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Mainzer Journal. Nr. 251. Mainz, 22. Oktober 1849.

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[Beginn Spaltensatz] anderer Verfassungsentwurf in Verbindung mit mehreren anderen
Staaten vorgelegt worden. Schon damals, als das Verfas-
sungswerk vollendet war, da sagte ich mir: Jn der Lage, in
welcher sich das Volk befindet, bei der gänzlichen Hoffnungslosig-
keit, auf Das zurückzukommen, was von der Nationalversamm-
lung beschlossen ward, da halte ich es für Pflicht, Das nicht zu-
rückzuweisen, was in dem Vorschlage der drei Regierungen vom
26. Mai geboten wird. Wenn das zur Ausführung kommt, so
ist es ein großer Fortschritt und bei der ungeheuren Schwierigkeit
zu dem Ziele, was wir erstreben, zu gelangen, wollen wir lieber
diesen Gang thun, als an Dem festhalten, was ich nicht für durch-
führbar hielt. Denn wenn ich auch vorhin die Meinung ausge-
sprochen habe, es wäre besser gewesen die von der Nationalver-
sammlung beschlossene Verfassung wäre angenommen und durch-
geführt worden und, wenn es sofort geschehen wäre, würden
dabei keine wesentlichen Jnteressen verletzt worden seyn, so sage
ich doch auch, wenn es jetzt zur Frage stände: Wollen wir die
von der Nationalversammlung beschlossene Verfassung durch-
führen, oder aber den Vorschlag vom 26. Juni? -- Wie die
Sachen jetzt stehen, nachdem aller Enthusiasmus geschwunden, so
viele schlimme Leidenschaften aufgeweckt, nachdem der Nihilismus
sich breit macht, bei den drohenden Zerwürfnissen, welche selbst
unter den Regierungen auszubrechen drohen, jetzt würde ich
es für ein sehr gewagtes Unternehmen halten die
Reichsverfassung durchführen zu wollen. Nach
dem damaligen Reichswahlgesetze
würden wir jetzt
eine Reichsversammlung bekommen, mit der Nie-
mand zurecht kommen könnte.

Derjenige Theil der Vorschläge vom 26. Juni, welcher am
meisten Anstoß findet, sind die Bestimmungen über einen Fürsten-
rath. Die Vorschläge des Verfassungsausschusses der National-
versammlung hatten eine ähnliche Einrichtung: den Reichsrath.
Diese Bestimmung wurde aber über Bord geworfen bei der end-
lichen Abstimmung über die Verfassung. Meine Herren, ich habe
das zwar im Wesentlichen nicht beklagt, ich habe mich mit den
Bestimmungen des Vorschlages des Verfassungsausschusses über
den Reichsrath niemals zufrieden erklärt denn ich gehe davon
aus, daß man keine Jnstitution schaffen soll, die an sich nichtig ist.
Wenn Sie Jemand zu einer Wirksamkeit berufen und sagen ihm
gleich dabei: du magst beschließen was du willst, wir thun doch
was uns beliebt, so machen Sie ihn entweder zu einem blosen
Jaherrn, oder Sie zwingen ihn zur Usurpation. Die Geschichte
unserer deutschen Landtage lehrt dies nur zu deutlich. Wollen Sie
die höchste Gewalt so beschränken, daß nichts an der Gewalt
bleibt, so fordern Sie zur Usurpation auf. Darum mußte man
dem Reichsrathe, wie ihn die Nationalversammlung geschlossen,
einen Jnhalt, eine Wirksamkeit geben. Diesen Jnhalt hat man
ihm nicht gegeben, sondern er sollte nur um Rath gefragt wer-
den. Das war eine unwürdige Stellung, deswegen war es ganz
recht, daß der Reichsrath verworfen wurde, weil ich ihn so nicht
für zweckmäßig hielt. Jch hätte ihn aber für der Entwickelung
fähig gehalten. Darum ist die Verwerfung der Form noch nicht
recht, weil damit zugleich die letzte Rücksicht den Particularinte-
ressen gegenüber verworfen wurde. Es wäre nützlich gewesen ihm
eine ähnliche Stellung anzuweisen, wie dem Senate der Vereinig-
ten Staaten, welcher gewisse Regierungshandlungen des Präsi-
denten zu genehmigen hat, wie die Ernennung von Gesandten
und anderen Beamten des Gesammtstaates, und dies wäre ein
Mittel, durch welches man z. B. Bayerns Anforderungen auf
selbstthättgen Antheil an der Reichsregierung in gewissen Gren-
zen befriedigen könnte.

