noch im Laufe dieses Mainz 19. October. Heute vor acht Tagen standen die Frankfurt 18. October. Wie wir hören, hat der geheime [Beginn Spaltensatz]
Präsentstand der württembergischen Truppen erfordern, als in Fulda 18. October. Es ist heute ein überaus schöner Mannheim 18. October. ( O. P. A. Z. ) Die gestrigen Stand der Brechruhrepidemie. Am 16. October: Zugang 2 Aus der Wetterau 17. October. Noch im Laufe dieses Mainz 19. October. Heute vor acht Tagen standen die ♂ Frankfurt 18. October. Wie wir hören, hat der geheime <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <p><pb facs="#f0003"/><cb type="start"/> Präsentstand der württembergischen Truppen erfordern, als in<lb/> jenem Budget für die Wintermonate in ruhigen Zeiten vorgese-<lb/> hen, und wie ein solcher in den anderen württembergischen Gar-<lb/> nisonen dermalen fast schon überall eingetreten ist. Noch mehr<lb/> würde sich dieser Uebelstand bemerklich machen, wenn Württem-<lb/> berg erst den vollen Präsentstand seiner Ulmer Besatzung — mehr<lb/> als 3000 Mann — aufstellen müßte. Durch einen Vertrag mit<lb/> Oesterreich würde es auch möglich werden in Oberschwaben, z. B.<lb/> in Ravensburg <choice><abbr>ec.</abbr></choice> Garnisonen aufzustellen, deren seitheriger<lb/> Mangel an den dortigen verschiedenen Grenzen sich bei den Un-<lb/> ruhen der neueren Zeit sehr fühlbar gemacht hat.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>Fulda 18. October. Es ist heute ein überaus schöner<lb/> Herbsttag, dieser Jahrestag der Völkerschlacht von Leipzig, und<lb/> in den Straßen unserer Stadt herrscht ein überaus kriegerisches<lb/> Leben und Treiben. Nicht als ob das Andenken an den Sieg der<lb/> Verbündeten gefeiert würde, nein, heute ist zum ersten Male große<lb/> Jnspection der gesammten Bürgerwehr durch unseren Stadtcom-<lb/> mandanten Obersten <hi rendition="#g">Kroeschell</hi> und den Bezirksdirector Herrn<lb/><hi rendition="#g">Rang.</hi> Auf den Dörfern rings um die Stadt aber liegt zahl-<lb/> reiche preußische Cavallerie und Artillerie einquartirt, in der<lb/> Stadt selbst liegt ein Bataillon 35er, alle diese Truppen kehren<lb/> aus Baden in die Heimath <gap reason="illegible" unit="chars" quantity="6"/>zurück. Außerdem aber wird heute<lb/> einer unserer besuchtesten Viehmärkte abgehalten, so daß ein reges<lb/> Treiben überall herrscht. Die Haltung und Equipirung unserer<lb/> Bürgerwehrmannschaft ließ nichts zu wünschen übrig und hat<lb/> sich gegen frühere Zeiten nur zu ihrem größten Vortheile verän-<lb/> dert. — Am verflossenen Montage hielt der hiesige Anwalt Herr<lb/><hi rendition="#g">Wilhelm</hi> die Vertheidigungsrede eines des wiederholten Ge-<lb/> treidediebstahles angeschuldigten Landmannes aus Großenlüder.<lb/> Das Local der Assisen war von Zuhörern überfüllt, jeder wollte<lb/> den Vertheidiger hören, der zu den gesuchtesten Anwälten unserer<lb/> Provinz gehört, in jüngeren Jahren aber in der nächsten Um-<lb/> gebung des preußischen Staatskanzlers Fürst Hardenberg sich<lb/> befand und längere Zeit in Paris verweilte. Herr Wilhelm eröff-<lb/> nete seine Rede mit dem Sprüchworte: <hi rendition="#g">Die Nürnberger<lb/> hängen Keinen, sie hätten ihn denn zuvor!