Marburger Zeitung. Nr. 138, Marburg, 18.11.1913.Marburger Zeitung Nr. 138, 18. November 1913 [Spaltenumbruch] Politische Umschau. Bosnien geht vor! Die Lokalbahnvorlage. Seit Jahren wird die österreichische Lokalbahn- Der Balkanfriede. Rufe nach den Blutbädern. Aus Konstantinopel kam die Botschaft, daß Pettauer Nachrichten. Gattin und Tochter vergiftet. Montag Eigenberichte. Hohenmanthen, 15. November. (Schiller- und Jahrhundertfeier.) Die Frauen- und Rohitsch, 14. November. (Brandlegung.) Das Wirtschaftsgebäude des Peter Klamensek Oberhaag, 15. November. (Brand.) G[e]- Radkersburg, 16. November. (Ein Pferd durch den elektrischen Strom getötet.) Gestern fuhr der Grnndbesitzer Endel aus Deutsch- Oberradkersburg, 15. November. (Im Rauche erstickt.) Die Antonia Mix in Eich- Cilli, 15. November. (Teures Schnäps- chen.) Dem Hochenegger Schneidermeister Anton Rann, 14. November. (Schon wieder kroatische Einbrecher.) Gestern brachen beim Friedau, 15. November. (Totschlag.) Am [Spaltenumbruch] lionär in Schulden, und die Hand eines Fräulein Daneben stieg wieder das Bild des Mannes Zum ersten Male fühlte sie jetzt mit ungeahn- Äußerlich ruhig, doch in einem Aufruhr ihrer Frau von Herstell, eine Dame von feinen durch- Die Mehrzahl aller jungen Mädchen würde Nicht so Hilda. Ihre Seele war durch die Notwendigkeit, sich So sehr sie auch ihre mütterliche Freundin "Was gab es, Liebling?" fragte sie besorgt. "Ach, nicht viel. Allein es drängt mich, Es war ein ernster Blick, mit dem die alte "Hast Du kein Vertrauen mehr zu mir, Hilda? "Die Herren von Dieskau haben mich dem Die alte Dame erschrack, denn dieser zweifel- [Spaltenumbruch] "Sollte Dein Entschluß nicht etwas übereilt "Nein, Mütterchen, ich fürchte die Roheit und Dann schoß ihr allerdings der Gedanke durch Ein gütiges Geschick hatte ihn in die Wälder Hilda sagte resolut: "Wir müssen reisen." "Doch nicht, ohne vorher Deinen Vater von "Es wird das beste sein, nicht zu fragen, "Nein, Kind, das wäre gegen meine Pflicht." "So gehe ich sofort und allein nach der Die alte Dame sah sehr besorgt aus. "Du siehst vielleicht zu schwarz, Hilda. Laß Marburger Zeitung Nr. 138, 18. November 1913 [Spaltenumbruch] Politiſche Umſchau. Bosnien geht vor! Die Lokalbahnvorlage. Seit Jahren wird die öſterreichiſche Lokalbahn- Der Balkanfriede. Rufe nach den Blutbädern. Aus Konſtantinopel kam die Botſchaft, daß Pettauer Nachrichten. Gattin und Tochter vergiftet. Montag Eigenberichte. Hohenmanthen, 15. November. (Schiller- und Jahrhundertfeier.) Die Frauen- und Rohitſch, 14. November. (Brandlegung.) Das Wirtſchaftsgebäude des Peter Klamenſek Oberhaag, 15. November. (Brand.) G[e]- Radkersburg, 16. November. (Ein Pferd durch den elektriſchen Strom getötet.) Geſtern fuhr der Grnndbeſitzer Endel aus Deutſch- Oberradkersburg, 15. November. (Im Rauche erſtickt.) Die Antonia Mix in Eich- Cilli, 15. November. (Teures Schnäps- chen.) Dem Hochenegger Schneidermeiſter Anton Rann, 14. November. (Schon wieder kroatiſche Einbrecher.) Geſtern brachen beim Friedau, 15. November. (Totſchlag.) Am [Spaltenumbruch] lionär in Schulden, und die Hand eines Fräulein Daneben ſtieg wieder das Bild des Mannes Zum erſten Male fühlte ſie jetzt mit ungeahn- Äußerlich ruhig, doch in einem Aufruhr ihrer Frau von Herſtell, eine Dame von feinen durch- Die Mehrzahl aller jungen Mädchen würde Nicht ſo Hilda. Ihre Seele war durch die Notwendigkeit, ſich So ſehr ſie auch ihre mütterliche Freundin „Was gab es, Liebling?“ fragte ſie beſorgt. „Ach, nicht viel. Allein es drängt mich, Es war ein ernſter Blick, mit dem die alte „Haſt Du kein Vertrauen mehr zu mir, Hilda? „Die Herren von Dieskau haben mich dem Die alte Dame erſchrack, denn dieſer zweifel- [Spaltenumbruch] „Sollte Dein Entſchluß nicht etwas übereilt „Nein, Mütterchen, ich fürchte die Roheit und Dann ſchoß ihr allerdings der Gedanke durch Ein gütiges Geſchick hatte ihn in die Wälder Hilda ſagte reſolut: „Wir müſſen reiſen.“ „Doch nicht, ohne vorher Deinen Vater von „Es wird das beſte ſein, nicht zu fragen, „Nein, Kind, das wäre gegen meine Pflicht.