Marburger Zeitung. Nr. 138, Marburg, 18.11.1913.Marburger Zeitung. [Spaltenumbruch] Der Preis des Blattes beträgt: Für Marburg: Mit Postversendung: [Spaltenumbruch] Erscheint jeden Dienstag, Donnerstag und Sprechstunden des Schriftleiters an allen Wochentagen von [Spaltenumbruch] Anzeigen werden im Verlage des Blattes und von Schluß für Einschaltungen Nr. 138 Dienstag, 18. November 1913 52. Jahrgang. [Spaltenumbruch] Dr. Gustav Delpin. Marburg, 18. November. In einer Zeit, in der man vergeblich aus- [Spaltenumbruch] Die Herren von Dieskau. 11 Nachdruck verboten. Er erschrack doch und brach jäh ab, als er "Also diesem Herrn bin ich durch deine Für- Er starrte sie ratlos an. Solche Energie hatte "Wie?" stotterte er, "du weigerst dich?" "Vor allem wundere ich mich, daß ein Edel- So tief gesunken Dieskau durch sein nur den "Du verstehst das nicht, Kind", erwiderte er "Aber nicht über das Gefühl der Verachtung, "So würdest du dich wirklich ernstlich "Ich glaube, ich habe mich deutlich genug aus- "Und wenn ich dir befehlen würde, diesen "So würde ich mich lieber von dem alten Das kleine zierliche Wesen stand da mit einem [Spaltenumbruch] Moralifcher Mut war nie seine starke Seite Einlenkend sagte er: "Nun du wirst dir die Mit demselben starren Gesichtsausdruck sagte "Geh in dich, geh in dich, du wildes Kind! Hilda ging. Bewegt von einem Sturm von Gefühlen, die Ein tiefer Abscheu vor dem Treiben auf Dies- Marburger Zeitung. [Spaltenumbruch] Der Preis des Blattes beträgt: Für Marburg: Mit Poſtverſendung: [Spaltenumbruch] Erſcheint jeden Dienstag, Donnerstag und Sprechſtunden des Schriftleiters an allen Wochentagen von [Spaltenumbruch] Anzeigen werden im Verlage des Blattes und von Schluß für Einſchaltungen Nr. 138 Dienstag, 18. November 1913 52. Jahrgang. [Spaltenumbruch] Dr. Gustav Delpin. Marburg, 18. November. In einer Zeit, in der man vergeblich aus- [Spaltenumbruch] Die Herren von Dieskau. 11 Nachdruck verboten. Er erſchrack doch und brach jäh ab, als er „Alſo dieſem Herrn bin ich durch deine Für- Er ſtarrte ſie ratlos an. Solche Energie hatte „Wie?“ ſtotterte er, „du weigerſt dich?“ „Vor allem wundere ich mich, daß ein Edel- So tief geſunken Dieskau durch ſein nur den „Du verſtehſt das nicht, Kind“, erwiderte er „Aber nicht über das Gefühl der Verachtung, „So würdeſt du dich wirklich ernſtlich „Ich glaube, ich habe mich deutlich genug aus- „Und wenn ich dir befehlen würde, dieſen „So würde ich mich lieber von dem alten Das kleine zierliche Weſen ſtand da mit einem [Spaltenumbruch] Moralifcher Mut war nie ſeine ſtarke Seite Einlenkend ſagte er: „Nun du wirſt dir die Mit demſelben ſtarren Geſichtsausdruck ſagte „Geh in dich, geh in dich, du wildes Kind! Hilda ging. Bewegt von einem Sturm von Gefühlen, die Ein tiefer Abſcheu vor dem Treiben auf Dies- <TEI> <text> <front> <pb facs="#f0001" n="[1]"/> <titlePage type="heading"> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b">Marburger Zeitung.</hi> </titlePart> </titlePage><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jExpedition"> <p>Der Preis des Blattes beträgt: Für Marburg:<lb/> Ganzjährig 12 <hi rendition="#aq">K,</hi> halbjährig 6 <hi rendition="#aq">K,</hi> vierteljährig 3 <hi rendition="#aq">K,</hi> monat-<lb/> lich 1 <hi rendition="#aq">K.</hi> Bei Zuſtellung ins Haus monatlich 20 <hi rendition="#aq">h</hi> mehr.</p><lb/> <p>Mit Poſtverſendung:<lb/> Ganzjährig 14 <hi rendition="#aq">K,</hi> halbjährig 7 <hi rendition="#aq">K,</hi> vierteljährig 3 <hi rendition="#aq">K 50 h.</hi><lb/> Das Abonnement dauert bis zur ſchriftlichen Abbeſtellung.</p><lb/> <cb/> <p> <hi rendition="#b">Erſcheint jeden Dienstag, Donnerstag und<lb/> Samstag abends.</hi> </p><lb/> <p><hi rendition="#b">Sprechſtunden</hi> des Schriftleiters an allen Wochentagen von<lb/><hi rendition="#b">11—12</hi> Uhr und von <hi rendition="#b">5—6</hi> Uhr Edmund Schmidgaſſe 4.<lb/> Verwaltung: Edmund Schmidgaſſe 4. 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Marburger Zeitung.