</hi> und sprach<lb/> dann drei volle Stunden ohne Unterbrechung, mit wahrer Mei-<lb/> sterschaft die einzelnen Anklagepunkte widerlegend. Rauschender<lb/> Beifall folgte der Rede von Seiten des Publicums, die Ge-<lb/> schworenen aber sprachen den Angeklagten nur für <hi rendition="#g">schuldig</hi> in<lb/> einem Falle, wofür er mit sechs Monaten Zuchthaus bestraft<lb/> wurde, von den anderen Beschuldigungen wurde er durchaus frei<lb/> gesprochen. — Unser Kriegsminister Major <hi rendition="#g">Bödicker</hi> hat einen<lb/> mehrwöchentlichen Urlaub genommen, es sollen zwischen ihm und<lb/> dem Kurfürsten nicht unbedeutende Differenzen herrschen, Se.<lb/> königl. Hoheit wünschen <hi rendition="#g">rothe</hi> Leibhusaren statt der bisherigen<lb/> blauen, und diesem Wunsche ist der Kriegsminister entschieden ab-<lb/> geneigt!</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>Mannheim 18. October. ( O. P. A. Z. ) Die gestrigen<lb/> standrechtlichen Verhandlungen über Hauptmann Joseph <hi rendition="#g">Rup-<lb/> pert,</hi> vom 3. badischen Jnfanterieregimente, welche bis Mitter-<lb/> nacht dauerten, hatten ein überraschendes Ergebniß. Der Ver-<lb/> theidiger des Angeklagten, <hi rendition="#aq">Dr</hi>. v. Engelberg, wußte nämlich in<lb/> seiner Vertheidigungsrede darzuthun, daß das Amnestiegesetz des<lb/> Großherzogs von Baden vom 2. Juni d. J. erst den 10. Juni<lb/> in Baden bekannt geworden seyn könne, daß somit der Angeklagte,<lb/> der den 12. sich schon den Hessen überliefert habe, so bald ihm<lb/> Gelegenheit geworden, von der provisorischen Regierung sich ab-<lb/> gewendet habe, weshalb er der in dem Amnestiegesetze vom<lb/> 2. Juni enthaltenen Vortheile theilhaftig sey. Das Standgericht<lb/> sprach sich am Schlusse der Verhandlungen mit 4 Stimmen<lb/> gegen 2 dahin aus: „es sey das Amnestiegesetz vom 2. Juni d. J.<lb/> auf den Angeklagten anwendbar und er somit freizusprechen.“<lb/> Der Enthusiasmus, mit dem dieser Urtheilsspruch von dem<lb/> überaus zahlreichen Publicum aufgenommen wurde, war um so<lb/> größer, als der Antrag des Staatsanwaltes auf Todesstrafe ge-<lb/> lautet hatte.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>Stand der Brechruhrepidemie. Am 16. October: Zugang 2<lb/> — genesen 6 — gestorben 3.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>Aus der Wetterau 17. October. Noch im Laufe dieses<lb/> Monates werden <hi rendition="#g">in Gießen</hi> die Assisen beginnen. Es sollen<lb/> manche interessante Criminalfälle, auch mehrere politische Ver-<lb/> gehen zur Aburtheilung kommen. Den Reigen davon eröffnet der<lb/> Candidat <hi rendition="#g">Scriba,</hi> der, wie Jhnen bekannt, einstens bei uns<lb/> als Redacteur des „Wetterauer Volksblattes“ florirte. Er ist des<lb/> Hochverrathes angeklagt, dessen er sich durch mehrere in seinem<lb/> Blatte veröffentlichte Artikel schuldig gemacht haben soll. Der<lb/> von der demokratischen Partei in und um Darmstadt zum Candi-<lb/> daten für den nächsten Landtag in Aussicht genommene Hofge-<lb/> richtsadvocat <hi rendition="#g">Metz</hi> aus der Residenzstadt soll seine Vertheidigung<lb/> übernommen haben. Ferner wird vor den Schranken erscheinen<lb/><cb n="2"/> Gymnasiallehrer <hi rendition="#g">Gambs</hi> aus