Der Redner erörterte dann die Gefahr, welche das Ueberge-
wicht Preußens nach Oesterreichs Ausscheiden für die kleine-
ren deutschen Staaten allerdings mit sich führen
könne.
Allein das nöthige Gleichgewicht, meinte er, werde sich
finden, wenn alle übrigen deutschen Staaten den Reichstag be-
schicken würden. Auch dürfe man nicht annehmen, daß alle preu-
ßischen Abgeordneten immer preußisch stimmen würden. Die preu-
ßische Monarchie sey keine so compacte Masse, daß nicht in ein-
zelnen Theilen im Rheinland, in Schlesien, in Sachsen, die Ab-
neigung gegen Das, was er kurzweg "preußische Bureaukratie"
nennen wolle, völlig eben so groß wäre wie nur in Hannover
oder Württemberg.

Herr v. Gagern entschuldigte sich nach diesen politischen Aus-
führungen, daß er die Grenzen einer Tischrede so weit überschrit-
ten habe, aber es sey ihm ein Bedürfniß gewesen auf die freund-
liche Begrüßung, die ihm geworden, mit aller Offenheit, deren er
sich gern rühme, mit einer solchen Rechenschaftsablage zu ant-
worten. Die hohe Auszeichnung, welche der geehrte Vorredner
ihm zugedacht habe, lehne er von sich ab, nicht aus falscher Be-
scheidenheit, sondern in voller Erkenntniß, daß sie nicht verdient
[Spaltenumbruch] sey. "Der Staatsmann, welchen mein geehrter Freund geschildert
hat, der Staatsmann, welcher nach tief durchdachtem Plane die
Geschicke eines Volkes regelt, bin ich nicht. Die meisten politischen
Ereignisse hängen an schwachen Fäden des Zufalles und gehen oft
da, wo sie am tiefsten durchdacht sind, in den Sand. So nehme
ich es auch nicht für mich in Anspruch tief durchdachte Pläne für
Deutschland verfolgt zu haben, sondern ich nehme nur Das für
mich in Anspruch, daß ich Dem, was die Besten der Nation ( so weit
meine Erkenntniß reicht ) erstrebt haben, seit Jahrzehenden das Wort
geliehen, den Ausdruck gegeben habe. Der Hoffnung, welche frei-
lich in diesen Tagen wieder sehr getrübt worden ist, der Hoffnung,
daß die Wünsche und Bestrebungen dieser Besten der Nation doch
noch zum glücklichen Ziele gedeihen werden, schließen sich gewiß
alle Diejenigen an, welche in diesem Kreise versammelt sind, und so
bringe ich denn zum Schlusse, indem ich für die wahrlich bewun-
dernswerthe Geduld, mit der Sie meinem langen Gespräche zuge-
hört haben, danke, ein Hoch aus auf die Größe, auf die Kraft
und Wohlfahrt unseres Vaterlandes!"

Die auf diese Rede folgenden Trinksprüche müssen wir noch
kurz anführen. Sie waren folgende: Herr J. A. Dröge: "Dem
Staatsrath Mathy, dem neumodige Republikaner manches Pereat
zugerufen, ein Vivat alter praktischer Republikaner!" -- Herr
Mathy antwortete mit der Phrase: "Dem wahren Oberhaupte
des deutschen Reiches, dem deutschen Geiste! " -- Herr v.
Gagern: "Dem Gründer Bremerhavens, dem abwesenden
Bürgermeister Smidt!" -- Herr Dr. S. H. Tidemann: "Dem
Begründer der deutschen Marine, Senator Duckwitz!" -- Herr
Senator Duckwitz: "Der deutschen Flotte und dem anwesenden
Marinesecretär Kerst!" -- Herr Kerst: "Dem älteren Bruder
der Marine, dem deutschen Landheere!" -- Herr Aeltermann
Delius: "Dem Nestor der deutschen Diplomatie, dem Vater
Gagerns!" -- Herr v. Gagern: "Den Frauen Bremens!"



Deutschland.