Der Preis des Blattes beträgt: Für Marburg:
Ganzjährig 12 K, halbjährig 6 K, vierteljährig 3 K, monat-
lich 1 K. Bei Zuſtellung ins Haus monatlich 20 h mehr.
Mit Poſtverſendung:
Ganzjährig 14 K, halbjährig 7 K, vierteljährig 3 K 50 h.
Das Abonnement dauert bis zur ſchriftlichen Abbeſtellung.
Erſcheint jeden Dienstag, Donnerstag und
Samstag abends.
Sprechſtunden des Schriftleiters an allen Wochentagen von
11—12 Uhr und von 5—6 Uhr Edmund Schmidgaſſe 4.
Verwaltung: Edmund Schmidgaſſe 4. (Telephon Nr. 24.)
Anzeigen werden im Verlage des Blattes und von
allen größeren Annoncen-Expeditionen entgegengenommen
und koſtet die fünfmal geſpaltene Kleinzeile 12 h.
Schluß für Einſchaltungen
Dienstag, Donnerstag, Samstag 10 Uhr vormittags.
Die Einzelnummer koſtet 10 Heller.
Nr. 138 Dienstag, 18. November 1913 52. Jahrgang.
Dr. Gustav Delpin.
Marburg, 18. November.
In einer Zeit, in der man vergeblich aus-
ſpäht nach Lichtpunkten der völkiſchen Allgemein-
entwicklung, hat der Gründer des Deutſchen Volks-
rates für Unterſteter, Herr Doktor Guſtav Delpin,
die Obmannſtelle des Deutſchen Volksrates nieder-
gelegt. Wie ein weithin reichender Schatten muß
dieſes Ereignis auf uns Deutſche im Unterlande
wirken, zumal auf alle jene, welche die Summe
von völkiſcher Arbeit kennen, die Dr. Guſtav Delpin
allein in dieſen ſieben Jahren geleiſtet hat. Es
war ein ſiebenjähriger Krieg, der ſich aber nicht
vor den Augen der Öffentlichkeit abſpielte, der
nicht mit dramatiſchen Entwickelungen in das Be-
wußtſein der breiten Maſſen drang und dennoch
die größten Anforderungen ſtellte an die Pſyche
und an den Körper des Mannes, der ſolchem
Kampfe ſein ganzes Ich geweiht hat. Dr. Delpin
hat uns den glänzenden Beweis dafür erbracht,
daß der ſelbſtloſe völkiſche Idealismus, gepaart
mit eiſenfeſtem Wollen, im ſteiriſchen Unterlande
immer noch leuchtende Vorbilder beſitzt, die nicht
nach äußeren Ehren dürſten, ſondern ihren höchſten
Lohn in ihrem eigenen inneren Bewußtſein finden,
durch zahlloſe, ſtille und verborgene Opfer der
Nation gedient und genützt zu haben. Hart an
der kroatiſchen Grenze, im lieben deutſchen Städtchen
Friedau, das ſeit Jahrhunderten deutſche Grenz-
wacht hält und in dem vom Bürgermeiſter bis
zum letzten deutſchen Gemeindeinſaſſen die deutſche
Lieb und Treu die ſchönſten Blüten bilden, wo
der nationale Lebenstrieb aus vielen hundert Augen
ſprießt, dort endeten in Delpins Kanzlei alle
Nervenſtränge des Deutſchtumes im ſteiriſchen
Unterlande und faſt jede Abwehr der offenen und
heimlichen Angriffe unſerer nationalen Gegner
führte zumeiſt zurück auf die unermüdliche Tat-
kraft und Initiative des Deutſchen Volksratsob-
mannes Dr. Delpin. Freilich konnte die Summe
von Arbeit, der ſich Dr. Delpin unabläſſig unter-
zog, nicht immer und nicht in allen Fällen von
Erfolg begleitet ſein; wenn der Mühe ſeiner Tage
und Nächte manchesmal nicht die Freude des
Gelingens beſchert war, dann trugen höhere Ge-