Büdingen, ehemaliger Redacteur<lb/> des dortigen „Wochenblattes,“ wegen Preßvergehen, und Vogts<lb/> Busenfreund <hi rendition="#g">August Becker,</hi> dermalen in Gießen, der<lb/> außer vielem Anderen dieses Mal auch wegen beleidigter<lb/> Amts= und Dienstehre angeklagt ist. Die demokratische Partei<lb/> lebt übrigens der gewissesten Hoffnung, daß alle diese ihre<lb/> Chorführer von den Geschworenen unfehlbar freigesprochen<lb/> werden. — Es ging dieser Tage das Gerede, daß man<lb/> die ganze Eisenbahnstrecke von Friedberg bis Frankfurt probe-<lb/> weise schon befahren könne; wie ich indessen höre, ist dieses noch<lb/> nicht möglich, weil die Bahn sich an einigen Orten sehr gesenkt<lb/> hat und die Kurhessen in der Nähe von Frankfurt noch etwa vier-<lb/> zehn Tage zu arbeiten haben. — Zu Anfang dieser Woche ward<lb/><hi rendition="#g">in Friedberg</hi> das Wintersemester des dortigen Predigersemi-<lb/> nars eröffnet; es wurden zwölf von Gießen gekommene Candi-<lb/> daten in dasselbe aufgenommen. Auch fand die Einführung des<lb/> neuen Stadtpfarrers <hi rendition="#g">Sell</hi> als dritter Lehrer der Anstalt statt.<lb/> Am letzten Sonntage hielt derselbe in der Pfarrkirche seine An-<lb/> trittspredigt. Sell soll, wie seine zwei anderen Collegen, der<lb/> gläubigen Richtung angehören.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p><choice><abbr>sym34</abbr></choice> Mainz 19. October. Heute vor acht Tagen standen die<lb/> Mitglieder des demokratischen Vereines Christian <hi rendition="#g">Lothari,</hi><lb/> Bauunternehmer, <hi rendition="#aq">Dr</hi>. <hi rendition="#g">Strecker,</hi> Fabrikant <hi rendition="#g">Scholz,</hi> Advocat<lb/><hi rendition="#g">Müller</hi> und Gutsbesitzer <hi rendition="#g">Werner</hi> vou Gaubischofsheim vor<lb/> dem hiesigen Kreis= als Strafgerichte. Dieselben hatten nämlich<lb/> in einem gedruckten Placate am 7. Juni d. J. die Wahlmänner<lb/> des Wahlbezirkes Mainz zur Wahl eines Abgeordneten zur s. g.<lb/> deutschen Nationalversammlung zu Stuttgart an die Stelle des<lb/> schon längst ausgetretenen <hi rendition="#aq">Dr</hi>. <hi rendition="#g">Zitz</hi> aufgefordert, da unsere Re-<lb/> gierung zu einer solchen Wahl keine Veranstaltungen treffe und<lb/> das deutsche Volk in einem solchen Falle das zur Ausübung seiner<lb/> Rechte Nöthige selbst veranlassen müsse. Die genannten „Bürger“<lb/> hatten zu dem Zwecke zu einer Versammlung der Wähler im<lb/> Frankfurter Hofe dahier und zur Vornahme einer neuen Wahl<lb/> am 12. Juni d. J. eingeladen, die Wahl an diesem Tage auch<lb/> ins Werk gesetzt, eine eigene Commission dafür durch die er-<lb/> schienenen Wahlmänner bezeichnen lassen und so die Wahl des<lb/> bekannten <hi rendition="#aq">Dr</hi>. <hi rendition="#g">Bamberger</hi> seligen Andenkens, damaligen<lb/> Chefs der rheinhessischen Freischaaren in Kirchheim=Bolanden,<lb/> als würdigen Collegen des edlen Vogt, Schüler, Simon von<lb/> Trier und wie die Herren weiter heißen, herbeigeführt. Wiewohl<lb/> die genannten Koryphäen der hiesigen Demokraten vor solchen<lb/> Schritten, wodurch sie sich die Befugnisse der Staatsregierung<lb/> und die Functionen des von dem Ministerium zu bezeichnenden<lb/> Wahlcommissäres