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Marburger Zeitung. Nr. 148, Marburg, 10.12.1907.

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Nr. 148, 10. Dezember 1907 Marburger Zeitung

[Spaltenumbruch]

-- Diese Entschließung wurde unter lebhaftem Bei-
falle einstimmig angenommen. Bürgermeister
Pucher verlas sodann die eingelangten Entschuldi-
gungs- und Begrüßungsdrahtungen und -Schreiben.
Professor Aurelius Polzer in Graz sandte fol-
genden Drahtgruß: "Wohl helfen Lied und Wort
und Rat, -- doch helfen kann allein die Tat!"
(Lebhafter Beifall.) Dr. Schormann aus Mureck
entschuldigte sein Fernbleiben mit seiner Anwesenheit
beim Leichenbegängnisse des Altbürgermeisters von
Mureck; Herr Josef Schober aus Mahrenberg
mit Gesundheitsrücksichten. Als die Versammlung
geschlossen wurde, erbrauste spontan die "Wacht
am Rhein". -- Der am späten Nachmittag begon-
nenen Versammlung, die um 7 Uhr abends endete
und einen eindrucksvollen Verlauf bot, war vor-
mittags im Hofsalon der "Altdeutschen Weinstube"
eine untersteirische Vertrauensmännerversammlung
vorangegangen, deren Besuch unter dem momentan
notwendig gewordenen Lokalwechsel -- der ange-
sagte Kasinoraum war zufällig nicht benützbar --
von welchem Wechsel viele Vertrauensmänner nichts
mehr erfuhren, einigermaßen litt. Auch die Ver-
trauensmännerversammlung, die unter dem Vorsitze
des Obmannes des Leibnitzer Gewerbevereines, des
Herrn Karl Feßler, stattfand, verlief in vollster
Einmütigkeit.

Wegelagerer in der Triesterstraße.

Über einen unglaublich frechen, gewalttätigen Über-
fall, der sich vorgestern abends in der Triesterstraße
ereignete, erhalten wir folgende Mitteilung: Vor-
gestern (Sonntag) um 9 Uhr abends wurde der
Oberlehrer Herr Franz Atzler aus Roßwein in der
Triesterstraße von drei Individuen überfallen.
Während sich der Oberlehrer gegen die zwei ihm
den Weg vertretenden Wegelagerer zur Wehr setzte,
schlug der dritte, ein Militärist, von der Seite her
mit einem großen Stein nach dem Kopfe des
Oberlehrers, daß das rechte Auge in der Seh-
kraft gefährdet erscheint. Dadurch kampfunfähig
gemacht, konnte sich der Oberlehrer kaum bis zum
Gasthofe "Triesterhof" schleppen, wo ihm sofort
kalte Umschläge aufgelegt wurden. Der diensthabende
Wachmann lief den drei Wegelagerern wohl nach,
aber weder ihm noch der sofort ausgerückten
Militär-Bereitschaft der Infanteriekaserne gelang es,
der drei Wegelagerer habhaft zu werden. Der
Oberlehrer wurde mittels Fiaker nach Hause geführt
und der diensthabende Inspektionsoffizier gab ihm
zum Schutze einen bewaffneten Soldaten bis Roß-
wein mit. An diesem Abende soll auch Herr Doktor
Baumgartner fast an derselben Stelle etwas
vorher auf seinem Heimwege nach der Stadt von
denselben Wegelagerern überfallen worden sein.

Das Zigeunermädel im Blnmenge-
schäft.

Am Sonntag mittags kam in das Blumen-
geschäft der Frau Franziska Turk in der Herren-
gasse die 15 Jahre alte Zigeunerin Anna Seger,
kaufte sich dort eine Rose und ersuchte die Frau
Turk, sie möge ihr ungarische Hellerstücke um-
tauschen. Kaum hatte Frau Turk die Geldlade geöffnet,
war auch schon die Zigeunerin mit ihren Händen
darin. Nachdem die Zigeunerin das Geschäft ver-
lassen hatte, entdeckte Frau Turk den Abgang von
vier Kronen. Die Seger wurde von der Sicherheits-
wache aufgegriffen.

Warum lernen wir fremde Sprachen?

Soll diese Frage für die lebenden Sprachen Beant-
wortung finden, so kann der Zweck ein mannig-
faltiger sein. Insbesondere für das moderne Leben
ist die Kenntnis von Sprachen notwendig, sei es
im persönlichen oder schriftlichen Geschäftsverkehr,
sei es in der Gesellschaft, sei es bei Reisen im Aus-
land etc. Aber in noch höherem Maße als die prak-
tischen Momente sind es die ethischen, welche beim
Sprachstudium in Betracht zu ziehen sind. Es ist
eine alte Wahrheit, daß die Erlernung fremder
Sprachen das Gedächtnis stärkt und den Scharf-
sinn hebt. Wer nun mit dem Selbstunterricht be-
ginnen will, benötigt dazu einer gediegenen An-
leitung, und eine solche geradezu ideal angelegte ist
im Buchhandel seit vielen Jahren unter dem Titel
"Original-Methode Toussaint-Langenscheidt" zu
haben. Diese Unterrichtsbriefe, welche bisher für die
englische, französische, russische, spanische, italienische
und schwedische Sprache erschienen sind, leisten wohl
alles, was nur irgend verlangt werden kann, sowohl
in bezug auf Grammatik, Methodik und Aussprache-
bezeichnung, als auch mit Rücksicht auf die praktische
und dabei anregende Durchführung des ganzen
Lehrganges und nicht zum letzten im Hinblick auf
die typographische Ausstattung. Der Verleger hat
den Einzelpreis der Unterrichtsbriefe bei Bezug aller
[Spaltenumbruch] auf einmal herabgesetzt, wodurch eine einmalige
größere Geldausgabe erforderlich wäre, hätte nicht
die bekannte Versandbuchhandlung Schallehn & Woll-
brück in Wien 14/2, Schwendergasse 59, die Ein-
richtung getroffen, das gesamte Werk trotz Berechnung
des ermäßigten Preises gegen kleine monatliche Teil-
zahlung sogleich zu liefern, worüber der von eben
genannter Firma unserer heutigen Nummer beigelegte
Prospekt das Nähere angibt, ebenso auch über die
dort angezeigten Wörter- und Nachschlagebücher.