walten die Schuld daran; wenn parlamentariſche
Ereigniſſe und Verhältniſſe, wie ſolche im ſteiriſchen
Landtage, ſich ſtärker erwieſen als ſein hoher
idealer Sinn, als ſeine Überzeugung vom deutſchen
Rechte und von deutſcher Pflicht, dann mußte
auch er wie wir alle mit bitteren Gefühlen ſich
beugen vor der Vollendung des Übels. Aber
immer richtete er ſich nach ſolchen Erfahrungen
und Tagen wieder auf; ſein ſonniges, elaſtiſches
Weſen iſt nicht niederzuhalten auf die Dauer —
er war das Ideal eines Öbmannes des Deutſchen
Volksrates und genoß und genießt allüberall
eine Volkstümlichkeit, die nur ſelten einem Manne
zuteil wird, deſſen Arbeit ſich dem Jahrmarkte
des Lebens entzieht. Wenn aber die ſteigende Fülle
der freiwilligen völkiſchen Arbeit, die ſchwer be-
laſtend eingreift ins Berufsleben, noch vergrößert
wird durch die ungünſtige örtliche Lage und wenn
zu ſo manchem bitteren Ereigniſſe ſich auch noch
geſundheitliche Rückſichten geſellen, deren Gebote
dringend werden, dann iſt es kein Wunder, daß
auch der unermüdliche Doktor Delpin ſich endlich
gezwungen ſah, die Leitung der liebſten Schöpfung
ſeines Herzens und ſeines nationalen Sinnes,
des Deutſchen Volksrates für Unterſteier, überzu-
geben in andere Hände. Dr. Delpin hat allein
in dieſen ſieben Jahren für das unterländiſche
Deutſchtum in ſtiller aber hochwichtiger Arbeit
mehr geleiſtet, als tauſend andere Zeit ihres
Lebens, das für ſie bequem verſtreicht und ihnen
vielleicht nur die angenehmſten Emotionen des be-
haglichen Daſeins bereitet. Aber wenn ihm der
Lorbeer der Arbeit gereicht wird, ſolls nicht
ſein, wie wenn man an einem Ende betrachtend
ſteht, und alles eher, nur keinen Nachruf, ſollen
dieſe Zeilen dem getreuen Volksratswardein be-
deuten; noch iſt ſeine Kraft nicht verbraucht, noch
können wir uns ihrer im Volksrate und in allen
Fragen des Deutſchtumes im Unterlande erfreuen
und allzeit ſicher auf ſie rechnen; Dr. Delpin
wird niemals aus den Seelen kommen und man
kann überzeugt ſein davon: Wenn beſonders Arges
uns droht, dann wird er wieder alles andere
vergeſſen und aufſchnellen, wie früher und an
Energie der Jüngſte, Kräftigſte und Zielbewußteſte
ſein! Und gerade ſein Zielbewußtſein möchten wir
doppelt unterſtreichen: Auch die Kleinarbeit, in
der er unvergängliche Vorbilder ſchuf, wird bei
ihm ſtets von einem großen führenden Gedanken
geleitet, dem er alles unterordnet und aus dem er
wie aus einem Jugendborn ſtets neue Kraft zu
ſchöpfen weiß. Heil unſerem Doktor Guſtav
Delpin!
N. J.
Die Herren von Dieskau.
Orignal-Roman von Franz Treller.
11 Nachdruck verboten.
Er erſchrack doch und brach jäh ab, als er
jetzt den zornſprühenden Augen des ſo ſanften
Mädchens begegnete.
„Alſo dieſem Herrn bin ich durch deine Für-
ſorge zugedacht? Ich ahnte es. Nun, Papa, ich
würde eher dem letzten deiner Knechte meine Hand
reichen, als dieſem widerwärtigen Parvenü, dem
die Gemeinheit aus allen Knopflöchern leuchtet.