anmaßten, im Auftrage der Staatsregierung<lb/> noch besonders verwarnt worden waren, hatten sie sich doch zu<lb/> dieser ungesetzlichen Handlungsweise verleiten lassen. Jm Hin-<lb/> blicke auf das Gesetz vom 19. April v. J., sowie auf das Straf-<lb/> gesetzbuch Art. 191., konnte daher eine Verurtheilung derselben,<lb/> wegen unbefugter Ausübung eines ihnen nicht übertragenen Am-<lb/> tes und einer ihnen nicht zustehenden Berechtigung keinen Augen-<lb/> blick zweifelhaft seyn und diese hat denn auch das hiesige Kreis-<lb/> gericht heute ausgesprochen, indem es sämmtliche Beschuldigte<lb/> zu einer Geldbuße verurtheilte.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>♂ Frankfurt 18. October. Wie wir hören, hat der geheime<lb/> Rath <hi rendition="#g">Vahlkampf</hi> jetzt die obere Leitung der „ Oberpostamts-<lb/> zeitung “ übernommen. — Durch Eröffnung des Betriebes auf<lb/> der Zwischenbahn zwischen Sachsenhausen und hier, die heute<lb/> stattfand, ist <hi rendition="#g">Offenbach</hi> mit Frankfurt, Darmstadt, Mannheim,<lb/> Heidelberg und Mainz in directe Verbindung gesetzt. — Als ein<lb/> Zeichen des hier herrschenden Geistes, bitte ich Sie <hi rendition="#g">die Motto's</hi><lb/> zu beachten, welche als Beigaben zu den Geldspenden für die<lb/> badischen Flüchtlinge in der Schweiz vom „Frankfurter Journal“<lb/> veröffentlicht werden. Da heißt es unter Anderem: „Die Ein-<lb/> heit Deutschlands muß herausgeklopft werden, 6 kr.; möge sich<lb/> bald eine zweite Judith finden, 6 kr.; der Teufel holt Euch doch,<lb/> 24 kr.; Es wird ein Tag seyn, da die Höhen wanken, Da Fürsten<lb/> mit verhüllten Kronen knieen, Da blut'ge Schwerter Nachts am<lb/> Himmel ziehen, Da krachend, splitternd brechen alle Schranken,<lb/> 3 fl. 12 kr.; als das Volk schlecht wurde, wählte es sich einen<lb/> König, 6 kr.; Dreiunddreißig ab, der Demokratie 'ne Kapp, 6 kr.;<lb/> als die Frösche nach einem Könige schrieen, schickte Jupiter ihnen<lb/> einen Storch, 6 kr.; Hurrah! jetzt sind wir dicke durch, Zum<lb/> Dreikönigsbund ist getreten Bückeburg, 12 kr.; wer zuletzt lacht,<lb/> lacht am Besten, 18 kr.; von C. mit dem Motto: Marschall Ney<lb/> starb durch einen politischen Mord — später empfand es Karl <hi rendition="#aq">X.</hi><lb/> — Möge es für <hi rendition="#g">Andere</hi> ein <hi rendition="#g">Beispiel</hi> seyn! 1 fl. u. s. w.<lb/> Solche Dinge sind belehrender als mancher leitende Artikel! Ob<lb/> das Verfahren originell ist, weiß ich nicht, wenigstens veröffent-<lb/> licht ein demokratisch=socialistisches Blatt zu Bordeaux eine ähn-<lb/> liche Liste von Subscriptionen zur Förderung des Erfolges der<lb/><cb type="end"/> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0003]
Präsentstand der württembergischen Truppen erfordern, als in
jenem Budget für die Wintermonate in ruhigen Zeiten vorgese-
hen, und wie ein solcher in den anderen württembergischen Gar-
nisonen dermalen fast schon überall eingetreten ist. Noch mehr
würde sich dieser Uebelstand bemerklich machen, wenn Württem-
berg erst den vollen Präsentstand seiner Ulmer Besatzung — mehr
als 3000 Mann — aufstellen müßte. Durch einen Vertrag mit
Oesterreich würde es auch möglich werden in Oberschwaben, z. B.