Wien 18. October. Baron Haynau dürfte schwerlich wieder
auf seinen früheren Posten zurückkehren -- er wird, wie man sagt
an die Stelle des Baron Welden zum Civil= und Militärgouver-
neur der Steiermark ernannt werden. -- Das Finanzministerium
weist heute das Erträgniß des freiwilligen Anlehens mit 71 Mil-
lionen aus. Es werden sonach alle Jene, welche subscribirten,
den vollen Ertrag der Subscription erhalten und die Monate
zur vollen Einzahlung werden von 10 auf 20 vermehrt werden.
Jn einer geheimen Sitzung der Nationalbank wurde heute Vor-
mittag beschlossen, den Rest des Anlehens aus dem Fond vorzu-
strecken. -- Der ehemalige Präsident der kaiserlichen Akademie
der Wissenschaften [ v. Hammer ] hat durch einen in der A. A. Z.
eingerückten Artikel gegen einen Correspondenten dieser Zeitung --
welcher zugleich Actuar der kaiserlichen Akademie ist -- die ganze
Akademie im höchsten Grade gegen sich aufgebracht. Jn diesem
Artikel werden nämlich alle Gardinenscenen der Akademie selber
auf die gemeinste Art und mit wissentlicher Entstellung der Wahr-
heit vor das Publicum gebracht -- welche, wenn man die Aka-
demie nach ihrem Präsidenten beurtheilen will, allerdings nicht
geeignet sind, derselben die Achtung des Publicums und der ge-
lehrten Welt zu verschaffen. [ Die gelehrten Herren sollen sich bei
ihren Berathungen fast geprügelt haben. ]

So eben erfahre ich, daß der Vater Sr. Majestät des Kai-
sers, Erzherzog Franz Karl, am Sonnabend hier eintreffen wird.
Dann dürfte der Kaiser mit seiner Familie alsogleich sich nach
Prag begeben, um das Namensfest des Kaiser Ferdinand zu feiern.
Mit ihm zugleich wird Feldmarschall Radetzky von Wien -- aber
nach Mailand -- abreisen. -- Der Feldmarschall ist von seinem
Unwohlseyn wieder vollkommen hergestellt.

Jn Betreff der angeblich bevorstehenden Ministercombinatio-
nen wird gemeldet, daß Graf Giulay sein Portefeuille mit einem
bedeutenden Posten in Jtalien vertauschen werde. Als seinen
Nachfolger im Ministerium nennt man den F. M. L. Dablen. Dem
Grafen Schlick wird durch die Blätter die Stelle eines Civil= und
Militärgouverneurs in Ungarn zugetheilt. -- Jn Folge der fort-
dauernden Berathungen über die Organisation der Armee soll
F. Z. M. Heß, sobald die gefaßten Beschlüsse genehmigt sind, mit
der Einrichtung des Generalstabsbureau's im Geiste der neuen
Reformen betraut werden. Die beiden Armeekorps in Böhmen
und Voralberg werden bis Ende des Monats complet seyn.
Sämmtliche Truppen beziehen binnen drei Wochen die Winter-
quartiere. Die Schulen mit der Mannschaft werden in der betref-
fenden Muttersprache abgehalten werden; die Unterrichtssprache
mit den Chargen, sowie die Militärgeschäftssprache und das
Commando bleiben bei der ganzen Armee deutsch. -- Generalmajor
Benedek, Brigadier in Ungarn, ist zum Chef des Generalquar-
tiermeisterstabes der Armee in Jtalien ernannt worden.

[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] anderer Verfassungsentwurf in Verbindung mit mehreren anderen
Staaten vorgelegt worden. Schon damals, als das Verfas-
sungswerk vollendet war, da sagte ich mir: Jn der Lage, in
welcher sich das Volk befindet, bei der gänzlichen Hoffnungslosig-
keit, auf Das zurückzukommen, was von der Nationalversamm-
lung beschlossen ward, da halte ich es für Pflicht, Das nicht zu-
rückzuweisen, was in dem Vorschlage der drei Regierungen vom
26. Mai geboten wird. Wenn das zur Ausführung kommt, so
ist es ein großer Fortschritt und bei der ungeheuren Schwierigkeit
zu dem Ziele, was wir erstreben, zu gelangen, wollen wir lieber
diesen Gang thun, als an Dem festhalten, was ich nicht für durch-
führbar hielt. Denn wenn ich auch vorhin die Meinung ausge-
sprochen habe, es wäre besser gewesen die von der Nationalver-
sammlung beschlossene Verfassung wäre angenommen und durch-
geführt worden und, wenn es sofort geschehen wäre, würden
dabei keine wesentlichen Jnteressen verletzt worden seyn, so sage
ich doch auch, wenn es jetzt zur Frage stände: Wollen wir die
von der Nationalversammlung beschlossene Verfassung durch-
führen, oder aber den Vorschlag vom 26. Juni? — Wie die
Sachen jetzt stehen, nachdem aller Enthusiasmus geschwunden, so
viele schlimme Leidenschaften aufgeweckt, nachdem der Nihilismus
sich breit macht, bei den drohenden Zerwürfnissen, welche selbst
unter den Regierungen auszubrechen drohen, jetzt würde ich
es für ein sehr gewagtes Unternehmen halten die
Reichsverfassung durchführen zu wollen. Nach
dem damaligen Reichswahlgesetze
würden wir jetzt
eine Reichsversammlung bekommen, mit der Nie-
mand zurecht kommen könnte.