“ „So gehe ich ſofort und allein nach der Die alte Dame ſah ſehr beſorgt aus. „Du ſiehſt vielleicht zu ſchwarz, Hilda. Laß <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0002" n="2"/> <fw place="top" type="header">Marburger Zeitung Nr. 138, 18. November 1913</fw><lb/> <cb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#b">Politiſche Umſchau.</hi> </hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Bosnien geht vor!<lb/> Die Lokalbahnvorlage.</hi> </head><lb/> <p>Seit Jahren wird die öſterreichiſche Lokalbahn-<lb/> vorlage, bezw. ihre Geſetzwerdung von den Abge-<lb/> ordneten verlangt, aber die Regierung hat, wie<lb/> ſiets bei Volksforderungen, kein Geld; Geld hat<lb/> ſie nur für Großkampfſch<supplied>i</supplied>ffe und andere Groß-<lb/> machiforderungen, u. zw. gleich für hunderte Millionen.<lb/> Unſere Lokalbahnforderungen ſchlaſen alſo. Da<lb/> kommt die Regierung urplötzlich mit einer Lokal-<lb/> bahnvorlage, die ſie raſch erledigt haben will und<lb/> ſchon die kaiſerliche Vorſanktion erhielt, bevor die<lb/> Öffentlichkeit von ihr etwas wußte — aber es iſt<lb/> eine Lokalbahnvorlage für Bosnien und Herzego-<lb/> wina, welche natürlich aus unſeren Taſchen bezahlt<lb/> werden ſoll. Die öſterreichiſche Lokalbahnvorlage<lb/> aber ſoll wieder zurückgeſtellt werden, wie der<lb/> Eiſenbahnminiſter dieſer Tage den Abgeordneten<lb/> erkärte. Nicht einmal darauf will die Regierung<lb/> eingehen, daß die bosniſche <choice><sic>mti</sic><corr>mit</corr></choice> der öſterreichiſchen<lb/> Lokalbahnvorlage verbunden wird — es ſoll nur<lb/> die bosniſche bewilligt werden! Ob ſich die öſter-<lb/> reichiſchen Volksvertreter auch das noch gefallen<lb/> laſſen? Wir glauben: Ja!</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Der Balkanfriede.<lb/> Rufe nach den Blutbädern.</hi> </head><lb/> <p>Aus Konſtantinopel kam die Botſchaft, daß<lb/> der Friede zwiſchen der Türkei und Griechenland<lb/> geſchloſſen iſt. Damit iſt endgültig Ruhe auf dem<lb/> von den raſch aufeinander folgenden Kriegen erſchüt-<lb/> terten Balkan eingekehrt. Die letzten Hinderniſſe:<lb/> die Rivalitäten und die ernſten Differenzen zwiſchen<lb/> Griechenland und der Türkel ſind beſeitigt. Noch<lb/> brodelts. In Serbien und in Bulgarien findet man<lb/> ſich nur ſchwer in das Schickſal, das der zweite<lb/> Balkankrieg über das Land gebracht hat; aber<lb/> dieſe Stimmungen und Mißſtimmungen ſchlummern<lb/> in der Tiefe und werden kaum ſo bald an die<lb/> Oberfläche kommen. Daß aber ſpäter einmal, wenn<lb/> Bulgarien ſich erholt hat und die Situation eine<lb/> günſtigere iſt, Bulgarien mit der Vollkraft aller<lb/> Leidenſchaften an Serbien Rache zu nehmen ver-<lb/> ſuchen wird, iſt wohl vorausſichtlich.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jLocal" n="1"> <head> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#b">Pettauer Nachrichten.</hi> </hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Gattin und Tochter vergiftet.</hi> </head> <p>Montag<lb/> abends wurde in Leoben der 1876 in Wendroſchitz,<lb/> Bezirk Pettau, geborene Werksarbeiter Joſef<lb/><hi rendition="#g">Petrena,</hi> welcher ſeit vier Monaten in den<lb/> Werken der alpinen Montangeſellſchaft in Donawitz<lb/> beſchäftigt iſt, unter dem Verdachte, ſeine Frau und<lb/> Tochter vergiftet zu haben, von der Gendarmerie<lb/> verhaftet. Petrena fuhr letzten Sonntag zu ſeiner<lb/> von ihm getrennt lebenden Gattin Marie Petrena<lb/> nach Großſonntag, um ſie angeblich zu beſuchen.<lb/> Er ging mit ihr und ſeinem ſechsjährigen Töch-<lb/> terchen in ein Gaſthaus und beſtellte dort einen<lb/><cb/> Liter Wein. Plötzlich entfernte ſich der Mann und<lb/> löſte eine Schnellzugskarte und fuhr, ohne vorher<lb/> von ſeiner Frau Abſchied genommen zu haben,<lb/> nach Leoben. Am Heimwege vom Gaſthauſe bereits<lb/> wurden Frau und Tochter Petrenas von ſchwerem<lb/> Unwohlſein befallen. Dle Frau ſtarb bald darauf,<lb/> während das Mädchen mit dem Tode ringt. —<lb/> Alle Anzeichen laſſen darauf ſchließen, daß eine<lb/> Vergiftung ſeitens des Gatten vorliegt. Auf Grund<lb/> der Anzeige wurde Petrena verhaftet und dem<lb/> Kreisgerichte Leoben eingeliefert. Petrena lebte in<lb/> Donawitz mit der Witwe Windiſch in Konkubinat.