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Mainzer Journal. Nr. 265. Mainz, 8. November 1849.

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[Beginn Spaltensatz] den vollständigsten Widerspruch zwischen ihnen und Gagerns
Worten und Handlungen vom vorigen Jahre. Dort nahm er den
Applaus, welchen seine Souveränitätserklärung in der Pauls-
kirche hervorrief, in jeder Auslegung an. dort proclamirte er als
Reichsminister die Grundrechte und verpflichtete sich, die Verfassung
mit Gut und Blut durchzusetzen. Das Princip der Volkssouverä-
nität, die Grundrechte, das Suspensivveto, das Wahlgesetz sind die
Grundpfeiler, auf denen die ganze Paulskirchenverfassung beruht.
Sah Gagern das Verderbliche davon bereits im vorigen Jahre,
so konnte er als selbstständiger Staatsmann nie seine Zustimmung
dazu geben, sah er [unleserliches Material - 6 Zeichen fehlen]esmals noch nicht, so hat er eben keine selbst-
ständigen Ansichten. Der Schluß seiner Rede in Bremen: er sey
kein Staatsmann, welcher nach tiefdurchdachtem Plane die Ge-
schicke eines Volkes regelt: ist dann keine Phrase, sondern eine
Wahrheit. Das ist denn auch unsere Ansicht.

Die Friedensunterhandlungen mit Dänemark schei-
nen bis nach der Jnstallation der Bundescommission vertagt
worden zu seyn.

Nach statistischer Berechnung arbeiten hier gegenwärtig in den
verschiedenen Gewerken an 4000 Gesellen weniger als vor der
Märzrevolution -- Gewerbliche Errungenschaft!

Jn verschiedenen conservativen Vereinsköpfen war die fixe
Jdee rege geworden, die conservativen und demokratischen Be-
zirksvereine zu einem ausgleichenden Ganzen, einer Art Kam-
mercentrum, zu verbinden. Der Erfolg hat sich in einigen solchen
Mischmaschversammlungen bereits gezeigt. So lange die Ge-
sammtheit den Willen der Demokraten gethan, war Alles gut,
als aber neulich einmal die Wahl des gemeinschaftlichen Präsi-
denten auf einen Conservativen fiel, da gab es von Seiten der
Demokraten so viel Einwendungen und Vertagungen, daß eine
neue Wahl angesetzt werden mußte.

Köln 6. November. ( K. Z. ) Gestern wurde hier ein interes-
santer Gaunerstreich verübt. Am Morgen kamen zwei elegant
gekleidete, Französisch sprechende Herren in den Laden eines
unserer bedeutendsten [unleserliches Material - 12 Zeichen fehlen]Goldschmiede und Juweliere und ließen sich
hier mehrere Pretiosen zur Auswahl vorlegen. Nach langem
Mustern wählten sie einen Halsschmuck, verschiedene Ohrge-
hänge, Tuch= und Busennadeln und baten den Goldschmied,
nachdem sie über den Preis des nicht unbedeutenden Ankaufes
einig, sich mit ihnen in ihren Gasthof zu verfügen, um hier die
Bezahlung des Betrages von ungefahr 1000 [unleserliches Material - 7 Zeichen fehlen]Thalern in Empfang
zu nehmen. Der Goldschmied erklärte sich natürlich dazu bereit
und geleitete die beiden Herren in einen unserer ersten Gasthöfe.
Auf dem Zimmer der Fremden angekommen, bestellten diese so-
gleich Champagner zum [unleserliches Material - 12 Zeichen fehlen]Morgentrunke. Einer derselben über-
reichte dann dem Goldschmiede ein Kästchen, mit dem Ersuchen, die
Pretiosen in dasselbe zu verpacken, was der Goldschmied auch
so gfältig that. Als dies geschehen, hat man ihn, eine doppelte
specificirte Note auszuschreiben. Während der Goldschmied hier-
mit beschäftigt war, verließ einer der Fremden das Zimmer.
Als dieser, nachdem die Noten schon längst fertig waren, nicht
zurückkehrte, stellte sich der Andere betroffen und entfernte sich
dann auch, unter dem Vorwande, einmal nachzusehen, wo sein
Freund geblieben sey und das Geld zu holen. Wer aber das
Wiederkommen vergaß, waren die beiden Fremden. Der Gold-
schmied wußte nicht, was er von dem Ausbleiben der Herren
halten sollte; da sie gar zu lange blieben, mochte er Unrath
wittern; er nahm sein Kästchen, fand dasselbe sehr leicht und da
er es öffnete -- leer. Er war von ein paar Jndustrie=Rittern
geprellt, welche wahrscheinlich aus der höheren Gaunerei ein
Geschäft machen und hier eine eben nicht sehr feine Escamotage
ausgeführt hatten. Der Wirth hatte für seine Zeche auch das
leere Nachsehen, indem die Polizei die Reisekoffer der Gauner
mit Stroh und Steinen angefüllt fand.

