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Mainzer Journal. Nr. 265. Mainz, 8. November 1849.

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[Beginn Spaltensatz]

"Jch will Dir nur berichten, wie die Republikaner mit uns
umgehen. Am Freitag Abend um halb 7 Uhr warf man einen
großen Stein an den Laden, daß derselbe nebst dem halben Fen-
sterkreuz in die Stube flog. Wenn der Stein, der6 3 / 4 Pfund
wog, Jemand getroffen hätte, so wäre dieser gewiß gleich todt
gewesen. Du kannst dir unseren Schrecken denken: man droht
uns immer mit Todtschießen und Todtschlageu; wir seyen Volks-
verräther! Wir haben freilich immer zu dem Könige gehalten.
Der Vater sagt, er lasse dem Könige Nichts geschehen, er sey mit
ihm im Felde gewesen[unleserliches Material] ein gutgesinnter Soldat lasse dem Könige
Nichts thun. Der Polizeidiener muß auch viel ausstehen, er ist
auch ein gutgesinnter alter Soldat. Aber -- die Sache ist so, die
gutgesinnten Männer müssen jetzt Noth leiden; den Schreiern
thut man Nichts.
Man meint geradezu, die Hälfte der
Beamten stecken mit letzteren unter einer Decke.

Trotzdem, daß sie uns den Sommer schier einmal todtschlagen
wollten, und wir es anzeigten, ist Nichts geschehen. Zwar sagt
man, man nehme es nun vor; aber es geschieht Nichts. Es bleibt
uns Nichts übrig, als aus Scheer wegzugehen, wenn wir
nicht umkommen wollen.
Aber Niemand will unsere Wirth-
schaft kaufen, ein rechter Mensch wird unter solchen Verhältnissen
nicht hierher ziehen. Wie wir erst außer dem Hause den schwer-
sten Unbilden ausgesetzt sind, kannst Du Dir denken. Vergangenen
Sonntag ging der Vater Abends um fünf Uhr in's Bräuhaus,
um in der Eile einen Schoppen Bier zu trinken, -- denn wir
schenken gegenwärtig nur neuen Wein. Wie er hinter dem Tische
saß und kaum einen halben Schoppen getrunken hatte, kam der
"Republikaner" Linder zu ihm an den Tisch her, und sagte, er
solle machen, daß er heim komme, obgleich der Vater noch kein
Wort mit ihm gesprochen hatte. Um aber Händel zu vermeiden,
stand der Vater eilends auf, um wegzugehen. Kaum war er aber
hinter dem Tisch vor, so fallen ihn 10--12 Mann an, schlugen
und mißhandelten ihn so, daß er ganz zerfetzt, an Kopf und Fuß
( aber Gott sey Dank ohne größere Gefahr ) verwundet nach Hause
kam. Er ging sogleich auf das Rathhaus und gab diese himmel-
schreiende, unerhörte Mißhandlung zu Protokoll. Kaum war er
eine halbe Stunde zu Haus, so kam der Soldat Eisele, und warf
gewiß zwölfmal an die Läden hin, so daß die Läden und Fenster
zersprangen. Wir haben's wieder angezeigt, aber, weißt Du, der
Schultheiß ist selbst ein Republikaner.
Er denkt viel-
leicht, denen ist Recht geschehen. Nun sind wir nach Saulgau ge-
gangen; zwar hat darauf der Oberamtmann einen scharfen Be-
fehl nach Scheer geschickt, aber den Republikanern ist man nicht
gescheidt genug, sie läugnen Alles weg; sie wissen wohl,
daß noch Keinem Etwas geschehen ist. Wir sind eben
jetzt ganz verhaßt mit unserer guten Denkart und unserer Ver-
theidigung des Königs; da ist guter Rath theuer, wir kommen
um Alles, man zahlt uns Nichts für unsere Wirthschaft in der
jetzigen Zeit "