<lb/> Die Witwe hat bereits ſechs Kinder im Alter von<lb/> fünf bis zwölf Jahren. Petrena gab ſich ihr gegen-<lb/> über als ledig aus und traf bereits Anſtalten, um<lb/> ſie zu ehelichen. Er ließ ſich bereits pfarrämtlich<lb/> verkünden. Als die Frau Petrenas vor einigen<lb/> Wochen ihren Gatten beſuchte, ſagte er, nachdem<lb/> ſeine Frau wieder fort war, zur Windiſch, daß<lb/> dieſe die ehemalige Wirtſchafterin geweſen ſei.<lb/> Petrena leugnet, einen Giftmord an ſeiner Gattin<lb/> verübt zu haben.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jVarious" n="1"> <head> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#b">Eigenberichte.</hi> </hi> </head> <dateline><hi rendition="#b">Hohenmanthen,</hi> 15. November.</dateline><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#g">(Schiller-<lb/> und Jahrhundertfeier.)</hi> </head> <p>Die Frauen- und<lb/> Mädchenortsgruppe „Drautal“ des Deutſchen Schul-<lb/> vereines veranſtaltete am 10. November unter ge-<lb/> fälliger Mitwirkung des Pragerhofer Vokalquartettes<lb/> in Herrn Dobnigs Gaſthof eine Schiller- und Jahr-<lb/> hundertgedenkfeier. welche würdig und genußreich<lb/> verlief. Nach der die Bedeutung des Tages beleuch-<lb/> tenden Rede des Herrn Bürgermeiſters Erber brachte<lb/> das Pragerhofer Quartett, beſtehend aus den Herren<lb/> Peinitſch, Nowak, Oberlehrer Krek (Dirigent) und<lb/> Pfeifer, Prlen des deutſchen Liederſchatzes meiſter-<lb/> haft zum Vortrage; der ſelten ſchöne Zuſammen-<lb/> klang der vier prächtigen Stimmen löſte berechtigten<lb/> und nicht enden wollenden Beifall aus. Desgleichen<lb/> muß des ſchönen Zitherſpieles des Herrn L. Nowak<lb/> ehrend gedacht werden. Wenn dem Deutſchen Schul-<lb/> vereine ein für hieſige Verhältniſſe anſehnliches<lb/> Sümmchen zugeführt werden kann, ſo gebührt hie-<lb/> für in erſter Linte der größte Dank den Prager-<lb/> hofer Herren, die in uneigennützigſter Weiſe die<lb/> Reiſe hieher nicht ſcheuten, um der völkiſchen Sache<lb/> einen Dienſt zu erweiſen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline><hi rendition="#b">Rohitſch,</hi> 14. November.</dateline> <head> <hi rendition="#g">(Brandlegung.)</hi> </head><lb/> <p>Das Wirtſchaftsgebäude des Peter <hi rendition="#g">Klamenſek</hi><lb/> in Dobovetz brannte infolge Brandlegung nieder.<lb/> Der Schaden von 3000 K. iſt nur zur Hälfte<lb/> durch Verſicherung gedeckt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline><hi rendition="#b">Oberhaag,</hi> 15. November.</dateline> <head> <hi rendition="#g">(Brand.)</hi> </head> <p>G<supplied>e</supplied>-<lb/> ſtern mittags brach bei Herrn Johann <hi rendition="#g">Ulbing</hi><lb/> vulgo Weberſchneider in Buchegg bei Oberhaag ein<lb/> Feuer aus, welches das ganze Stallgebäude ein-<lb/> äſcherte. Dem raſchen Eingreifen der Feuerwehren<lb/> von Oberhaag und St. Johann unter Hauptmann<lb/> Alois Krieger iſt es zu verdanken, daß das Wohn-<lb/> gebäude verſchont blieb. Bei den Löſcharbeiten tat<lb/><cb/> ſich beſonders Frau Karoline Paſſegger hervor, welche<lb/> trotz ihrer verſengten Kleider und der erlittenen<lb/> Brandwunden wacker weiterarbeitete. Der Schaden iſt<lb/> größtenteils durch Verſicherung gedeckt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline><hi rendition="#b">Radkersburg,</hi> 16. November.</dateline> <head> <hi rendition="#g">(Ein Pferd<lb/> durch den elektriſchen Strom getötet.)</hi> </head><lb/> <p>Geſtern fuhr der Grnndbeſitzer Endel aus Deutſch-<lb/> Haſeldorf bei Klöch mit ſeinem Pferde nach Rad-<lb/> kersburg. Auf der Bahnhofſtraße, im Zuge der<lb/> Goritzerſtraße, iſt man eben mit der Vollendung<lb/> der elektriſchen Beleuchtungsanlage beſchäftigt. Durch<lb/> einen unglücklichen Zufall kam das Pferd mit einer<lb/> elektriſchen Leitung in Berührung und wurde durch<lb/> den elektriſchen Strom auf der Stelle getötet. Das<lb/> Pferd war noch jung und hatte nach Angabe des<lb/> Beſitzers einen Wert von 1200 K.