Derjenige Theil der Vorschläge vom 26. Juni, welcher am
meisten Anstoß findet, sind die Bestimmungen über einen Fürsten-
rath. Die Vorschläge des Verfassungsausschusses der National-
versammlung hatten eine ähnliche Einrichtung: den Reichsrath.
Diese Bestimmung wurde aber über Bord geworfen bei der end-
lichen Abstimmung über die Verfassung. Meine Herren, ich habe
das zwar im Wesentlichen nicht beklagt, ich habe mich mit den
Bestimmungen des Vorschlages des Verfassungsausschusses über
den Reichsrath niemals zufrieden erklärt denn ich gehe davon
aus, daß man keine Jnstitution schaffen soll, die an sich nichtig ist.
Wenn Sie Jemand zu einer Wirksamkeit berufen und sagen ihm
gleich dabei: du magst beschließen was du willst, wir thun doch
was uns beliebt, so machen Sie ihn entweder zu einem blosen
Jaherrn, oder Sie zwingen ihn zur Usurpation. Die Geschichte
unserer deutschen Landtage lehrt dies nur zu deutlich. Wollen Sie
die höchste Gewalt so beschränken, daß nichts an der Gewalt
bleibt, so fordern Sie zur Usurpation auf. Darum mußte man
dem Reichsrathe, wie ihn die Nationalversammlung geschlossen,
einen Jnhalt, eine Wirksamkeit geben. Diesen Jnhalt hat man
ihm nicht gegeben, sondern er sollte nur um Rath gefragt wer-
den. Das war eine unwürdige Stellung, deswegen war es ganz
recht, daß der Reichsrath verworfen wurde, weil ich ihn so nicht
für zweckmäßig hielt. Jch hätte ihn aber für der Entwickelung
fähig gehalten. Darum ist die Verwerfung der Form noch nicht
recht, weil damit zugleich die letzte Rücksicht den Particularinte-
ressen gegenüber verworfen wurde. Es wäre nützlich gewesen ihm
eine ähnliche Stellung anzuweisen, wie dem Senate der Vereinig-
ten Staaten, welcher gewisse Regierungshandlungen des Präsi-
denten zu genehmigen hat, wie die Ernennung von Gesandten
und anderen Beamten des Gesammtstaates, und dies wäre ein
Mittel, durch welches man z. B. Bayerns Anforderungen auf
selbstthättgen Antheil an der Reichsregierung in gewissen Gren-
zen befriedigen könnte.

Der Redner erörterte dann die Gefahr, welche das Ueberge-
wicht Preußens nach Oesterreichs Ausscheiden für die kleine-
ren deutschen Staaten allerdings mit sich führen
könne.
Allein das nöthige Gleichgewicht, meinte er, werde sich
finden, wenn alle übrigen deutschen Staaten den Reichstag be-
schicken würden. Auch dürfe man nicht annehmen, daß alle preu-
ßischen Abgeordneten immer preußisch stimmen würden. Die preu-
ßische Monarchie sey keine so compacte Masse, daß nicht in ein-
zelnen Theilen im Rheinland, in Schlesien, in Sachsen, die Ab-
neigung gegen Das, was er kurzweg „preußische Bureaukratie“
nennen wolle, völlig eben so groß wäre wie nur in Hannover
oder Württemberg.