Aus dem Gerichtssaale.
Betrugsprozeß Wilhelm Stark.


Die Verhandlung endete erst in später Abend-
stunde. Der Verteidiger, Dr. Uranitsch, bemühte
sich nachzuweisen, daß hier kein Betrug, sondern
Krida vorliege, (wegen welchem Delikt Wilh. Stark
nach dem schweizerischen Auslieferungsvertrag
aber nicht belangt werden konnte). Die Geschworenen
schlossen sich augenscheinlich dieser Argumentation
des Verteidigers an und verneinten die Schädigungs-
absicht, worauf Wilhelm Stark freigesprochen
werden mußte.

Kindesmord.

Die 21jährige, beim Gastwirte Hufnagel in
Maria-Neustift bedienstete Magd Maria Jeza
brachte am 17. Dezember d. J. ein Kind zur Welt,
verstopfte dem Kinde den Mund mit einem festen
Knebel, schnürte Kopf, Mund und Nase des Kindes
mit einer Schürze fest zu, versteckte die Kindesleiche
durch zwei Tage in ihrem Strohsacke, weitere zwei
Tage am Dachboden, gab sie dann in eine Kiste
und warf diese samt der Kindesleiche in die Senk-
grube. Am 6. November wurde die Kiste mit der
Leiche bei der Entleerung der Senkgrube gefunden.
Die Geschworenen bejahten die Schuldfrage, worauf
die Maria Jeza zu drei Jahren schweren
Kerker verurteilt wurde.

Der Vater von seinem 14jährigen Sohne
mit der Hacke erschlagen.

Ein düsteres Familienbild.


Die "Marburger Zeitung" hat seinerzeit dar-
über berichtet, daß in Klein-Okitsch, nahe der
kroatischen Grenze, ein Vater von seinem eigenen,
einige Monate über 14 Jahre alten Sohn mit einer
Hacke in bestialischer Weise erschlagen wurde. Heute
stand der jugendliche Täter, der am 25. Dezember
1892 geborene Keuschlerssohn Johann Kranjc
wegen des Verbrechens des Totschlages, begangen
an seinem eigenen Vater, vor den Geschworenen.
Der Sachverhalt ist folgender:

Am Nachmittage des 6. Oktober 1907 erschien
der Beschuldigte beim Nachbar Georg Herceg mit
der Aufsorderung, schnell ins Kranjce'sche Haus zu
kommen, da sein Vater gleich "weg" sein werde.
Herceg und nach ihm auch andere Personen begaben
sich sofort zu Kranjc. Auf dem Wege erzählte der
Beschuldigte dem Herceg, daß sein Vater blute, weil
eine Hacke auf ihn gefallen sei. Als Herceg und
andere Nachbaren das Zimmer im Kranjc'schen
Hause betraten, fanden sie den Vater des Be-
schuldigten, Michael Kranjc, aus einer großen
Schädelwunde und mehreren Rückenverletzungen,
blutend am Boden liegen, am Fußboden des Vor-
hauses aber lagen drei blutige Hacken. Den Er-
schienenen war sofort klar, daß Michael Kranjc, der
alsbald verschied, einer Gewalttat zum Opfer
gefallen sei und daß die Tat im Zimmer verübt
worden sein müsse, weil sich im Vorhause, außer
an den drei Hacken, keine Blutspuren vorfanden.
Einer der Nachbaren schickte den Beschuldigten zur
Gendarmerie nach Leskowetz, wo Johann Kranjc
ebenfalls angab, daß sein Vater dadurch verunglückt
sei, daß ihm eine Hacke auf den Kopf gefallen sei.
Erst bei einem eingehenden Verhöre an Ort und
Stelle gestand er der Gendarmerie, daß er selbst
seinem Vater mehrere Axthiebe versetzt habe, weil
der Vater die Mutter mißhandelt habe. Während
der weiteren Erhebungen verschwand Johann Kranjc,
stellte sich aber noch am 7. Oktober selbst dem k. k.
Bezirkgerichte Pettau. Einige Stunden später wurde
auch die Witwe des getöteten-Michael Kranjc und
Mutter des Beschuldigten, Maria Kranjc unter dem
Verdachte, am Tode ihres Gatten gleichfalls schuld-
tragend zu sein, von der Gendarmerie dem be-
zeichneten Gerichte eingeliefert. Dieser Verdacht
gründete sich einerseits auf die Tatsache, daß am
Tatorte drei blutige Hacken gefunden wurden und
[Spaltenumbruch] Maria Kranjc unmittelbar vor der Tat mit ihrem
Gatten Streit gehabt hatte, anderseits auf den er-
hobenen Umstand, daß sich Maria Kraujc schon seit
zwei Jahren wiederholt geäußert hatte, daß ihr
Sohn Johann, wenn er einmal herangewachsen sein
werde, mit dem rohen Vater schon Ordnung
machen werde.

Im Zuge der Voruntersuchung wurde fest-
gestellt, daß die Familie Kranjc keinen guten Leu-
mund genießt und daß Michael Kranjc, der auch
dem Trunke ergeben war, seine Kinder und seine
Gattin, die wenig wirtschaftlich war und ihrem
Gatten auch Ursache gegeben haben soll, an ihrer
ehelichen Treue zu zweifeln, roh behandelte.

Der Rausch nach dem Gottesdienste.