Rastatt 7. November. ( D. Z. ) Gestern Abend ereignete sich
hier ein Fall, der großes Aufsehen erregt und viel böses Blut
macht. Kriegsgefangene des badischen Aufgebotes saßen von der
Arbeit zurückgekehrt um den Ofen ihrer Casematte, um ihre vom
Regen durchnäßten Kleider zu trocknen. Der außerhalb stehende
Wachposten hielt bei der bereits herrschenden Dunkelheit den Wi-
derschein des Ofenfeuers für brennendes Licht, und gab seiner
Jnstruction gemäß durch ein Fenster hindurch schießend Feuer in
die Casematte. Diese eine Kugel, die zuerst gegen die gewölbte
Decke des Zimmers schlug, traf sechs Mann ( ? ) der in dem Zim-
mer befindlichen Gefangenen. Robert Ritter, ein kräftiger, junger
Mann, in der Nähe von Konstanz zu Hause, erhielt eine Wunde
in den Kopf, an der er nach einer halben Stunde verschied. Drei
Getroffene wurden nach dem Spitale gebracht, bei den übrigen
zweien sind die Verletzungen unbedeutend. Einer der ersteren
hat zwei Wunden zugleich, eine an der Hand, die andere am
Fuße, erhalten.

Mainz 8. November. Die des Eindringens in fremde
Wohnungen und Eigenthumsbeschädigung angeklagten Jakob
Becker VI., Adam Becker VII., Philipp Becker und Johann
Metzler, sämmtlich von Ebersheim, wurden in der gestrigen
Sitzung des Gr. Assisengerichtes von den Geschworenen für
nicht schuldig erklärt und sofort freigelassen. Als Geschwo-
renen fungirten die Herren: Wernz, Phil. Jakob, Staufer II.,
Abraham, Dr. Köhler, Anton, Ampt, Carl Anton, Kaiser,
Samuel, Herr, Heinrich, Vohsen, Ludwig, Rauth II., Wil-
helm, Seligmann, Heinrich, Schöneck, Johann Lorenz, Eber-
stadt,
Leopold, und Geil I., Valentin. Recusirt wurden durch
die Staatsbehörde die Herren Dr. Weißmann, Joseph, und
Schneider, Joh. Bapt., durch den Angeklagten Adam Becker
Herr Dr. Wiegand, durch den Angeklagten Philipp Becker
[Spaltenumbruch] Herr Andreas Keßler und endlich durch den Angeklagten Jakob
Becker Herr Dr. Syr e.

# Mainz 8. November. Heute morgen um neun Uhr traf
unser allverehrter Großherzog auf der Eisenbahn hier ein
und stieg im großherzoglichen Palais ab, verließ aber unsere
Stadt schon Nachmittags um drei Uhr wieder, um auf der Eisen-
bahn nach Darmstadt zurückzukehren. Dem Vernehmen war
Se. K. Hoheit nur in der Absicht nach Mainz gekommen, um
unseren neuen Gouverneur, den Erzherzog Albrecht, mit einem
Besuche zu überraschen.

Frankfurt 6. November. ( K. Z. ) Mehrfache Anzeichen
lassen vermuthen, daß man von Seiten der deutschen Regierungen
die Eventualität eines Wiederausbruches der Feindseligkei-
ten mit Dänemark
ernstlich ins Auge faßt. Bereits ist die
Rede davon, daß die als Reichskorps unter den Befehlen des
Generals v. Peucker in Baden vereinigt gewesenen Truppen
neuerdings in Bereitschaft zum Abmarsche gesetzt werden sollen.
[ Jm Winter? ] Zu diesen Truppen gehören bekanntlich auch das
frankfurter Linienbataillon und das hier liegende bayrische Jäger-
bataillon. Die neuerlichen Rüstungen im Nassauischen scheinen
obige Voraussetzung zu bestätigen. Für den Fall des Ausmarsches
preußischer Truppen nach Holstein soll auch das seit Kurzem erst
hier eingerückte 31. Linienregiment an der Expedition Antheil
nehmen.

Frankreich.