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline><hi rendition="#b">Oberradkersburg,</hi> 15. November.</dateline> <head> <hi rendition="#g">(Im<lb/> Rauche erſtickt.)</hi> </head> <p>Die Antonia <hi rendition="#g">Mix</hi> in Eich-<lb/> Ratzenberg ſperrte am 12. ihren vierjährigen Sohn<lb/> Anton, dann die dreijährige Tochter Maria und<lb/> die zweijährige Tochter Franziska im Zimmer ein<lb/> und begab ſich auf das Feld. Bei ihrer Rückkehr<lb/> fand ſie die Kinder im raucherfüllten Zimmer be-<lb/> bewußtlos auf. Der kleine Anton ſtarb am 13.<lb/> Die anderen Kinder ſind ſchwer krank. Die Kinder<lb/> dürſten mit Zündhölzchen geſpielt haben, wodurch<lb/> ſie ein Feuer entfachten und das Unglück herbet-<lb/> führten.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline><hi rendition="#b">Cilli,</hi> 15. November.</dateline> <head> <hi rendition="#g">(Teures Schnäps-<lb/> chen.)</hi> </head> <p>Dem Hochenegger Schneidermeiſter Anton<lb/><hi rendition="#g">Eller</hi> wurde am 12. November, während er in<lb/> einer Greisleret in Hochenegg ein Stamperl<lb/> Schnaps trank, ſeine Geldbörſe mit 140 Kronen<lb/> geſtohlen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline><hi rendition="#b">Rann,</hi> 14. November.</dateline> <head> <hi rendition="#g">(Schon wieder<lb/> kroatiſche Einbrecher.)</hi> </head> <p>Geſtern brachen beim<lb/> Kaufmanne Joſef <hi rendition="#g">Kopinc</hi> in Dobova kroatiſche<lb/> Strolche ein und ſtahlen 600 K. Bargeld und<lb/> Waren im gleich hohen Wertbetrage. Auf die<lb/> Hausleute ſchoſſen die Diebe aus Revolvern, ſo<lb/> daß ſich die Hausleute eiligſt flüchten mußten.<lb/> Eine Tür im Geſchäftslokale wurde von ſechs<lb/> Kugeln durchbohrt. Die Diebe flüchteten mit ihrer<lb/> Beute nach Kroatien.</p> </div><lb/> <div xml:id="a1a" next="#a1b" type="jArticle" n="2"> <dateline><hi rendition="#b">Friedau,</hi> 15. November.</dateline> <head> <hi rendition="#g">(Totſchlag.)</hi> </head> <p>Am<lb/> 9. November abends zechten im Gaſthauſe der Marie<lb/> Peitler in Wrebrovnik, Bezirk Friedau, unter an-<lb/> deren Gäſten die Brüder Alois, Joſef und Stephan<lb/> Ciglaric aus Weinberg, Franz Kociper und Ferdi-<lb/> nand Ratek aus Wrebrovnik, ſämtliche Winzers-<lb/> ſöhne. Als die Brüder Ciglaric gegen halb 9 Uhr<lb/> den dortigen Winzersſohn Joſef Majcen, dem ſie<lb/> ſeit einiger Zeit feindlich geſinnt ſind, vor dem Gaſt-<lb/> hauſe wahrnahmen, beſchloſſen ſie dieſen durchzu-<lb/> prügeln. Majcen ergriff vor den ihn verfolgenden,<lb/> mit Prügeln bewaffneten Burſchen die Flucht zu<lb/> ſeiner fünf Minuten vom Gaſthauſe entfernten Be-<lb/> hauſung. Vor derſelben ſtellte er ſich mit Hilfe<lb/> ſeines Vaters Jakob Majcen, der ſich mit einer<lb/> Hacke bewaffnet hatte, ſeinen Verſolgern zur Wehre.<lb/> Es entſtand eine Schlägerei, wobei Jakob Majcen<lb/> entwaffnet und durch Prügelhiebe zu Boden ge-</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> </div> </div> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div next="#f1c" xml:id="f1b" prev="#f1a" type="jArticle" n="2"> <p>lionär in Schulden, und die Hand eines Fräulein<lb/> von Dieskau ſollte ſie bezahlen.</p><lb/> <p>Daneben ſtieg wieder das Bild des Mannes<lb/> auf, der, allein im Leben ſtehend, den Kampf mit<lb/> dieſem aufgenommen und in dieſem Kampfe geſiegt<lb/> hatte.</p><lb/> <p>Zum erſten Male fühlte ſie jetzt mit ungeahn-<lb/> ter Stärke, daß dieſes Bild ſich ſtets zwiſchen ſie<lb/> und jeden andern drängen würde, dem man ſie zum<lb/> Welbe geben wollte. Und er? Hatte ſie nicht ſeinen<lb/> Blick tief im Herzen empfunden — ſeinen Blick,<lb/> deſſen Leuchten das innige Fühlen einer teilnahms-<lb/> vollen Seele barg?</p><lb/> <p>Äußerlich ruhig, doch in einem Aufruhr ihrer<lb/> Seele, wie ſie ihn nie zuvor gekannt hatte, betrat<lb/> ſie das Zimmer ihrer mütterlichen Pflegerin und<lb/> Freundin.