Am 6. Oktober l. J. einem Sonntage, hatte
sich Michael Kranjc mit seiner Gattin und seiner
12jährigen Tochter Maria über die nahe kroatische
Grenze nach Visnica zum Gottesdienst begeben.
Nach diesem begann er zu trinken, gab für seine
Verhältnisse viel Geld aus und machte sich in
den ersten Nachmittagsstunden mit Gattin und
Tochter auf den Heimweg. Unterwegs fiel er infolge
seiner Trunkenheit in einen Bach, wobei er ganz
naß wurde, begann seine Gattin zu beschimpfen und
suchte sie auch zu mißhandeln, weshalb sie nicht an
seiner Seite blieb, sondern etwas vorausging. In
der Nähe ihrer Behausung angelangt, rief sie ihren
daheim gebliebenen Sohn Johann herbei, damit
dieser dem nachkommenden Vater die Anhöhe hin-
aufhelfe. Johann Kranjc brachte dann den Vater
tatsächlich ins Haus und half ihm beim Anziehen
eines frischen Hemdes und einer Unterhose. Dann
rief er auf Geheiß des Vaters die außer dem Hause
gebliebene Mutter herbei. Diese begab sich mit ihrem
Sohne ins Zimmer. Dort hat, nach Angabe der
Maria und des Johann Kranjc, Michael Kranjc
seiner Gattin aufgetragen, das Nachtmahl zu bereiten,
gleich darauf aber sprang er vom Bette, auf dem
er gelegen war, auf, versetzte seiner Gattin einige
Schläge und begann sie zu würgen. Maria Kranjc
gibt nun an, ihr gleichfalls im Zimmer gewesener
Sohn habe, während ihr Gatte sie festhielt, diesem
von rückwärts mit einem von ihr nicht wahr-
genommen Gegenstande einen Schlag versetzt, ihr
Gatte habe sie daraufhin losgelassen, sie sei mit
dem Rufe: "Jesus, Maria, was hast du getan!"
aus dem Hause geeilt, habe gleich darauf im Zimmer
ihren Gatten "Jesus" rufen gehört und alsbald sei
ihr Sohn aus dem Hause gekommen.

Schilderung der Bluttat.

Johann Kranjc gibt an, er sei durch das
Auftreten des Vaters gegen die Mutter in Auf-
regung geraten, ins Vorhaus geeilt, habe dort eine
Hacke ergriffen, sei ins Zimmer zurück und habe
mit der Hacke, soweit er sich erinnere, zwei scharfe
Hiebe
gegen die linke Seite und den Rücken
des Vaters geführt. Der Vater sei zu Boden gestürzt
und er habe ihm dann noch mit dem Öhre der um-
gekehrten Hacke einen Schlag auf den Kopf versetzt,
habe dann noch zwei im Vorhause hängende Hacken
in das Blut des Vaters getaucht und alle drei
blutigen Hacken ins Vorhaus gelegt, um Glauben
zu machen, der Vater sei durch die herunter-
fallenden Hacken unglücklich getroffen worden.

Sämtliche vier Wunden waren tötliche; der
letzte, mit der stumpfen Seite der Hacke geführte
Hieb auf den Kopf des am Boden liegenden Vaters
zertrümmerte die Schädelbasis und führte unmittel-
bar den Tod herbei. Der Verteidiger Dr. Rosina
trat dafür ein, daß nur Notwehr vorliege. Die Ge-
schworenen bejahten mit 11 Stimmen die Frage
auf Totschlag. Der Staatsanwalt Dr. Tschech bat
den Gerichtshof, mit Rücksicht auf die vorhergegangene
Erziehung des Knaben, sein Geständnis etc., vom
außerordentlichen Milderungsrechte ausgiebig Ge-
brauch zu machen. Der Gerichtshof entsprach diesem
Antrage und verurteilte den entarteten Sohn nur
zu drei Jahren schweren Kerker, während der
Strafsatz in diesem Falle 10 bis 20 Jahre be-
trägt.




Die Marburger Lehrerbildungsanstalt.
Geöffnet und wieder -- gesperrt.

Gestern vollzog sich in der Lehrerbildungsan-
stalt ein sonderbares Ereignis: der vierte Jahrgang
wurde vom Landesschulinspektor wieder eröffnet,
um gleich darauf neuerdings gesperrt zu werden.
Der vierte Jahrgang hatte an das Unterrichts-
ministerium, an die Statthalterei und an den Lan-
desschulinspektor gleichlautende Telegramme gerichtet,
in welcher sie um die Rückkehr der Ordnung er-

Nr. 148, 10. Dezember 1907 Marburger Zeitung

[Spaltenumbruch]

— Dieſe Entſchließung wurde unter lebhaftem Bei-
falle einſtimmig angenommen. Bürgermeiſter
Pucher verlas ſodann die eingelangten Entſchuldi-
gungs- und Begrüßungsdrahtungen und -Schreiben.
Profeſſor Aurelius Polzer in Graz ſandte fol-
genden Drahtgruß: „Wohl helfen Lied und Wort
und Rat, — doch helfen kann allein die Tat!
(Lebhafter Beifall.) Dr. Schormann aus Mureck
entſchuldigte ſein Fernbleiben mit ſeiner Anweſenheit
beim Leichenbegängniſſe des Altbürgermeiſters von
Mureck; Herr Joſef Schober aus Mahrenberg
mit Geſundheitsrückſichten. Als die Verſammlung
geſchloſſen wurde, erbrauſte ſpontan die „Wacht
am Rhein“. — Der am ſpäten Nachmittag begon-
nenen Verſammlung, die um 7 Uhr abends endete
und einen eindrucksvollen Verlauf bot, war vor-
mittags im Hofſalon der „Altdeutſchen Weinſtube“
eine unterſteiriſche Vertrauensmännerverſammlung
vorangegangen, deren Beſuch unter dem momentan
notwendig gewordenen Lokalwechſel — der ange-
ſagte Kaſinoraum war zufällig nicht benützbar —
von welchem Wechſel viele Vertrauensmänner nichts
mehr erfuhren, einigermaßen litt. Auch die Ver-
trauensmännerverſammlung, die unter dem Vorſitze
des Obmannes des Leibnitzer Gewerbevereines, des
Herrn Karl Feßler, ſtattfand, verlief in vollſter
Einmütigkeit.

Wegelagerer in der Trieſterſtraße.