in Ravensburg Garnisonen aufzustellen, deren seitheriger
Mangel an den dortigen verschiedenen Grenzen sich bei den Un-
ruhen der neueren Zeit sehr fühlbar gemacht hat.
Fulda 18. October. Es ist heute ein überaus schöner
Herbsttag, dieser Jahrestag der Völkerschlacht von Leipzig, und
in den Straßen unserer Stadt herrscht ein überaus kriegerisches
Leben und Treiben. Nicht als ob das Andenken an den Sieg der
Verbündeten gefeiert würde, nein, heute ist zum ersten Male große
Jnspection der gesammten Bürgerwehr durch unseren Stadtcom-
mandanten Obersten Kroeschell und den Bezirksdirector Herrn
Rang. Auf den Dörfern rings um die Stadt aber liegt zahl-
reiche preußische Cavallerie und Artillerie einquartirt, in der
Stadt selbst liegt ein Bataillon 35er, alle diese Truppen kehren
aus Baden in die Heimath ______zurück. Außerdem aber wird heute
einer unserer besuchtesten Viehmärkte abgehalten, so daß ein reges
Treiben überall herrscht. Die Haltung und Equipirung unserer
Bürgerwehrmannschaft ließ nichts zu wünschen übrig und hat
sich gegen frühere Zeiten nur zu ihrem größten Vortheile verän-
dert. — Am verflossenen Montage hielt der hiesige Anwalt Herr
Wilhelm die Vertheidigungsrede eines des wiederholten Ge-
treidediebstahles angeschuldigten Landmannes aus Großenlüder.
Das Local der Assisen war von Zuhörern überfüllt, jeder wollte
den Vertheidiger hören, der zu den gesuchtesten Anwälten unserer
Provinz gehört, in jüngeren Jahren aber in der nächsten Um-
gebung des preußischen Staatskanzlers Fürst Hardenberg sich
befand und längere Zeit in Paris verweilte. Herr Wilhelm eröff-
nete seine Rede mit dem Sprüchworte: Die Nürnberger
hängen Keinen, sie hätten ihn denn zuvor! und sprach
dann drei volle Stunden ohne Unterbrechung, mit wahrer Mei-
sterschaft die einzelnen Anklagepunkte widerlegend. Rauschender
Beifall folgte der Rede von Seiten des Publicums, die Ge-
schworenen aber sprachen den Angeklagten nur für schuldig in
einem Falle, wofür er mit sechs Monaten Zuchthaus bestraft
wurde, von den anderen Beschuldigungen wurde er durchaus frei
gesprochen. — Unser Kriegsminister Major Bödicker hat einen
mehrwöchentlichen Urlaub genommen, es sollen zwischen ihm und
dem Kurfürsten nicht unbedeutende Differenzen herrschen, Se.
königl. Hoheit wünschen rothe Leibhusaren statt der bisherigen
blauen, und diesem Wunsche ist der Kriegsminister entschieden ab-
geneigt!
Mannheim 18. October. ( O. P. A. Z. ) Die gestrigen
standrechtlichen Verhandlungen über Hauptmann Joseph Rup-
pert, vom 3. badischen Jnfanterieregimente, welche bis Mitter-
nacht dauerten, hatten ein überraschendes Ergebniß. Der Ver-
theidiger des Angeklagten, Dr. v. Engelberg, wußte nämlich in
seiner Vertheidigungsrede darzuthun, daß das Amnestiegesetz des
Großherzogs von Baden vom 2. Juni d. J. erst den 10. Juni
in Baden bekannt geworden seyn könne, daß somit der Angeklagte,
der den 12. sich schon den Hessen überliefert habe, so bald ihm
Gelegenheit geworden, von der provisorischen Regierung sich ab-
gewendet habe, weshalb er der in dem Amnestiegesetze vom
2. Juni enthaltenen Vortheile theilhaftig sey. Das Standgericht
sprach sich am Schlusse der Verhandlungen mit 4 Stimmen
gegen 2 dahin aus: „es sey das Amnestiegesetz vom 2. Juni d. J.