* * * Paris 6. November. Es zeigen sich bereits Wölkchen
am Horizonte, die bald in einen gewaltigen Sturm ausarten
könnten: der Präsident, der nun einmal persönliche Politik trei-
ben will und ausschließlich in den Traditionen des Consulates und
Kaiserreiches lebt, ist nämlich mit seinem neuen Ministerium be-
reits wieder unzufrieden, er meint, sie seyen nicht die rechten
Männer für sein System und ist namentlich ungehalten darüber,
daß sie der Majorität so viele Concessionen machen. Das Privat-
organ des Präsidenten, der Dix Decembre spricht sich in diesem
Sinne ganz offen aus. Andererseits sagt das Blatt des gestürzten
Odilon Barrot, l'Ordre, dem Präsidenten und dem neuen Mini-
sterium ganz derb die Meinung, was eben auf kein besonders
herzliches Einvernehmen schließen läßt und der "National" macht
sich über Alle miteinander lustig, indem er in gewohnter Weise
die neuen Minister "Reactionäre" schimpft, und ihnen das Prog-
nostikon stellt, sie würden es um kein Haar besser treiben als die
alten.

General Baraguay=d'Hilliers ist zum Commandirenden in
Jtalien und zugleich zum diplomatischen Agenten beim heiligen
Stuhle ernannt worden. Der tapfere General ist ein sehr ent-
schiedener Conservativer.

Der "Constitutionnel" legt den neuesten kriegerischen Gerüch-
ten aus Rußland keinen besonderen Werth bei. Er meldet sogar,
daß die französische Flotte -- nicht nach Konstantinopel, sondern
nach Marokko abgehen soll, um mit der maurischen Majestät ein
ernstes Wort zu sprechen.

Wie man vernimmt, wird Herr v. Rayneval in Neapel das
ihm zugedachte Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten
schwerlich annehmen. Herr v. R. hat nämlich schon so lange auf
verschiedenen diplomatischen Posten im Auslande gelebt, daß er
den inländischen Verhältnissen, Personen sowohl als Zuständen,
ziemlich fremd geworden ist. Ueber seinen Ersatzmann, sowie über
eine Menge anderer Ernennungen und Absetzungen cursiren tau-
senderlei Gerüchte. Das Wettrennen nach Aemtern und Stellen
ist wieder im schönsten Flore.

Nach der "Estafette" hieß es gestern, der Ministerrath habe
beschlossen, der Versammlung die Abschaffung der Ge-
tränkesteuer
vorzuschlagen. Man setzte hinzu, daß Fould nach
einer lebhaften Erörterung der Ansicht des größeren Theiles sei-
ner Collegen beigetreten sey.

Das "Siecle" erinnert den Kriegsminister an die unlängst in
der Budgetcommission von ihm aufgestellte Behauptung, daß es
möglich sey, am Kriegsbudget jährlich 60 Millionen zu sparen,
ohne deshalb den Effectivstand des Heeres zu verringern. Das
"Siecle" hofft, daß er jetzt als Minister vor den zur Bewirkung
jener Ersparniß nöthigen Reformen nicht zurückschrecken werde;
er erinnert zugleich, wie dringend nöthig die sofortige Berathung
des Budgets sey, da der Jahresschluß herannahe und der Han-
delsminister bereits einige auf das Budget von 1850 vorwegge-
nommene Credite begehrt habe. -- 5% 87. 90. -- 3% 55. 75.
-- Bankactien 2330.

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. -- Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. -- Druck von Florian Kupferberg.

[Beginn Spaltensatz]

„Jch will Dir nur berichten, wie die Republikaner mit uns
umgehen. Am Freitag Abend um halb 7 Uhr warf man einen
großen Stein an den Laden, daß derselbe nebst dem halben Fen-
sterkreuz in die Stube flog. Wenn der Stein, der6 3 / 4 Pfund
wog, Jemand getroffen hätte, so wäre dieser gewiß gleich todt
gewesen. Du kannst dir unseren Schrecken denken: man droht
uns immer mit Todtschießen und Todtschlageu; wir seyen Volks-
verräther! Wir haben freilich immer zu dem Könige gehalten.
Der Vater sagt, er lasse dem Könige Nichts geschehen, er sey mit
ihm im Felde gewesen[unleserliches Material] ein gutgesinnter Soldat lasse dem Könige
Nichts thun. Der Polizeidiener muß auch viel ausstehen, er ist
auch ein gutgesinnter alter Soldat. Aber — die Sache ist so, die
gutgesinnten Männer müssen jetzt Noth leiden; den Schreiern
thut man Nichts.
Man meint geradezu, die Hälfte der
Beamten stecken mit letzteren unter einer Decke.