München 5. November. ( A. Z. ) Um9 1 / 2 Uhr eröffnet
Graf Hegnenberg die dritte Sitzung, welche die zweite Kam-
mer der deutschen Frage widmet, mit der schreckenerregen-
den Nachricht, daß noch 17 Redner eingezeichnet seyen. Gleich-
wohl bleiben fast während der ganzen Sitzung Saal und Gallerie
in gespannter Aufmerksamkeit. Vier Redner aus der Pfalz, Rö-
mich, Jäger, Lang
und Weiß sprechen, der erste und
vierte mit besonderem Beifalle, für den Kirchgeßner'schen und
Paur'schen Antrag. Sie zeigen zum Theile Hinneigung zur
Berliner Verfassung. Stöcker
hielt eine Rede voll Ci-
taten im Genre des Richard Wanderer; die Berücksichtigung der
Volkswünsche und die Zuziehung der Volksvertretung ist der Kern
seiner Absicht. Gelbert stellt den Vorwürfen gegen Preußen
andere gegen Oesterreich entgegen, um zu folgern, daß eben überall
nur der Dynastie, nicht dem Volke gedient werden wolle. Pfarrer
Ruland findet die bayrische Regierung offen, treu und conse-
quent; sein Motto scheint jenes königliche Wort zu seyn: einem
Hohenzollern unterwerfe ich mich nicht. Ein neues deutsches Par-
[Spaltenumbruch] lament sey erst am Platze, wenn sich die Fieberhitze des Volkes
gelegt habe. Dr. Morgenstern führt den Gegensatz der Haus-
und Nationalpolitik durch; die Mediatisirung sey den Einen recht,
den Anderen billig. Die Jdee der Demokratie müsse die geschwun-
dene Kraft des Glaubens ersetzen! Er stimmt für den Kirchgeß-
ner 'schen Antrag; Wening und Keller für den der Commis-
sion. Minister v. d. Pfordten ergreift nun das Wort, um in
einer längern, von Beifall öfter unterbrochenen, glänzenden Rede
das Ministerium zu rechtfertigen. Er geht von seinem Axiom
"kein zerrissenes Deutschland" aus, bemerkt daß der Satz "kein
Deutschland ohne Oesterreich" nur die momentane Richtung jenes
Axioms bezeichne, und gelangt zu dem Schlusse, daß er als Kri-
terium des Bundesstaates das Princip der Majorität ansehe.
Allerdings wisse er nicht, ob man dieses Ziel erreichen könne, in-
dessen dürfe man der Form willen nicht die Existenz gefährden,
nicht das Vaterland zur Form, wohl aber die Form fürs
Vaterland suchen.
Gelegentlich bemerkte der Herr Minister
auch, daß an eine Kündigung des Zollvereines von Seite Bay-
erns nicht gedacht werden könne, wenn auch die Erfüllung der
Vertragsbestimmungen erschwert werde. Schließlich verlangt der
Minister einen klaren Ausspruch der Kammer, welcher Billigung
oder Mißbilligung außer Zweifel setze. Unter Beifall für den letz-
ten Redner wird die Sitzung um2 1 / 2 Uhr geschlossen, die nächste
auf morgen früh anberaumt 1).

