Marburger Zeitung. Nr. 121, Marburg, 10.10.1911.Marburger Zeitung Nr. 121. 10. Oktober 1911 [Spaltenumbruch] Politische Umschau. Zum Grazer Mandatskampf. Der Vollzugsausschuß des Grazer deutsch- Die Lehrerschaft Steiermarks und der Deutsche Nationalverband. Die Leitung des Verbandes der deutschen Das Ende einer Partei. Aus Wien wird berichtet: Die "Allgemeine Reichsratswahl in Wien. Bei der Reichsratswahl in Ottakring, die durch Die Fleischnot. Die ungarische Regierung hat die Einfuhr Die portugiesische Königsrevolution. Nach den heute vorliegenden Nachrichten ist die Eigenberichte. Die Schule in Hraftnig. Eine Entscheidung des Verwaltungs- gerichtshofes. -- Ehrung des steirischen Schulvereinsreferenten. Hrastnig, 8. Oktober. Kürzlich hat der Deutsche Schulverein in Hl. Dreifaltigkeit W.-B., 8. Oktober. (Windische Taktik.) In der Vorwoche brannte [Spaltenumbruch] Straßen bewohnte und Frau Stennhold eröffnete, "Das wird er nicht tun, denn ich bin ein "Ah, wohl der Herr Neffe, der Herr Garde- "Danke, danke", sprach Siegfried und empfahl Der sonst so belebte Weg nach der alten Wie schien ihm sein liebeleeres Leben heute so Erst in diesem Augenblicke erkannte Siegfried, Der Greis setzte die goldene Brille, die er "Onkel, Du verkennst mich", fuhr Siegfried "Ha, ich denke, Du bist glücklicher, junger Auf diese von sarkastischem Lächeln begleiteten Der Justizrat hatte sich erhoben und schaute "Ja, das kommt von der Eitelkeit. Ein Grafen- "Nein, keineswegs, ich sagte schon, die Not (Forts. folgt.) Marburger Zeitung Nr. 121. 10. Oktober 1911 [Spaltenumbruch] Politiſche Umſchau. Zum Grazer Mandatskampf. Der Vollzugsausſchuß des Grazer deutſch- Die Lehrerſchaft Steiermarks und der Deutſche Nationalverband. Die Leitung des Verbandes der deutſchen Das Ende einer Partei. Aus Wien wird berichtet: Die „Allgemeine Reichsratswahl in Wien. Bei der Reichsratswahl in Ottakring, die durch Die Fleiſchnot. Die ungariſche Regierung hat die Einfuhr Die portugieſiſche Königsrevolution. Nach den heute vorliegenden Nachrichten iſt die Eigenberichte. Die Schule in Hraftnig. Eine Entſcheidung des Verwaltungs- gerichtshofes. — Ehrung des ſteiriſchen Schulvereinsreferenten. Hraſtnig, 8. Oktober. Kürzlich hat der Deutſche Schulverein in Hl. Dreifaltigkeit W.-B., 8. Oktober. (Windiſche Taktik.) In der Vorwoche brannte [Spaltenumbruch] Straßen bewohnte und Frau Stennhold eröffnete, „Das wird er nicht tun, denn ich bin ein „Ah, wohl der Herr Neffe, der Herr Garde- „Danke, danke“, ſprach Siegfried und empfahl Der ſonſt ſo belebte Weg nach der alten Wie ſchien ihm ſein liebeleeres Leben heute ſo Erſt in dieſem Augenblicke erkannte Siegfried, Der Greis ſetzte die goldene Brille, die er „Onkel, Du verkennſt mich“, fuhr Siegfried „Ha, ich denke, Du biſt glücklicher, junger Auf dieſe von ſarkaſtiſchem Lächeln begleiteten Der Juſtizrat hatte ſich erhoben und ſchaute „Ja, das kommt von der Eitelkeit. Ein Grafen- „Nein, keineswegs, ich ſagte ſchon, die Not (Fortſ. folgt.) <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0002" n="2"/> <fw place="top" type="header">Marburger Zeitung Nr. 121. 