Schon ſeine Nähe erregt mir ein Grauen, das ich
kaum zu überwinden vermag.“
Er ſtarrte ſie ratlos an. Solche Energie hatte
er in dieſer ſtillen ſanften Mädchenblüte, deren
Seele er allerdings gar nicht kannte, nicht erwar-
tet.
„Wie?“ ſtotterte er, „du weigerſt dich?“
„Vor allem wundere ich mich, daß ein Edel-
mann von ſo altem Hauſe ſeine Tochter dieſem
reich gewordenen ungebildeten Spekulanten geben
will.“
So tief geſunken Dieskau durch ſein nur den
materiellen Genüſſen gewidmetes Leben in moraliſcher
Beziehung auch war, die Berufung auf ihre alte
Abſtammung übte doch ihre Wirkung aus und er
aerſtummte für einen Augenblick, denn er taxierte
Sakal nach ſeinem wahren Werte. Aber das Bild
des Elends, das der Juſtizrat und Harald von der
Zukunft der Dieskaus entworfen hatten, ſtieg vor
ſeiner ſchwachen, genußſüchtigen Seele auf, die 500000
Mark, die allem Jammer abhelfen ſollten, erſchienen
in verlockender Nähe, und der Stolz des Edel-
mannes tauchte unter, ebenſo raſch wie er aufge-
ſtiegen war.
„Du verſtehſt das nicht, Kind“, erwiderte er
geſchmeidig, „heutzutage muß man über Standes-
vorurteile erhaben ſein.“
„Aber nicht über das Gefühl der Verachtung,
des Ekels.“
„So würdeſt du dich wirklich ernſtlich
weigern?“
„Ich glaube, ich habe mich deutlich genug aus-
geſprochen.“
„Und wenn ich dir befehlen würde, dieſen
trefflichen Mann, gegen den du ganz unbegründete
Vorurteile hegſt, den Freund deines ritterlichen
Bruders zu heiraten, zu deinem eignen Beſten, was
dann?“
„So würde ich mich lieber von dem alten
Turm Dieskaus herabſtürzen, als dieſem Befehle
folgen.“
Das kleine zierliche Weſen ſtand da mit einem
ſolchen Ausdruck von Entſchloſſenheit anf dem faſt
kindlichen Antlitz, daß ſelbſt ihr Vater fühlte, daß
ein furchtbarer Ernſt hinter dieſen Worten ſich
barg. Was war das für ein Mädchen? Dieſes
ſtille Geſchöpf war ja trotziger als ſeine wilden
Söhne:
Moralifcher Mut war nie ſeine ſtarke Seite
geweſen und er fühlte ihn dieſer Entſchloſſenheit
gegenüber wanken.
Einlenkend ſagte er: „Nun du wirſt dir die
Sache noch überlegen und zu der Enſicht kommen,
daß dein alter Vater es ſehr gut mit dir gemeint
hat.“
Mit demſelben ſtarren Geſichtsausdruck ſagte
ſie: „Befiehlſt du ſonſt noch etwas?“
„Geh in dich, geh in dich, du wildes Kind!
Guter Rat kommt über Nacht. Morgen wirſt du
anders denken.“
Hilda ging.
Bewegt von einem Sturm von Gefühlen, die
ihre Seele erſchütterten, ſchritt ſie zu dem Flügel
des Schloſſes hinüber, den ſie mit Frau von Her-
ſtell bewohnte.
Ein tiefer Abſcheu vor dem Treiben auf Dies-
kau, wenn die männlichen Mitglieder der Familie
anweſend waren, hatte ſie längſt Harald und auch
dem Vater entfremdet. Hugo hielt ſich meiſt fern
von der Heimat — ſo ſtand ſie allein mit ihrem
Fühlen und Denken. — Alſo das wagte man ihr
zu bieten? Sie ſollte ihre Hand einem Menſchen
reichen, der ihr perſönlich widerwärtig war und
nach den gelegentlichen Äußerungen ihres Bruders
trotz ſeines erkauften Adelswappens keine ehren-
werte Vergangenheit hinter ſich hatte. Und Harald
ſteckte dahinter, ihr Bruder, der ihr unheimlicher
war als je. Wahrſcheinlich ſteckte er bei dem Mil-
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