Über einen unglaublich frechen, gewalttätigen Über-
fall, der ſich vorgeſtern abends in der Trieſterſtraße
ereignete, erhalten wir folgende Mitteilung: Vor-
geſtern (Sonntag) um 9 Uhr abends wurde der
Oberlehrer Herr Franz Atzler aus Roßwein in der
Trieſterſtraße von drei Individuen überfallen.
Während ſich der Oberlehrer gegen die zwei ihm
den Weg vertretenden Wegelagerer zur Wehr ſetzte,
ſchlug der dritte, ein Militäriſt, von der Seite her
mit einem großen Stein nach dem Kopfe des
Oberlehrers, daß das rechte Auge in der Seh-
kraft gefährdet erſcheint. Dadurch kampfunfähig
gemacht, konnte ſich der Oberlehrer kaum bis zum
Gaſthofe „Trieſterhof“ ſchleppen, wo ihm ſofort
kalte Umſchläge aufgelegt wurden. Der dienſthabende
Wachmann lief den drei Wegelagerern wohl nach,
aber weder ihm noch der ſofort ausgerückten
Militär-Bereitſchaft der Infanteriekaſerne gelang es,
der drei Wegelagerer habhaft zu werden. Der
Oberlehrer wurde mittels Fiaker nach Hauſe geführt
und der dienſthabende Inſpektionsoffizier gab ihm
zum Schutze einen bewaffneten Soldaten bis Roß-
wein mit. An dieſem Abende ſoll auch Herr Doktor
Baumgartner faſt an derſelben Stelle etwas
vorher auf ſeinem Heimwege nach der Stadt von
denſelben Wegelagerern überfallen worden ſein.

Das Zigeunermädel im Blnmenge-
ſchäft.

Am Sonntag mittags kam in das Blumen-
geſchäft der Frau Franziska Turk in der Herren-
gaſſe die 15 Jahre alte Zigeunerin Anna Seger,
kaufte ſich dort eine Roſe und erſuchte die Frau
Turk, ſie möge ihr ungariſche Hellerſtücke um-
tauſchen. Kaum hatte Frau Turk die Geldlade geöffnet,
war auch ſchon die Zigeunerin mit ihren Händen
darin. Nachdem die Zigeunerin das Geſchäft ver-
laſſen hatte, entdeckte Frau Turk den Abgang von
vier Kronen. Die Seger wurde von der Sicherheits-
wache aufgegriffen.

Warum lernen wir fremde Sprachen?

Soll dieſe Frage für die lebenden Sprachen Beant-
wortung finden, ſo kann der Zweck ein mannig-
faltiger ſein. Insbeſondere für das moderne Leben
iſt die Kenntnis von Sprachen notwendig, ſei es
im perſönlichen oder ſchriftlichen Geſchäftsverkehr,
ſei es in der Geſellſchaft, ſei es bei Reiſen im Aus-
land ꝛc. Aber in noch höherem Maße als die prak-
tiſchen Momente ſind es die ethiſchen, welche beim
Sprachſtudium in Betracht zu ziehen ſind. Es iſt
eine alte Wahrheit, daß die Erlernung fremder
Sprachen das Gedächtnis ſtärkt und den Scharf-
ſinn hebt. Wer nun mit dem Selbſtunterricht be-
ginnen will, benötigt dazu einer gediegenen An-
leitung, und eine ſolche geradezu ideal angelegte iſt
im Buchhandel ſeit vielen Jahren unter dem Titel
„Original-Methode Touſſaint-Langenſcheidt“ zu
haben. Dieſe Unterrichtsbriefe, welche bisher für die
engliſche, franzöſiſche, ruſſiſche, ſpaniſche, italieniſche
und ſchwediſche Sprache erſchienen ſind, leiſten wohl
alles, was nur irgend verlangt werden kann, ſowohl
in bezug auf Grammatik, Methodik und Ausſprache-
bezeichnung, als auch mit Rückſicht auf die praktiſche
und dabei anregende Durchführung des ganzen
Lehrganges und nicht zum letzten im Hinblick auf
die typographiſche Ausſtattung. Der Verleger hat
den Einzelpreis der Unterrichtsbriefe bei Bezug aller
[Spaltenumbruch] auf einmal herabgeſetzt, wodurch eine einmalige
größere Geldausgabe erforderlich wäre, hätte nicht
die bekannte Verſandbuchhandlung Schallehn & Woll-
brück in Wien 14/2, Schwendergaſſe 59, die Ein-
richtung getroffen, das geſamte Werk trotz Berechnung
des ermäßigten Preiſes gegen kleine monatliche Teil-
zahlung ſogleich zu liefern, worüber der von eben
genannter Firma unſerer heutigen Nummer beigelegte
Proſpekt das Nähere angibt, ebenſo auch über die
dort angezeigten Wörter- und Nachſchlagebücher.




Aus dem Gerichtsſaale.
Betrugsprozeß Wilhelm Stark.


Die Verhandlung endete erſt in ſpäter Abend-
ſtunde. Der Verteidiger, Dr. Uranitſch, bemühte
ſich nachzuweiſen, daß hier kein Betrug, ſondern
Krida vorliege, (wegen welchem Delikt Wilh. Stark
nach dem ſchweizeriſchen Auslieferungsvertrag
aber nicht belangt werden konnte). Die Geſchworenen
ſchloſſen ſich augenſcheinlich dieſer Argumentation
des Verteidigers an und verneinten die Schädigungs-
abſicht, worauf Wilhelm Stark freigeſprochen
werden mußte.

Kindesmord.

Die 21jährige, beim Gaſtwirte Hufnagel in
Maria-Neuſtift bedienſtete Magd Maria Jeza
brachte am 17. Dezember d. J. ein Kind zur Welt,
verſtopfte dem Kinde den Mund mit einem feſten
Knebel, ſchnürte Kopf, Mund und Naſe des Kindes
mit einer Schürze feſt zu, verſteckte die Kindesleiche
durch zwei Tage in ihrem Strohſacke, weitere zwei
Tage am Dachboden, gab ſie dann in eine Kiſte
und warf dieſe ſamt der Kindesleiche in die Senk-
grube. Am 6. November wurde die Kiſte mit der
Leiche bei der Entleerung der Senkgrube gefunden.
Die Geſchworenen bejahten die Schuldfrage, worauf
die Maria Jeza zu drei Jahren ſchweren
Kerker verurteilt wurde.

Der Vater von ſeinem 14jährigen Sohne
mit der Hacke erſchlagen.

Ein düſteres Familienbild.