10. 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Zu dieſem<lb/> Zwecke wird das vom Deutſchen Schulvereine an-<lb/> gekaufte Gebäude adaptiert werden und wird dann<lb/> zwei Säle für den Kindergarten, die Wohnung des<lb/> Oberlehrers und der Kindergärtnerin und den Kinder-<lb/> garten enthalten. Samstag den 7. Oktober kam der<lb/> ſteiriſche Referent des Deutſchen Schulvereines, Herr<lb/> Dr. <hi rendition="#g">Baum,</hi> nach Hraſtnig, um die neuerworbene<lb/> Realität und die deutſche Schule zu beſichtigen.<lb/> Dieſe Gelegenheit wurde vom deutſchen Ortsſchulrate<lb/> benützt, Herrn Dr. <hi rendition="#g">Baum</hi> die <hi rendition="#g">Ehrenurkunde</hi><lb/> über die in der letzten Vollverſammlung des deutſchen<lb/> Ortsſchulvereines für Hraſtnig und Umgebung er-<lb/> folgte Ernennung zum <hi rendition="#g">Ehrenbürger</hi> zu über-<lb/> reichen. Zu dieſem Zwecke verſammelte ſich der<lb/> Vereinsausſchuß und die Mitglieder des Lehrkörpers<lb/> in der Werksreſtauration, wo eine erhebende Feier<lb/> ſtattfand. 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Mein alter Herr praktiziert ſeit zehn<lb/> Jahren nicht mehr, namentlich nicht für Reiche.<lb/> Geben Sie ſich keine Mühe, er ſchmeißt Sie eben-<lb/> ſogut wie jeden anderen vor die Tür!“</p><lb/> <p>„Das wird er nicht tun, denn ich bin ein<lb/> naher Verwandter von ihm und habe etwas drin-<lb/> gendes mit ihm zu beſprechen.“</p><lb/> <p>„Ah, wohl der Herr Neffe, der Herr Garde-<lb/> leutnant in Zivil, der vor etwa ſieben Jahren<lb/> ſchon einmal ſo unliebenswürdig aufgenommen<lb/> wurde. — Ja, das tut mir aufrichtig leid, mein<lb/> Herr. Vielleicht verſuchen Sie, den Herrn Juſtizrat<lb/> draußen zu ſprechen. Er kommt jetzt von der Wart-<lb/> burg zurück. Wenn Sie ihm entgegengingen —“</p><lb/> <p>„Danke, danke“, ſprach Siegfried und empfahl<lb/> ſich, um dieſen ihm ſehr einleuchtenden Rat gleich<lb/> zu befolgen.</p><lb/> <p>Der ſonſt ſo belebte Weg nach der alten<lb/> Wartburg war heute bei der ſengenden Hitze wie<lb/> ausgeſtorben. Es war ſo ſtill und feierlich unter<lb/> den alten Buchen und die grauen, moosbedeckten<lb/> Felſen, ehrwürdige Zeugen einer bewegten Ver-<lb/> gangenheit, ſchauten Siegfried ſo traurig an, als<lb/> wollten ſie ſagen: „Armes Menſchenkind, hoffe<lb/> nichts von einem Herzen, das härter als wir!<lb/> — Da ſaß ein alter Mann neben einem Kühle<lb/><cb/> ſpendenden, geheimnisvoll murmelnden Rinnſal,<lb/> das ſich durch hartes Geſtein ſeinen Weg gebahnt<lb/> und ſeit Jahrhunderten in immer gleichem Lauf<lb/> ſein ſilberglitzerndes Waſſer in die Tief ſchleuderte.<lb/> — Der Greis ſaß mit tiefgeſenktem Haupt auf<lb/> einem der mooſigen Steine und dachte an ver-<lb/> gangene Tage.