auf den Angeklagten anwendbar und er somit freizusprechen.“
Der Enthusiasmus, mit dem dieser Urtheilsspruch von dem
überaus zahlreichen Publicum aufgenommen wurde, war um so
größer, als der Antrag des Staatsanwaltes auf Todesstrafe ge-
lautet hatte.
Stand der Brechruhrepidemie. Am 16. October: Zugang 2
— genesen 6 — gestorben 3.
Aus der Wetterau 17. October. Noch im Laufe dieses
Monates werden in Gießen die Assisen beginnen. Es sollen
manche interessante Criminalfälle, auch mehrere politische Ver-
gehen zur Aburtheilung kommen. Den Reigen davon eröffnet der
Candidat Scriba, der, wie Jhnen bekannt, einstens bei uns
als Redacteur des „Wetterauer Volksblattes“ florirte. Er ist des
Hochverrathes angeklagt, dessen er sich durch mehrere in seinem
Blatte veröffentlichte Artikel schuldig gemacht haben soll. Der
von der demokratischen Partei in und um Darmstadt zum Candi-
daten für den nächsten Landtag in Aussicht genommene Hofge-
richtsadvocat Metz aus der Residenzstadt soll seine Vertheidigung
übernommen haben. Ferner wird vor den Schranken erscheinen
Gymnasiallehrer Gambs aus Büdingen, ehemaliger Redacteur
des dortigen „Wochenblattes,“ wegen Preßvergehen, und Vogts
Busenfreund August Becker, dermalen in Gießen, der
außer vielem Anderen dieses Mal auch wegen beleidigter
Amts= und Dienstehre angeklagt ist. Die demokratische Partei
lebt übrigens der gewissesten Hoffnung, daß alle diese ihre
Chorführer von den Geschworenen unfehlbar freigesprochen
werden. — Es ging dieser Tage das Gerede, daß man
die ganze Eisenbahnstrecke von Friedberg bis Frankfurt probe-
weise schon befahren könne; wie ich indessen höre, ist dieses noch
nicht möglich, weil die Bahn sich an einigen Orten sehr gesenkt
hat und die Kurhessen in der Nähe von Frankfurt noch etwa vier-
zehn Tage zu arbeiten haben. — Zu Anfang dieser Woche ward
in Friedberg das Wintersemester des dortigen Predigersemi-
nars eröffnet; es wurden zwölf von Gießen gekommene Candi-
daten in dasselbe aufgenommen. Auch fand die Einführung des
neuen Stadtpfarrers Sell als dritter Lehrer der Anstalt statt.
Am letzten Sonntage hielt derselbe in der Pfarrkirche seine An-
trittspredigt. Sell soll, wie seine zwei anderen Collegen, der
gläubigen Richtung angehören.
Mainz 19. October. Heute vor acht Tagen standen die
Mitglieder des demokratischen Vereines Christian Lothari,
Bauunternehmer, Dr. Strecker, Fabrikant Scholz, Advocat
Müller und Gutsbesitzer Werner vou Gaubischofsheim vor
dem hiesigen Kreis= als Strafgerichte. Dieselben hatten nämlich
in einem gedruckten Placate am 7. Juni d. J. die Wahlmänner
des Wahlbezirkes Mainz zur Wahl eines Abgeordneten zur s. g.