Herr v. Gagern entschuldigte sich nach diesen politischen Aus-
führungen, daß er die Grenzen einer Tischrede so weit überschrit-
ten habe, aber es sey ihm ein Bedürfniß gewesen auf die freund-
liche Begrüßung, die ihm geworden, mit aller Offenheit, deren er
sich gern rühme, mit einer solchen Rechenschaftsablage zu ant-
worten. Die hohe Auszeichnung, welche der geehrte Vorredner
ihm zugedacht habe, lehne er von sich ab, nicht aus falscher Be-
scheidenheit, sondern in voller Erkenntniß, daß sie nicht verdient
[Spaltenumbruch] sey. „Der Staatsmann, welchen mein geehrter Freund geschildert
hat, der Staatsmann, welcher nach tief durchdachtem Plane die
Geschicke eines Volkes regelt, bin ich nicht. Die meisten politischen
Ereignisse hängen an schwachen Fäden des Zufalles und gehen oft
da, wo sie am tiefsten durchdacht sind, in den Sand. So nehme
ich es auch nicht für mich in Anspruch tief durchdachte Pläne für
Deutschland verfolgt zu haben, sondern ich nehme nur Das für
mich in Anspruch, daß ich Dem, was die Besten der Nation ( so weit
meine Erkenntniß reicht ) erstrebt haben, seit Jahrzehenden das Wort
geliehen, den Ausdruck gegeben habe. Der Hoffnung, welche frei-
lich in diesen Tagen wieder sehr getrübt worden ist, der Hoffnung,
daß die Wünsche und Bestrebungen dieser Besten der Nation doch
noch zum glücklichen Ziele gedeihen werden, schließen sich gewiß
alle Diejenigen an, welche in diesem Kreise versammelt sind, und so
bringe ich denn zum Schlusse, indem ich für die wahrlich bewun-
dernswerthe Geduld, mit der Sie meinem langen Gespräche zuge-
hört haben, danke, ein Hoch aus auf die Größe, auf die Kraft
und Wohlfahrt unseres Vaterlandes!“

Die auf diese Rede folgenden Trinksprüche müssen wir noch
kurz anführen. Sie waren folgende: Herr J. A. Dröge: „Dem
Staatsrath Mathy, dem neumodige Republikaner manches Pereat
zugerufen, ein Vivat alter praktischer Republikaner!“ — Herr
Mathy antwortete mit der Phrase: „Dem wahren Oberhaupte
des deutschen Reiches, dem deutschen Geiste! “ — Herr v.
Gagern: „Dem Gründer Bremerhavens, dem abwesenden
Bürgermeister Smidt!“ — Herr Dr. S. H. Tidemann: „Dem
Begründer der deutschen Marine, Senator Duckwitz!“ — Herr
Senator Duckwitz: „Der deutschen Flotte und dem anwesenden
Marinesecretär Kerst!“ — Herr Kerst: „Dem älteren Bruder
der Marine, dem deutschen Landheere!“ — Herr Aeltermann
Delius: „Dem Nestor der deutschen Diplomatie, dem Vater
Gagerns!“ — Herr v. Gagern: „Den Frauen Bremens!“



Deutschland.

Wien 18. October. Baron Haynau dürfte schwerlich wieder
auf seinen früheren Posten zurückkehren — er wird, wie man sagt
an die Stelle des Baron Welden zum Civil= und Militärgouver-
neur der Steiermark ernannt werden. — Das Finanzministerium
weist heute das Erträgniß des freiwilligen Anlehens mit 71 Mil-
lionen aus. Es werden sonach alle Jene, welche subscribirten,
den vollen Ertrag der Subscription erhalten und die Monate
zur vollen Einzahlung werden von 10 auf 20 vermehrt werden.
Jn einer geheimen Sitzung der Nationalbank wurde heute Vor-
mittag beschlossen, den Rest des Anlehens aus dem Fond vorzu-
strecken. — Der ehemalige Präsident der kaiserlichen Akademie
der Wissenschaften [ v. Hammer ] hat durch einen in der A. A. Z.
eingerückten Artikel gegen einen Correspondenten dieser Zeitung —
welcher zugleich Actuar der kaiserlichen Akademie ist — die ganze
Akademie im höchsten Grade gegen sich aufgebracht. Jn diesem
Artikel werden nämlich alle Gardinenscenen der Akademie selber
auf die gemeinste Art und mit wissentlicher Entstellung der Wahr-
heit vor das Publicum gebracht — welche, wenn man die Aka-
demie nach ihrem Präsidenten beurtheilen will, allerdings nicht
geeignet sind, derselben die Achtung des Publicums und der ge-
lehrten Welt zu verschaffen. [ Die gelehrten Herren sollen sich bei
ihren Berathungen fast geprügelt haben. ]

So eben erfahre ich, daß der Vater Sr. Majestät des Kai-
sers, Erzherzog Franz Karl, am Sonnabend hier eintreffen wird.
Dann dürfte der Kaiser mit seiner Familie alsogleich sich nach
Prag begeben, um das Namensfest des Kaiser Ferdinand zu feiern.
Mit ihm zugleich wird Feldmarschall Radetzky von Wien — aber
nach Mailand — abreisen. — Der Feldmarschall ist von seinem
Unwohlseyn wieder vollkommen hergestellt.

Jn Betreff der angeblich bevorstehenden Ministercombinatio-
nen wird gemeldet, daß Graf Giulay sein Portefeuille mit einem
bedeutenden Posten in Jtalien vertauschen werde. Als seinen
Nachfolger im Ministerium nennt man den F. M. L. Dablen. Dem
Grafen Schlick wird durch die Blätter die Stelle eines Civil= und
Militärgouverneurs in Ungarn zugetheilt. — Jn Folge der fort-
dauernden Berathungen über die Organisation der Armee soll
F. Z. M. Heß, sobald die gefaßten Beschlüsse genehmigt sind, mit
der Einrichtung des Generalstabsbureau's im Geiste der neuen
Reformen betraut werden. Die beiden Armeekorps in Böhmen
und Voralberg werden bis Ende des Monats complet seyn.
Sämmtliche Truppen beziehen binnen drei Wochen die Winter-
quartiere. Die Schulen mit der Mannschaft werden in der betref-
fenden Muttersprache abgehalten werden; die Unterrichtssprache
mit den Chargen, sowie die Militärgeschäftssprache und das
Commando bleiben bei der ganzen Armee deutsch. — Generalmajor
Benedek, Brigadier in Ungarn, ist zum Chef des Generalquar-
tiermeisterstabes der Armee in Jtalien ernannt worden.

[Ende Spaltensatz]
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[0002] anderer Verfassungsentwurf in Verbindung mit mehreren anderen Staaten vorgelegt worden. Schon damals, als das Verfas- sungswerk vollendet war, da sagte ich mir: Jn der Lage, in welcher sich das Volk befindet, bei der gänzlichen Hoffnungslosig- keit, auf Das zurückzukommen, was von der Nationalversamm- lung beschlossen ward, da halte ich es für Pflicht, Das nicht zu- rückzuweisen, was in dem Vorschlage der drei Regierungen vom 26. Mai geboten wird. Wenn das zur Ausführung kommt, so ist es ein großer Fortschritt und bei der ungeheuren Schwierigkeit zu dem Ziele, was wir erstreben, zu gelangen, wollen wir lieber diesen Gang thun, als an Dem festhalten, was ich nicht für durch- führbar hielt. Denn wenn ich auch vorhin die Meinung ausge- sprochen habe, es wäre besser gewesen die von der Nationalver- sammlung beschlossene Verfassung wäre angenommen und durch- geführt worden und, wenn es sofort geschehen wäre, würden dabei keine wesentlichen Jnteressen verletzt worden seyn, so sage ich doch auch, wenn es jetzt zur Frage stände: Wollen wir die von der Nationalversammlung beschlossene Verfassung durch- führen, oder aber den Vorschlag vom 26. Juni? — Wie die Sachen jetzt stehen, nachdem aller Enthusiasmus geschwunden, so viele schlimme Leidenschaften aufgeweckt, nachdem der Nihilismus sich breit macht, bei den drohenden Zerwürfnissen, welche selbst unter den Regierungen auszubrechen drohen, jetzt würde ich es für ein sehr gewagtes Unternehmen halten die Reichsverfassung durchführen zu wollen. Nach dem damaligen Reichswahlgesetze würden wir jetzt eine Reichsversammlung bekommen, mit der Nie- mand zurecht kommen könnte. Derjenige Theil der Vorschläge vom 26. Juni, welcher am meisten Anstoß findet, sind die Bestimmungen über einen Fürsten- rath. Die Vorschläge des Verfassungsausschusses der National- versammlung hatten eine ähnliche Einrichtung: den Reichsrath. Diese Bestimmung wurde aber über Bord geworfen bei der end- lichen Abstimmung über die Verfassung. Meine Herren, ich habe das zwar im Wesentlichen nicht beklagt, ich habe mich mit den Bestimmungen des Vorschlages des Verfassungsausschusses über den Reichsrath niemals zufrieden erklärt denn ich gehe davon aus, daß man keine Jnstitution schaffen soll, die an sich nichtig ist. Wenn Sie Jemand zu einer Wirksamkeit berufen und sagen ihm gleich dabei: du magst beschließen was du willst, wir thun doch was uns beliebt, so machen Sie ihn entweder zu einem blosen Jaherrn, oder Sie zwingen ihn zur Usurpation. Die Geschichte unserer deutschen Landtage lehrt dies nur zu deutlich. Wollen Sie die höchste Gewalt so beschränken, daß nichts an der Gewalt bleibt, so fordern Sie zur Usurpation auf. Darum mußte man dem Reichsrathe, wie ihn die Nationalversammlung geschlossen, einen Jnhalt, eine Wirksamkeit geben. Diesen Jnhalt hat man ihm nicht gegeben, sondern er sollte nur um Rath gefragt wer- den. Das war eine unwürdige Stellung, deswegen war es ganz recht, daß der Reichsrath verworfen wurde, weil ich ihn so nicht für zweckmäßig hielt. Jch hätte ihn aber für der Entwickelung fähig gehalten. Darum ist die Verwerfung der Form noch nicht recht, weil damit zugleich die letzte Rücksicht den Particularinte- ressen gegenüber verworfen wurde. Es wäre nützlich gewesen ihm eine ähnliche Stellung anzuweisen, wie dem Senate der Vereinig- ten Staaten, welcher gewisse Regierungshandlungen des Präsi- denten zu genehmigen hat, wie die Ernennung von Gesandten und anderen Beamten des Gesammtstaates, und dies wäre ein Mittel, durch welches man z. B. Bayerns Anforderungen auf selbstthättgen Antheil an der Reichsregierung in gewissen Gren- zen befriedigen könnte. Der Redner erörterte dann die Gefahr, welche das Ueberge- wicht Preußens nach Oesterreichs Ausscheiden für die kleine- ren deutschen Staaten allerdings mit sich führen könne. Allein das nöthige Gleichgewicht, meinte er, werde sich finden, wenn alle übrigen deutschen Staaten den Reichstag be- schicken würden. Auch dürfe man nicht annehmen, daß alle preu- ßischen Abgeordneten immer preußisch stimmen würden. Die preu- ßische Monarchie sey keine so compacte Masse, daß nicht in ein- zelnen Theilen im Rheinland, in Schlesien, in Sachsen, die Ab- neigung gegen Das, was er kurzweg „preußische Bureaukratie“ nennen wolle, völlig eben so groß wäre wie nur in Hannover oder Württemberg. Herr v. Gagern entschuldigte sich nach diesen politischen Aus- führungen, daß er die Grenzen einer Tischrede so weit überschrit- ten habe, aber es sey ihm ein Bedürfniß gewesen auf die freund- liche Begrüßung, die ihm geworden, mit aller Offenheit, deren er sich gern rühme, mit einer solchen Rechenschaftsablage zu ant- worten. Die hohe Auszeichnung, welche der geehrte Vorredner ihm zugedacht habe, lehne er von sich ab, nicht aus falscher Be- scheidenheit, sondern in voller Erkenntniß, daß sie nicht verdient sey. „Der Staatsmann, welchen mein geehrter Freund geschildert hat, der Staatsmann, welcher nach tief durchdachtem Plane die Geschicke eines Volkes regelt, bin ich nicht. Die meisten politischen Ereignisse hängen an schwachen Fäden des Zufalles und gehen oft da, wo sie am tiefsten durchdacht sind, in den Sand. So nehme ich es auch nicht für mich in Anspruch tief durchdachte Pläne für Deutschland verfolgt zu haben, sondern ich nehme nur Das für mich in Anspruch, daß ich Dem, was die Besten der Nation ( so weit meine Erkenntniß reicht ) erstrebt haben, seit Jahrzehenden das Wort geliehen, den Ausdruck gegeben habe. Der Hoffnung, welche frei- lich in diesen Tagen wieder sehr getrübt worden ist, der Hoffnung, daß die Wünsche und Bestrebungen dieser Besten der Nation doch noch zum glücklichen Ziele gedeihen werden, schließen sich gewiß alle Diejenigen an, welche in diesem Kreise versammelt sind, und so bringe ich denn zum Schlusse, indem ich für die wahrlich bewun- dernswerthe Geduld, mit der Sie meinem langen Gespräche zuge- hört haben, danke, ein Hoch aus auf die Größe, auf die Kraft und Wohlfahrt unseres Vaterlandes!“ Die auf diese Rede folgenden Trinksprüche müssen wir noch kurz anführen. Sie waren folgende: Herr J. A. Dröge: „Dem Staatsrath Mathy, dem neumodige Republikaner manches Pereat zugerufen, ein Vivat alter praktischer Republikaner!“ — Herr Mathy antwortete mit der Phrase: „Dem wahren Oberhaupte des deutschen Reiches, dem deutschen Geiste! “ — Herr v. Gagern: „Dem Gründer Bremerhavens, dem abwesenden Bürgermeister Smidt!“ — Herr Dr. S. H. Tidemann: „Dem Begründer der deutschen Marine, Senator Duckwitz!“ — Herr Senator Duckwitz: „Der deutschen Flotte und dem anwesenden Marinesecretär Kerst!“ — Herr Kerst: „Dem älteren Bruder der Marine, dem deutschen Landheere!“ — Herr Aeltermann Delius: „Dem Nestor der deutschen Diplomatie, dem Vater Gagerns!“ — Herr v. Gagern: „Den Frauen Bremens!“ Deutschland. Wien 18. October. Baron Haynau dürfte schwerlich wieder auf seinen früheren Posten zurückkehren — er wird, wie man sagt an die Stelle des Baron Welden zum Civil= und Militärgouver- neur der Steiermark ernannt werden. — Das Finanzministerium weist heute das Erträgniß des freiwilligen Anlehens mit 71 Mil- lionen aus. Es werden sonach alle Jene, welche subscribirten, den vollen Ertrag der Subscription erhalten und die Monate zur vollen Einzahlung werden von 10 auf 20 vermehrt werden. Jn einer geheimen Sitzung der Nationalbank wurde heute Vor- mittag beschlossen, den Rest des Anlehens aus dem Fond vorzu- strecken. — Der ehemalige Präsident der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften [ v. Hammer ] hat durch einen in der A. A. Z. eingerückten Artikel gegen einen Correspondenten dieser Zeitung — welcher zugleich Actuar der kaiserlichen Akademie ist — die ganze Akademie im höchsten Grade gegen sich aufgebracht. Jn diesem Artikel werden nämlich alle Gardinenscenen der Akademie selber auf die gemeinste Art und mit wissentlicher Entstellung der Wahr- heit vor das Publicum gebracht — welche, wenn man die Aka- demie nach ihrem Präsidenten beurtheilen will, allerdings nicht geeignet sind, derselben die Achtung des Publicums und der ge- lehrten Welt zu verschaffen. [ Die gelehrten Herren sollen sich bei ihren Berathungen fast geprügelt haben. ] So eben erfahre ich, daß der Vater Sr. Majestät des Kai- sers, Erzherzog Franz Karl, am Sonnabend hier eintreffen wird. Dann dürfte der Kaiser mit seiner Familie alsogleich sich nach Prag begeben, um das Namensfest des Kaiser Ferdinand zu feiern. Mit ihm zugleich wird Feldmarschall Radetzky von Wien — aber nach Mailand — abreisen. — Der Feldmarschall ist von seinem Unwohlseyn wieder vollkommen hergestellt. Jn Betreff der angeblich bevorstehenden Ministercombinatio- nen wird gemeldet, daß Graf Giulay sein Portefeuille mit einem bedeutenden Posten in Jtalien vertauschen werde. Als seinen Nachfolger im Ministerium nennt man den F. M. L. Dablen. Dem Grafen Schlick wird durch die Blätter die Stelle eines Civil= und Militärgouverneurs in Ungarn zugetheilt. — Jn Folge der fort- dauernden Berathungen über die Organisation der Armee soll F. Z. M. Heß, sobald die gefaßten Beschlüsse genehmigt sind, mit der Einrichtung des Generalstabsbureau's im Geiste der neuen Reformen betraut werden. Die beiden Armeekorps in Böhmen und Voralberg werden bis Ende des Monats complet seyn. Sämmtliche Truppen beziehen binnen drei Wochen die Winter- quartiere. Die Schulen mit der Mannschaft werden in der betref- fenden Muttersprache abgehalten werden; die Unterrichtssprache mit den Chargen, sowie die Militärgeschäftssprache und das Commando bleiben bei der ganzen Armee deutsch. — Generalmajor Benedek, Brigadier in Ungarn, ist zum Chef des Generalquar- tiermeisterstabes der Armee in Jtalien ernannt worden.

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 251. Mainz, 22. Oktober 1849, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal251_1849/2>, abgerufen am 21.11.2024.