</p><lb/> <p>Wie ſchien ihm ſein liebeleeres Leben heute ſo<lb/> öde, ſo traurig. Da war niemand auf der Welt,<lb/> der ihm liebkoſend und zärtlich als einen geliebten<lb/> Vater, Großvater, Onkel uſw. begegnete. Wohl<lb/> ſegneten ihn viele und dankten ihm ihre Rettung<lb/> aus Schmach und Schande, aber was war trotzdem<lb/> ſein Alter? — Verdrießlichkeit über Verdrießlichkeit<lb/> vergällte ihm ſeines arbeitsreichen Lebens Feier-<lb/> abend. — Er tat einen tiefen Seufzer und richtete<lb/> ſein müdes Haupt langſam empor, mit der zitterigen<lb/> Greiſenhand das ſchneeweiße Haar aus der Stirn<lb/> ſtreichend.</p><lb/> <p>Erſt in dieſem Augenblicke erkannte Siegfried,<lb/> der erwartungsvoll des Weges weiter gewandert<lb/> war, ſeinen Oheim. — Was hatten doch die ſieben<lb/> Jahre aus ihm gemacht! Grüßend trat er jetzt<lb/> dicht an ihn heran und ſagte in ſeiner ruhigen<lb/> Weiſe: „Onkel Karl, Du kennſt mich gewiß nicht<lb/> wieder. Ich bin Siegfried von Rouland.“</p><lb/> <p>Der Greis ſetzte die goldene Brille, die er<lb/> neben ſich gelegt, auf die große, ſcharf gebogene<lb/> Naſe und ſah den Sprecher wie träumend an. —<lb/> „Du, Siegfried?“ ſprach er nach einigen Minuten<lb/> peinlichen Schweigens. — „Ah ſo, nun, ich kann<lb/><cb/> es mir denken, habe das geleſen, Dem Vater, der<lb/> —, na, ſchon gut, Dein Vater machte Bankerott,<lb/> Du läufſt in Zivil herum. Die Not iſt groß!<lb/> — Da beſucht man den alten Erbonkel. — Ja,<lb/> täuſcht Euch nur nicht, Ihr Großmäuler! — der<lb/> alte Erbonkel hat ſein Teſtament lange gemacht!“</p><lb/> <p>„Onkel, Du verkennſt mich“, fuhr Siegfried<lb/> mit der ihm eigenen Würde fort: „Ich ſehe in<lb/> Dir keinen Mann, deſſen Erbſchaft ich erhoffe,<lb/><supplied>ſon</supplied>dern nur den Bruder meiner geliebten Mutter,<lb/> den einzigen Menſchen auf Erden, an den ich mich<lb/> in meinem Unglück noch wenden kann.“</p><lb/> <p>„Ha, ich denke, Du biſt glücklicher, junger<lb/> Ehemann. — Meine Gratulation übrigens noch<lb/> nachträglich. — Der reiche Graf Rabenau iſt alſo<lb/> durch Dich noch mit mir verwandt geworden.“</p><lb/> <p>Auf dieſe von ſarkaſtiſchem Lächeln begleiteten<lb/> Worte erwiderte Siegfried: „Meine Frau weilt in<lb/> der Irrenanſtalt. Glücklicher Gatte bin ich nie ge-<lb/> weſen. — Dank für Deine Gratulation.“</p><lb/> <p>Der Juſtizrat hatte ſich erhoben und ſchaute<lb/> den Offizier mit gewaltſamen, aber keineswegs mit-<lb/> leidigen Blicken an.</p><lb/> <p>„Ja, das kommt von der Eitelkeit. Ein Grafen-<lb/> kind! Nur ja immer hoch hinaus. Und dann iſt<lb/> das Elend groß. Doch was war der Grund deines<lb/> Beſuches, wohl wieder bloße Pietät wie damals<lb/> vor etwa ſieben Jahren?</p><lb/> <p>„Nein, keineswegs, ich ſagte ſchon, die Not<lb/> hätte mich zu Dir getrieben.</p><lb/> <p> <ref> <hi rendition="#right">(Fortſ. folgt.)</hi> </ref> </p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [2/0002]
Marburger Zeitung Nr. 121. 10. Oktober 1911
Politiſche Umſchau.
Zum Grazer Mandatskampf.