Aus Unterfranken 5. November. Die Klagen, welche
in Nr. 260. des Mainzer Journals "aus Baden" in Bezug auf
die Lage der treugebliebenen Schullehrer erhoben worden, diese
Klagen können wir, Gott Lob, nicht erheben. Bei uns geht es
mit den Versetzungen roth angelaufener Schullehrer zwar sehr
langsam und zwar der Art langsam und vorsichtig, daß man ver-
sucht werden möchte, darüber ungehalten zu werden; allein man
scheint von Seiten der Regierung sehr vorsichtig zu Werke zu
gehen, um eben nicht in jene Fehler zu fallen, welche Jhr Cor-
respondent aus Baden so bitter beklagt. Besser langsam mit Ver-
setzungen und dann aber nach Verdienst, als in Uebereilung und
ohne gerechte Würdigung aller Verhaltnisse. Mit bloser Ver-
setzung -- wenn keine Verbesserung oder Verschlimmerung damit
verbunden -- ist nichts ausgerichtet, oft sogar noch geschadet,
wenn, wie es in Baden zugeht, es nur auf schleunige Versetzung
abgesehen zu seyn scheint und dabei hie und da ein schlechter Lehrer
sogar auf eine bessere oder gleichgute Schulstelle kommt. Doch
scheint dieses nicht durchgängig der Fall zu seyn, indem mir auch
Falle des Gegentheiles aus Baden bekannt sind, wo brave Schul-
lehrer die Stellen wühlerischer erhielten, und letztere auf die
Dienste der an ihre Stellen beförderten zurückversetzt [unleserliches Material - 6 Zeichen fehlen]wurden.
Solche Fehler kommen nur da vor, wo schnell eine Aenderung
[unleserliches Material - 11 Zeichen fehlen]stattfinden muß und die Zahl der Guten scheint in Baden nicht
so groß zu[unleserliches Material] seyn, daß man durchaus die Schlechten auf geringere
Stellen versetzen kann. Bei[unleserliches Material] uns sind solche Mißgriffe noch nicht
vorgekommen, weil eben noch sehr wenige Versetzungen vorge-
nommen worden sind, doch wurden sich Jene sehr täuschen, welche
glauben, unsere Staatsregierung werde alles Geschehene sogleich
der Vergessenheit anh imgeben. Jch kann es Jhnen als ganz
zuversichtlich mittheilen, daß unsere Regierung nicht nur bemüht
ist die wühlerischen Lehrer kennen zu lernen, sondern zu gleicher
Zeit auch jene, welche sich während der jüngsten politischen Stürme
als besonnene, pflichtgetreue und dem Könige und dem constitu-
tionell=monarchischen Principe unzweifelhaft ergebene Män-
ner bewährt haben. Dabei ist unsere Staatsregierung fest ent-
schlossen, die Lehrer von erprobten pflichtgetreuen Gesinnungen
bei jeder sich darbietenden Gelegenheit zu bevorzugen und insbe-
sondere die Verdientesten unter denselben durch Verleihung der
goldenen und silbernen Medaille des Verdienstordens der bayrischen
Krone zu ehren und zu lohnen und die Dürftigen unter denselben
mit außerordentlichen Geldunterstützungen nach Maßgabe
der zu Gebote stehenden Mittel zu bedenken. Solche Beschlüsse
der Regierung können gewiß nur zum guten Ziele führen und es
ist dabei nichts zu wünschen, als daß die Regierung in Ausführung
derselben durch getreue Berichte der untergebenen Districts=,
Schul= und Polizeibehörden unterstützt werde. Dann wird Jeder
seinen Lohn und das Verdienst seine Krone finden, wie es schon
bei einigen Schulstellen geschehen ist, wo der jüngste unter allen
Gesuchstellern die erbetene Stelle erhielt, weil er eben in den po-
litischen Stürmen sich besser gehalten, als die älteren Bittsteller
um den nämlichen Dienst.

Aus Scheer in Oberschwaben theilt die "Ulmer Chronik"
den Brief einer Mutter an ihren geflüchteten Sohn mit, welcher
uns das Treiben der Demokraten im lieblichsten Lichte zeigt. Das
Schreiben ist vom 1. November datirt und lautet:

[Ende Spaltensatz]
1) Wir kommen, wie schon bemerkt, noch ausführlicher auf die
Verhandlungen zurück.

[Beginn Spaltensatz] den vollständigsten Widerspruch zwischen ihnen und Gagerns
Worten und Handlungen vom vorigen Jahre. Dort nahm er den
Applaus, welchen seine Souveränitätserklärung in der Pauls-
kirche hervorrief, in jeder Auslegung an. dort proclamirte er als
Reichsminister die Grundrechte und verpflichtete sich, die Verfassung
mit Gut und Blut durchzusetzen. Das Princip der Volkssouverä-
nität, die Grundrechte, das Suspensivveto, das Wahlgesetz sind die
Grundpfeiler, auf denen die ganze Paulskirchenverfassung beruht.
Sah Gagern das Verderbliche davon bereits im vorigen Jahre,
so konnte er als selbstständiger Staatsmann nie seine Zustimmung
dazu geben, sah er [unleserliches Material – 6 Zeichen fehlen]esmals noch nicht, so hat er eben keine selbst-
ständigen Ansichten. Der Schluß seiner Rede in Bremen: er sey
kein Staatsmann, welcher nach tiefdurchdachtem Plane die Ge-
schicke eines Volkes regelt: ist dann keine Phrase, sondern eine
Wahrheit. Das ist denn auch unsere Ansicht.