</p><lb/> <p>Frau von Herſtell, eine Dame von feinen durch-<lb/> geiſtigten Zügen und gütigem Geſichtsausdruck, die<lb/> in dem Antlitz ihres Liebling wie in einem Buche<lb/> las, erkannte ſofort, daß Hildas Zuſammenkunft<lb/> mit ihrem Vater eine ſchwerwiegende Bedeutung<lb/> gehabt habe, und die Starrheit in dem Geſicht Hil-<lb/> das erſchreckte ſie.</p><lb/> <p> Die Mehrzahl aller jungen Mädchen würde<lb/> nach einem ſolchen Sturme in ihrem Innern ſich<lb/> an die Bruſt einer mütterlichen Freundin geworfen<lb/> und ihrer Seelenqual in einem Strom von Tränen<lb/> Luft gemacht haben.</p><lb/> <p> Nicht ſo Hilda.</p><lb/> <p>Ihre Seele war durch die Notwendigkeit, ſich<lb/><cb/> auf ſich ſelbſt zu verlaſſen und die nötige Kraft<lb/> aus dem eigenen Innern zu ſchöpfen, früh gefeſtigt<lb/> worden.</p><lb/> <p>So ſehr ſie auch ihre mütterliche Freundin<lb/> liebte, ſo gab es doch Gebiete in ihrem Innern,<lb/> die auch vor dieſer verſchloſſen blieben. Nicht<lb/> immer konnte Frau von Herſtell ihr Pflegekind<lb/> verſtehen.</p><lb/> <p>„Was gab es, Liebling?“ fragte ſie beſorgt.</p><lb/> <p>„Ach, nicht viel. Allein es drängt mich,<lb/> Dieskau ſofort zu verlaſſen und nach der Stadt<lb/> zu überſiedeln, ich hätte überhaupt nicht ſo lange<lb/> hier bleiben ſollen. Bitte, laſſen Sie packen, ich<lb/> werde den Wagen beſtellen.“</p><lb/> <p>Es war ein ernſter Blick, mit dem die alte<lb/> Dame Hildas verſchloſſenes Geſicht durchforſchte.</p><lb/> <p>„Haſt Du kein Vertrauen mehr zu mir, Hilda?<lb/> Warum reiſen wir ſo plötzlich?“</p><lb/> <p>„Die Herren von Dieskau haben mich dem<lb/> Herrn Baron Sakal zur Gattin beſtimmt, und ich<lb/> möchte mich der Nähe dieſes Gentleman und der<lb/> mir zugedachten Ehre entziehen.“</p><lb/> <p>Die alte Dame erſchrack, denn dieſer zweifel-<lb/> hafte Herr war ihr ebenſo widerwärtig als Hilda,<lb/> zugleich aber überraſchte ſie dieſe Mitteilung umſo-<lb/> mehr, als ſie das kräftige Standesbewußtſein des<lb/> alten Herrn kannte. Wie ſchlimm mußte es um<lb/> die Vermögensverhältniſſe beſtellt ſein, wenn er ſich<lb/> entſchloß, ſein Kind dieſem Emporkömmling zu<lb/> geben, ſagte ſich die erfahrene Frau.</p><lb/> <cb/> <p>„Sollte Dein Entſchluß nicht etwas übereilt<lb/> kommen?“</p><lb/> <p>„Nein, Mütterchen, ich fürchte die Roheit und<lb/> Gewalttätigkeit Haralds, der unzweifelhaft der Vater<lb/> des Gedankens iſt, mich zur Frau von Sakal zu<lb/> machen. Wir müſſen ſchleunigſt den Rückzug an-<lb/> treten.“</p><lb/> <p>Dann ſchoß ihr allerdings der Gedanke durch<lb/> den Kopf, daß ſie mit der Entfernung von Dieskau<lb/> auch der Möglichkeit beraubt wurde, ‚ihn’ wieder-<lb/> zuſehen.</p><lb/> <p>Ein gütiges Geſchick hatte ihn in die Wälder<lb/> von Dieskau geführt, warum ſollte er jetzt trennend<lb/> zwiſchen ſie treten? Welche widerwärtige Erſcheinung<lb/> bildete dieſer Sakal neben Holtau! Selbſt Harald,<lb/> der einſt in der Uniform eine ritterliche Figur bot,<lb/> nahm ſich jetzt recht unvorteilhaft neben dem vor-<lb/> nehmen Holtau aus. Aber was halfen alle<lb/> Grübeleien.</p><lb/> <p>Hilda ſagte reſolut:</p><lb/> <p>„Wir <hi rendition="#g">müſſen</hi> reiſen.“</p><lb/> <p>„Doch nicht, ohne vorher Deinen Vater von<lb/> Deiner Abſicht in Kenntnis zu ſetzen?“</p><lb/> <p>„Es wird das beſte ſein, nicht zu fragen,<lb/> wir ſetzen uns ſonſt Unannehmlichkeiten aus.“</p><lb/> <p>„Nein, Kind, das wäre gegen meine Pflicht.“</p><lb/> <p>„So gehe ich ſofort und allein nach der<lb/> Station, Du kennſt Harald nicht wie ich.“</p><lb/> <p>Die alte Dame ſah ſehr beſorgt aus.</p><lb/> <p>„Du ſiehſt vielleicht zu ſchwarz, Hilda. Laß<lb/> mich mit Deinem Bater reden, er wird Deinem</p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [2/0002]
Marburger Zeitung Nr. 138, 18. November 1913
Politiſche Umſchau.
Bosnien geht vor!
Die Lokalbahnvorlage.
Seit Jahren wird die öſterreichiſche Lokalbahn-
vorlage, bezw. ihre Geſetzwerdung von den Abge-
ordneten verlangt, aber die Regierung hat, wie
ſiets bei Volksforderungen, kein Geld; Geld hat
ſie nur für Großkampfſchiffe und andere Groß-
machiforderungen, u. zw. gleich für hunderte Millionen.
