Marburger Zeitung. Nr. 121, Marburg, 10.10.1911.Marburger Zeitung. [Spaltenumbruch]
[Spaltenumbruch] Der Preis des Blattes beträgt: Für Marburg: Mit Postversendung: [Spaltenumbruch] Erscheint jeden Dienstag, Donnerstag und Sprechstunden des Schriftleiters an allen Wochentagen von Die Verwaltung befindet sich: Postgasse 4. (Telephon Nr. 24.) [Spaltenumbruch] Anzeigen werden im Verlage des Blattes und von Schluß für Einschaltungen: Die Einzelnummer kostet 10 Heller. Nr. 121 Dienstag, 10. Oktober 1911 50. Jahrgang. [Spaltenumbruch] Die Pläne des Dr. Meyer. Marburg, 10. Oktober. Der letzte Schluß der österreichischen Finanz- Der abenteuerliche Gedanke, sagt jenes Blatt, Nach den staatsfinanziellen Ergebnissen des Allein die fiskalischen Gelüste waren stärker in Aber es ist nicht nur eine Erhöhung der direkten [Spaltenumbruch] Vorüber an Fels und Klippe. 12 (Nachdruck verboten.) Mitteracht war vorüber, als das elegante Stein wußte Konrad zu überreden, ihn noch Als die beiden sich endlich trennten, lud Stein Der schreckliche Tag, der 5. August, von dem Der Herr Rat Mündel hatte soeben mit dem "Aber Herr Rat, bei der Hitze und bei dem "Halten Sie --! Ich bin Herr im Hause!" "Neugieriges Affenvolk aus Berlin", pflegte Jeden Morgen Schlag neun Uhr pilgerte der Als Siegfried sich gegen 12 Uhr in dem ein- Marburger Zeitung. [Spaltenumbruch]
[Spaltenumbruch] Der Preis des Blattes beträgt: Für Marburg: Mit Poſtverſendung: [Spaltenumbruch] Erſcheint jeden Dienstag, Donnerstag und Sprechſtunden des Schriftleiters an allen Wochentagen von Die Verwaltung befindet ſich: Poſtgaſſe 4. (Telephon Nr. 24.) [Spaltenumbruch] Anzeigen werden im Verlage des Blattes und von Schluß für Einſchaltungen: Die Einzelnummer koſtet 10 Heller. Nr. 121 Dienstag, 10. Oktober 1911 50. Jahrgang. [Spaltenumbruch] Die Pläne des Dr. Meyer. Marburg, 10. Oktober. Der letzte Schluß der öſterreichiſchen Finanz- Der abenteuerliche Gedanke, ſagt jenes Blatt, Nach den ſtaatsfinanziellen Ergebniſſen des Allein die fiskaliſchen Gelüſte waren ſtärker in Aber es iſt nicht nur eine Erhöhung der direkten [Spaltenumbruch] Vorüber an Fels und Klippe. 12 (Nachdruck verboten.) Mitteracht war vorüber, als das elegante Stein wußte Konrad zu überreden, ihn noch Als die beiden ſich endlich trennten, lud Stein Der ſchreckliche Tag, der 5. Auguſt, von dem Der Herr Rat Mündel hatte ſoeben mit dem „Aber Herr Rat, bei der Hitze und bei dem „Halten Sie —! Ich bin Herr im Hauſe!“ „Neugieriges Affenvolk aus Berlin“, pflegte Jeden Morgen Schlag neun Uhr pilgerte der Als Siegfried ſich gegen 12 Uhr in dem ein- <TEI> <text> <front> <pb facs="#f0001" n="[1]"/> <titlePage xml:id="title1" type="heading" next="#title2"> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b">Marburger Zeitung.</hi> </titlePart><lb/> <cb/> <epigraph> <p> <hi rendition="#b">Keiner Partei dienſtbar.</hi> </p><lb/> <cb/> <p> <hi rendition="#b">Freies Wort jedem Deutſchen.</hi> </p> </epigraph> </titlePage><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jExpedition"> <p>Der Preis des Blattes beträgt: Für Marburg:<lb/> Ganzjährig 12 <hi rendition="#aq">K,</hi> halbjährig 6 <hi rendition="#aq">K,</hi> vierteljährig 3 <hi rendition="#aq">K,</hi> monat-<lb/> lich 1 <hi rendition="#aq">K.</hi> Bei Zuſtellung ins Haus monatlich 20 <hi rendition="#aq">h</hi> mehr.</p><lb/> <p>Mit Poſtverſendung:<lb/> Ganzjährig 14 <hi rendition="#aq">K,</hi> halbjährig 7 <hi rendition="#aq">K,</hi> vierteljährig 3 <hi rendition="#aq">K 50 h.</hi><lb/> Das Abonnement dauert bis zur ſchriftlichen Abbeſtellung.</p><lb/> <cb/> <p> <hi rendition="#b">Erſcheint jeden Dienstag, Donnerstag und<lb/> Samstag abends.</hi> </p><lb/> <p><hi rendition="#b">Sprechſtunden</hi> des Schriftleiters an allen Wochentagen von<lb/><hi rendition="#b">11—12</hi> Uhr vorm. und von <hi rendition="#b">5—6</hi> Uhr nachm. 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Sie wird<lb/> als Vorwand gebraucht, um die Abgeordneten da-<lb/> für zu gewinnen, die entweder einen Vorwand<lb/> ſuchen oder naiv genug ſind, ihn nicht zu erkennen.<lb/> Die Steuerpolitik läßt die Arbeiterbataillone gegen<lb/> den Mittelſtand ausrücken, und die Nichtangeſtellten<lb/> müſſen hergeben, was die Angeſtellten wollen. Die<lb/><cb/> öffentliche Meinung iſt für die Angeſtellten. Niemand<lb/> will ihnen nehmen, was der Staat ihnen zu geben<lb/> beabſichtigt. Aber das Junktim muß fallen. Die<lb/> Angeſtellten werden ſelbſt nicht wollen, daß die<lb/> Waffe der paſſiven Reſiſtenz in die Hände der Re-<lb/> gierung kommt und gegen den Mittelſtand in der<lb/> Steuerpolitik geſchwungen wird. Das Junktim iſt<lb/> ganz undurchführbar. Die Angeſtellten ſollen unter<lb/> dem Junktim nicht leiden und der Mittelſtand auch nicht.</p><lb/> <p>Aber es iſt nicht nur eine Erhöhung der direkten<lb/> Steuerſätze, welche die Regierung verlangt und die<lb/> zum allergrößten Teile wieder die deutſche Bevölkerung<lb/> zu zahlen hat; auch tarifariſche Verteuerung will<lb/> die Regierung durchgeführt wiſſen, jetzt, wo ohne-<lb/> hin die Teuerung alle Gemüter erregt, tarifariſche<lb/> Preisſteigerungen in Öſterreich, deſſen Verkehr<lb/> ohnehin ein relativ geringer iſt und deſſen Handel<lb/> und Induſtrie unter ſo vielen Übeln leiden, die<lb/> anderwärts faſt unbekannt ſind. Selbſtredend ſind<lb/> es auch hier wieder in erſter Linie wir Deutſche,<lb/> welche auch auf dieſem Gebiete den größten Teil<lb/> der Opfer zu bringen haben. In allen Provinzen<lb/> folgt eine Teuerungsdemonſtration der anderen und<lb/> es gewinnt den Anſchein, daß wir durch die paſſive<lb/> Reſiſtenz von großen Berufsgruppen demnächſt<lb/> argen wirtſchaftlichen Gefahren ausgeſetzt werden;<lb/> an verantwortlichen und unverantwortlichen Stellen<lb/> aber ſtellt man zugunſten übertriebener Großmacht-<lb/> ſpekulationen alle Volksforderungen zurück, ver-<lb/> teuert (und verſchlechtert!) die Monopole des<lb/> Staates, wie den Tabak, ſchraubt die Steuern<lb/> empor und läßt die Raubzüge von Kartellen ruhig<lb/> gewähren. 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Auf der Villa laſtete<lb/> bereits eine enorme Schuld, alles wertvolle Moblar<lb/> war verkauft oder mit Beſchlag belegt. — Eines<lb/> Nachts war Siegfried ein Gedanke gekommen, an<lb/> den er jetzt ſeine letzte Hoffnung hing: Juſtizrat<lb/> Mündel, ein Bruder ſeiner Mutter, der in Eiſenach<lb/> wohnte, ſollte helfen. — Dieſer, ein äußerſt ſelt-<lb/> ſamer Kauz, hatte ſich zwar mit ſeiner Schweſter,<lb/> als ſie den wilden Junker von Rouland heiratete,<lb/> vollſtändig entzweit und Siegfried ſelber bei einem<lb/> Beſuch die Tür gewieſen, aber dennoch wollte er<lb/> es verſuchen, des reichen alten Herrn Herz. zu be-<lb/> wegen. — Er nahm alſo Urlaub und reiſte nach<lb/> Eiſenach.</p><lb/> <p>Der Herr Rat Mündel hatte ſoeben mit dem<lb/> üblichen Nörgeln und Schelten, an das ſich Suſanna<lb/> Stennhold, ſeine langjährige Wirtſchafterin, längſt<lb/> gewöhnt, das Frühſtück verzehrt und verlangte jetzt<lb/> nach ſeinen beiden Überziehern.</p><lb/> <p>„Aber Herr Rat, bei der Hitze und bei dem<lb/> ſteilen Berg, heute die dicken Mäntel!“ rief die<lb/> alte Dame händeringend aus, während ihr feuer-<lb/> rotes, gutmütiges Vollmondgeſicht die deutlichen<lb/> Zeichen des Entſetzens trug.</p><lb/> <p>„Halten Sie —! 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Er puſtete und ſtöhnte<lb/><cb/> dabei, denn er war wohlbeleibt und die Hitze war<lb/> ſchier unerträglich. — Seinen grauen Zylinderhut<lb/> aufſetzend und die Bernſteinſpitze in den faſt zahn-<lb/> loſen Mund ſteckend, machte er ſich auf den Weg,<lb/> nachdem er ſich noch überzeugt, ob auch die wild-<lb/> ledernen Handſchuhe und das wollene Tuch in der<lb/> Taſche ſteckten, Die Eiſenacher kannten ihn ſeit<lb/> fünfzig Jahren und hatten ſich an ſeine Sonder-<lb/> barkeiten, deren es unendlich viele gab, gewöhnt.<lb/> Fremde aber blieben unwillkürlich ſtehen und<lb/> ſchauten dem alten Manne mit den dicken Filz-<lb/> ſchuhen und den <supplied> </supplied>altertümlichen Überziehern, deren<lb/> unterer an den längeren Ärmeln und Schößen nur<lb/> allzu ſichtbar war, lächelnd nach.</p><lb/> <p>„Neugieriges Affenvolk aus Berlin“, pflegte<lb/> er dann zu murmeln. „Scherrt Euch in Euren<lb/> Tiergarten!“ —</p><lb/> <p>Jeden Morgen Schlag neun Uhr pilgerte der<lb/> Juſtizrat zur Wartburg empor, trank ein Glas<lb/> Waſſer und wanderte dann in dem Tempo einer<lb/> Schnecke zurück. — Seine weit ausgedehnte Proxis<lb/> hatte er vor zehn Jahren, als ihm eine Klientin<lb/> ihr anſehnliches Vermögen vermachte, ſo ziemlich<lb/> aufgegeben. Nur in ganz ſeltenen Fällen ſetzte er<lb/> die juriſtiſche Welt noch einmal durch ſeinen<lb/> Scharſſinn und ſeine Beredſamkeit in Staunen,<lb/> wenn es galt, einen armen Teufel, den er für<lb/> unſchuldig hielt, herauszubeißen.</p><lb/> <p>Als Siegfried ſich gegen 12 Uhr in dem ein-<lb/> ſtöckigen, nicht gerade geſchmackvollen Häuschen ein-<lb/> fand, das ſein Oheim in einer der alten, ruhigeren</p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [[1]/0001]
Marburger Zeitung.
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Die Einzelnummer koſtet 10 Heller.
Nr. 121 Dienstag, 10. Oktober 1911 50. Jahrgang.
Die Pläne des Dr. Meyer.
Marburg, 10. Oktober.
Der letzte Schluß der öſterreichiſchen Finanz-
weisheit läuft immer darauf hinaus, neue Steuern
zu erſinnen und die alten zu erhöhen. Dieſe lieb-
liche Staatsverwaltungspraxis, deren geiſtiges
Nahrungselement in Bedürfniſſen zu ſuchen iſt,
welche die Bevölkerung keineswegs teilt, wird auch
in dieſer Zeit der Teuerung weiter geübt und
ſchließlich iſt ja anch die Teuerung ein Produkt
jener Beſtrebungen, welche das Einkommen der
Bevölkerung auf dem adriatiſchen Meer und in Kriegs-
rüſtungen inveſtiert, die weit über unſere Kräfte
gehen. In der Samstagnummer haben wir die
von der Regierung vorgeſchlagenen neuen Steuern
verzeichnet. Sie wirken wie ein phantaſtiſcher Kon-
traſt zur allgemeinen Not, zur ſtetig ſteigenden
Teuerung und zugleich ſind ſie auch, wie wir ſchon
betonten, geeignet, einen Stand gegen den anderen
auszuſpielen, denn die ſtärkere Belaſtung des Reich-
tumes und der in Öſterreich ſo ſpärlichen leiſtungs-
fähigen Menſchen wurde, wie ein Wiener Blatt
bemerkt, nur als Aufputz dazugenommen.
Der abenteuerliche Gedanke, ſagt jenes Blatt,
daß die Verſorgungsbedürftigen in Öſterreich, die
ſich für das Alter oder für den Todesfall zu
Gunſten ihrer Frauen und Kinder verſichern, dieſe
ſoziale Fürſorge mit einer jährlichen Mehrlaſt von
dreleinhalb Millionen büßen ſollen, iſt ſo antiſozial,
daß nur ein feſſelloſer Fiskalismus darauf verfallen
konnte. Auch das trifft den Mittelſtand, der vom
Staate keinen Beitrag zur Verſicherung bekommt,
wie dies bei der Altersverſicherung der Arbeiter
und der kleinen Unternehmer geplant wird. Das
wird ſich der Mittelſtand nicht gefallen laſſen. Er
hat es um den Staat nicht verdient, derart ge-
quält zu werden.
Nach den ſtaatsfinanziellen Ergebniſſen des
Jahres 1910 iſt auch die unvermeidliche Notwendig-
keit durchaus nicht bewieſen, daß den Angeſtellten
gegen die Teuerung nur durch ſolche Kriegsſteuern auf
den Mittelſtand geholfen werden könnte. Das
ganze Defizit betrug rund fünf Millionen. Wenn
der Finanzminiſter gewollt hätte, ſo wären auch
dieſe fünf Millionen noch hereinzubringen oder zu
erſparen geweſen. Bei einem Defizit von 5 Mil-
lionen müſſen 33 Millionen für die Angeſtellten
nicht bloß durch den Mittelſtand aufgebracht werden.
Eine Finanzpolitik, die den Angeſtellten gibt, was
ſie nach Billigkeit verlangen dürfen, aber dabei den
Mittelſtand nicht ſo rückſichtslos preßt, iſt bei
dieſem Stande der Finanzen gewiß kein unlösliches
Problem.
Allein die fiskaliſchen Gelüſte waren ſtärker in
Dr. Meyer als ſein wiſſenſchaftliches und ſozial-
politiſches Gewiſſen. Die paſſive Reſiſtenz wird in
eine ſtaatserhaltende Kraft umgewandelt. Sie droht
der Regierung und wurde vom Fiskus zu einer
Drohung gegen den Mittelſtand benützt. Sie wird
als Vorwand gebraucht, um die Abgeordneten da-
für zu gewinnen, die entweder einen Vorwand
ſuchen oder naiv genug ſind, ihn nicht zu erkennen.
Die Steuerpolitik läßt die Arbeiterbataillone gegen
den Mittelſtand ausrücken, und die Nichtangeſtellten
müſſen hergeben, was die Angeſtellten wollen. Die
öffentliche Meinung iſt für die Angeſtellten. Niemand
will ihnen nehmen, was der Staat ihnen zu geben
beabſichtigt. Aber das Junktim muß fallen. Die
Angeſtellten werden ſelbſt nicht wollen, daß die
Waffe der paſſiven Reſiſtenz in die Hände der Re-
gierung kommt und gegen den Mittelſtand in der
Steuerpolitik geſchwungen wird. Das Junktim iſt
ganz undurchführbar. Die Angeſtellten ſollen unter
dem Junktim nicht leiden und der Mittelſtand auch nicht.
Aber es iſt nicht nur eine Erhöhung der direkten
Steuerſätze, welche die Regierung verlangt und die
zum allergrößten Teile wieder die deutſche Bevölkerung
zu zahlen hat; auch tarifariſche Verteuerung will
die Regierung durchgeführt wiſſen, jetzt, wo ohne-
hin die Teuerung alle Gemüter erregt, tarifariſche
Preisſteigerungen in Öſterreich, deſſen Verkehr
ohnehin ein relativ geringer iſt und deſſen Handel
und Induſtrie unter ſo vielen Übeln leiden, die
anderwärts faſt unbekannt ſind. Selbſtredend ſind
es auch hier wieder in erſter Linie wir Deutſche,
welche auch auf dieſem Gebiete den größten Teil
der Opfer zu bringen haben. In allen Provinzen
folgt eine Teuerungsdemonſtration der anderen und
es gewinnt den Anſchein, daß wir durch die paſſive
Reſiſtenz von großen Berufsgruppen demnächſt
argen wirtſchaftlichen Gefahren ausgeſetzt werden;
an verantwortlichen und unverantwortlichen Stellen
aber ſtellt man zugunſten übertriebener Großmacht-
ſpekulationen alle Volksforderungen zurück, ver-
teuert (und verſchlechtert!) die Monopole des
Staates, wie den Tabak, ſchraubt die Steuern
empor und läßt die Raubzüge von Kartellen ruhig
gewähren. Das iſt öſterreichiſche Staatspolitik!
Vorüber an Fels und Klippe.
Originalroman von Ludwig Blümcke.
12 (Nachdruck verboten.)
Mitteracht war vorüber, als das elegante
Steinſche Koupee auf der mondhellen Chauſſee zur
Stadt rollte. — Der alte Lewald ſchüttelte den
Kopf, als er den Leutnant von Warlow, der vor-
hin ſo nett mit ihm geredet, im Koupee laut über
die Schattenſeiten des Soldatenſtandes räſonieren
hörte. — Es war dem alten Manne unverſtändlich,
daß der Sohn ſeines Hauptmanns ſich mit einem
Menſchen wie Stein ſo vertraut machen konnte.
Stein wußte Konrad zu überreden, ihn noch
in das Klubhaus, wo einige ſpäte Gäſte beim Skat
ſaßen, zu begleiten. — Man trank und unterhielt
ſich ſo lebhaft und herzlich, daß der Wirt und die
Kellner ſich den Kopf zerbrachen, wie der armſelige
junge Leutnant zu der Freundſchaft mit dem Mil-
lionär gekommen.
Als die beiden ſich endlich trennten, lud Stein
Konrad noch zur Jagd für einen der nächſten Tage
ein und gab ihm die Zerſicherung, einen genuß-
reichen Abend gehabt zu haben.
Der ſchreckliche Tag, der 5. Auguſt, von dem
der arme Siegfried in jeder Nacht träumte, rückte
mit Rieſenſchritten näher. — Jegliche Verſuche, das
Geld aufzutreiben, waren geſcheitert. Seine Lage,
das Geſchick ſeines Vaters und die Not des Schwieger-
vaters waren eben zu bekannt. Auf der Villa laſtete
bereits eine enorme Schuld, alles wertvolle Moblar
war verkauft oder mit Beſchlag belegt. — Eines
Nachts war Siegfried ein Gedanke gekommen, an
den er jetzt ſeine letzte Hoffnung hing: Juſtizrat
Mündel, ein Bruder ſeiner Mutter, der in Eiſenach
wohnte, ſollte helfen. — Dieſer, ein äußerſt ſelt-
ſamer Kauz, hatte ſich zwar mit ſeiner Schweſter,
als ſie den wilden Junker von Rouland heiratete,
vollſtändig entzweit und Siegfried ſelber bei einem
Beſuch die Tür gewieſen, aber dennoch wollte er
es verſuchen, des reichen alten Herrn Herz. zu be-
wegen. — Er nahm alſo Urlaub und reiſte nach
Eiſenach.
Der Herr Rat Mündel hatte ſoeben mit dem
üblichen Nörgeln und Schelten, an das ſich Suſanna
Stennhold, ſeine langjährige Wirtſchafterin, längſt
gewöhnt, das Frühſtück verzehrt und verlangte jetzt
nach ſeinen beiden Überziehern.
„Aber Herr Rat, bei der Hitze und bei dem
ſteilen Berg, heute die dicken Mäntel!“ rief die
alte Dame händeringend aus, während ihr feuer-
rotes, gutmütiges Vollmondgeſicht die deutlichen
Zeichen des Entſetzens trug.
„Halten Sie —! Ich bin Herr im Hauſe!“
wetterte der fünfundſiebzigjährige Herr, mit voller
Wucht ſeinen dicken Ziegenhainer auf den Fuß-
boden ſtoßend, daß die kleine Stube zitterte. Es
half nichts, Frau Stennhold mußte ihm die beiden
ausgebleichten, gelbgrünſchimmernden, altmodiſchen
Kleidungsſtücke anzwängen. Er puſtete und ſtöhnte
dabei, denn er war wohlbeleibt und die Hitze war
ſchier unerträglich. — Seinen grauen Zylinderhut
aufſetzend und die Bernſteinſpitze in den faſt zahn-
loſen Mund ſteckend, machte er ſich auf den Weg,
nachdem er ſich noch überzeugt, ob auch die wild-
ledernen Handſchuhe und das wollene Tuch in der
Taſche ſteckten, Die Eiſenacher kannten ihn ſeit
fünfzig Jahren und hatten ſich an ſeine Sonder-
barkeiten, deren es unendlich viele gab, gewöhnt.
Fremde aber blieben unwillkürlich ſtehen und
ſchauten dem alten Manne mit den dicken Filz-
ſchuhen und den altertümlichen Überziehern, deren
unterer an den längeren Ärmeln und Schößen nur
allzu ſichtbar war, lächelnd nach.
„Neugieriges Affenvolk aus Berlin“, pflegte
er dann zu murmeln. „Scherrt Euch in Euren
Tiergarten!“ —
Jeden Morgen Schlag neun Uhr pilgerte der
Juſtizrat zur Wartburg empor, trank ein Glas
Waſſer und wanderte dann in dem Tempo einer
Schnecke zurück. — Seine weit ausgedehnte Proxis
hatte er vor zehn Jahren, als ihm eine Klientin
ihr anſehnliches Vermögen vermachte, ſo ziemlich
aufgegeben. Nur in ganz ſeltenen Fällen ſetzte er
die juriſtiſche Welt noch einmal durch ſeinen
Scharſſinn und ſeine Beredſamkeit in Staunen,
wenn es galt, einen armen Teufel, den er für
unſchuldig hielt, herauszubeißen.
Als Siegfried ſich gegen 12 Uhr in dem ein-
ſtöckigen, nicht gerade geſchmackvollen Häuschen ein-
fand, das ſein Oheim in einer der alten, ruhigeren
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(2018-01-26T13:38:42Z)
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