Die Friedensunterhandlungen mit Dänemark schei-
nen bis nach der Jnstallation der Bundescommission vertagt
worden zu seyn.

Nach statistischer Berechnung arbeiten hier gegenwärtig in den
verschiedenen Gewerken an 4000 Gesellen weniger als vor der
Märzrevolution — Gewerbliche Errungenschaft!

Jn verschiedenen conservativen Vereinsköpfen war die fixe
Jdee rege geworden, die conservativen und demokratischen Be-
zirksvereine zu einem ausgleichenden Ganzen, einer Art Kam-
mercentrum, zu verbinden. Der Erfolg hat sich in einigen solchen
Mischmaschversammlungen bereits gezeigt. So lange die Ge-
sammtheit den Willen der Demokraten gethan, war Alles gut,
als aber neulich einmal die Wahl des gemeinschaftlichen Präsi-
denten auf einen Conservativen fiel, da gab es von Seiten der
Demokraten so viel Einwendungen und Vertagungen, daß eine
neue Wahl angesetzt werden mußte.

Köln 6. November. ( K. Z. ) Gestern wurde hier ein interes-
santer Gaunerstreich verübt. Am Morgen kamen zwei elegant
gekleidete, Französisch sprechende Herren in den Laden eines
unserer bedeutendsten [unleserliches Material – 12 Zeichen fehlen]Goldschmiede und Juweliere und ließen sich
hier mehrere Pretiosen zur Auswahl vorlegen. Nach langem
Mustern wählten sie einen Halsschmuck, verschiedene Ohrge-
hänge, Tuch= und Busennadeln und baten den Goldschmied,
nachdem sie über den Preis des nicht unbedeutenden Ankaufes
einig, sich mit ihnen in ihren Gasthof zu verfügen, um hier die
Bezahlung des Betrages von ungefahr 1000 [unleserliches Material – 7 Zeichen fehlen]Thalern in Empfang
zu nehmen. Der Goldschmied erklärte sich natürlich dazu bereit
und geleitete die beiden Herren in einen unserer ersten Gasthöfe.
Auf dem Zimmer der Fremden angekommen, bestellten diese so-
gleich Champagner zum [unleserliches Material – 12 Zeichen fehlen]Morgentrunke. Einer derselben über-
reichte dann dem Goldschmiede ein Kästchen, mit dem Ersuchen, die
Pretiosen in dasselbe zu verpacken, was der Goldschmied auch
so gfältig that. Als dies geschehen, hat man ihn, eine doppelte
specificirte Note auszuschreiben. Während der Goldschmied hier-
mit beschäftigt war, verließ einer der Fremden das Zimmer.
Als dieser, nachdem die Noten schon längst fertig waren, nicht
zurückkehrte, stellte sich der Andere betroffen und entfernte sich
dann auch, unter dem Vorwande, einmal nachzusehen, wo sein
Freund geblieben sey und das Geld zu holen. Wer aber das
Wiederkommen vergaß, waren die beiden Fremden. Der Gold-
schmied wußte nicht, was er von dem Ausbleiben der Herren
halten sollte; da sie gar zu lange blieben, mochte er Unrath
wittern; er nahm sein Kästchen, fand dasselbe sehr leicht und da
er es öffnete — leer. Er war von ein paar Jndustrie=Rittern
geprellt, welche wahrscheinlich aus der höheren Gaunerei ein
Geschäft machen und hier eine eben nicht sehr feine Escamotage
ausgeführt hatten. Der Wirth hatte für seine Zeche auch das
leere Nachsehen, indem die Polizei die Reisekoffer der Gauner
mit Stroh und Steinen angefüllt fand.

München 5. November. ( A. Z. ) Um9 1 / 2 Uhr eröffnet
Graf Hegnenberg die dritte Sitzung, welche die zweite Kam-
mer der deutschen Frage widmet, mit der schreckenerregen-
den Nachricht, daß noch 17 Redner eingezeichnet seyen. Gleich-
wohl bleiben fast während der ganzen Sitzung Saal und Gallerie
in gespannter Aufmerksamkeit. Vier Redner aus der Pfalz, Rö-
mich, Jäger, Lang
und Weiß sprechen, der erste und
vierte mit besonderem Beifalle, für den Kirchgeßner'schen und
Paur'schen Antrag. Sie zeigen zum Theile Hinneigung zur
Berliner Verfassung. Stöcker
hielt eine Rede voll Ci-
taten im Genre des Richard Wanderer; die Berücksichtigung der
Volkswünsche und die Zuziehung der Volksvertretung ist der Kern
seiner Absicht. Gelbert stellt den Vorwürfen gegen Preußen
andere gegen Oesterreich entgegen, um zu folgern, daß eben überall
nur der Dynastie, nicht dem Volke gedient werden wolle. Pfarrer
Ruland findet die bayrische Regierung offen, treu und conse-
quent; sein Motto scheint jenes königliche Wort zu seyn: einem
Hohenzollern unterwerfe ich mich nicht. Ein neues deutsches Par-
[Spaltenumbruch] lament sey erst am Platze, wenn sich die Fieberhitze des Volkes
gelegt habe. Dr. Morgenstern führt den Gegensatz der Haus-
und Nationalpolitik durch; die Mediatisirung sey den Einen recht,
den Anderen billig. Die Jdee der Demokratie müsse die geschwun-
dene Kraft des Glaubens ersetzen! Er stimmt für den Kirchgeß-
ner 'schen Antrag; Wening und Keller für den der Commis-
sion. Minister v. d. Pfordten ergreift nun das Wort, um in
einer längern, von Beifall öfter unterbrochenen, glänzenden Rede
das Ministerium zu rechtfertigen. Er geht von seinem Axiom
„kein zerrissenes Deutschland“ aus, bemerkt daß der Satz „kein
Deutschland ohne Oesterreich“ nur die momentane Richtung jenes
Axioms bezeichne, und gelangt zu dem Schlusse, daß er als Kri-
terium des Bundesstaates das Princip der Majorität ansehe.
Allerdings wisse er nicht, ob man dieses Ziel erreichen könne, in-
dessen dürfe man der Form willen nicht die Existenz gefährden,
nicht das Vaterland zur Form, wohl aber die Form fürs
Vaterland suchen.
Gelegentlich bemerkte der Herr Minister
auch, daß an eine Kündigung des Zollvereines von Seite Bay-
erns nicht gedacht werden könne, wenn auch die Erfüllung der
Vertragsbestimmungen erschwert werde. Schließlich verlangt der
Minister einen klaren Ausspruch der Kammer, welcher Billigung
oder Mißbilligung außer Zweifel setze. Unter Beifall für den letz-
ten Redner wird die Sitzung um2 1 / 2 Uhr geschlossen, die nächste
auf morgen früh anberaumt 1).

☩ Aus Unterfranken 5. November. Die Klagen, welche
in Nr. 260. des Mainzer Journals „aus Baden“ in Bezug auf
die Lage der treugebliebenen Schullehrer erhoben worden, diese
Klagen können wir, Gott Lob, nicht erheben. Bei uns geht es
mit den Versetzungen roth angelaufener Schullehrer zwar sehr
langsam und zwar der Art langsam und vorsichtig, daß man ver-
sucht werden möchte, darüber ungehalten zu werden; allein man
scheint von Seiten der Regierung sehr vorsichtig zu Werke zu
gehen, um eben nicht in jene Fehler zu fallen, welche Jhr Cor-
respondent aus Baden so bitter beklagt. Besser langsam mit Ver-
setzungen und dann aber nach Verdienst, als in Uebereilung und
ohne gerechte Würdigung aller Verhaltnisse. Mit bloser Ver-
setzung — wenn keine Verbesserung oder Verschlimmerung damit
verbunden — ist nichts ausgerichtet, oft sogar noch geschadet,
wenn, wie es in Baden zugeht, es nur auf schleunige Versetzung
abgesehen zu seyn scheint und dabei hie und da ein schlechter Lehrer
sogar auf eine bessere oder gleichgute Schulstelle kommt. Doch
scheint dieses nicht durchgängig der Fall zu seyn, indem mir auch
Falle des Gegentheiles aus Baden bekannt sind, wo brave Schul-
lehrer die Stellen wühlerischer erhielten, und letztere auf die
Dienste der an ihre Stellen beförderten zurückversetzt [unleserliches Material – 6 Zeichen fehlen]wurden.
Solche Fehler kommen nur da vor, wo schnell eine Aenderung
[unleserliches Material – 11 Zeichen fehlen]stattfinden muß und die Zahl der Guten scheint in Baden nicht
so groß zu[unleserliches Material] seyn, daß man durchaus die Schlechten auf geringere
Stellen versetzen kann. Bei[unleserliches Material] uns sind solche Mißgriffe noch nicht
vorgekommen, weil eben noch sehr wenige Versetzungen vorge-
nommen worden sind, doch wurden sich Jene sehr täuschen, welche
glauben, unsere Staatsregierung werde alles Geschehene sogleich
der Vergessenheit anh imgeben. Jch kann es Jhnen als ganz
zuversichtlich mittheilen, daß unsere Regierung nicht nur bemüht
ist die wühlerischen Lehrer kennen zu lernen, sondern zu gleicher
Zeit auch jene, welche sich während der jüngsten politischen Stürme
als besonnene, pflichtgetreue und dem Könige und dem constitu-
tionell=monarchischen Principe unzweifelhaft ergebene Män-
ner bewährt haben. Dabei ist unsere Staatsregierung fest ent-
schlossen, die Lehrer von erprobten pflichtgetreuen Gesinnungen
bei jeder sich darbietenden Gelegenheit zu bevorzugen und insbe-
sondere die Verdientesten unter denselben durch Verleihung der
goldenen und silbernen Medaille des Verdienstordens der bayrischen
Krone zu ehren und zu lohnen und die Dürftigen unter denselben
mit außerordentlichen Geldunterstützungen nach Maßgabe
der zu Gebote stehenden Mittel zu bedenken. Solche Beschlüsse
der Regierung können gewiß nur zum guten Ziele führen und es
ist dabei nichts zu wünschen, als daß die Regierung in Ausführung
derselben durch getreue Berichte der untergebenen Districts=,
Schul= und Polizeibehörden unterstützt werde. Dann wird Jeder
seinen Lohn und das Verdienst seine Krone finden, wie es schon
bei einigen Schulstellen geschehen ist, wo der jüngste unter allen
Gesuchstellern die erbetene Stelle erhielt, weil er eben in den po-
litischen Stürmen sich besser gehalten, als die älteren Bittsteller
um den nämlichen Dienst.

Aus Scheer in Oberschwaben theilt die „Ulmer Chronik“
den Brief einer Mutter an ihren geflüchteten Sohn mit, welcher
uns das Treiben der Demokraten im lieblichsten Lichte zeigt. Das
Schreiben ist vom 1. November datirt und lautet:

[Ende Spaltensatz]
1) Wir kommen, wie schon bemerkt, noch ausführlicher auf die
Verhandlungen zurück.
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[0003] den vollständigsten Widerspruch zwischen ihnen und Gagerns Worten und Handlungen vom vorigen Jahre. Dort nahm er den Applaus, welchen seine Souveränitätserklärung in der Pauls- kirche hervorrief, in jeder Auslegung an. dort proclamirte er als Reichsminister die Grundrechte und verpflichtete sich, die Verfassung mit Gut und Blut durchzusetzen. Das Princip der Volkssouverä- nität, die Grundrechte, das Suspensivveto, das Wahlgesetz sind die Grundpfeiler, auf denen die ganze Paulskirchenverfassung beruht. Sah Gagern das Verderbliche davon bereits im vorigen Jahre, so konnte er als selbstständiger Staatsmann nie seine Zustimmung dazu geben, sah er ______esmals noch nicht, so hat er eben keine selbst- ständigen Ansichten. Der Schluß seiner Rede in Bremen: er sey kein Staatsmann, welcher nach tiefdurchdachtem Plane die Ge- schicke eines Volkes regelt: ist dann keine Phrase, sondern eine Wahrheit. Das ist denn auch unsere Ansicht. Die Friedensunterhandlungen mit Dänemark schei- nen bis nach der Jnstallation der Bundescommission vertagt worden zu seyn. Nach statistischer Berechnung arbeiten hier gegenwärtig in den verschiedenen Gewerken an 4000 Gesellen weniger als vor der Märzrevolution — Gewerbliche Errungenschaft! Jn verschiedenen conservativen Vereinsköpfen war die fixe Jdee rege geworden, die conservativen und demokratischen Be- zirksvereine zu einem ausgleichenden Ganzen, einer Art Kam- mercentrum, zu verbinden. Der Erfolg hat sich in einigen solchen Mischmaschversammlungen bereits gezeigt. So lange die Ge- sammtheit den Willen der Demokraten gethan, war Alles gut, als aber neulich einmal die Wahl des gemeinschaftlichen Präsi- denten auf einen Conservativen fiel, da gab es von Seiten der Demokraten so viel Einwendungen und Vertagungen, daß eine neue Wahl angesetzt werden mußte. Köln 6. November. ( K. Z. ) Gestern wurde hier ein interes- santer Gaunerstreich verübt. Am Morgen kamen zwei elegant gekleidete, Französisch sprechende Herren in den Laden eines unserer bedeutendsten ____________Goldschmiede und Juweliere und ließen sich hier mehrere Pretiosen zur Auswahl vorlegen. Nach langem Mustern wählten sie einen Halsschmuck, verschiedene Ohrge- hänge, Tuch= und Busennadeln und baten den Goldschmied, nachdem sie über den Preis des nicht unbedeutenden Ankaufes einig, sich mit ihnen in ihren Gasthof zu verfügen, um hier die Bezahlung des Betrages von ungefahr 1000 _______Thalern in Empfang zu nehmen. Der Goldschmied erklärte sich natürlich dazu bereit und geleitete die beiden Herren in einen unserer ersten Gasthöfe. Auf dem Zimmer der Fremden angekommen, bestellten diese so- gleich Champagner zum ____________Morgentrunke. Einer derselben über- reichte dann dem Goldschmiede ein Kästchen, mit dem Ersuchen, die Pretiosen in dasselbe zu verpacken, was der Goldschmied auch so gfältig that. Als dies geschehen, hat man ihn, eine doppelte specificirte Note auszuschreiben. Während der Goldschmied hier- mit beschäftigt war, verließ einer der Fremden das Zimmer. Als dieser, nachdem die Noten schon längst fertig waren, nicht zurückkehrte, stellte sich der Andere betroffen und entfernte sich dann auch, unter dem Vorwande, einmal nachzusehen, wo sein Freund geblieben sey und das Geld zu holen. Wer aber das Wiederkommen vergaß, waren die beiden Fremden. Der Gold- schmied wußte nicht, was er von dem Ausbleiben der Herren halten sollte; da sie gar zu lange blieben, mochte er Unrath wittern; er nahm sein Kästchen, fand dasselbe sehr leicht und da er es öffnete — leer. Er war von ein paar Jndustrie=Rittern geprellt, welche wahrscheinlich aus der höheren Gaunerei ein Geschäft machen und hier eine eben nicht sehr feine Escamotage ausgeführt hatten. Der Wirth hatte für seine Zeche auch das leere Nachsehen, indem die Polizei die Reisekoffer der Gauner mit Stroh und Steinen angefüllt fand. München 5. November. ( A. Z. ) Um9 1 / 2 Uhr eröffnet Graf Hegnenberg die dritte Sitzung, welche die zweite Kam- mer der deutschen Frage widmet, mit der schreckenerregen- den Nachricht, daß noch 17 Redner eingezeichnet seyen. Gleich- wohl bleiben fast während der ganzen Sitzung Saal und Gallerie in gespannter Aufmerksamkeit. Vier Redner aus der Pfalz, Rö- mich, Jäger, Lang und Weiß sprechen, der erste und vierte mit besonderem Beifalle, für den Kirchgeßner'schen und Paur'schen Antrag. Sie zeigen zum Theile Hinneigung zur Berliner Verfassung. Stöcker hielt eine Rede voll Ci- taten im Genre des Richard Wanderer; die Berücksichtigung der Volkswünsche und die Zuziehung der Volksvertretung ist der Kern seiner Absicht. Gelbert stellt den Vorwürfen gegen Preußen andere gegen Oesterreich entgegen, um zu folgern, daß eben überall nur der Dynastie, nicht dem Volke gedient werden wolle. Pfarrer Ruland findet die bayrische Regierung offen, treu und conse- quent; sein Motto scheint jenes königliche Wort zu seyn: einem Hohenzollern unterwerfe ich mich nicht. Ein neues deutsches Par- lament sey erst am Platze, wenn sich die Fieberhitze des Volkes gelegt habe. Dr. Morgenstern führt den Gegensatz der Haus- und Nationalpolitik durch; die Mediatisirung sey den Einen recht, den Anderen billig. Die Jdee der Demokratie müsse die geschwun- dene Kraft des Glaubens ersetzen! Er stimmt für den Kirchgeß- ner 'schen Antrag; Wening und Keller für den der Commis- sion. Minister v. d. Pfordten ergreift nun das Wort, um in einer längern, von Beifall öfter unterbrochenen, glänzenden Rede das Ministerium zu rechtfertigen. Er geht von seinem Axiom „kein zerrissenes Deutschland“ aus, bemerkt daß der Satz „kein Deutschland ohne Oesterreich“ nur die momentane Richtung jenes Axioms bezeichne, und gelangt zu dem Schlusse, daß er als Kri- terium des Bundesstaates das Princip der Majorität ansehe. Allerdings wisse er nicht, ob man dieses Ziel erreichen könne, in- dessen dürfe man der Form willen nicht die Existenz gefährden, nicht das Vaterland zur Form, wohl aber die Form fürs Vaterland suchen. Gelegentlich bemerkte der Herr Minister auch, daß an eine Kündigung des Zollvereines von Seite Bay- erns nicht gedacht werden könne, wenn auch die Erfüllung der Vertragsbestimmungen erschwert werde. Schließlich verlangt der Minister einen klaren Ausspruch der Kammer, welcher Billigung oder Mißbilligung außer Zweifel setze. Unter Beifall für den letz- ten Redner wird die Sitzung um2 1 / 2 Uhr geschlossen, die nächste auf morgen früh anberaumt 1). ☩ Aus Unterfranken 5. November. Die Klagen, welche in Nr. 260. des Mainzer Journals „aus Baden“ in Bezug auf die Lage der treugebliebenen Schullehrer erhoben worden, diese Klagen können wir, Gott Lob, nicht erheben. Bei uns geht es mit den Versetzungen roth angelaufener Schullehrer zwar sehr langsam und zwar der Art langsam und vorsichtig, daß man ver- sucht werden möchte, darüber ungehalten zu werden; allein man scheint von Seiten der Regierung sehr vorsichtig zu Werke zu gehen, um eben nicht in jene Fehler zu fallen, welche Jhr Cor- respondent aus Baden so bitter beklagt. Besser langsam mit Ver- setzungen und dann aber nach Verdienst, als in Uebereilung und ohne gerechte Würdigung aller Verhaltnisse. Mit bloser Ver- setzung — wenn keine Verbesserung oder Verschlimmerung damit verbunden — ist nichts ausgerichtet, oft sogar noch geschadet, wenn, wie es in Baden zugeht, es nur auf schleunige Versetzung abgesehen zu seyn scheint und dabei hie und da ein schlechter Lehrer sogar auf eine bessere oder gleichgute Schulstelle kommt. Doch scheint dieses nicht durchgängig der Fall zu seyn, indem mir auch Falle des Gegentheiles aus Baden bekannt sind, wo brave Schul- lehrer die Stellen wühlerischer erhielten, und letztere auf die Dienste der an ihre Stellen beförderten zurückversetzt ______wurden. Solche Fehler kommen nur da vor, wo schnell eine Aenderung ___________stattfinden muß und die Zahl der Guten scheint in Baden nicht so groß zu_ seyn, daß man durchaus die Schlechten auf geringere Stellen versetzen kann. Bei_ uns sind solche Mißgriffe noch nicht vorgekommen, weil eben noch sehr wenige Versetzungen vorge- nommen worden sind, doch wurden sich Jene sehr täuschen, welche glauben, unsere Staatsregierung werde alles Geschehene sogleich der Vergessenheit anh imgeben. Jch kann es Jhnen als ganz zuversichtlich mittheilen, daß unsere Regierung nicht nur bemüht ist die wühlerischen Lehrer kennen zu lernen, sondern zu gleicher Zeit auch jene, welche sich während der jüngsten politischen Stürme als besonnene, pflichtgetreue und dem Könige und dem constitu- tionell=monarchischen Principe unzweifelhaft ergebene Män- ner bewährt haben. Dabei ist unsere Staatsregierung fest ent- schlossen, die Lehrer von erprobten pflichtgetreuen Gesinnungen bei jeder sich darbietenden Gelegenheit zu bevorzugen und insbe- sondere die Verdientesten unter denselben durch Verleihung der goldenen und silbernen Medaille des Verdienstordens der bayrischen Krone zu ehren und zu lohnen und die Dürftigen unter denselben mit außerordentlichen Geldunterstützungen nach Maßgabe der zu Gebote stehenden Mittel zu bedenken. Solche Beschlüsse der Regierung können gewiß nur zum guten Ziele führen und es ist dabei nichts zu wünschen, als daß die Regierung in Ausführung derselben durch getreue Berichte der untergebenen Districts=, Schul= und Polizeibehörden unterstützt werde. Dann wird Jeder seinen Lohn und das Verdienst seine Krone finden, wie es schon bei einigen Schulstellen geschehen ist, wo der jüngste unter allen Gesuchstellern die erbetene Stelle erhielt, weil er eben in den po- litischen Stürmen sich besser gehalten, als die älteren Bittsteller um den nämlichen Dienst. Aus Scheer in Oberschwaben theilt die „Ulmer Chronik“ den Brief einer Mutter an ihren geflüchteten Sohn mit, welcher uns das Treiben der Demokraten im lieblichsten Lichte zeigt. Das Schreiben ist vom 1. November datirt und lautet: 1) Wir kommen, wie schon bemerkt, noch ausführlicher auf die Verhandlungen zurück.

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Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 265. Mainz, 8. November 1849, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal265_1849/3>, abgerufen am 15.06.2024.