Unſere Lokalbahnforderungen ſchlaſen alſo. Da
kommt die Regierung urplötzlich mit einer Lokal-
bahnvorlage, die ſie raſch erledigt haben will und
ſchon die kaiſerliche Vorſanktion erhielt, bevor die
Öffentlichkeit von ihr etwas wußte — aber es iſt
eine Lokalbahnvorlage für Bosnien und Herzego-
wina, welche natürlich aus unſeren Taſchen bezahlt
werden ſoll. Die öſterreichiſche Lokalbahnvorlage
aber ſoll wieder zurückgeſtellt werden, wie der
Eiſenbahnminiſter dieſer Tage den Abgeordneten
erkärte. Nicht einmal darauf will die Regierung
eingehen, daß die bosniſche mit der öſterreichiſchen
Lokalbahnvorlage verbunden wird — es ſoll nur
die bosniſche bewilligt werden! Ob ſich die öſter-
reichiſchen Volksvertreter auch das noch gefallen
laſſen? Wir glauben: Ja!
Der Balkanfriede.
Rufe nach den Blutbädern.
Aus Konſtantinopel kam die Botſchaft, daß
der Friede zwiſchen der Türkei und Griechenland
geſchloſſen iſt. Damit iſt endgültig Ruhe auf dem
von den raſch aufeinander folgenden Kriegen erſchüt-
terten Balkan eingekehrt. Die letzten Hinderniſſe:
die Rivalitäten und die ernſten Differenzen zwiſchen
Griechenland und der Türkel ſind beſeitigt. Noch
brodelts. In Serbien und in Bulgarien findet man
ſich nur ſchwer in das Schickſal, das der zweite
Balkankrieg über das Land gebracht hat; aber
dieſe Stimmungen und Mißſtimmungen ſchlummern
in der Tiefe und werden kaum ſo bald an die
Oberfläche kommen. Daß aber ſpäter einmal, wenn
Bulgarien ſich erholt hat und die Situation eine
günſtigere iſt, Bulgarien mit der Vollkraft aller
Leidenſchaften an Serbien Rache zu nehmen ver-
ſuchen wird, iſt wohl vorausſichtlich.
Pettauer Nachrichten.
Gattin und Tochter vergiftet. Montag
abends wurde in Leoben der 1876 in Wendroſchitz,
Bezirk Pettau, geborene Werksarbeiter Joſef
Petrena, welcher ſeit vier Monaten in den
Werken der alpinen Montangeſellſchaft in Donawitz
beſchäftigt iſt, unter dem Verdachte, ſeine Frau und
Tochter vergiftet zu haben, von der Gendarmerie
verhaftet. Petrena fuhr letzten Sonntag zu ſeiner
von ihm getrennt lebenden Gattin Marie Petrena
nach Großſonntag, um ſie angeblich zu beſuchen.
Er ging mit ihr und ſeinem ſechsjährigen Töch-
terchen in ein Gaſthaus und beſtellte dort einen
Liter Wein. Plötzlich entfernte ſich der Mann und
löſte eine Schnellzugskarte und fuhr, ohne vorher
von ſeiner Frau Abſchied genommen zu haben,
nach Leoben. Am Heimwege vom Gaſthauſe bereits
wurden Frau und Tochter Petrenas von ſchwerem
Unwohlſein befallen. Dle Frau ſtarb bald darauf,
während das Mädchen mit dem Tode ringt. —
Alle Anzeichen laſſen darauf ſchließen, daß eine
Vergiftung ſeitens des Gatten vorliegt. Auf Grund
der Anzeige wurde Petrena verhaftet und dem
Kreisgerichte Leoben eingeliefert. Petrena lebte in
Donawitz mit der Witwe Windiſch in Konkubinat.
Die Witwe hat bereits ſechs Kinder im Alter von
fünf bis zwölf Jahren. Petrena gab ſich ihr gegen-
über als ledig aus und traf bereits Anſtalten, um
ſie zu ehelichen. Er ließ ſich bereits pfarrämtlich
verkünden. Als die Frau Petrenas vor einigen
Wochen ihren Gatten beſuchte, ſagte er, nachdem
ſeine Frau wieder fort war, zur Windiſch, daß
dieſe die ehemalige Wirtſchafterin geweſen ſei.
Petrena leugnet, einen Giftmord an ſeiner Gattin
verübt zu haben.
Eigenberichte. Hohenmanthen, 15. November.
(Schiller-
und Jahrhundertfeier.) Die Frauen- und
Mädchenortsgruppe „Drautal“ des Deutſchen Schul-
vereines veranſtaltete am 10. November unter ge-
fälliger Mitwirkung des Pragerhofer Vokalquartettes
in Herrn Dobnigs Gaſthof eine Schiller- und Jahr-
hundertgedenkfeier. welche würdig und genußreich
verlief. Nach der die Bedeutung des Tages beleuch-
tenden Rede des Herrn Bürgermeiſters Erber brachte
das Pragerhofer Quartett, beſtehend aus den Herren
Peinitſch, Nowak, Oberlehrer Krek (Dirigent) und
Pfeifer, Prlen des deutſchen Liederſchatzes meiſter-
haft zum Vortrage; der ſelten ſchöne Zuſammen-
klang der vier prächtigen Stimmen löſte berechtigten
und nicht enden wollenden Beifall aus. Desgleichen
muß des ſchönen Zitherſpieles des Herrn L. Nowak
ehrend gedacht werden. Wenn dem Deutſchen Schul-
vereine ein für hieſige Verhältniſſe anſehnliches
Sümmchen zugeführt werden kann, ſo gebührt hie-
für in erſter Linte der größte Dank den Prager-
hofer Herren, die in uneigennützigſter Weiſe die
Reiſe hieher nicht ſcheuten, um der völkiſchen Sache
einen Dienſt zu erweiſen.