Die „Marburger Zeitung“ hat ſeinerzeit dar-
über berichtet, daß in Klein-Okitſch, nahe der
kroatiſchen Grenze, ein Vater von ſeinem eigenen,
einige Monate über 14 Jahre alten Sohn mit einer
Hacke in beſtialiſcher Weiſe erſchlagen wurde. Heute
ſtand der jugendliche Täter, der am 25. Dezember
1892 geborene Keuſchlersſohn Johann Kranjc
wegen des Verbrechens des Totſchlages, begangen
an ſeinem eigenen Vater, vor den Geſchworenen.
Der Sachverhalt iſt folgender:

Am Nachmittage des 6. Oktober 1907 erſchien
der Beſchuldigte beim Nachbar Georg Herceg mit
der Aufſorderung, ſchnell ins Kranjce’ſche Haus zu
kommen, da ſein Vater gleich „weg“ ſein werde.
Herceg und nach ihm auch andere Perſonen begaben
ſich ſofort zu Kranjc. Auf dem Wege erzählte der
Beſchuldigte dem Herceg, daß ſein Vater blute, weil
eine Hacke auf ihn gefallen ſei. Als Herceg und
andere Nachbaren das Zimmer im Kranjc’ſchen
Hauſe betraten, fanden ſie den Vater des Be-
ſchuldigten, Michael Kranjc, aus einer großen
Schädelwunde und mehreren Rückenverletzungen,
blutend am Boden liegen, am Fußboden des Vor-
hauſes aber lagen drei blutige Hacken. Den Er-
ſchienenen war ſofort klar, daß Michael Kranjc, der
alsbald verſchied, einer Gewalttat zum Opfer
gefallen ſei und daß die Tat im Zimmer verübt
worden ſein müſſe, weil ſich im Vorhauſe, außer
an den drei Hacken, keine Blutſpuren vorfanden.
Einer der Nachbaren ſchickte den Beſchuldigten zur
Gendarmerie nach Leskowetz, wo Johann Kranjc
ebenfalls angab, daß ſein Vater dadurch verunglückt
ſei, daß ihm eine Hacke auf den Kopf gefallen ſei.
Erſt bei einem eingehenden Verhöre an Ort und
Stelle geſtand er der Gendarmerie, daß er ſelbſt
ſeinem Vater mehrere Axthiebe verſetzt habe, weil
der Vater die Mutter mißhandelt habe. Während
der weiteren Erhebungen verſchwand Johann Kranjc,
ſtellte ſich aber noch am 7. Oktober ſelbſt dem k. k.
Bezirkgerichte Pettau. Einige Stunden ſpäter wurde
auch die Witwe des getöteten-Michael Kranjc und
Mutter des Beſchuldigten, Maria Kranjc unter dem
Verdachte, am Tode ihres Gatten gleichfalls ſchuld-
tragend zu ſein, von der Gendarmerie dem be-
zeichneten Gerichte eingeliefert. Dieſer Verdacht
gründete ſich einerſeits auf die Tatſache, daß am
Tatorte drei blutige Hacken gefunden wurden und
[Spaltenumbruch] Maria Kranjc unmittelbar vor der Tat mit ihrem
Gatten Streit gehabt hatte, anderſeits auf den er-
hobenen Umſtand, daß ſich Maria Kraujc ſchon ſeit
zwei Jahren wiederholt geäußert hatte, daß ihr
Sohn Johann, wenn er einmal herangewachſen ſein
werde, mit dem rohen Vater ſchon Ordnung
machen werde.

Im Zuge der Vorunterſuchung wurde feſt-
geſtellt, daß die Familie Kranjc keinen guten Leu-
mund genießt und daß Michael Kranjc, der auch
dem Trunke ergeben war, ſeine Kinder und ſeine
Gattin, die wenig wirtſchaftlich war und ihrem
Gatten auch Urſache gegeben haben ſoll, an ihrer
ehelichen Treue zu zweifeln, roh behandelte.

Der Rauſch nach dem Gottesdienſte.

Am 6. Oktober l. J. einem Sonntage, hatte
ſich Michael Kranjc mit ſeiner Gattin und ſeiner
12jährigen Tochter Maria über die nahe kroatiſche
Grenze nach Visnica zum Gottesdienſt begeben.
Nach dieſem begann er zu trinken, gab für ſeine
Verhältniſſe viel Geld aus und machte ſich in
den erſten Nachmittagsſtunden mit Gattin und
Tochter auf den Heimweg. Unterwegs fiel er infolge
ſeiner Trunkenheit in einen Bach, wobei er ganz
naß wurde, begann ſeine Gattin zu beſchimpfen und
ſuchte ſie auch zu mißhandeln, weshalb ſie nicht an
ſeiner Seite blieb, ſondern etwas vorausging. In
der Nähe ihrer Behauſung angelangt, rief ſie ihren
daheim gebliebenen Sohn Johann herbei, damit
dieſer dem nachkommenden Vater die Anhöhe hin-
aufhelfe. Johann Kranjc brachte dann den Vater
tatſächlich ins Haus und half ihm beim Anziehen
eines friſchen Hemdes und einer Unterhoſe. Dann
rief er auf Geheiß des Vaters die außer dem Hauſe
gebliebene Mutter herbei. Dieſe begab ſich mit ihrem
Sohne ins Zimmer. Dort hat, nach Angabe der
Maria und des Johann Kranjc, Michael Kranjc
ſeiner Gattin aufgetragen, das Nachtmahl zu bereiten,
gleich darauf aber ſprang er vom Bette, auf dem
er gelegen war, auf, verſetzte ſeiner Gattin einige
Schläge und begann ſie zu würgen. Maria Kranjc
gibt nun an, ihr gleichfalls im Zimmer geweſener
Sohn habe, während ihr Gatte ſie feſthielt, dieſem
von rückwärts mit einem von ihr nicht wahr-
genommen Gegenſtande einen Schlag verſetzt, ihr
Gatte habe ſie daraufhin losgelaſſen, ſie ſei mit
dem Rufe: „Jeſus, Maria, was haſt du getan!“
aus dem Hauſe geeilt, habe gleich darauf im Zimmer
ihren Gatten „Jeſus“ rufen gehört und alsbald ſei
ihr Sohn aus dem Hauſe gekommen.

Schilderung der Bluttat.

Johann Kranjc gibt an, er ſei durch das
Auftreten des Vaters gegen die Mutter in Auf-
regung geraten, ins Vorhaus geeilt, habe dort eine
Hacke ergriffen, ſei ins Zimmer zurück und habe
mit der Hacke, ſoweit er ſich erinnere, zwei ſcharfe
Hiebe
gegen die linke Seite und den Rücken
des Vaters geführt. Der Vater ſei zu Boden geſtürzt
und er habe ihm dann noch mit dem Öhre der um-
gekehrten Hacke einen Schlag auf den Kopf verſetzt,
habe dann noch zwei im Vorhauſe hängende Hacken
in das Blut des Vaters getaucht und alle drei
blutigen Hacken ins Vorhaus gelegt, um Glauben
zu machen, der Vater ſei durch die herunter-
fallenden Hacken unglücklich getroffen worden.

Sämtliche vier Wunden waren tötliche; der
letzte, mit der ſtumpfen Seite der Hacke geführte
Hieb auf den Kopf des am Boden liegenden Vaters
zertrümmerte die Schädelbaſis und führte unmittel-
bar den Tod herbei. Der Verteidiger Dr. Roſina
trat dafür ein, daß nur Notwehr vorliege. Die Ge-
ſchworenen bejahten mit 11 Stimmen die Frage
auf Totſchlag. Der Staatsanwalt Dr. Tſchech bat
den Gerichtshof, mit Rückſicht auf die vorhergegangene
Erziehung des Knaben, ſein Geſtändnis ꝛc., vom
außerordentlichen Milderungsrechte ausgiebig Ge-
brauch zu machen. Der Gerichtshof entſprach dieſem
Antrage und verurteilte den entarteten Sohn nur
zu drei Jahren ſchweren Kerker, während der
Strafſatz in dieſem Falle 10 bis 20 Jahre be-
trägt.




Die Marburger Lehrerbildungsanſtalt.
Geöffnet und wieder — geſperrt.

Geſtern vollzog ſich in der Lehrerbildungsan-
ſtalt ein ſonderbares Ereignis: der vierte Jahrgang
wurde vom Landesſchulinſpektor wieder eröffnet,
um gleich darauf neuerdings geſperrt zu werden.
Der vierte Jahrgang hatte an das Unterrichts-
miniſterium, an die Statthalterei und an den Lan-
desſchulinſpektor gleichlautende Telegramme gerichtet,
in welcher ſie um die Rückkehr der Ordnung er-