Der Vollzugsausſchuß des Grazer deutſch-
freiheitlichen Wahlausſchuſſes ſtimmte dem von
anderer Seite angeregten Wunſche des Doktor
Weidenhoffer zu, ſeinen Rücktritt von der
Kandidatur zugunſten des Juſtizminiſters Doktor
v. Hochenburger zu genehmigen. — Die
Revolverſchüſſe im Parlamente haben alſo Herrn
Dr. Weidenhoffer das Mandat aus der Hand ge-
ſchoſſen und der Juſtizminiſter erhält das frei-
gewordene Grazer Reichsratsmandat. Der Rücktritt
des Dr. Gargitter von ſeiner ausſichtsloſen Sonder-
kandidatur iſt unter dieſen Umſtänden ebenfalls zu
erwarten. Das ſind gewiß ſeltſame Folgen von
Revolverſchüſſen!
Die Lehrerſchaft Steiermarks und der
Deutſche Nationalverband.
Die Leitung des Verbandes der deutſchen
Lehrer und Lehrerinnen in Steiermark hat an den
Deutſchen Notionalverband folgende Drahtung ge-
richtet: „Die Lehrerſchaft Steiermarks ſieht ſich
durch die Nichtarbeitsfähigkeit des Landtages auf
unbeſtimmte Zeit in ihrer letzten Hoffnung getäuſcht
und angeſichts der furchtbaren Teuerung geradezu
der Vernichtung preisgegeben. Ein ſolcher Zuſtand
iſt umſo unerträglicher, als im Gegenſatze zu anderen
Ständen gerade die ſeit jeher zu geringen Bezüge
der Lehrerſchaft von jeder nennenswerten Erhöhung
ausgeſchloſſen blieben. Außerſtande, dieſen un-
würdigen Znſtand noch länger zu ertragen, erwartet
die Lehrerſchaft Steiermarks vom verehrlichen Deutſchen
Nationalverbande, daß er ungeſäumt veranlaſſe,
durch die eheſte Verwirklichung des Antrages Pacher
in Geſetzesform eine ſichere Bürgſchaft dafür zu
ſchaffen, daß die den Ländern zu überweiſenden
Staatszulagen ſofort nach Sanktion des Geſetzes
ausſchließlich zur Ausbezahlung an die Lehrer ver-
wendet werden. Gleichzeitig erwartet die Lehrerſchaft,
daß der Deutſche Nationalverband gegen jede die
Regelung der Lehrergehalte betreffende einſchränkende
Beeinfluſſung der Landesverwaltungen durch das
Unterrichtsminiſterium, wie ſie jüngſt in Böhmen
erfolgte, energiſch Stellung nehme.“
Das Ende einer Partei.
Aus Wien wird berichtet: Die „Allgemeine
Korreſpondenz“ gibt eine Äußerung Dr. Pattais
wieder, der wörtlich geſagt haben ſoll: Die chriſt-
lichſoziale Partei iſt nur noch ein Kadaver.
Es hilft ihr nichts mehr, ſie wird ſich niemals
erholen und bei den nächſten Wahlen kehrt ſie nur
noch als eine kleine Partei weniger bäuerlicher Ab-
geordneter ins Abgeordnetenhaus zurück. Die Zeit
der chriſtlichſozialen Ära iſt für immer vorbei.
Reichsratswahl in Wien.
Bei der Reichsratswahl in Ottakring, die durch
die Doppelwahl Schuhmeiers notwendig wurde,
ward der Sozialdemokrat Sever mit 9883 Stimmen
gewählt; der Chriſtlichſoziale erhielt 2132 Stimmen.
Am 13. Juni hatte der ſozialdemokratiſche Wahl-
werber 9567, der chriſtlichſoziale 2999 Stimmen er-
halten.
Die Fleiſchnot.
Die ungariſche Regierung hat die Einfuhr
von 15.000 geſchlachteten Schweinen aus Serbien
über das lange ſchon erſchöpfte Kontingent endlich
in Gnaden erlaubt. Nun aber — verbot die ſer-
biſche Regierung die Ausfuhr. Serbiſchen Blättern
zufolge iſt das Verbot darauf zurückzuführen, daß
die ſerbiſche Regierung nicht einmal einer Antwort
gewürdigt wurde, als ſie nach Erſchöpfung des
Kontingentes erſuchte, Vieh nach dem autonomen
Zolltarif einführen zu dürfen!