Rohitſch, 14. November. (Brandlegung.)
Das Wirtſchaftsgebäude des Peter Klamenſek
in Dobovetz brannte infolge Brandlegung nieder.
Der Schaden von 3000 K. iſt nur zur Hälfte
durch Verſicherung gedeckt.
Oberhaag, 15. November. (Brand.) Ge-
ſtern mittags brach bei Herrn Johann Ulbing
vulgo Weberſchneider in Buchegg bei Oberhaag ein
Feuer aus, welches das ganze Stallgebäude ein-
äſcherte. Dem raſchen Eingreifen der Feuerwehren
von Oberhaag und St. Johann unter Hauptmann
Alois Krieger iſt es zu verdanken, daß das Wohn-
gebäude verſchont blieb. Bei den Löſcharbeiten tat
ſich beſonders Frau Karoline Paſſegger hervor, welche
trotz ihrer verſengten Kleider und der erlittenen
Brandwunden wacker weiterarbeitete. Der Schaden iſt
größtenteils durch Verſicherung gedeckt.
Radkersburg, 16. November. (Ein Pferd
durch den elektriſchen Strom getötet.)
Geſtern fuhr der Grnndbeſitzer Endel aus Deutſch-
Haſeldorf bei Klöch mit ſeinem Pferde nach Rad-
kersburg. Auf der Bahnhofſtraße, im Zuge der
Goritzerſtraße, iſt man eben mit der Vollendung
der elektriſchen Beleuchtungsanlage beſchäftigt. Durch
einen unglücklichen Zufall kam das Pferd mit einer
elektriſchen Leitung in Berührung und wurde durch
den elektriſchen Strom auf der Stelle getötet. Das
Pferd war noch jung und hatte nach Angabe des
Beſitzers einen Wert von 1200 K.
Oberradkersburg, 15. November. (Im
Rauche erſtickt.) Die Antonia Mix in Eich-
Ratzenberg ſperrte am 12. ihren vierjährigen Sohn
Anton, dann die dreijährige Tochter Maria und
die zweijährige Tochter Franziska im Zimmer ein
und begab ſich auf das Feld. Bei ihrer Rückkehr
fand ſie die Kinder im raucherfüllten Zimmer be-
bewußtlos auf. Der kleine Anton ſtarb am 13.
Die anderen Kinder ſind ſchwer krank. Die Kinder
dürſten mit Zündhölzchen geſpielt haben, wodurch
ſie ein Feuer entfachten und das Unglück herbet-
führten.
Cilli, 15. November. (Teures Schnäps-
chen.) Dem Hochenegger Schneidermeiſter Anton
Eller wurde am 12. November, während er in
einer Greisleret in Hochenegg ein Stamperl
Schnaps trank, ſeine Geldbörſe mit 140 Kronen
geſtohlen.
Rann, 14. November. (Schon wieder
kroatiſche Einbrecher.) Geſtern brachen beim
Kaufmanne Joſef Kopinc in Dobova kroatiſche
Strolche ein und ſtahlen 600 K. Bargeld und
Waren im gleich hohen Wertbetrage. Auf die
Hausleute ſchoſſen die Diebe aus Revolvern, ſo
daß ſich die Hausleute eiligſt flüchten mußten.
Eine Tür im Geſchäftslokale wurde von ſechs
Kugeln durchbohrt. Die Diebe flüchteten mit ihrer
Beute nach Kroatien.
Friedau, 15. November. (Totſchlag.) Am
9. November abends zechten im Gaſthauſe der Marie
Peitler in Wrebrovnik, Bezirk Friedau, unter an-
deren Gäſten die Brüder Alois, Joſef und Stephan
Ciglaric aus Weinberg, Franz Kociper und Ferdi-
nand Ratek aus Wrebrovnik, ſämtliche Winzers-
ſöhne. Als die Brüder Ciglaric gegen halb 9 Uhr
den dortigen Winzersſohn Joſef Majcen, dem ſie
ſeit einiger Zeit feindlich geſinnt ſind, vor dem Gaſt-
hauſe wahrnahmen, beſchloſſen ſie dieſen durchzu-
prügeln. Majcen ergriff vor den ihn verfolgenden,
mit Prügeln bewaffneten Burſchen die Flucht zu
ſeiner fünf Minuten vom Gaſthauſe entfernten Be-
hauſung. Vor derſelben ſtellte er ſich mit Hilfe
ſeines Vaters Jakob Majcen, der ſich mit einer
Hacke bewaffnet hatte, ſeinen Verſolgern zur Wehre.
Es entſtand eine Schlägerei, wobei Jakob Majcen
entwaffnet und durch Prügelhiebe zu Boden ge-
lionär in Schulden, und die Hand eines Fräulein
von Dieskau ſollte ſie bezahlen.