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[5/0005] Nr. 148, 10. Dezember 1907 Marburger Zeitung — Dieſe Entſchließung wurde unter lebhaftem Bei- falle einſtimmig angenommen. Bürgermeiſter Pucher verlas ſodann die eingelangten Entſchuldi- gungs- und Begrüßungsdrahtungen und -Schreiben. Profeſſor Aurelius Polzer in Graz ſandte fol- genden Drahtgruß: „Wohl helfen Lied und Wort und Rat, — doch helfen kann allein die Tat!“ (Lebhafter Beifall.) Dr. Schormann aus Mureck entſchuldigte ſein Fernbleiben mit ſeiner Anweſenheit beim Leichenbegängniſſe des Altbürgermeiſters von Mureck; Herr Joſef Schober aus Mahrenberg mit Geſundheitsrückſichten. Als die Verſammlung geſchloſſen wurde, erbrauſte ſpontan die „Wacht am Rhein“. — Der am ſpäten Nachmittag begon- nenen Verſammlung, die um 7 Uhr abends endete und einen eindrucksvollen Verlauf bot, war vor- mittags im Hofſalon der „Altdeutſchen Weinſtube“ eine unterſteiriſche Vertrauensmännerverſammlung vorangegangen, deren Beſuch unter dem momentan notwendig gewordenen Lokalwechſel — der ange- ſagte Kaſinoraum war zufällig nicht benützbar — von welchem Wechſel viele Vertrauensmänner nichts mehr erfuhren, einigermaßen litt. Auch die Ver- trauensmännerverſammlung, die unter dem Vorſitze des Obmannes des Leibnitzer Gewerbevereines, des Herrn Karl Feßler, ſtattfand, verlief in vollſter Einmütigkeit. Wegelagerer in der Trieſterſtraße. Über einen unglaublich frechen, gewalttätigen Über- fall, der ſich vorgeſtern abends in der Trieſterſtraße ereignete, erhalten wir folgende Mitteilung: Vor- geſtern (Sonntag) um 9 Uhr abends wurde der Oberlehrer Herr Franz Atzler aus Roßwein in der Trieſterſtraße von drei Individuen überfallen. Während ſich der Oberlehrer gegen die zwei ihm den Weg vertretenden Wegelagerer zur Wehr ſetzte, ſchlug der dritte, ein Militäriſt, von der Seite her mit einem großen Stein nach dem Kopfe des Oberlehrers, daß das rechte Auge in der Seh- kraft gefährdet erſcheint. Dadurch kampfunfähig gemacht, konnte ſich der Oberlehrer kaum bis zum Gaſthofe „Trieſterhof“ ſchleppen, wo ihm ſofort kalte Umſchläge aufgelegt wurden. Der dienſthabende Wachmann lief den drei Wegelagerern wohl nach, aber weder ihm noch der ſofort ausgerückten Militär-Bereitſchaft der Infanteriekaſerne gelang es, der drei Wegelagerer habhaft zu werden. Der Oberlehrer wurde mittels Fiaker nach Hauſe geführt und der dienſthabende Inſpektionsoffizier gab ihm zum Schutze einen bewaffneten Soldaten bis Roß- wein mit. An dieſem Abende ſoll auch Herr Doktor Baumgartner faſt an derſelben Stelle etwas vorher auf ſeinem Heimwege nach der Stadt von denſelben Wegelagerern überfallen worden ſein. Das Zigeunermädel im Blnmenge- ſchäft. Am Sonntag mittags kam in das Blumen- geſchäft der Frau Franziska Turk in der Herren- gaſſe die 15 Jahre alte Zigeunerin Anna Seger, kaufte ſich dort eine Roſe und erſuchte die Frau Turk, ſie möge ihr ungariſche Hellerſtücke um- tauſchen. Kaum hatte Frau Turk die Geldlade geöffnet, war auch ſchon die Zigeunerin mit ihren Händen darin. Nachdem die Zigeunerin das Geſchäft ver- laſſen hatte, entdeckte Frau Turk den Abgang von vier Kronen. Die Seger wurde von der Sicherheits- wache aufgegriffen. Warum lernen wir fremde Sprachen? Soll dieſe Frage für die lebenden Sprachen Beant- wortung finden, ſo kann der Zweck ein mannig- faltiger ſein. Insbeſondere für das moderne Leben iſt die Kenntnis von Sprachen notwendig, ſei es im perſönlichen oder ſchriftlichen Geſchäftsverkehr, ſei es in der Geſellſchaft, ſei es bei Reiſen im Aus- land ꝛc. Aber in noch höherem Maße als die prak- tiſchen Momente ſind es die ethiſchen, welche beim Sprachſtudium in Betracht zu ziehen ſind. Es iſt eine alte Wahrheit, daß die Erlernung fremder Sprachen das Gedächtnis ſtärkt und den Scharf- ſinn hebt. Wer nun mit dem Selbſtunterricht be- ginnen will, benötigt dazu einer gediegenen An- leitung, und eine ſolche geradezu ideal angelegte iſt im Buchhandel ſeit vielen Jahren unter dem Titel „Original-Methode Touſſaint-Langenſcheidt“ zu haben. Dieſe Unterrichtsbriefe, welche bisher für die engliſche, franzöſiſche, ruſſiſche, ſpaniſche, italieniſche und ſchwediſche Sprache erſchienen ſind, leiſten wohl alles, was nur irgend verlangt werden kann, ſowohl in bezug auf Grammatik, Methodik und Ausſprache- bezeichnung, als auch mit Rückſicht auf die praktiſche und dabei anregende Durchführung des ganzen Lehrganges und nicht zum letzten im Hinblick auf die typographiſche Ausſtattung. Der Verleger hat den Einzelpreis der Unterrichtsbriefe bei Bezug aller auf einmal herabgeſetzt, wodurch eine einmalige größere Geldausgabe erforderlich wäre, hätte nicht die bekannte Verſandbuchhandlung Schallehn & Woll- brück in Wien 14/2, Schwendergaſſe 59, die Ein- richtung getroffen, das geſamte Werk trotz Berechnung des ermäßigten Preiſes gegen kleine monatliche Teil- zahlung ſogleich zu liefern, worüber der von eben genannter Firma unſerer heutigen Nummer beigelegte Proſpekt das Nähere angibt, ebenſo auch über die dort angezeigten Wörter- und Nachſchlagebücher. Aus dem Gerichtsſaale. Betrugsprozeß Wilhelm Stark. Marburg, 7. Dezember. Die Verhandlung endete erſt in ſpäter Abend- ſtunde. Der Verteidiger, Dr. Uranitſch, bemühte ſich nachzuweiſen, daß hier kein Betrug, ſondern Krida vorliege, (wegen welchem Delikt Wilh. Stark nach dem ſchweizeriſchen Auslieferungsvertrag aber nicht belangt werden konnte). Die Geſchworenen ſchloſſen ſich augenſcheinlich dieſer Argumentation des Verteidigers an und verneinten die Schädigungs- abſicht, worauf Wilhelm Stark freigeſprochen werden mußte. Kindesmord. Die 21jährige, beim Gaſtwirte Hufnagel in Maria-Neuſtift bedienſtete Magd Maria Jeza brachte am 17. Dezember d. J. ein Kind zur Welt, verſtopfte dem Kinde den Mund mit einem feſten Knebel, ſchnürte Kopf, Mund und Naſe des Kindes mit einer Schürze feſt zu, verſteckte die Kindesleiche durch zwei Tage in ihrem Strohſacke, weitere zwei Tage am Dachboden, gab ſie dann in eine Kiſte und warf dieſe ſamt der Kindesleiche in die Senk- grube. Am 6. November wurde die Kiſte mit der Leiche bei der Entleerung der Senkgrube gefunden. Die Geſchworenen bejahten die Schuldfrage, worauf die Maria Jeza zu drei Jahren ſchweren Kerker verurteilt wurde. Der Vater von ſeinem 14jährigen Sohne mit der Hacke erſchlagen. Ein düſteres Familienbild. Marburg, 9. Dezember. Die „Marburger Zeitung“ hat ſeinerzeit dar- über berichtet, daß in Klein-Okitſch, nahe der kroatiſchen Grenze, ein Vater von ſeinem eigenen, einige Monate über 14 Jahre alten Sohn