Die portugieſiſche Königsrevolution.
Nach den heute vorliegenden Nachrichten iſt die
monarchiſche Verſchwörung gegen die portugieſiſche
Republik vollkommen geſcheitert. Die königlichen
Truppen wurden von den republikaniſchen geſchlagen
und flüchteten ſich auf ſpaniſches Gebiet. Wie be-
richtet wird, iſt eine neue Erhebung ausgeſchloſſen,
weil nicht mehr ſoviel Mittel aufgebracht werden
können.
Eigenberichte.
Die Schule in Hraftnig.
Eine Entſcheidung des Verwaltungs-
gerichtshofes. — Ehrung des ſteiriſchen
Schulvereinsreferenten.
Hraſtnig, 8. Oktober.
Kürzlich hat der Deutſche Schulverein in
Hraſtnig ein Gebäude gekauft, um für die Lehrer-
wohnungen und den Kindergarten, die im Schul-
gebäude infolge des ſtarken Anwachſens der Schul-
kinderanzahl (gegenwärtig rund 230) keinen Platz
mehr hatten, neuen Raum zu ſchaffen. Zu dieſem
Zwecke wird das vom Deutſchen Schulvereine an-
gekaufte Gebäude adaptiert werden und wird dann
zwei Säle für den Kindergarten, die Wohnung des
Oberlehrers und der Kindergärtnerin und den Kinder-
garten enthalten. Samstag den 7. Oktober kam der
ſteiriſche Referent des Deutſchen Schulvereines, Herr
Dr. Baum, nach Hraſtnig, um die neuerworbene
Realität und die deutſche Schule zu beſichtigen.
Dieſe Gelegenheit wurde vom deutſchen Ortsſchulrate
benützt, Herrn Dr. Baum die Ehrenurkunde
über die in der letzten Vollverſammlung des deutſchen
Ortsſchulvereines für Hraſtnig und Umgebung er-
folgte Ernennung zum Ehrenbürger zu über-
reichen. Zu dieſem Zwecke verſammelte ſich der
Vereinsausſchuß und die Mitglieder des Lehrkörpers
in der Werksreſtauration, wo eine erhebende Feier
ſtattfand. Der Obmann des Ortsſchulrates für
Hraſtnig und Umgebung, Herr Fabriksdirektor
Wiltſchnigg, hielt an Herrn Dr. Baum eine
Anſprache, in welcher er die Verdienſte des Ge-
feierten um das deutſche Schulweſen im ſteiriſchen
Unterlande im allgemeinen und hinſichtlich der deutſchen
Schule in Hraſtnig im beſonderen rühmend hervor-
hob; zum Schluſſe überreichte der Redner Herrn
Dr. Baum die Ehrenmitgliedsurkunde. Dr. Baum
dankte mit herzlichen Worten für die ihm berei tete
Auszeichnung und beſprach ſodann die nationalen
Verhältniſſe im Unterlande und die Schwierigkeiten,
die beſonders in Hraſtnig dem deutſchen Schulweſen
bereitet wurden. Dr. Baum pries ſodann jene
Männer, die ohne Hilfe von auswärts, nur im
Vertrauen auf ihre eigenen Kräfte, im Jahre 1907
darangingen, mutvoll an den Bau einer deutſchen
Schule in Hraſtnig zu ſchreiten. Dieſes Vorhaben
hätte aber nie erfüllt werden können, wenn nicht
der Deutſche Schulverein mit einer ausgiebigen
Bauſubvention den deutſchen Schulbau gefördert
und durch ſeine tatkräftige Mithilfe den Bau der
Schule geſichert hätte. Außerdem trägt der Deutſche
Schulverein die Koſten der Erhaltung der vier-
klaſſigen Schule als deutſche Schulvereinsſchule.
Die ſchon lange Zeit währende Aktion zur Über-
tragung der Schule in die öffentliche Verwaltung
iſt, wie der Redner mitteilte, mit dem an dieſem
Tage erfloſſenen Urteile des k. k. Verwaltungs-
gerichtshofes günſtig abgeſchloſſen worden; der Ver-
waltungsgerichtshof hat den Rekurs der ſloweniſchen
Gemeindevertretung, welcher ſich gegen die deutſche
Schule kehrte, endgiltig abgewieſen. Hraſtnig
hat nun eine öffentliche deutſche Schule!
