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Mainzer Journal. Nr. 261. Mainz, 3. November 1849.

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Zweite Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 261. Montag, den 5. November. 1849.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.

Berlin 3. November. ( T. M. d. Köln. Z. ) Die zweite
Kammer hat in ihrer heutigen Sitzung den Anträgen der Com-
mission wegen Annahme der Gesetzesvorlagen in Betreff der Ost-
bahn, der [unleserliches Material - 14 Zeichen fehlen]westphalischen und Saarbrücker Bahn ihre Zustim-
mung
ertheilt.

Vom Neckar 31. October. ( Karlsr. Z. ) Aus einer Be-
sprechung, welche die Mitglieder der zweiten Kammer am 28. d. M.
in Karlsruhe hatten, hat sich ergeben, daß die Gerüchte von dem
beabsichtigten Rücktritte vieler Mitglieder unrichtig waren. Ein
Ruf der Regierung wird die Kammermehrheit auf ihrem Posten
finden. Das Geschrei aller Derjenigen, welche unserem Lande die
Lebensfähigkeit absprachen, wird verstummen vor der Thatsache,
daß Regierung und Stände gemeinsam und einträchtig alle durch
die veränderten Verhältnisse nothwendig gewordenen Organisa-
tionen beschließen und ausführen. Die badische zweite Kammer
hat aufgehört, eine Rednerbühne für Deutschland zu seyn; sie
wird um so größere Thätigkeit in Erledigung der Geschäfte
entfalten können. Es gilt jetzt nicht zu reden, sondern zu handeln.
[ Wie die "Kölner Zeitung" wissen will, soll die " katholisch-
aristokratische Partei" in Baden mit dem Plane umgehen den
Großherzog zur Abdankung zu bewegen und das Land dann unter
Oesterreich, Bayern und das Großherzogthum Hessen zu theilen.
Bekanntlich ist indessen die "katholisch=aristokratische Partei" in
Baden kaum zwei und einen halben Mann stark und trägt sich
schwerlich mit so hochfliegenden Plänen! ]

Mainz 4. November. Wir geben in Gegenwärtigem den
Schluß des Verzeichnisses der Strafprocesse, welche vor dem Gr.
Assisengerichte der Provinz Rheinhessen in dessen Sitzungen des
IV. Quartales 1849 zur Verhandlung kommen werden:

15 ) Mittwoch den 21. November: 1 ) Kraus, Jakob, ohne
Gewerbe, 2 ) Schmitt, Martin, Musitant, 3 ) Sevidersky,
Johann, Maurer, 4 ) Schreiber, Georg, ohne Gewerbe, von
Heidesheim; Eigenthumsbeschädigung in Verbindung mit
einander; Vertheidiger die Herren Becker ( durch Levita ) , Scheuer,
Becker und Scheuer.

16 ) Dienstag den 22.: 1 ) Hausmann, Andreas, ohne
Gewerbe, 2 ) Armknecht, Ph., Wirth und Ackersmann von
Dalsheim; ausgezeichneter Diebstahl; Vertheidiger die Herren
Creizenach und Kirstein.

17 ) Freitag den 23.: Tag, Conrad, Schreiner von Worms;
Einfall in fremde Wohnungen mit Waffen und Gewaltthatigkeit;
Vertheidiger Herr Bernays.

18 ) Samstag den 24.: 1 ) Ockel, Christian, Korbmacher
von Unterschmitten, 2 ) Eichner, Adam II., Taglöhner
von Osthofen, 3 ) Weber, Friedrich, Mühlknecht von
Wehen; gewaltthätige Befreiung eines Gefangenen und Eigen-
thumsbeschädigung; Vertheidiger die Herren Aull und Görz.

19 ) Montag den 26.: Groß, Karl, [unleserliches Material - 18 Zeichen fehlen]Buchdruckergeselle
von Worms; Schmähung des Oberhauptes eines fremden
Staates; Vertheidiger Herr Scheuer.

20 ) Dienstag den 27.: 1 ) Remelius, Adam, 2 ) Herd-
lein,
Jakob, 3 ) Schlösser, Christian, Taglöhner, 4 ) Schmitt,
Christian, Fabrikarbeiter, 5 ) Rheingans, Karl Friedrich,
Knecht, 6 ) Lamm, Heinrich, Taglöhner, sämmtlich von Worms;
Eigenthumsbeschädigung; Vertheidiger die Herren Bernays,
Becker und Bernays.

Contumacialsachen. Mittwoch den 28.: 1 ) Diehl,
Jakob, Handelsmann von Nierstein; Anstiftung und Verlei-
tung zu falschem Zeugnisse und Meineid. 2 ) Bamberger,
Ludwig, Gerichtsaccessist von Mainz; Beleidigung der Be-
hörden in verbreiteten Druckschriften. 3 ) Wundt, Karl, Oeko-
nomiebeflissener von Worms; im Affecte verübter Todtschlag.
4 ) Bamberger, Ludwig, Gerichtsaccessist von Mainz; Be-
leidigungen der Behörden durch Vorträge an öffentlichen Orten
und durch verbreitete Druckschriften.

Wir werden demnächst bei der Verhandlung die gezogenen
und recusirten Geschworenen in jeder Sache bezeichnen. Die vier
Contumacialsachen, welche auf den 28. fixirt sind, werden ohne
Geschworene abgeurtheilt.

# Mainz 5. November. Vorgestern visitirte Erzherzog Al-
brecht
sämmtliche Kasernen und Militärgebäude hier und in
Kastel, worauf derselbe die einzelnen Forts und übrigen Vorwerke
im Rayon der Festung inspicirte. Abends wohnte Se. K. H. der
[Spaltenumbruch] höchst gelungen aufgeführten Vorstellung von Mosenthals " De-
borah " im hiesigen Stadttheater bei. Obgleich der neue Vice-
gouverneur F. M. L. Graf von Degenfeld bereits am 31. v.
M. aus Jtalien hier eingetroffen ist, und der Aufenthalt Erz-
herzog Albrechts in Mainz nach früheren Angaben sich nur bis
zur Ankunft des Grafen ausdehnen sollte, so können wir doch jetzt
zu unserer Freude melden, daß Se. K. H. vorläufig den
Winter über in Mainz zu verweilen gedenken. -- Morgen, den 6.,
findet eine große Parade der gesammten Garnison auf hiesigem
Schloßplatze statt. -- Neue Choleraerkrankungen sind seit unserer
letzten Anzeige in Mainz nicht wieder vorgekommen.

Frankreich.

*** Paris 2. November. Unsere Ministerkrisis hat seit heute
eine ganz unerwartete Wendung genommen, es bleibt -- um
Jhnen dieselbe mit einem Worte zu bezeichnen -- Alles beim
Alten.
Lesen Sie die ( unten folgenden ) Verhandlungen der Natio-
nalversammlung von heute, lesen Sie das der Kammer mitge-
theilte Programm des neuen Ministeriums und Sie
werden zugeben müssen, daß nur die Personen gewechselt haben
und das System wider alles Erwarten dasselbe geblieben ist.
Es scheint demnach, daß Louis Napoleon sein früheres Mi-
nisterium wirklich nur aus persönlichem Aerger und wegen
des Verhaltens desselben in der römischen Frage entlassen
hat. Fernblickende Politiker wollen freilich behaupten, das
Alles sey nur ein tief angelegter Plan, um über kurz oder lang
einen Staatsstreich auszuführen. Das sonst so schweigsame Jour-
nal des Debats erklärt indessen heute rund heraus, nur Narren
könnten in dem gegenwärtigen Augenblicke an Staatsstreiche den-
ten und in ganz Frankreich führe Niemand solche im Schilde, --
als die rothen Junicombattanten und jene "Bürger," welche eben
vor dem [unleserliches Material - 17 Zeichen fehlen]Statsgerichtshofe in Versailles stehen. Sey dem wie
ihm wolle, so viel steht fest: daß die Einheit der Parteien trotz
alle Dem, was das neue Ministerium darüber denken und sagen
mag, sowie die Autorität der Regierungsgewalt wiederum einen
gewaltigen Stoß erlitten haben und die Anarchie an allen Ecken und
Enden in den Staatskörper eindringt. Das Lustigste bei der gan-
zen Sache ist, daß der verantwortliche Präsident der Republik
ein [unleserliches Material - 11 Zeichen fehlen]Ministerium [unleserliches Material - 13 Zeichen fehlen]fortgeschickt hat, das über eine ungeheuere Ma-
jorit [unleserliches Material - 2 Zeichen fehlen]at [unleserliches Material] verfügte, ohne daß jetzt ein Mäuschen darüber muckst!
Hatte unter der Monarchie Louis Philipp nur den zehnten Theil
davon gewagt, -- hu, was für freisinnige Reden wären da von
der Tribune, gefallen, von den Höllenmaschinen gar nicht zu reden!

Die heutige Sitzung der Nationalversammlung
wird um 2 Uhr [unleserliches Material - 8 Zeichen fehlen]eröffnet. Die Versammlung ist zahlreich; eine
gewisse [unleserliches Material - 8 Zeichen fehlen]Aufrgung herrscht auf allen Bänken und zahlreiche Grup-
pen sind in Unterhaltung begriffen. Die oberen Bänke der Rech-
ten sind ziemlich leer. Dufaure nimmt seinen Platz im linken
Centrum nahe bei Cavaignac wieder ein; Passy setzt sich auf
die nämliche Bank. Ein eifriges Gesprach entspinnt sich zwischen
Dufaure, Passy, Ruthieres, Gouin[unleserliches Material], de Tocqueville, Rateau und
anderen Mitgliedern der Majorität, während der Präsident zur
Ziehung der Bureaux schreiten läßt. Die Versammlung erledigt
hierauf mehrere Gesetzentwürfe von blos örtlichem Jnteresse und
der Präsident verliest ein Schreiben Dufaure's, worin der abge-
tretene Minister des Jnnern die Versammlung bittet, eine beson-
dere [unleserliches Material - 10 Zeichen fehlen]Commissson zur Prüfung der auf seine Verwendung der ge-
heimen Fonds wahrend seiner Amtsdauer, d. h. vom 2. Juni bis
31. October 1849, bezüglichen Rechnungen zu ernennen. Es
wird sodann ein Gesetzentwurf von geringem Jnteresse ohne Er-
örterung genehmigt. Obgleich es schon 3 Uhr ist, hat noch keiner
der neuen Minister auf seiner Bank Platz genommen. Die Ver-
sammlung ist fortwährend in ziemlich lebhafter Aufregung. Die
Bänke füllen sich mehr und mehr, und mit ein paar Ausnahmen
sind alle ausgezeichneteren Repräsentanten anwesend. Der Präsi-
dent bemerkt, an der Tagesordnung sey jetzt die dritte Berathung
des Gesetzentwurfes für Verlängerung des Zustandes der Auflö-
sung der Nationalgarden von Lyon und seinen Vorstädten. Stim-
men: "Es ist kein Minister da. Was sollen wir ohne Minister
thun?" ( Heiterkeit. ) Der Präsident setzt sich und schreibt. Lärm
und Aufregung; die Sitzung bleibt etwa 10 Minuten lang so gut
wie unterbrochen. Der Präsident befragt sodann die Versamm-
lung, ob über den eben erwähnten Gesetzentwurf zur dritten Be-
rathung geschritten werden solle, was bejaht wird. Vor dem
Beginne derselben wird jedoch die erste Berathung eines Gesetz-
[Ende Spaltensatz]

Zweite Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 261. Montag, den 5. November. 1849.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.

Berlin 3. November. ( T. M. d. Köln. Z. ) Die zweite
Kammer hat in ihrer heutigen Sitzung den Anträgen der Com-
mission wegen Annahme der Gesetzesvorlagen in Betreff der Ost-
bahn, der [unleserliches Material – 14 Zeichen fehlen]westphalischen und Saarbrücker Bahn ihre Zustim-
mung
ertheilt.

Vom Neckar 31. October. ( Karlsr. Z. ) Aus einer Be-
sprechung, welche die Mitglieder der zweiten Kammer am 28. d. M.
in Karlsruhe hatten, hat sich ergeben, daß die Gerüchte von dem
beabsichtigten Rücktritte vieler Mitglieder unrichtig waren. Ein
Ruf der Regierung wird die Kammermehrheit auf ihrem Posten
finden. Das Geschrei aller Derjenigen, welche unserem Lande die
Lebensfähigkeit absprachen, wird verstummen vor der Thatsache,
daß Regierung und Stände gemeinsam und einträchtig alle durch
die veränderten Verhältnisse nothwendig gewordenen Organisa-
tionen beschließen und ausführen. Die badische zweite Kammer
hat aufgehört, eine Rednerbühne für Deutschland zu seyn; sie
wird um so größere Thätigkeit in Erledigung der Geschäfte
entfalten können. Es gilt jetzt nicht zu reden, sondern zu handeln.
[ Wie die „Kölner Zeitung“ wissen will, soll die „ katholisch-
aristokratische Partei“ in Baden mit dem Plane umgehen den
Großherzog zur Abdankung zu bewegen und das Land dann unter
Oesterreich, Bayern und das Großherzogthum Hessen zu theilen.
Bekanntlich ist indessen die „katholisch=aristokratische Partei“ in
Baden kaum zwei und einen halben Mann stark und trägt sich
schwerlich mit so hochfliegenden Plänen! ]

Mainz 4. November. Wir geben in Gegenwärtigem den
Schluß des Verzeichnisses der Strafprocesse, welche vor dem Gr.
Assisengerichte der Provinz Rheinhessen in dessen Sitzungen des
IV. Quartales 1849 zur Verhandlung kommen werden:

15 ) Mittwoch den 21. November: 1 ) Kraus, Jakob, ohne
Gewerbe, 2 ) Schmitt, Martin, Musitant, 3 ) Sevidersky,
Johann, Maurer, 4 ) Schreiber, Georg, ohne Gewerbe, von
Heidesheim; Eigenthumsbeschädigung in Verbindung mit
einander; Vertheidiger die Herren Becker ( durch Levita ) , Scheuer,
Becker und Scheuer.

16 ) Dienstag den 22.: 1 ) Hausmann, Andreas, ohne
Gewerbe, 2 ) Armknecht, Ph., Wirth und Ackersmann von
Dalsheim; ausgezeichneter Diebstahl; Vertheidiger die Herren
Creizenach und Kirstein.

17 ) Freitag den 23.: Tag, Conrad, Schreiner von Worms;
Einfall in fremde Wohnungen mit Waffen und Gewaltthatigkeit;
Vertheidiger Herr Bernays.

18 ) Samstag den 24.: 1 ) Ockel, Christian, Korbmacher
von Unterschmitten, 2 ) Eichner, Adam II., Taglöhner
von Osthofen, 3 ) Weber, Friedrich, Mühlknecht von
Wehen; gewaltthätige Befreiung eines Gefangenen und Eigen-
thumsbeschädigung; Vertheidiger die Herren Aull und Görz.

19 ) Montag den 26.: Groß, Karl, [unleserliches Material – 18 Zeichen fehlen]Buchdruckergeselle
von Worms; Schmähung des Oberhauptes eines fremden
Staates; Vertheidiger Herr Scheuer.

20 ) Dienstag den 27.: 1 ) Remelius, Adam, 2 ) Herd-
lein,
Jakob, 3 ) Schlösser, Christian, Taglöhner, 4 ) Schmitt,
Christian, Fabrikarbeiter, 5 ) Rheingans, Karl Friedrich,
Knecht, 6 ) Lamm, Heinrich, Taglöhner, sämmtlich von Worms;
Eigenthumsbeschädigung; Vertheidiger die Herren Bernays,
Becker und Bernays.

Contumacialsachen. Mittwoch den 28.: 1 ) Diehl,
Jakob, Handelsmann von Nierstein; Anstiftung und Verlei-
tung zu falschem Zeugnisse und Meineid. 2 ) Bamberger,
Ludwig, Gerichtsaccessist von Mainz; Beleidigung der Be-
hörden in verbreiteten Druckschriften. 3 ) Wundt, Karl, Oeko-
nomiebeflissener von Worms; im Affecte verübter Todtschlag.
4 ) Bamberger, Ludwig, Gerichtsaccessist von Mainz; Be-
leidigungen der Behörden durch Vorträge an öffentlichen Orten
und durch verbreitete Druckschriften.

Wir werden demnächst bei der Verhandlung die gezogenen
und recusirten Geschworenen in jeder Sache bezeichnen. Die vier
Contumacialsachen, welche auf den 28. fixirt sind, werden ohne
Geschworene abgeurtheilt.

# Mainz 5. November. Vorgestern visitirte Erzherzog Al-
brecht
sämmtliche Kasernen und Militärgebäude hier und in
Kastel, worauf derselbe die einzelnen Forts und übrigen Vorwerke
im Rayon der Festung inspicirte. Abends wohnte Se. K. H. der
[Spaltenumbruch] höchst gelungen aufgeführten Vorstellung von Mosenthals „ De-
borah “ im hiesigen Stadttheater bei. Obgleich der neue Vice-
gouverneur F. M. L. Graf von Degenfeld bereits am 31. v.
M. aus Jtalien hier eingetroffen ist, und der Aufenthalt Erz-
herzog Albrechts in Mainz nach früheren Angaben sich nur bis
zur Ankunft des Grafen ausdehnen sollte, so können wir doch jetzt
zu unserer Freude melden, daß Se. K. H. vorläufig den
Winter über in Mainz zu verweilen gedenken. — Morgen, den 6.,
findet eine große Parade der gesammten Garnison auf hiesigem
Schloßplatze statt. — Neue Choleraerkrankungen sind seit unserer
letzten Anzeige in Mainz nicht wieder vorgekommen.

Frankreich.

*** Paris 2. November. Unsere Ministerkrisis hat seit heute
eine ganz unerwartete Wendung genommen, es bleibt — um
Jhnen dieselbe mit einem Worte zu bezeichnen — Alles beim
Alten.
Lesen Sie die ( unten folgenden ) Verhandlungen der Natio-
nalversammlung von heute, lesen Sie das der Kammer mitge-
theilte Programm des neuen Ministeriums und Sie
werden zugeben müssen, daß nur die Personen gewechselt haben
und das System wider alles Erwarten dasselbe geblieben ist.
Es scheint demnach, daß Louis Napoleon sein früheres Mi-
nisterium wirklich nur aus persönlichem Aerger und wegen
des Verhaltens desselben in der römischen Frage entlassen
hat. Fernblickende Politiker wollen freilich behaupten, das
Alles sey nur ein tief angelegter Plan, um über kurz oder lang
einen Staatsstreich auszuführen. Das sonst so schweigsame Jour-
nal des Debats erklärt indessen heute rund heraus, nur Narren
könnten in dem gegenwärtigen Augenblicke an Staatsstreiche den-
ten und in ganz Frankreich führe Niemand solche im Schilde, —
als die rothen Junicombattanten und jene „Bürger,“ welche eben
vor dem [unleserliches Material – 17 Zeichen fehlen]Statsgerichtshofe in Versailles stehen. Sey dem wie
ihm wolle, so viel steht fest: daß die Einheit der Parteien trotz
alle Dem, was das neue Ministerium darüber denken und sagen
mag, sowie die Autorität der Regierungsgewalt wiederum einen
gewaltigen Stoß erlitten haben und die Anarchie an allen Ecken und
Enden in den Staatskörper eindringt. Das Lustigste bei der gan-
zen Sache ist, daß der verantwortliche Präsident der Republik
ein [unleserliches Material – 11 Zeichen fehlen]Ministerium [unleserliches Material – 13 Zeichen fehlen]fortgeschickt hat, das über eine ungeheuere Ma-
jorit [unleserliches Material – 2 Zeichen fehlen]at [unleserliches Material] verfügte, ohne daß jetzt ein Mäuschen darüber muckst!
Hatte unter der Monarchie Louis Philipp nur den zehnten Theil
davon gewagt, — hu, was für freisinnige Reden wären da von
der Tribune, gefallen, von den Höllenmaschinen gar nicht zu reden!

Die heutige Sitzung der Nationalversammlung
wird um 2 Uhr [unleserliches Material – 8 Zeichen fehlen]eröffnet. Die Versammlung ist zahlreich; eine
gewisse [unleserliches Material – 8 Zeichen fehlen]Aufrgung herrscht auf allen Bänken und zahlreiche Grup-
pen sind in Unterhaltung begriffen. Die oberen Bänke der Rech-
ten sind ziemlich leer. Dufaure nimmt seinen Platz im linken
Centrum nahe bei Cavaignac wieder ein; Passy setzt sich auf
die nämliche Bank. Ein eifriges Gesprach entspinnt sich zwischen
Dufaure, Passy, Ruthieres, Gouin[unleserliches Material], de Tocqueville, Rateau und
anderen Mitgliedern der Majorität, während der Präsident zur
Ziehung der Bureaux schreiten läßt. Die Versammlung erledigt
hierauf mehrere Gesetzentwürfe von blos örtlichem Jnteresse und
der Präsident verliest ein Schreiben Dufaure's, worin der abge-
tretene Minister des Jnnern die Versammlung bittet, eine beson-
dere [unleserliches Material – 10 Zeichen fehlen]Commissson zur Prüfung der auf seine Verwendung der ge-
heimen Fonds wahrend seiner Amtsdauer, d. h. vom 2. Juni bis
31. October 1849, bezüglichen Rechnungen zu ernennen. Es
wird sodann ein Gesetzentwurf von geringem Jnteresse ohne Er-
örterung genehmigt. Obgleich es schon 3 Uhr ist, hat noch keiner
der neuen Minister auf seiner Bank Platz genommen. Die Ver-
sammlung ist fortwährend in ziemlich lebhafter Aufregung. Die
Bänke füllen sich mehr und mehr, und mit ein paar Ausnahmen
sind alle ausgezeichneteren Repräsentanten anwesend. Der Präsi-
dent bemerkt, an der Tagesordnung sey jetzt die dritte Berathung
des Gesetzentwurfes für Verlängerung des Zustandes der Auflö-
sung der Nationalgarden von Lyon und seinen Vorstädten. Stim-
men: „Es ist kein Minister da. Was sollen wir ohne Minister
thun?“ ( Heiterkeit. ) Der Präsident setzt sich und schreibt. Lärm
und Aufregung; die Sitzung bleibt etwa 10 Minuten lang so gut
wie unterbrochen. Der Präsident befragt sodann die Versamm-
lung, ob über den eben erwähnten Gesetzentwurf zur dritten Be-
rathung geschritten werden solle, was bejaht wird. Vor dem
Beginne derselben wird jedoch die erste Berathung eines Gesetz-
[Ende Spaltensatz]

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[0007] Zweite Beilage zum Mainzer Journal. Nro 261. Montag, den 5. November. 1849. Deutschland. Berlin 3. November. ( T. M. d. Köln. Z. ) Die zweite Kammer hat in ihrer heutigen Sitzung den Anträgen der Com- mission wegen Annahme der Gesetzesvorlagen in Betreff der Ost- bahn, der ______________westphalischen und Saarbrücker Bahn ihre Zustim- mung ertheilt. Vom Neckar 31. October. ( Karlsr. Z. ) Aus einer Be- sprechung, welche die Mitglieder der zweiten Kammer am 28. d. M. in Karlsruhe hatten, hat sich ergeben, daß die Gerüchte von dem beabsichtigten Rücktritte vieler Mitglieder unrichtig waren. Ein Ruf der Regierung wird die Kammermehrheit auf ihrem Posten finden. Das Geschrei aller Derjenigen, welche unserem Lande die Lebensfähigkeit absprachen, wird verstummen vor der Thatsache, daß Regierung und Stände gemeinsam und einträchtig alle durch die veränderten Verhältnisse nothwendig gewordenen Organisa- tionen beschließen und ausführen. Die badische zweite Kammer hat aufgehört, eine Rednerbühne für Deutschland zu seyn; sie wird um so größere Thätigkeit in Erledigung der Geschäfte entfalten können. Es gilt jetzt nicht zu reden, sondern zu handeln. [ Wie die „Kölner Zeitung“ wissen will, soll die „ katholisch- aristokratische Partei“ in Baden mit dem Plane umgehen den Großherzog zur Abdankung zu bewegen und das Land dann unter Oesterreich, Bayern und das Großherzogthum Hessen zu theilen. Bekanntlich ist indessen die „katholisch=aristokratische Partei“ in Baden kaum zwei und einen halben Mann stark und trägt sich schwerlich mit so hochfliegenden Plänen! ] Mainz 4. November. Wir geben in Gegenwärtigem den Schluß des Verzeichnisses der Strafprocesse, welche vor dem Gr. Assisengerichte der Provinz Rheinhessen in dessen Sitzungen des IV. Quartales 1849 zur Verhandlung kommen werden: 15 ) Mittwoch den 21. November: 1 ) Kraus, Jakob, ohne Gewerbe, 2 ) Schmitt, Martin, Musitant, 3 ) Sevidersky, Johann, Maurer, 4 ) Schreiber, Georg, ohne Gewerbe, von Heidesheim; Eigenthumsbeschädigung in Verbindung mit einander; Vertheidiger die Herren Becker ( durch Levita ) , Scheuer, Becker und Scheuer. 16 ) Dienstag den 22.: 1 ) Hausmann, Andreas, ohne Gewerbe, 2 ) Armknecht, Ph., Wirth und Ackersmann von Dalsheim; ausgezeichneter Diebstahl; Vertheidiger die Herren Creizenach und Kirstein. 17 ) Freitag den 23.: Tag, Conrad, Schreiner von Worms; Einfall in fremde Wohnungen mit Waffen und Gewaltthatigkeit; Vertheidiger Herr Bernays. 18 ) Samstag den 24.: 1 ) Ockel, Christian, Korbmacher von Unterschmitten, 2 ) Eichner, Adam II., Taglöhner von Osthofen, 3 ) Weber, Friedrich, Mühlknecht von Wehen; gewaltthätige Befreiung eines Gefangenen und Eigen- thumsbeschädigung; Vertheidiger die Herren Aull und Görz. 19 ) Montag den 26.: Groß, Karl, __________________Buchdruckergeselle von Worms; Schmähung des Oberhauptes eines fremden Staates; Vertheidiger Herr Scheuer. 20 ) Dienstag den 27.: 1 ) Remelius, Adam, 2 ) Herd- lein, Jakob, 3 ) Schlösser, Christian, Taglöhner, 4 ) Schmitt, Christian, Fabrikarbeiter, 5 ) Rheingans, Karl Friedrich, Knecht, 6 ) Lamm, Heinrich, Taglöhner, sämmtlich von Worms; Eigenthumsbeschädigung; Vertheidiger die Herren Bernays, Becker und Bernays. Contumacialsachen. Mittwoch den 28.: 1 ) Diehl, Jakob, Handelsmann von Nierstein; Anstiftung und Verlei- tung zu falschem Zeugnisse und Meineid. 2 ) Bamberger, Ludwig, Gerichtsaccessist von Mainz; Beleidigung der Be- hörden in verbreiteten Druckschriften. 3 ) Wundt, Karl, Oeko- nomiebeflissener von Worms; im Affecte verübter Todtschlag. 4 ) Bamberger, Ludwig, Gerichtsaccessist von Mainz; Be- leidigungen der Behörden durch Vorträge an öffentlichen Orten und durch verbreitete Druckschriften. Wir werden demnächst bei der Verhandlung die gezogenen und recusirten Geschworenen in jeder Sache bezeichnen. Die vier Contumacialsachen, welche auf den 28. fixirt sind, werden ohne Geschworene abgeurtheilt. # Mainz 5. November. Vorgestern visitirte Erzherzog Al- brecht sämmtliche Kasernen und Militärgebäude hier und in Kastel, worauf derselbe die einzelnen Forts und übrigen Vorwerke im Rayon der Festung inspicirte. Abends wohnte Se. K. H. der höchst gelungen aufgeführten Vorstellung von Mosenthals „ De- borah “ im hiesigen Stadttheater bei. Obgleich der neue Vice- gouverneur F. M. L. Graf von Degenfeld bereits am 31. v. M. aus Jtalien hier eingetroffen ist, und der Aufenthalt Erz- herzog Albrechts in Mainz nach früheren Angaben sich nur bis zur Ankunft des Grafen ausdehnen sollte, so können wir doch jetzt zu unserer Freude melden, daß Se. K. H. vorläufig den Winter über in Mainz zu verweilen gedenken. — Morgen, den 6., findet eine große Parade der gesammten Garnison auf hiesigem Schloßplatze statt. — Neue Choleraerkrankungen sind seit unserer letzten Anzeige in Mainz nicht wieder vorgekommen. Frankreich. *** Paris 2. November. Unsere Ministerkrisis hat seit heute eine ganz unerwartete Wendung genommen, es bleibt — um Jhnen dieselbe mit einem Worte zu bezeichnen — Alles beim Alten. Lesen Sie die ( unten folgenden ) Verhandlungen der Natio- nalversammlung von heute, lesen Sie das der Kammer mitge- theilte Programm des neuen Ministeriums und Sie werden zugeben müssen, daß nur die Personen gewechselt haben und das System wider alles Erwarten dasselbe geblieben ist. Es scheint demnach, daß Louis Napoleon sein früheres Mi- nisterium wirklich nur aus persönlichem Aerger und wegen des Verhaltens desselben in der römischen Frage entlassen hat. Fernblickende Politiker wollen freilich behaupten, das Alles sey nur ein tief angelegter Plan, um über kurz oder lang einen Staatsstreich auszuführen. Das sonst so schweigsame Jour- nal des Debats erklärt indessen heute rund heraus, nur Narren könnten in dem gegenwärtigen Augenblicke an Staatsstreiche den- ten und in ganz Frankreich führe Niemand solche im Schilde, — als die rothen Junicombattanten und jene „Bürger,“ welche eben vor dem _________________Statsgerichtshofe in Versailles stehen. Sey dem wie ihm wolle, so viel steht fest: daß die Einheit der Parteien trotz alle Dem, was das neue Ministerium darüber denken und sagen mag, sowie die Autorität der Regierungsgewalt wiederum einen gewaltigen Stoß erlitten haben und die Anarchie an allen Ecken und Enden in den Staatskörper eindringt. Das Lustigste bei der gan- zen Sache ist, daß der verantwortliche Präsident der Republik ein ___________Ministerium _____________fortgeschickt hat, das über eine ungeheuere Ma- jorit __at _ verfügte, ohne daß jetzt ein Mäuschen darüber muckst! Hatte unter der Monarchie Louis Philipp nur den zehnten Theil davon gewagt, — hu, was für freisinnige Reden wären da von der Tribune, gefallen, von den Höllenmaschinen gar nicht zu reden! Die heutige Sitzung der Nationalversammlung wird um 2 Uhr ________eröffnet. Die Versammlung ist zahlreich; eine gewisse ________Aufrgung herrscht auf allen Bänken und zahlreiche Grup- pen sind in Unterhaltung begriffen. Die oberen Bänke der Rech- ten sind ziemlich leer. Dufaure nimmt seinen Platz im linken Centrum nahe bei Cavaignac wieder ein; Passy setzt sich auf die nämliche Bank. Ein eifriges Gesprach entspinnt sich zwischen Dufaure, Passy, Ruthieres, Gouin_ , de Tocqueville, Rateau und anderen Mitgliedern der Majorität, während der Präsident zur Ziehung der Bureaux schreiten läßt. Die Versammlung erledigt hierauf mehrere Gesetzentwürfe von blos örtlichem Jnteresse und der Präsident verliest ein Schreiben Dufaure's, worin der abge- tretene Minister des Jnnern die Versammlung bittet, eine beson- dere __________Commissson zur Prüfung der auf seine Verwendung der ge- heimen Fonds wahrend seiner Amtsdauer, d. h. vom 2. Juni bis 31. October 1849, bezüglichen Rechnungen zu ernennen. Es wird sodann ein Gesetzentwurf von geringem Jnteresse ohne Er- örterung genehmigt. Obgleich es schon 3 Uhr ist, hat noch keiner der neuen Minister auf seiner Bank Platz genommen. Die Ver- sammlung ist fortwährend in ziemlich lebhafter Aufregung. Die Bänke füllen sich mehr und mehr, und mit ein paar Ausnahmen sind alle ausgezeichneteren Repräsentanten anwesend. Der Präsi- dent bemerkt, an der Tagesordnung sey jetzt die dritte Berathung des Gesetzentwurfes für Verlängerung des Zustandes der Auflö- sung der Nationalgarden von Lyon und seinen Vorstädten. Stim- men: „Es ist kein Minister da. Was sollen wir ohne Minister thun?“ ( Heiterkeit. ) Der Präsident setzt sich und schreibt. Lärm und Aufregung; die Sitzung bleibt etwa 10 Minuten lang so gut wie unterbrochen. Der Präsident befragt sodann die Versamm- lung, ob über den eben erwähnten Gesetzentwurf zur dritten Be- rathung geschritten werden solle, was bejaht wird. Vor dem Beginne derselben wird jedoch die erste Berathung eines Gesetz-

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Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 261. Mainz, 3. November 1849, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal261_1849/7>, abgerufen am 24.11.2024.