mit einer Hacke in beſtialiſcher Weiſe erſchlagen wurde. Heute ſtand der jugendliche Täter, der am 25. Dezember 1892 geborene Keuſchlersſohn Johann Kranjc wegen des Verbrechens des Totſchlages, begangen an ſeinem eigenen Vater, vor den Geſchworenen. Der Sachverhalt iſt folgender: Am Nachmittage des 6. Oktober 1907 erſchien der Beſchuldigte beim Nachbar Georg Herceg mit der Aufſorderung, ſchnell ins Kranjce’ſche Haus zu kommen, da ſein Vater gleich „weg“ ſein werde. Herceg und nach ihm auch andere Perſonen begaben ſich ſofort zu Kranjc. Auf dem Wege erzählte der Beſchuldigte dem Herceg, daß ſein Vater blute, weil eine Hacke auf ihn gefallen ſei. Als Herceg und andere Nachbaren das Zimmer im Kranjc’ſchen Hauſe betraten, fanden ſie den Vater des Be- ſchuldigten, Michael Kranjc, aus einer großen Schädelwunde und mehreren Rückenverletzungen, blutend am Boden liegen, am Fußboden des Vor- hauſes aber lagen drei blutige Hacken. Den Er- ſchienenen war ſofort klar, daß Michael Kranjc, der alsbald verſchied, einer Gewalttat zum Opfer gefallen ſei und daß die Tat im Zimmer verübt worden ſein müſſe, weil ſich im Vorhauſe, außer an den drei Hacken, keine Blutſpuren vorfanden. Einer der Nachbaren ſchickte den Beſchuldigten zur Gendarmerie nach Leskowetz, wo Johann Kranjc ebenfalls angab, daß ſein Vater dadurch verunglückt ſei, daß ihm eine Hacke auf den Kopf gefallen ſei. Erſt bei einem eingehenden Verhöre an Ort und Stelle geſtand er der Gendarmerie, daß er ſelbſt ſeinem Vater mehrere Axthiebe verſetzt habe, weil der Vater die Mutter mißhandelt habe. Während der weiteren Erhebungen verſchwand Johann Kranjc, ſtellte ſich aber noch am 7. Oktober ſelbſt dem k. k. Bezirkgerichte Pettau. Einige Stunden ſpäter wurde auch die Witwe des getöteten-Michael Kranjc und Mutter des Beſchuldigten, Maria Kranjc unter dem Verdachte, am Tode ihres Gatten gleichfalls ſchuld- tragend zu ſein, von der Gendarmerie dem be- zeichneten Gerichte eingeliefert. Dieſer Verdacht gründete ſich einerſeits auf die Tatſache, daß am Tatorte drei blutige Hacken gefunden wurden und Maria Kranjc unmittelbar vor der Tat mit ihrem Gatten Streit gehabt hatte, anderſeits auf den er- hobenen Umſtand, daß ſich Maria Kraujc ſchon ſeit zwei Jahren wiederholt geäußert hatte, daß ihr Sohn Johann, wenn er einmal herangewachſen ſein werde, mit dem rohen Vater ſchon Ordnung machen werde. Im Zuge der Vorunterſuchung wurde feſt- geſtellt, daß die Familie Kranjc keinen guten Leu- mund genießt und daß Michael Kranjc, der auch dem Trunke ergeben war, ſeine Kinder und ſeine Gattin, die wenig wirtſchaftlich war und ihrem Gatten auch Urſache gegeben haben ſoll, an ihrer ehelichen Treue zu zweifeln, roh behandelte. Der Rauſch nach dem Gottesdienſte. Am 6. Oktober l. J. einem Sonntage, hatte ſich Michael Kranjc mit ſeiner Gattin und ſeiner 12jährigen Tochter Maria über die nahe kroatiſche Grenze nach Visnica zum Gottesdienſt begeben. Nach dieſem begann er zu trinken, gab für ſeine Verhältniſſe viel Geld aus und machte ſich in den erſten Nachmittagsſtunden mit Gattin und Tochter auf den Heimweg. Unterwegs fiel er infolge ſeiner Trunkenheit in einen Bach, wobei er ganz naß wurde, begann ſeine Gattin zu beſchimpfen und ſuchte ſie auch zu mißhandeln, weshalb ſie nicht an ſeiner Seite blieb, ſondern etwas vorausging. In der Nähe ihrer Behauſung angelangt, rief ſie ihren daheim gebliebenen Sohn Johann herbei, damit dieſer dem nachkommenden Vater die Anhöhe hin- aufhelfe. Johann Kranjc brachte dann den Vater tatſächlich ins Haus und half ihm beim Anziehen eines friſchen Hemdes und einer Unterhoſe. Dann rief er auf Geheiß des Vaters die außer dem Hauſe gebliebene Mutter herbei. Dieſe begab ſich mit ihrem Sohne ins Zimmer. Dort hat, nach Angabe der Maria und des Johann Kranjc, Michael Kranjc ſeiner Gattin aufgetragen, das Nachtmahl zu bereiten, gleich darauf aber ſprang er vom Bette, auf dem er gelegen war, auf, verſetzte ſeiner Gattin einige Schläge und begann ſie zu würgen. Maria Kranjc gibt nun an, ihr gleichfalls im Zimmer geweſener Sohn habe, während ihr Gatte ſie feſthielt, dieſem von rückwärts mit einem von ihr nicht wahr- genommen Gegenſtande einen Schlag verſetzt, ihr Gatte habe ſie daraufhin losgelaſſen, ſie ſei mit dem Rufe: „Jeſus, Maria, was haſt du getan!“ aus dem Hauſe geeilt, habe gleich darauf im Zimmer ihren Gatten „Jeſus“ rufen gehört und alsbald ſei ihr Sohn aus dem Hauſe gekommen. Schilderung der Bluttat. Johann Kranjc gibt an, er ſei durch das Auftreten des Vaters gegen die Mutter in Auf- regung geraten, ins Vorhaus geeilt, habe dort eine Hacke ergriffen, ſei ins Zimmer zurück und habe mit der Hacke, ſoweit er ſich erinnere, zwei ſcharfe Hiebe gegen die linke Seite und den Rücken des Vaters geführt. Der Vater ſei zu Boden geſtürzt und er habe ihm dann noch mit dem Öhre der um- gekehrten Hacke einen Schlag auf den Kopf verſetzt, habe dann noch zwei im Vorhauſe hängende Hacken in das Blut des Vaters getaucht und alle drei blutigen Hacken ins Vorhaus gelegt, um Glauben zu machen, der Vater ſei durch die herunter- fallenden Hacken unglücklich getroffen worden. Sämtliche vier Wunden waren tötliche; der letzte, mit der ſtumpfen Seite der Hacke geführte Hieb auf den Kopf des am Boden liegenden Vaters zertrümmerte die Schädelbaſis und führte unmittel- bar den Tod herbei. Der Verteidiger Dr. Roſina trat dafür ein, daß nur Notwehr vorliege. Die Ge- ſchworenen bejahten mit 11 Stimmen die Frage auf Totſchlag. Der Staatsanwalt Dr. Tſchech bat den Gerichtshof, mit Rückſicht auf die vorhergegangene Erziehung des Knaben, ſein Geſtändnis ꝛc., vom außerordentlichen Milderungsrechte ausgiebig Ge- brauch zu machen. Der Gerichtshof entſprach dieſem Antrage und verurteilte den entarteten Sohn nur zu drei Jahren ſchweren Kerker, während der Strafſatz in dieſem Falle 10 bis 20 Jahre be- trägt. Die Marburger Lehrerbildungsanſtalt. Geöffnet und wieder — geſperrt. Geſtern vollzog ſich in der Lehrerbildungsan- ſtalt ein ſonderbares Ereignis: der vierte Jahrgang wurde vom Landesſchulinſpektor wieder eröffnet, um gleich darauf neuerdings geſperrt zu werden. Der vierte Jahrgang hatte an das Unterrichts- miniſterium, an die Statthalterei und an den Lan- desſchulinſpektor gleichlautende Telegramme gerichtet, in welcher ſie um die Rückkehr der Ordnung er-

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Zitationshilfe: Marburger Zeitung. Nr. 148, Marburg, 10.12.1907, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_marburger148_1907/5>, abgerufen am 21.11.2024.