(Stürmiſcher Beifall.) Dieſe günſtige Löſung der
Hraſtniger Schulfrage hat neuerdings die dringende
Notwendigkeit der deutſchen Schule in Hraſtnig
bewieſen. Dr. Baum ſchloß ſeine Ausführungen
unter lebhaftem Beifall. Geraume Zeit noch ver-
weilten die Verſammelten beieinander, von der Freude
darüber erfüllt, daß die Hraſtniger deutſche Schul-
frage nun für immer gelöſt iſt!
Hl. Dreifaltigkeit W.-B., 8. Oktober.
(Windiſche Taktik.) In der Vorwoche brannte
hier ein Strohſchober, der ganz offenbar angezündet
worden war, nieder. Dies iſt heuer der dritte Brand
in unſerem Markte. Der Strohſchober iſt beiläufig
50 Meter vom Wirtſchaftsgebäude des Herrn Bürger-
meiſter Gollob, aber gedeckt durch das Wirtſchafts-
gebäude des Herrn Johann Ferk, geſtanden. Dieſen
Umſtand benützte ein Berichterſtatter und ſandte an
das Grazer Tagblatt einen Artikel, in dem er ganz
unzweideutig zu erkennen gab, daß es ſich hier nur
um einen windiſchen Brandleger handelt, da der
Strohſchober nur zu dem Zwecke angezündet worden
wäre, damit auch die Gebäude des Bürgermeiſters
mit ein Raub der Flammen werden ſollen. Natürlich
kom auf dieſen Zeitungsbericht in alle ſloweniſchen
Zeitungen ein Artikel nach dem anderen. Daß es
hiebei an den gemeinſten Beſchimpfungen nicht fehlte,
iſt ganz ſelbſtverſtändlich. Nun aber kommt das
Schönſte. Es ſtellte ſich nämlich heraus, daß den
Artikel in das Grazer Tagblatt ein fanatiſcher
Wende einſandte. Aus welchem Grunde? Wahr-
ſcheinlich wird dieſer windiſche Herr ſeine Leute
beſſer kennen als wir und bei dieſer Kenntnis kann
er ſich dann ſo etwas ſchon erlauben. Oder aber
fehlte den Windiſchen ſchon der nötige Grund, um
gegen die Deutſchen ihre bekannten Verleumdungen
Straßen bewohnte und Frau Stennhold eröffnete,
daß er den Herrn Juſtizrat notwendig ſprechen
müßte, da lachte die gute Alte ihm ins Geſicht
und ſagte: „Ja mein liebes Herrchen, das ſagt
jeder, der ein Verbrechen oder ſonſt was auf dem
Herzen hat. Mein alter Herr praktiziert ſeit zehn
Jahren nicht mehr, namentlich nicht für Reiche.
Geben Sie ſich keine Mühe, er ſchmeißt Sie eben-
ſogut wie jeden anderen vor die Tür!“
„Das wird er nicht tun, denn ich bin ein
naher Verwandter von ihm und habe etwas drin-
gendes mit ihm zu beſprechen.“
„Ah, wohl der Herr Neffe, der Herr Garde-
leutnant in Zivil, der vor etwa ſieben Jahren
ſchon einmal ſo unliebenswürdig aufgenommen
wurde. — Ja, das tut mir aufrichtig leid, mein
Herr. Vielleicht verſuchen Sie, den Herrn Juſtizrat
draußen zu ſprechen. Er kommt jetzt von der Wart-
burg zurück. Wenn Sie ihm entgegengingen —“
„Danke, danke“, ſprach Siegfried und empfahl
ſich, um dieſen ihm ſehr einleuchtenden Rat gleich
zu befolgen.
Der ſonſt ſo belebte Weg nach der alten
Wartburg war heute bei der ſengenden Hitze wie
ausgeſtorben. Es war ſo ſtill und feierlich unter
den alten Buchen und die grauen, moosbedeckten
Felſen, ehrwürdige Zeugen einer bewegten Ver-
gangenheit, ſchauten Siegfried ſo traurig an, als
wollten ſie ſagen: „Armes Menſchenkind, hoffe
nichts von einem Herzen, das härter als wir!
— Da ſaß ein alter Mann neben einem Kühle
ſpendenden, geheimnisvoll murmelnden Rinnſal,
das ſich durch hartes Geſtein ſeinen Weg gebahnt
und ſeit Jahrhunderten in immer gleichem Lauf
ſein ſilberglitzerndes Waſſer in die Tief ſchleuderte.
— Der Greis ſaß mit tiefgeſenktem Haupt auf
einem der mooſigen Steine und dachte an ver-
gangene Tage.
Wie ſchien ihm ſein liebeleeres Leben heute ſo
öde, ſo traurig. Da war niemand auf der Welt,
der ihm liebkoſend und zärtlich als einen geliebten
Vater, Großvater, Onkel uſw. begegnete. Wohl
ſegneten ihn viele und dankten ihm ihre Rettung
aus Schmach und Schande, aber was war trotzdem
ſein Alter? — Verdrießlichkeit über Verdrießlichkeit
vergällte ihm ſeines arbeitsreichen Lebens Feier-
abend. — Er tat einen tiefen Seufzer und richtete
ſein müdes Haupt langſam empor, mit der zitterigen
Greiſenhand das ſchneeweiße Haar aus der Stirn
ſtreichend.
Erſt in dieſem Augenblicke erkannte Siegfried,
der erwartungsvoll des Weges weiter gewandert
war, ſeinen Oheim. — Was hatten doch die ſieben
Jahre aus ihm gemacht! Grüßend trat er jetzt
dicht an ihn heran und ſagte in ſeiner ruhigen
Weiſe: „Onkel Karl, Du kennſt mich gewiß nicht
wieder. Ich bin Siegfried von Rouland.“
Der Greis ſetzte die goldene Brille, die er
neben ſich gelegt, auf die große, ſcharf gebogene
Naſe und ſah den Sprecher wie träumend an. —
„Du, Siegfried?“ ſprach er nach einigen Minuten
peinlichen Schweigens. — „Ah ſo, nun, ich kann
es mir denken, habe das geleſen, Dem Vater, der
—, na, ſchon gut, Dein Vater machte Bankerott,
Du läufſt in Zivil herum. Die Not iſt groß!
— Da beſucht man den alten Erbonkel. — Ja,
täuſcht Euch nur nicht, Ihr Großmäuler! — der
alte Erbonkel hat ſein Teſtament lange gemacht!“
„Onkel, Du verkennſt mich“, fuhr Siegfried
mit der ihm eigenen Würde fort: „Ich ſehe in
Dir keinen Mann, deſſen Erbſchaft ich erhoffe,
ſondern nur den Bruder meiner geliebten Mutter,
den einzigen Menſchen auf Erden, an den ich mich
in meinem Unglück noch wenden kann.“
„Ha, ich denke, Du biſt glücklicher, junger
Ehemann. — Meine Gratulation übrigens noch
nachträglich. — Der reiche Graf Rabenau iſt alſo
durch Dich noch mit mir verwandt geworden.“
Auf dieſe von ſarkaſtiſchem Lächeln begleiteten
Worte erwiderte Siegfried: „Meine Frau weilt in
der Irrenanſtalt. Glücklicher Gatte bin ich nie ge-
weſen. — Dank für Deine Gratulation.“
Der Juſtizrat hatte ſich erhoben und ſchaute
den Offizier mit gewaltſamen, aber keineswegs mit-
leidigen Blicken an.
„Ja, das kommt von der Eitelkeit. Ein Grafen-
kind! Nur ja immer hoch hinaus. Und dann iſt
das Elend groß. Doch was war der Grund deines
Beſuches, wohl wieder bloße Pietät wie damals
vor etwa ſieben Jahren?
„Nein, keineswegs, ich ſagte ſchon, die Not
hätte mich zu Dir getrieben.
(Fortſ. folgt.)
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