Trotzdem, daß sie uns den Sommer schier einmal todtschlagen
wollten, und wir es anzeigten, ist Nichts geschehen. Zwar sagt
man, man nehme es nun vor; aber es geschieht Nichts. Es bleibt
uns Nichts übrig, als aus Scheer wegzugehen, wenn wir
nicht umkommen wollen.
Aber Niemand will unsere Wirth-
schaft kaufen, ein rechter Mensch wird unter solchen Verhältnissen
nicht hierher ziehen. Wie wir erst außer dem Hause den schwer-
sten Unbilden ausgesetzt sind, kannst Du Dir denken. Vergangenen
Sonntag ging der Vater Abends um fünf Uhr in's Bräuhaus,
um in der Eile einen Schoppen Bier zu trinken, — denn wir
schenken gegenwärtig nur neuen Wein. Wie er hinter dem Tische
saß und kaum einen halben Schoppen getrunken hatte, kam der
„Republikaner“ Linder zu ihm an den Tisch her, und sagte, er
solle machen, daß er heim komme, obgleich der Vater noch kein
Wort mit ihm gesprochen hatte. Um aber Händel zu vermeiden,
stand der Vater eilends auf, um wegzugehen. Kaum war er aber
hinter dem Tisch vor, so fallen ihn 10—12 Mann an, schlugen
und mißhandelten ihn so, daß er ganz zerfetzt, an Kopf und Fuß
( aber Gott sey Dank ohne größere Gefahr ) verwundet nach Hause
kam. Er ging sogleich auf das Rathhaus und gab diese himmel-
schreiende, unerhörte Mißhandlung zu Protokoll. Kaum war er
eine halbe Stunde zu Haus, so kam der Soldat Eisele, und warf
gewiß zwölfmal an die Läden hin, so daß die Läden und Fenster
zersprangen. Wir haben's wieder angezeigt, aber, weißt Du, der
Schultheiß ist selbst ein Republikaner.
Er denkt viel-
leicht, denen ist Recht geschehen. Nun sind wir nach Saulgau ge-
gangen; zwar hat darauf der Oberamtmann einen scharfen Be-
fehl nach Scheer geschickt, aber den Republikanern ist man nicht
gescheidt genug, sie läugnen Alles weg; sie wissen wohl,
daß noch Keinem Etwas geschehen ist. Wir sind eben
jetzt ganz verhaßt mit unserer guten Denkart und unserer Ver-
theidigung des Königs; da ist guter Rath theuer, wir kommen
um Alles, man zahlt uns Nichts für unsere Wirthschaft in der
jetzigen Zeit

Rastatt 7. November. ( D. Z. ) Gestern Abend ereignete sich
hier ein Fall, der großes Aufsehen erregt und viel böses Blut
macht. Kriegsgefangene des badischen Aufgebotes saßen von der
Arbeit zurückgekehrt um den Ofen ihrer Casematte, um ihre vom
Regen durchnäßten Kleider zu trocknen. Der außerhalb stehende
Wachposten hielt bei der bereits herrschenden Dunkelheit den Wi-
derschein des Ofenfeuers für brennendes Licht, und gab seiner
Jnstruction gemäß durch ein Fenster hindurch schießend Feuer in
die Casematte. Diese eine Kugel, die zuerst gegen die gewölbte
Decke des Zimmers schlug, traf sechs Mann ( ? ) der in dem Zim-
mer befindlichen Gefangenen. Robert Ritter, ein kräftiger, junger
Mann, in der Nähe von Konstanz zu Hause, erhielt eine Wunde
in den Kopf, an der er nach einer halben Stunde verschied. Drei
Getroffene wurden nach dem Spitale gebracht, bei den übrigen
zweien sind die Verletzungen unbedeutend. Einer der ersteren
hat zwei Wunden zugleich, eine an der Hand, die andere am
Fuße, erhalten.

Mainz 8. November. Die des Eindringens in fremde
Wohnungen und Eigenthumsbeschädigung angeklagten Jakob
Becker VI., Adam Becker VII., Philipp Becker und Johann
Metzler, sämmtlich von Ebersheim, wurden in der gestrigen
Sitzung des Gr. Assisengerichtes von den Geschworenen für
nicht schuldig erklärt und sofort freigelassen. Als Geschwo-
renen fungirten die Herren: Wernz, Phil. Jakob, Staufer II.,
Abraham, Dr. Köhler, Anton, Ampt, Carl Anton, Kaiser,
Samuel, Herr, Heinrich, Vohsen, Ludwig, Rauth II., Wil-
helm, Seligmann, Heinrich, Schöneck, Johann Lorenz, Eber-
stadt,
Leopold, und Geil I., Valentin. Recusirt wurden durch
die Staatsbehörde die Herren Dr. Weißmann, Joseph, und
Schneider, Joh. Bapt., durch den Angeklagten Adam Becker
Herr Dr. Wiegand, durch den Angeklagten Philipp Becker
[Spaltenumbruch] Herr Andreas Keßler und endlich durch den Angeklagten Jakob
Becker Herr Dr. Syr é.

# Mainz 8. November. Heute morgen um neun Uhr traf
unser allverehrter Großherzog auf der Eisenbahn hier ein
und stieg im großherzoglichen Palais ab, verließ aber unsere
Stadt schon Nachmittags um drei Uhr wieder, um auf der Eisen-
bahn nach Darmstadt zurückzukehren. Dem Vernehmen war
Se. K. Hoheit nur in der Absicht nach Mainz gekommen, um
unseren neuen Gouverneur, den Erzherzog Albrecht, mit einem
Besuche zu überraschen.

Frankfurt 6. November. ( K. Z. ) Mehrfache Anzeichen
lassen vermuthen, daß man von Seiten der deutschen Regierungen
die Eventualität eines Wiederausbruches der Feindseligkei-
ten mit Dänemark
ernstlich ins Auge faßt. Bereits ist die
Rede davon, daß die als Reichskorps unter den Befehlen des
Generals v. Peucker in Baden vereinigt gewesenen Truppen
neuerdings in Bereitschaft zum Abmarsche gesetzt werden sollen.
[ Jm Winter? ] Zu diesen Truppen gehören bekanntlich auch das
frankfurter Linienbataillon und das hier liegende bayrische Jäger-
bataillon. Die neuerlichen Rüstungen im Nassauischen scheinen
obige Voraussetzung zu bestätigen. Für den Fall des Ausmarsches
preußischer Truppen nach Holstein soll auch das seit Kurzem erst
hier eingerückte 31. Linienregiment an der Expedition Antheil
nehmen.

Frankreich.

* * * Paris 6. November. Es zeigen sich bereits Wölkchen
am Horizonte, die bald in einen gewaltigen Sturm ausarten
könnten: der Präsident, der nun einmal persönliche Politik trei-
ben will und ausschließlich in den Traditionen des Consulates und
Kaiserreiches lebt, ist nämlich mit seinem neuen Ministerium be-
reits wieder unzufrieden, er meint, sie seyen nicht die rechten
Männer für sein System und ist namentlich ungehalten darüber,
daß sie der Majorität so viele Concessionen machen. Das Privat-
organ des Präsidenten, der Dix Decembre spricht sich in diesem
Sinne ganz offen aus. Andererseits sagt das Blatt des gestürzten
Odilon Barrot, l'Ordre, dem Präsidenten und dem neuen Mini-
sterium ganz derb die Meinung, was eben auf kein besonders
herzliches Einvernehmen schließen läßt und der „National“ macht
sich über Alle miteinander lustig, indem er in gewohnter Weise
die neuen Minister „Reactionäre“ schimpft, und ihnen das Prog-
nostikon stellt, sie würden es um kein Haar besser treiben als die
alten.

General Baraguay=d'Hilliers ist zum Commandirenden in
Jtalien und zugleich zum diplomatischen Agenten beim heiligen
Stuhle ernannt worden. Der tapfere General ist ein sehr ent-
schiedener Conservativer.

Der „Constitutionnel“ legt den neuesten kriegerischen Gerüch-
ten aus Rußland keinen besonderen Werth bei. Er meldet sogar,
daß die französische Flotte — nicht nach Konstantinopel, sondern
nach Marokko abgehen soll, um mit der maurischen Majestät ein
ernstes Wort zu sprechen.

Wie man vernimmt, wird Herr v. Rayneval in Neapel das
ihm zugedachte Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten
schwerlich annehmen. Herr v. R. hat nämlich schon so lange auf
verschiedenen diplomatischen Posten im Auslande gelebt, daß er
den inländischen Verhältnissen, Personen sowohl als Zuständen,
ziemlich fremd geworden ist. Ueber seinen Ersatzmann, sowie über
eine Menge anderer Ernennungen und Absetzungen cursiren tau-
senderlei Gerüchte. Das Wettrennen nach Aemtern und Stellen
ist wieder im schönsten Flore.

Nach der „Estafette“ hieß es gestern, der Ministerrath habe
beschlossen, der Versammlung die Abschaffung der Ge-
tränkesteuer
vorzuschlagen. Man setzte hinzu, daß Fould nach
einer lebhaften Erörterung der Ansicht des größeren Theiles sei-
ner Collegen beigetreten sey.

Das „Siecle“ erinnert den Kriegsminister an die unlängst in
der Budgetcommission von ihm aufgestellte Behauptung, daß es
möglich sey, am Kriegsbudget jährlich 60 Millionen zu sparen,
ohne deshalb den Effectivstand des Heeres zu verringern. Das
„Siecle“ hofft, daß er jetzt als Minister vor den zur Bewirkung
jener Ersparniß nöthigen Reformen nicht zurückschrecken werde;
er erinnert zugleich, wie dringend nöthig die sofortige Berathung
des Budgets sey, da der Jahresschluß herannahe und der Han-
delsminister bereits einige auf das Budget von 1850 vorwegge-
nommene Credite begehrt habe. — 5% 87. 90. — 3% 55. 75.
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[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.

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[0004] „Jch will Dir nur berichten, wie die Republikaner mit uns umgehen. Am Freitag Abend um halb 7 Uhr warf man einen großen Stein an den Laden, daß derselbe nebst dem halben Fen- sterkreuz in die Stube flog. Wenn der Stein, der6 3 / 4 Pfund wog, Jemand getroffen hätte, so wäre dieser gewiß gleich todt gewesen. Du kannst dir unseren Schrecken denken: man droht uns immer mit Todtschießen und Todtschlageu; wir seyen Volks- verräther! Wir haben freilich immer zu dem Könige gehalten. Der Vater sagt, er lasse dem Könige Nichts geschehen, er sey mit ihm im Felde gewesen_ ein gutgesinnter Soldat lasse dem Könige Nichts thun. Der Polizeidiener muß auch viel ausstehen, er ist auch ein gutgesinnter alter Soldat. Aber — die Sache ist so, die gutgesinnten Männer müssen jetzt Noth leiden; den Schreiern thut man Nichts. Man meint geradezu, die Hälfte der Beamten stecken mit letzteren unter einer Decke. Trotzdem, daß sie uns den Sommer schier einmal todtschlagen wollten, und wir es anzeigten, ist Nichts geschehen. Zwar sagt man, man nehme es nun vor; aber es geschieht Nichts. Es bleibt uns Nichts übrig, als aus Scheer wegzugehen, wenn wir nicht umkommen wollen. Aber Niemand will unsere Wirth- schaft kaufen, ein rechter Mensch wird unter solchen Verhältnissen nicht hierher ziehen. Wie wir erst außer dem Hause den schwer- sten Unbilden ausgesetzt sind, kannst Du Dir denken. Vergangenen Sonntag ging der Vater Abends um fünf Uhr in's Bräuhaus, um in der Eile einen Schoppen Bier zu trinken, — denn wir schenken gegenwärtig nur neuen Wein. Wie er hinter dem Tische saß und kaum einen halben Schoppen getrunken hatte, kam der „Republikaner“ Linder zu ihm an den Tisch her, und sagte, er solle machen, daß er heim komme, obgleich der Vater noch kein Wort mit ihm gesprochen hatte. Um aber Händel zu vermeiden, stand der Vater eilends auf, um wegzugehen. Kaum war er aber hinter dem Tisch vor, so fallen ihn 10—12 Mann an, schlugen und mißhandelten ihn so, daß er ganz zerfetzt, an Kopf und Fuß ( aber Gott sey Dank ohne größere Gefahr ) verwundet nach Hause kam. Er ging sogleich auf das Rathhaus und gab diese himmel- schreiende, unerhörte Mißhandlung zu Protokoll. Kaum war er eine halbe Stunde zu Haus, so kam der Soldat Eisele, und warf gewiß zwölfmal an die Läden hin, so daß die Läden und Fenster zersprangen. Wir haben's wieder angezeigt, aber, weißt Du, der Schultheiß ist selbst ein Republikaner. Er denkt viel- leicht, denen ist Recht geschehen. Nun sind wir nach Saulgau ge- gangen; zwar hat darauf der Oberamtmann einen scharfen Be- fehl nach Scheer geschickt, aber den Republikanern ist man nicht gescheidt genug, sie läugnen Alles weg; sie wissen wohl, daß noch Keinem Etwas geschehen ist. Wir sind eben jetzt ganz verhaßt mit unserer guten Denkart und unserer Ver- theidigung des Königs; da ist guter Rath theuer, wir kommen um Alles, man zahlt uns Nichts für unsere Wirthschaft in der jetzigen Zeit “ Rastatt 7. November. ( D. Z. ) Gestern Abend ereignete sich hier ein Fall, der großes Aufsehen erregt und viel böses Blut macht. Kriegsgefangene des badischen Aufgebotes saßen von der Arbeit zurückgekehrt um den Ofen ihrer Casematte, um ihre vom Regen durchnäßten Kleider zu trocknen. Der außerhalb stehende Wachposten hielt bei der bereits herrschenden Dunkelheit den Wi- derschein des Ofenfeuers für brennendes Licht, und gab seiner Jnstruction gemäß durch ein Fenster hindurch schießend Feuer in die Casematte. Diese eine Kugel, die zuerst gegen die gewölbte Decke des Zimmers schlug, traf sechs Mann ( ? ) der in dem Zim- mer befindlichen Gefangenen. Robert Ritter, ein kräftiger, junger Mann, in der Nähe von Konstanz zu Hause, erhielt eine Wunde in den Kopf, an der er nach einer halben Stunde verschied. Drei Getroffene wurden nach dem Spitale gebracht, bei den übrigen zweien sind die Verletzungen unbedeutend. Einer der ersteren hat zwei Wunden zugleich, eine an der Hand, die andere am Fuße, erhalten. Mainz 8. November. Die des Eindringens in fremde Wohnungen und Eigenthumsbeschädigung angeklagten Jakob Becker VI., Adam Becker VII., Philipp Becker und Johann Metzler, sämmtlich von Ebersheim, wurden in der gestrigen Sitzung des Gr. Assisengerichtes von den Geschworenen für nicht schuldig erklärt und sofort freigelassen. Als Geschwo- renen fungirten die Herren: Wernz, Phil. Jakob, Staufer II., Abraham, Dr. Köhler, Anton, Ampt, Carl Anton, Kaiser, Samuel, Herr, Heinrich, Vohsen, Ludwig, Rauth II., Wil- helm, Seligmann, Heinrich, Schöneck, Johann Lorenz, Eber- stadt, Leopold, und Geil I., Valentin. Recusirt wurden durch die Staatsbehörde die Herren Dr. Weißmann, Joseph, und Schneider, Joh. Bapt., durch den Angeklagten Adam Becker Herr Dr. Wiegand, durch den Angeklagten Philipp Becker Herr Andreas Keßler und endlich durch den Angeklagten Jakob Becker Herr Dr. Syr é. # Mainz 8. November. Heute morgen um neun Uhr traf unser allverehrter Großherzog auf der Eisenbahn hier ein und stieg im großherzoglichen Palais ab, verließ aber unsere Stadt schon Nachmittags um drei Uhr wieder, um auf der Eisen- bahn nach Darmstadt zurückzukehren. Dem Vernehmen war Se. K. Hoheit nur in der Absicht nach Mainz gekommen, um unseren neuen Gouverneur, den Erzherzog Albrecht, mit einem Besuche zu überraschen. Frankfurt 6. November. ( K. Z. ) Mehrfache Anzeichen lassen vermuthen, daß man von Seiten der deutschen Regierungen die Eventualität eines Wiederausbruches der Feindseligkei- ten mit Dänemark ernstlich ins Auge faßt. Bereits ist die Rede davon, daß die als Reichskorps unter den Befehlen des Generals v. Peucker in Baden vereinigt gewesenen Truppen neuerdings in Bereitschaft zum Abmarsche gesetzt werden sollen. [ Jm Winter? ] Zu diesen Truppen gehören bekanntlich auch das frankfurter Linienbataillon und das hier liegende bayrische Jäger- bataillon. Die neuerlichen Rüstungen im Nassauischen scheinen obige Voraussetzung zu bestätigen. Für den Fall des Ausmarsches preußischer Truppen nach Holstein soll auch das seit Kurzem erst hier eingerückte 31. Linienregiment an der Expedition Antheil nehmen. Frankreich. * * * Paris 6. November. Es zeigen sich bereits Wölkchen am Horizonte, die bald in einen gewaltigen Sturm ausarten könnten: der Präsident, der nun einmal persönliche Politik trei- ben will und ausschließlich in den Traditionen des Consulates und Kaiserreiches lebt, ist nämlich mit seinem neuen Ministerium be- reits wieder unzufrieden, er meint, sie seyen nicht die rechten Männer für sein System und ist namentlich ungehalten darüber, daß sie der Majorität so viele Concessionen machen. Das Privat- organ des Präsidenten, der Dix Decembre spricht sich in diesem Sinne ganz offen aus. Andererseits sagt das Blatt des gestürzten Odilon Barrot, l'Ordre, dem Präsidenten und dem neuen Mini- sterium ganz derb die Meinung, was eben auf kein besonders herzliches Einvernehmen schließen läßt und der „National“ macht sich über Alle miteinander lustig, indem er in gewohnter Weise die neuen Minister „Reactionäre“ schimpft, und ihnen das Prog- nostikon stellt, sie würden es um kein Haar besser treiben als die alten. General Baraguay=d'Hilliers ist zum Commandirenden in Jtalien und zugleich zum diplomatischen Agenten beim heiligen Stuhle ernannt worden. Der tapfere General ist ein sehr ent- schiedener Conservativer. Der „Constitutionnel“ legt den neuesten kriegerischen Gerüch- ten aus Rußland keinen besonderen Werth bei. Er meldet sogar, daß die französische Flotte — nicht nach Konstantinopel, sondern nach Marokko abgehen soll, um mit der maurischen Majestät ein ernstes Wort zu sprechen. Wie man vernimmt, wird Herr v. Rayneval in Neapel das ihm zugedachte Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten schwerlich annehmen. Herr v. R. hat nämlich schon so lange auf verschiedenen diplomatischen Posten im Auslande gelebt, daß er den inländischen Verhältnissen, Personen sowohl als Zuständen, ziemlich fremd geworden ist. Ueber seinen Ersatzmann, sowie über eine Menge anderer Ernennungen und Absetzungen cursiren tau- senderlei Gerüchte. Das Wettrennen nach Aemtern und Stellen ist wieder im schönsten Flore. Nach der „Estafette“ hieß es gestern, der Ministerrath habe beschlossen, der Versammlung die Abschaffung der Ge- tränkesteuer vorzuschlagen. Man setzte hinzu, daß Fould nach einer lebhaften Erörterung der Ansicht des größeren Theiles sei- ner Collegen beigetreten sey. Das „Siecle“ erinnert den Kriegsminister an die unlängst in der Budgetcommission von ihm aufgestellte Behauptung, daß es möglich sey, am Kriegsbudget jährlich 60 Millionen zu sparen, ohne deshalb den Effectivstand des Heeres zu verringern. Das „Siecle“ hofft, daß er jetzt als Minister vor den zur Bewirkung jener Ersparniß nöthigen Reformen nicht zurückschrecken werde; er erinnert zugleich, wie dringend nöthig die sofortige Berathung des Budgets sey, da der Jahresschluß herannahe und der Han- delsminister bereits einige auf das Budget von 1850 vorwegge- nommene Credite begehrt habe. — 5% 87. 90. — 3% 55. 75. — Bankactien 2330. Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 265. Mainz, 8. November 1849, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal265_1849/4>, abgerufen am 23.11.2024.