deutschen Nationalversammlung zu Stuttgart an die Stelle des
schon längst ausgetretenen Dr. Zitz aufgefordert, da unsere Re-
gierung zu einer solchen Wahl keine Veranstaltungen treffe und
das deutsche Volk in einem solchen Falle das zur Ausübung seiner
Rechte Nöthige selbst veranlassen müsse. Die genannten „Bürger“
hatten zu dem Zwecke zu einer Versammlung der Wähler im
Frankfurter Hofe dahier und zur Vornahme einer neuen Wahl
am 12. Juni d. J. eingeladen, die Wahl an diesem Tage auch
ins Werk gesetzt, eine eigene Commission dafür durch die er-
schienenen Wahlmänner bezeichnen lassen und so die Wahl des
bekannten Dr. Bamberger seligen Andenkens, damaligen
Chefs der rheinhessischen Freischaaren in Kirchheim=Bolanden,
als würdigen Collegen des edlen Vogt, Schüler, Simon von
Trier und wie die Herren weiter heißen, herbeigeführt. Wiewohl
die genannten Koryphäen der hiesigen Demokraten vor solchen
Schritten, wodurch sie sich die Befugnisse der Staatsregierung
und die Functionen des von dem Ministerium zu bezeichnenden
Wahlcommissäres anmaßten, im Auftrage der Staatsregierung
noch besonders verwarnt worden waren, hatten sie sich doch zu
dieser ungesetzlichen Handlungsweise verleiten lassen. Jm Hin-
blicke auf das Gesetz vom 19. April v. J., sowie auf das Straf-
gesetzbuch Art. 191., konnte daher eine Verurtheilung derselben,
wegen unbefugter Ausübung eines ihnen nicht übertragenen Am-
tes und einer ihnen nicht zustehenden Berechtigung keinen Augen-
blick zweifelhaft seyn und diese hat denn auch das hiesige Kreis-
gericht heute ausgesprochen, indem es sämmtliche Beschuldigte
zu einer Geldbuße verurtheilte.
♂ Frankfurt 18. October. Wie wir hören, hat der geheime
Rath Vahlkampf jetzt die obere Leitung der „ Oberpostamts-
zeitung “ übernommen. — Durch Eröffnung des Betriebes auf
der Zwischenbahn zwischen Sachsenhausen und hier, die heute
stattfand, ist Offenbach mit Frankfurt, Darmstadt, Mannheim,
Heidelberg und Mainz in directe Verbindung gesetzt. — Als ein
Zeichen des hier herrschenden Geistes, bitte ich Sie die Motto's
zu beachten, welche als Beigaben zu den Geldspenden für die
badischen Flüchtlinge in der Schweiz vom „Frankfurter Journal“
veröffentlicht werden. Da heißt es unter Anderem: „Die Ein-
heit Deutschlands muß herausgeklopft werden, 6 kr.; möge sich
bald eine zweite Judith finden, 6 kr.; der Teufel holt Euch doch,
24 kr.; Es wird ein Tag seyn, da die Höhen wanken, Da Fürsten
mit verhüllten Kronen knieen, Da blut'ge Schwerter Nachts am
Himmel ziehen, Da krachend, splitternd brechen alle Schranken,
3 fl. 12 kr.; als das Volk schlecht wurde, wählte es sich einen
König, 6 kr.; Dreiunddreißig ab, der Demokratie 'ne Kapp, 6 kr.;
als die Frösche nach einem Könige schrieen, schickte Jupiter ihnen
einen Storch, 6 kr.; Hurrah! jetzt sind wir dicke durch, Zum
Dreikönigsbund ist getreten Bückeburg, 12 kr.; wer zuletzt lacht,
lacht am Besten, 18 kr.; von C. mit dem Motto: Marschall Ney
starb durch einen politischen Mord — später empfand es Karl X.
— Möge es für Andere ein Beispiel seyn! 1 fl. u. s. w.
Solche Dinge sind belehrender als mancher leitende Artikel! Ob
das Verfahren originell ist, weiß ich nicht, wenigstens veröffent-
licht ein demokratisch=socialistisches Blatt zu Bordeaux eine ähn-
liche Liste von Subscriptionen zur Förderung des Erfolges der
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