Daneben ſtieg wieder das Bild des Mannes
auf, der, allein im Leben ſtehend, den Kampf mit
dieſem aufgenommen und in dieſem Kampfe geſiegt
hatte.
Zum erſten Male fühlte ſie jetzt mit ungeahn-
ter Stärke, daß dieſes Bild ſich ſtets zwiſchen ſie
und jeden andern drängen würde, dem man ſie zum
Welbe geben wollte. Und er? Hatte ſie nicht ſeinen
Blick tief im Herzen empfunden — ſeinen Blick,
deſſen Leuchten das innige Fühlen einer teilnahms-
vollen Seele barg?
Äußerlich ruhig, doch in einem Aufruhr ihrer
Seele, wie ſie ihn nie zuvor gekannt hatte, betrat
ſie das Zimmer ihrer mütterlichen Pflegerin und
Freundin.
Frau von Herſtell, eine Dame von feinen durch-
geiſtigten Zügen und gütigem Geſichtsausdruck, die
in dem Antlitz ihres Liebling wie in einem Buche
las, erkannte ſofort, daß Hildas Zuſammenkunft
mit ihrem Vater eine ſchwerwiegende Bedeutung
gehabt habe, und die Starrheit in dem Geſicht Hil-
das erſchreckte ſie.
Die Mehrzahl aller jungen Mädchen würde
nach einem ſolchen Sturme in ihrem Innern ſich
an die Bruſt einer mütterlichen Freundin geworfen
und ihrer Seelenqual in einem Strom von Tränen
Luft gemacht haben.
Nicht ſo Hilda.
Ihre Seele war durch die Notwendigkeit, ſich
auf ſich ſelbſt zu verlaſſen und die nötige Kraft
aus dem eigenen Innern zu ſchöpfen, früh gefeſtigt
worden.
So ſehr ſie auch ihre mütterliche Freundin
liebte, ſo gab es doch Gebiete in ihrem Innern,
die auch vor dieſer verſchloſſen blieben. Nicht
immer konnte Frau von Herſtell ihr Pflegekind
verſtehen.
„Was gab es, Liebling?“ fragte ſie beſorgt.
„Ach, nicht viel. Allein es drängt mich,
Dieskau ſofort zu verlaſſen und nach der Stadt
zu überſiedeln, ich hätte überhaupt nicht ſo lange
hier bleiben ſollen. Bitte, laſſen Sie packen, ich
werde den Wagen beſtellen.“
Es war ein ernſter Blick, mit dem die alte
Dame Hildas verſchloſſenes Geſicht durchforſchte.
„Haſt Du kein Vertrauen mehr zu mir, Hilda?
Warum reiſen wir ſo plötzlich?“
„Die Herren von Dieskau haben mich dem
Herrn Baron Sakal zur Gattin beſtimmt, und ich
möchte mich der Nähe dieſes Gentleman und der
mir zugedachten Ehre entziehen.“
Die alte Dame erſchrack, denn dieſer zweifel-
hafte Herr war ihr ebenſo widerwärtig als Hilda,
zugleich aber überraſchte ſie dieſe Mitteilung umſo-
mehr, als ſie das kräftige Standesbewußtſein des
alten Herrn kannte. Wie ſchlimm mußte es um
die Vermögensverhältniſſe beſtellt ſein, wenn er ſich
entſchloß, ſein Kind dieſem Emporkömmling zu
geben, ſagte ſich die erfahrene Frau.
„Sollte Dein Entſchluß nicht etwas übereilt
kommen?“
„Nein, Mütterchen, ich fürchte die Roheit und
Gewalttätigkeit Haralds, der unzweifelhaft der Vater
des Gedankens iſt, mich zur Frau von Sakal zu
machen. Wir müſſen ſchleunigſt den Rückzug an-
treten.“
Dann ſchoß ihr allerdings der Gedanke durch
den Kopf, daß ſie mit der Entfernung von Dieskau
auch der Möglichkeit beraubt wurde, ‚ihn’ wieder-
zuſehen.
Ein gütiges Geſchick hatte ihn in die Wälder
von Dieskau geführt, warum ſollte er jetzt trennend
zwiſchen ſie treten? Welche widerwärtige Erſcheinung
bildete dieſer Sakal neben Holtau! Selbſt Harald,
der einſt in der Uniform eine ritterliche Figur bot,
nahm ſich jetzt recht unvorteilhaft neben dem vor-
nehmen Holtau aus. Aber was halfen alle
Grübeleien.
Hilda ſagte reſolut:
„Wir müſſen reiſen.“
„Doch nicht, ohne vorher Deinen Vater von
Deiner Abſicht in Kenntnis zu ſetzen?“
„Es wird das beſte ſein, nicht zu fragen,
wir ſetzen uns ſonſt Unannehmlichkeiten aus.“
„Nein, Kind, das wäre gegen meine Pflicht.“
„So gehe ich ſofort und allein nach der
Station, Du kennſt Harald nicht wie ich.“
Die alte Dame ſah ſehr beſorgt aus.
„Du ſiehſt vielleicht zu ſchwarz, Hilda. Laß
mich mit Deinem Bater reden, er wird Deinem
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Benjamin Fiechter, Susanne Haaf: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat).
(2018-01-26T13:38:42Z)
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung.
(2018-01-26T13:38:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung.
(2018-01-26T13:38:42Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: keine Angabe; Silbentrennung: keine Angabe; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: keine Angabe;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |